European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00050.76.0120.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.508,96 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 960,-- S, Umsatzsteuer 336,96 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
G* verschuldete mit seinem PKW Citroën DS 21, Kennzeichen *, am 28. 2. 1972 in G* bei einem riskanten Überholmanöver einen Frontalzusammenstoß mit dem ihm entgegenkommenden, von E* gelenkten PKW. E* erlitt dabei tödliche Verletzungen. Wegen dieses Unfalles wurde G* mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 21. 7. 1972, GZ 5 Vr 907/72, rechtskräftig wegen des Vergehens nach §§ 335, 337 lit a StG verurteilt. Die Klägerin anerkannte als Sozialversicherer des getöteten E* den vorgenannten Unfall als Arbeitsunfall und erbrachte und erbringt an dessen Hinterbliebene Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem ASVG. G* war mit dem vorgenannten PKW bei der Beklagten haftpflichtversichert.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin als Legalzessionar von der Beklagten die Zahlung von 140.102,75 S samt Anhang und beantragt ferner die Feststellung, daß ihr die Beklagte auf Grund des mit G* abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages bis zur Höhe der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen alle jene Leistungen zu ersetzen habe, die sie aus Anlaß des vorgenannten Unfalles auf Grund der jeweiligen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die gesetzliche Unfallversicherung an die Hinterbliebenen des E* zu erbringen haben werde, insoweit ein präsenter Deckungsfonds vorhanden sei. Sie habe an die Witwe und ein Kind (Waise) des E* in der Zeit von 1. 3. 1972 bis 31. 12. 1974 Pflichtleistungen in der Höhe des Klagsbetrages erbracht, wodurch deren Schadenersatzansprüche auf sie gemäß § 332 Abs 1 ASVG übergegangen seien. Auch in Zukunft werde sie noch weitere Leistungen zu erbringen haben, deren Höhe derzeit noch nicht ermittelt werden könne. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, daß ihre Haftung gegenüber geschädigten Dritten bereits nach § 158 c Abs 2 VersVG erloschen sei. Sie sei nämlich von der Zulassungsbehörde nach der von ihr nach § 61 Abs 3 KFG erstatteten Anzeige über ihre Leistungsfreiheit nach § 38 Abs 1 VersVG mit Schreiben vom 17. 12. 1971 (Beilage ./2) von der Aufhebung der Zulassung des vorgenannten Fahrzeuges verständigt worden. Daraufhin habe sie mit Schreiben vom 31. 12. 1971 gemäß § 38 Abs 1 VersVG ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag erklärt. Dieses Schreiben sei an die ihr von G* bekanntgegebene Anschrift gerichtet worden. Eine Anzeige im Sinne des § 61 Abs 4 KFG sei nicht mehr erforderlich gewesen, um die einmonatige Frist des § 158 c Abs 2 VersVG in Lauf zu setzen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf noch folgende Feststellungen: Bei Abschluß des Versicherungsvertrages gab G* der Beklagten seine Anschrift mit *, an. Auf Grund der von der Beklagten erstatteten Anzeige nach § 61 Abs 3 KFG vom 17. 11. 1971 hob die Bundespolizeidirektion *, Verkehrsamt, mit Bescheid vom 19. 11. 1971, Zl. * die Zulassung des PKWs des G* nach § 44 Abs 1 lit b KFG auf und ordnete die unverzügliche Rückstellung der Kennzeichentafeln und des Zulassungscheines unter gleichzeitiger Androhung der zwangsweisen Abnahme des Kennzeichens an. Die mit dem Vollzug betrauten Sicherheitswachebeamten berichteten jedoch am 23. 11. 1971 der Bundespolizeidirektion *, Verkehrsamt, daß der Zulassungsbesitzer G* nicht mehr in *, wohnhaft und seine neue Anschrift dem Hauptmeldeamt in * nicht bekannt sei. Über Anfrage vom 16. 12. 1971 verständigte die Bundespolizeidirektion * die Beklagte mit Schreiben vom 17. 12. 1971 (Beilage ./2), daß die Zulassung des versicherten Kraftfahrzeuges auf Grund der erstatteten Anzeige vom 17. 11. 1971 im Sinne des § 61 Abs 3 KFG mit Bescheid vom 19. 11. 1971 aufgehoben worden sei. Gleichzeitig teilte die Bundespolizeidirektion * mit, daß der derzeitige Aufenthalt des G* unbekannt sei und daher die Kennzeichentafeln und der Zulassungsschein bisher nicht hätten eingezogen werden können. Die Beklagte richtete hierauf am 31. 12. 1971 an G* die Geschäftspostkarte (Beilage ./4) mit folgendem Wortlaut: „Wir verweisen auf die einschlägigen Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (§ 38 beziehungsweise § 39) und treten vom obengenannten Vertrag zurück beziehungsweise kündigen ihn mit sofortiger Wirkung. Der Vertrag wurde daher von uns als erloschen vorgemerkt.