European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00068.76.0113.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.339,52 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 240,— S, Umsatzsteuer 155,52 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger verschuldete am 3. April 1974 um 12,20 Uhr mit seinem PKW Porsche 912 einen Verkehrsunfall. Er wurde deshalb vom Bezirksgericht Eferding mit Strafverfügung vom 15. Mai 1974, GZ 2 U 156/74‑4, wegen Übertretung nach § 335 StG verurteilt. Die Beklagte war zur Unfallszeit Haftpflichtversicherer der beiden PKW des Klägers, Porsche 912, und Opel Rekord, Baujahr 1973, für die ihm das Wechselkennzeichen * zugewiesen worden war. Im Unfallszeitpunkt war das Wechselkennzeichen an dem vom Kläger gefahrenen PKW Porsche 912 nicht angebracht. Artikel 20 der Verordnung des Bundesministerium für Finanzen vom 14. Dezember 1967 über die Festsetzung allgemeiner Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen BGBl 1967/401 (AKHB) lautet wie folgt: „Im Falle der Zuweisung eines Wechselkennzeichens hat die Versicherung nur für das Fahrzeug Gültigkeit, an dem die Kennzeichentafeln jeweils angebracht sind.“
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm die Beklagte im Rahmen der bestehenden Haftpflichtversicherung für den vorgenannten Unfall Versicherungsschutz zu gewähren habe. Das Wechselkennzeichen sei im Unfallszeitpunkt auch nicht an seinem zweiten PKW Opel Rekord montiert gewesen, der im Hofe seiner Eltern gestanden und weder von dem Kläger, noch von anderen Personen in Betrieb genommen worden sei. Die Beklagte lehne daher zu Unrecht die Gewährung des Versicherungsschutzes ab. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung, weil der Kläger mit dem PKW Porsche 912 am öffentlichen Verkehr teilgenommen habe, ohne daß an seinem Fahrzeug die ihm zugewiesenen Kennzeichentafeln angebracht gewesen seien. Die Wechselkennzeichen seien überdies im Unfallszeitpunkt am PKW Opel Rekord montiert gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Nach seiner Ansicht erstrecke sich der Versicherungsschutz bei Zuleitung eines Wechselkennzeichens nur auf das mit dem Wechselkennzeichen versehene Fahrzeug. Werde daher eines der mehreren Fahrzeuge ohne vorherige Montage des Wechselkennzeichens im öffentlichen Verkehr verwendet, so sei der Versicherer nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung oder einer willkürlichen Gefahrenerhöhung leistungsfrei, sondern der Lenker eines solchen Fahrzeuges bei dieser Fahrt überhaupt nicht haftpflichtversichert. Ob das andere Fahrzeug des Klägers (Opel Rekord) mit oder ohne Wechselkennzeichen im öffentlichen Verkehr oder überhaupt nicht benützt worden sei, könne daher dahingestellt bleiben. Eine ähnliche Regelung bestehe auch für die Haftpflichtversicherung bei Probefahrten, bei der sich ebenfalls der Versicherungsvertrag nur auf das mit dem Probefahrtkennzeichen versehene Fahrzeug erstrecke.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 50.000,— S übersteigt.
Der Kläger bekämpfte das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO und beantragt es dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber beharrt auf seinem bereits vor den Unterinstanzen vertretenen Standpunkt, Art 20 AKHB habe nur den Fall im Auge, daß an einem der beiden oder mehreren Fahrzeuge das Wechselkennzeichen tatsächlich montiert gewesen sei. Sei dies nicht der Fall, so biete eine rein wörtliche Auslegung des Art 20 AKHB keinen Anhaltspunkt dafür, was rechtens sein soll. Der Sinn der vorgenannten Norm liege jedoch in einem Schutz des Versicherers vor einer mißbräuchlichen Verwendung des Wechselkennzeichens durch gleichzeitigen Betrieb der zwei (drei) Fahrzeuge. Werde daher ein Fahrzeug ohne montierte Kennzeichentafeln benützt, so genieße es dennoch Versicherungsschutz, wenn das andere Fahrzeug, für das ebenfalls das Wechselkennzeichen zugewiesen worden sei, im Unfallszeitpunkte nicht am Verkehr teilgenommen habe.
Die Ausführungen des Revisionswerbers vermögen nicht zu überzeugen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind, wie die Untergerichte zutreffend hervorheben, wie Gesetze nach den Normen der §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (SZ 43/54). Es ist daher maßgebend, welchen Willen des Normengebers der Leser ihrem Text entnehmen kann (JBl 1970/575, 7 Ob 144/75, zuletzt 7 Ob 46/76). Art 20 AKHB kann aber im Hinblick auf seinen jeden Zweifel ausschließenden Wortlaut nur so verstanden werden, daß sich bei Zuteilung eines Wechselkennzeichens die abgeschlossene Haftpflichtversicherung nur auf Fahrten mit jenem Fahrzeuge erstreckt an dem die Wechselkennzeichen angebracht sind. Diese Regelung ist auch durchaus einleuchtend, weil sie eine leicht feststellbare Abgrenzung des Versicherungsschutzes der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bei Zuteilung eines Wechselkennzeichens schafft. Ob im Zeitpunkte des Schadensfalles nur eines der beiden (oder mehreren) Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilgenommen hat, ist demnach ohne Bedeutung. Die vom Revisionswerber angestrebte Auslegung des Art 20 AKHB würde einer mißbräuchlichen Verwendung des Wechselkennzeichens Tür und Tor öffnen, weil der Zulassungsbesitzer auch bei unterbliebener Montage der Kennzeichentafeln (vielfach durch nahe Angehörigen als Zeugen) Beweis darüber führen könnte, daß im Unfallszeitpunkt nur eines seiner Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilgenommen hat. Auch eine sinngemäße Auslegung des Art 20 AKHB führt daher zum Ergebnis, daß sich bei Zuteilung eines Wechselkennzeichens die vom Versicherungsnehmer abgeschlossene Haftpflichtversicherung nur auf das mit den Kennzeichentafeln versehene Kraftfahrzeug erstreckt. Ob der Versicherungsschutz auch dann verneint werden müßte, wenn die Kennzeichentafeln ohne Wissen und Willen des Lenkers vor dem Versicherungsfall gelöst worden sein sollten, braucht nicht untersucht zu werden, weil derartiges vom Revisionswerber nicht behauptet wurde. Eine ähnliche Regelung besteht auch im Art 21 AKHB, bei Zuteilung eines Probefahrtkennzeichens. Auch in diesem Falle bezieht sich die Haftpflichtversicherung nicht auf alle Probefahrten im Betrieb des Versicherten, sondern nur auf jene, die unter Verwendung der Probefahrtkennzeichentafeln durchgeführt wurden (VersSlg 127, ZVR 1959/178, vgl. auch Stiefel-Wussow, Kraftfahrversicherung9 S. 137, 755 u. 782, Prölß-Martin VersVG20 S. 924, BGH in VersR 1974 793). Richtig ist, daß mit einem Probefahrtkennzeichen eine von vornherein unbestimmte Zahl von Fahrzeugen bei Vorliegen einer Probefahrt versehen werden kann. Unter Versicherungsschutz steht aber – wie bei der Regelung des § 20 AKHB – nur die Probefahrt des Fahrzeuges, das mit den Kennzeichentafeln versehen ist.
Der Revision des Klägers war somit nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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