OGH 7Ob832/76

OGH7Ob832/7613.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 1974 verstorbenen Dr. A*, zuletzt wohnhaft gewesen in *, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin M*, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Rekursgerichtes vom 3. November 1976, GZ R 343/76-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Aspang vom 13. Oktober 1976, GZ A 232/74-61, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00832.76.0113.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der am * 1974 verstorbene Facharzt Prim. Dr. A* hatte mit einem unbestrittenen eigenhändigen Testament vom 18. August 1964 die Rekurswerberin zur Alleinerbin und seinen Neffen Dr. N* zu ihrem Nacherben eingesetzt (Legate sowohl in diesem Testament als auch in einem Vermächtnis vom 18. Dezember 1972 sind hier ohne Bedeutung). Die Witwe gab zunächst auf Grund dieses Testaments die Erbserklärung ab. Später beriefen sich sowohl die Witwe als auch der Neffe des Erblassers auf mündliche Testamente aus dem Todesjahr des Erblassers. Drei Zeugen bestätigten das von der Witwe behauptete mündliche Testament vom 9. richtig 10. Mai 1974 - wonach Dr. N* Nacherbe nur hinsichtlich des Liegenschaftsvermögens in * werden sollte -, während drei andere Zeugen die Bekräftigung des schriftlichen letzten Willens durch ein mündliches Testament vom 20. Oktober 1974 bekundeten. Nun gaben die erblasserische Witwe eine weitere Erbserklärung auf Grund des mündlichen Testamentes vom 10. Mai 1974 und der erblasserische Neffe für den Nacherbfall eine Erbserklärung auf Grund des mündlichen Testamentes vom 20. Oktober 1974 jeweils zum ganzen Nachlass ab.

Der Erstrichter nahm diese beiden Erbserklärungen an und übertrug dem erblasserischen Neffen die Klägerrolle. Er vertrat die Rechtsansicht, dass grundsätzlich zwar das jüngere Testament, gegen das gewichtige Bedenken nicht bestünden, der stärkere Erbrechtstitel sei, dass dieser Grundsatz aber nicht im Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben gelte.

Während die Annahme der Erbserklärungen unbekämpft blieb, erhob der erblasserische Neffe gegen die Zuweisung der Klägerrolle für den Erbrechtsstreit Rekurs. Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstrichters in den betroffenen Punkten dahin ab, dass die erbl. Witwe im Streit über die Wirksamkeit der Einsetzung des erbl. Neffen zum Nacherben als Klägerin aufzutreten habe.

Der dagegen von der Witwe erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin lässt die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen unbekämpft, dass das Verlassenschaftsgericht auch im Falle eines Streites über Wirksamkeit und Ausmaß einer fideikommissarischen Nacherbschaft die K1ägerrolle für den Erbrechtsstreit im Sinne der §§ 125 ff AußStrG zuzuweisen hat (SZ 42/22). Richtig ist allerdings ihr Hinweis, dass nach keinem der in Betracht kommenden Testamente ihr Erbrecht strittig ist, sondern bloß der Umfang und allenfalls auch die Art der Rechte des erblasserischen Neffen auf die Nacherbschaft. Damit ist aber für die Rekurswerberin nichts gewonnen. Auch in dieser Frage bedarf es einer Entscheidung im Prozessweg und zu ihrer Vorbereitung der Zuweisung der Klägerrolle (SZ 33/80, SZ 42/22).

In der Frage, welchem Beteiligten insoweit der stärkere Erbrechtstitel und damit die Beklagtenrolle im Prozess zukommt, kann der Rekurswerberin nicht gefolgt werden. Das Rekursgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, dass hier das Ausmaß der Beschränkung der Rechte der Rekurswerberin als unbestrittener Vorerbin nicht etwa von der Auslegung eines und desselben letzten Willens abhängt (wie in den Fällen der Entscheidungen EvBl 1958/371 und SZ 42/22), sondern davon, ob der Erblasser nach Verfassung des mündlichen Testaments vom 10. Mai 1974 noch ein weiteres Mal am 20. Oktober 1974 gültig testierte und in dieser Verfügung die Rekurswerberin größeren Beschränkungen unterwarf als vorher. Im Punkte dieser strittigen Rechtsverminderung stehen die beiden Erbserklärungen miteinander im Sinne des § 125 AußStrG im Widerspruch, überdies ist aber das spätere Testament, weil es der äußeren Form nach anscheinend vorschriftsmäßig errichtet wurde, gemäß § 713 ABGB der stärkere Erbrechtstitel. Die Meinung der Rekurswerberin, dass jede Beschränkung des Erben vom Gegner bewiesen werden müsse, trifft nicht zu, weil bei Gültigkeit des späteren Testamentes bereits in dieser Erklärung des letzten Willens jene Beschränkung ihrer Rechte enthalten wäre, um die der Streit geht. Das spätere Testament, das die Rechte des fideikommissarischen Nacherben erweitert, schafft hinsichtlich der allein strittigen Differenz zwischen der Nacherbschaft auf die ganze Verlassenschaft und jener auf einen bloßen Teil derselben den stärkeren Erbrechtstitel. Daher ist in einem solchen Fall dem Vorerben die Klägerrolle zuzuweisen.

Die Rekursbehauptung, im vorliegenden Fall sei außer dem Umfang jener Vermögenswerte, auf die sich die vom erblasserischen Neffen behauptete Nacherbschaft bezieht, auch die Frage strittig, ob es sich nicht bloß um eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest handle, geht über die erstinstanzlichen Behauptungen der Rekurswerberin hinaus. Überdies ist die Zuteilung der Klägerrolle an sie schon wegen der grundsätzlichen Bestreitung der Wirksamkeit des späteren Testamentes gerechtfertigt, weil diese Bestreitung der Frage nach der Art der angeordneten fiedeikommissarischen Substitution vorausgeht. Letztlich findet sich nach den bisherigen Aussagen der Zeugen des letzten Testamentes in diesem selbst auch kein deutlicher Hinweis auf eine Beschränkung der Nacherbschaft auf den Überrest, sodass auch der Inhalt dieser Verfügung keine andere Entscheidung über die Zuweisung der Klägerrolle rechtfertigen konnte (SZ 33/80).

Der Beweislastfrage im Erbrechtsstreit wird dadurch nicht vorgegriffen (NZ 1972, 62 u.a.).

 

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