“ Diese Geschäftspostkarte kam am 4. 1. 1972 mit dem postamtlichen Vermerk „verzogen“ zurück. Eine andere (als die vorgenannte) Anschrift des G* war der Beklagten damals nicht bekannt. Zur Zeit der Absendung dieser Geschäftspostkarte bestand ein zum Vertragsrücktritt berechtigender Prämienrückstand des G*. Vor dem Versicherungsfall (28. 2. 1972) erstattete die Beklagte der Zulassungsbehörde von der erfolgten Beendigung des Versicherungsverhältnisses keine Anzeige mehr. Erst mit Schreiben vom 6. 4. 1972 (Seite 30 des Zulassungsaktes) verständigte die Beklagte die Bundespolizeidirektion *, Verkehrsamt, im Sinne des § 61 Abs 4 KFG. Das Erstgericht war der Ansicht, daß im Zeitpunkte des Verkehrsunfalles (28.2.1972) eine Haftung der Beklagten gegenüber geschädigten Dritten infolge Ablaufes der einmonatigen Frist des § 158 c Abs 2 VersVG nicht mehr bestanden habe. Das Versicherungsverhältnis mit G* sei spätestens am 4. 1. 1972 beendet worden. Eine Anzeige im Sinne des § 61 Abs 4 KFG sei nicht mehr erforderlich gewesen, um die vorgenannte einmonatige Frist in Gang zu setzen, weil die Bundespolizeidirektion *, Verkehrsamt, die Beklagte bereits mit Schreiben vom 17. 12. 1971 (Beilage ./2) von der erfolgten Aufhebung der Zulassung des Unfallfahrzeuges verständigt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO. Sie beantragt, das bekämpfte Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin beharrt auf ihrem bereits vor den Unterinstanzen vertretenen Standpunkt, daß im gegenständlichen Falle die Leistungsfreiheit der Beklagten gegenüber geschädigten Dritten (Hinterbliebene des E*) erst mit Ablauf eines Monats nach der der Behörde erstatteten Anzeige von der Beendigung des Haftpflichtversicherungsverhältnisses hinsichtlich des Unfallsfahrzeuges wirksam geworden sei. Eine solche Anzeige durch die Beklagte sei jedoch erst am 6. 4. 1972 (also lange nach Eintritt des Schadensfalles) erfolgt. Die Regelung des § 61 Abs 4 zweiter und dritter Satz KFG sei nur dann sinnvoll, wenn die Zulassung des haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges bereits rechtskräftig aufgehoben und das Kennzeichen eingezogen worden sei. Dies zeige der vorliegende Fall, in dem trotz Aufhebung der Zulassung das Fahrzeug noch Monate im Verkehr geblieben sei.
Den Revisionsausführungen ist darin beizupflichten, daß in der Regel nur durch die bei der Behörde erfolgte Anzeige des Versicherers vom Nichtbestehen oder der Beendigung der für ein Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung nach § 61 Abs 4 KFG, nicht aber durch eine bloße Verständigung von der im Innenverhältnis zum Versicherten bestehenden Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 Abs 3 KFG die einmonatige Frist des § 158 c Abs 2 VersVG in Gang gesetzt wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 61 Abs 4 zweiter Satz KFG ist jedoch die Anzeige von der Beendigung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung dann nicht mehr erforderlich, wenn die Behörde den Versicherer von der Abmeldung des Fahrzeuges oder der Aufhebung der Zulassung verständigt hat. Eine solche Verständigung des Versicherers durch die Behörde ersetzt dessen Anzeige nach § 61 Abs 4 dritter Satz KFG auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Beginn der im § 158 c Abs 2 VersVG angeführten Frist von einem Monat. Daß die Anzeige des Versicherers von der Beendigung der für ein Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung nur dann unterbleiben könne, wenn dessen Zulassung von der Behörde rechtskräftig aufgehoben und das Kennzeichen bereits eingezogen worden sei, kann dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden. Für eine solche einschränkende Auslegung der vorgenannten Gesetzesstelle besteht auch keine Veranlassung. Richtig ist allerdings, daß nur eine vom Haftpflichtversicherer erstattete Anzeige im Sinne des § 61 Abs 4 KFG von der Beendigung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung die Zulassungsbehörde verpflichtet, sofort die Zulassung des Fahrzeuges aufzuheben (§ 44 Abs 1 lit c KFG), wogegen nach Einlangen einer Anzeige des Haftpflichtversicherers von seiner Leistungsfreiheit im Sinne des § 61 Abs 3 KFG die Behörde das Verfahren zur Aufhebung der Zulassung des Fahrzeuges spätestens einen Monat nach Einlangen der Anzeige einzuleiten hat (§ 44 Abs 1 lit b KFG). Durch die von der Behörde nach einer Anzeige im Sinne des § 61 Abs 4 KFG sofort anzuordnende Aufhebung der Zulassung des Fahrzeuges sollen Dritte im Hinblick auf die auch ihnen gegenüber (nach Ablauf der einmonatigen Frist des § 158 c Abs 2 VersVG) eintretende Leistungsfreiheit des Versicherers von einer Schadenszufügung durch das nicht mehr haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug geschützt werden. Widerruft aber – so wie hier – die Zulassungsbehörde bereits nach einer Anzeige des Versicherers im Sinne des § 61 Abs 3 KFG sofort die Zulassung des Fahrzeuges, ordnet sie weiters die unverzügliche Rückstellung des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln bzw. bei Nichtablieferung deren zwangsweise Abnahme an und schließt sie die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung aus, so hat sie bereits alle (Sicherungs-) Maßnahmen verfügt, die sie auf Grund einer Anzeige des Versicherers nach § 61 Abs 4 KFG anzuordnen gehabt hätte. In diesem Falle ist daher die Zulassungsbehörde auch verpflichtet, alle zur Vollziehung ihres Bescheides erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Besonders wenn die Behörde den Versicherer von der Aufhebung der Zulassung des Fahrzeuges verständigt hat, muß sie unverzüglich die Einziehung der Kennzeichen erwirken, weil im Hinblick auf die Bestimmungen des § 61 Abs 4 zweiter und dritter Satz KFG die Gefahr besteht, daß der Haftpflichtversicherer auch geschädigten Dritten gegenüber leistungsfrei wird.
Daß die Bestimmungen des § 61 Abs 4 zweiter und dritter Fall KFG nur dann anwendbar wären, wenn im Zeitpunkte der Verständigung des Versicherers durch die Zulassungsbehörde von der Aufhebung der Zulassung des Fahrzeuges das Haftpflichtversicherungsverhältnis bereits beendet ist, kann dem Gesetz ebenfalls nicht entnommen werden. Ist im Zeitpunkte der Verständigung des Versicherers durch die Behörde von der Aufhebung der Zulassung des Fahrzeuges dessen Haftpflichtversicherung noch nicht beendet, so tritt die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber geschädigten Dritten erst dann ein, wenn er vom Versicherungsvertrag im Sinne des § 38 Abs 1 VersVG zurücktritt oder nach § 39 Abs 3 VersVG kündigt. Die einmonatige Frist des § 158 c Abs 2 VersVG wird dann erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses in Lauf gesetzt.
Die Revisionsausführungen, daß die Mitteilung der Zulassungsbehörde vom 17. 12. 1971 (Beilage. /2) nur die Bekanntgabe eines formalen Verwaltungsaktes beinhalte, nichts aber darüber aussage, ob die Kennzeichentafeln bereits eingezogen worden seien, übersehen, daß der Versicherer auch im Falle einer Anzeige nach § 61 Abs 4 KFG nicht weiß, ob nach Aufhebung der Zulassung des haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges dessen Kennzeichentafeln auch tatsächlich eingezogen werden konnten. Die von der Revisionswerberin zitierte Entscheidung JBl 1974/377 betraf einen anders gelagerten Fall, in dem Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich deshalb geltend gemacht wurden, weil deren Organe nach angeordneter Aufhebung der Zulassung eines Probefahrtkennzeichens dieses nicht unverzüglich abgenommen hatten. Außerdem lag in diesem Falle eine Verständigung des Versicherers durch die Zulassungsbehörde von der Aufhebung der Zulassung nach § 61 Abs 4 zweiter Satz KFG nicht vor.
Das Rücktrittsschreiben der Beklagten vom 31. 12. 1971 (Beilage ./4) kam nach den Feststellungen der Unterinstanzen am 4. 1. 1972 mit dem Vermerk zurück, daß der Empfänger (G*) verzogen sei. Da zu diesem Zeitpunkt ein die Beklagte zum Rücktritt berechtigender Prämienrückstand des G* vorlag, wurde die einmonatige Frist des § 158 c Abs 2 VersVG spätestens am 4. 1. 1972 in Gang gesetzt. Die Absendung des Kündigungsschreibens vom 31. 12. 1971 an die letzte der Beklagten bekannte Anschrift des G* genügte im Hinblick auf die Bestimmungen des § 10 VersVG zur Wirksamkeit des ausgesprochenen Rücktrittes nach § 38 Abs 1 VersVG. Mit Recht bejahten daher die Untergerichte die Leistungsfreiheit der Beklagten gegenüber den aus dem Verkehrsunfall vom 28. 2. 1972 geschädigten Dritten. Demnach sind aber die von der Revisionswerberin als Legalzessionarin erhobenen Ansprüche nicht berechtigt.
Der Revision der Klägerin war somit nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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