OGH 7Ob829/76

OGH7Ob829/7613.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*, Dolmetscherin, *, vertreten durch Dr. Herbert Jahn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma „Hotel T*gesellschaft m.b.H.“, vormals G*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen restlicher S 60.000,-- infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. April 1976, GZ. 2 R 45/76‑24, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Jänner 1976, GZ. *‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00829.76.0113.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.299,52 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200,-- S Barauslagen und 155,52 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Eigentümerin des Hotels „T*“ in *. Die Klägerin besuchte in der Nacht vom 23. auf 24. Februar 1974 die Bar dieses Hotels als Gast. Sie gab ihren Schildkröten-Leopardenmantel gegen Bezahlung eines Entgeltes von 7,-- S in der Garderobe des Lokales ab und erhielt den Garderobeschein mit der Nr. 229 ausgefolgt. Als sie beim Verlassen des Lokales ihren Pelzmantel abholen wollte, war dieser nicht mehr vorhanden.

Die Klägerin begehrte als Schadenersatz den von ihr angenommenen Wert des Mantels (Anschaffungspreis im Großhandel) im Betrage von 150.000,-- S samt Anhang.

Die Beklagte anerkannte einen Teilbetrag von 50.000,-- S, worüber bereits ein Teilanerkenntnisurteil gefällt wurde. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren bestritt sie einerseits mit der Behauptung, der Mantel habe bei weitem nicht den behaupteten Wert gehabt, und andererseits mit dem Einwand, die Klägerin treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie die Garderobefrau nicht auf den besonderen Wert des Mantels aufmerksam gemacht habe. Im übrigen sei der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nur zu einem geringen Teil durch eine Versicherung gedeckt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin unter Abweisung des Mehrbegehrens weitere 60.000,-- S samt Anhang zu. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Hiebei ging es von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Bei einem Schildkröten-Leopardenmantel mit blau-lila Farbtönung und grauem Grund, wie dem der Klägerin, handelt es sich um Felle bester Qualität. Der Einzelhandelsverkaufspreis eines solchen Mantels betrug im Jahre 1974 ca. 180.000,-- S. Dieser Einzelhandelsverkaufspreis liegt etwa 35 bis 40 % über dem Großhandelspreis. Wenn ein solcher Mantel durch zwei Saisonen bei besonders schonender Behandlung getragen wird, ergibt sich daraus eine Wertminderung von 12 % des Anschaffungspreises. Der Großhandelsanschaffungspreis des vorliegenden Pelzmantels würde daher unter Berücksichtigung der Wertminderung zwischen 112.992,-- S und 117.334,-- S betragen. Der Mantel der Klägerin wurde aus sieben Fellen, und zwar besonders schönen Stücken, von einem der besten Unternehmen der Branche angefertigt. Die Klägerin hat diesen Mantel zwei Saisonen lang getragen, jedoch nur zu sportlichen Anlässen. Der Mantel war zum Zeitpunkt des Verlustes noch nicht abgenützt. Die Klägerin machte bei Abgabe des Mantels in der Garderobe die Garderobefrau zwar nicht besonders auf den hohen Wert des Mantels aufmerksam, doch erkannte die Garderobefrau selbst, daß es sich um ein kostbares Stück handelt. Ein Aushang des Inhaltes, daß die Haftung des Verwahrers für abgegebene Kleidungsstücke auf irgendeinen Betrag beschränkt sei, war in keinem Raum des Hotels vorhanden. Das Personal des Hotels hatte freien Zutritt zur Garderobe. Ein Zugang besteht auch vom Keller aus. In der Nacht vom 23. auf 24. 2. 1974 ist das Personal des Betriebes häufig durch die Garderobe gegangen. In der Nacht wurden ca. 1300 bis 1400 Mäntel aufbewahrt. Es ist durchaus möglich, daß die Garderobefrau durchgehendes Personal nicht beobachtet hat.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, es könne, da der Sachverständige den Mantel nicht selbst gesehen habe, sein Gutachten lediglich als Grundlage für eine Wertermittlung nach § 273 ZPO gewertet werden. Bei den getroffenen Feststellungen erscheine die Annahme eines Wertes von 110.000,-- S gerechtfertigt. Im Lokal sei nicht auf irgendeine Haftungsbegrenzung verwiesen worden; lediglich auf dem Garderobeschein sei vermerkt gewesen, daß die Beklagte eine Versicherung abgeschlossen habe. Dieser Umstand beschränke ihre Haftung nicht, zumal die Beklagte selbst einen Haftungsbetrag von 50.000,-- S anerkannt habe, während eine Versicherung lediglich bis zum Höchstbetrag von 5.000,-- S für den einzelnen Versicherungsschein vorgesehen gewesen sei. Welcher Zusammenhang zwischen diesen beiden Beträgen bestehen könne, sei nicht ersichtlich. Eine Unterversicherung könne die Beklagte nicht der Klägerin zur Last legen. Ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht gegeben, weil der hohe Wert des Mantels sowieso erkennbar gewesen und von der Garderobefrau auch erkannt worden sei. Beim Unternehmen der Beklagten handle es sich um ein vom internationalen Publikum besonders geschätztes Lokal, in dem erstklassige Gäste verkehren. Gerade deshalb habe die Beklagte damit rechnen müssen, daß in ihrer Garderobe teure und kostbare Pelzmäntel zur Verwahrung abgegeben werden.

Während die Teilabweisung des Klagebegehrens nunmehr unbekämpft blieb, erhebt die Beklagte gegen den Zuspruch von weiteren 60.000,-- S samt Anhang Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt Abänderung dahin, daß das gesamte noch offene Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit der Mängelrüge wendet sich die Beklagte dagegen, daß kein informierter Vertreter der Firma J* über den Wert des Mantels vernommen worden ist. Diesen angeblichen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte jedoch bereits in der Berufung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint. In einem solchen Fall kann der verneinte Mangel im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (SZ 27/4; EvBl 1969/263 u.a.). Das Unterlassen der erwähnten Vernehmung darf daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden. Die Entscheidung über die Anwendbarkeit und konkrete Anwendung des § 273 ZPO fällt im übrigen in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung (Fasching IV, 327). Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO ist sohin nicht gegeben.

Geht man von der Mängelfreiheit der untergerichtlichen Verfahren aus, so steht fest, daß der Klägerin grundsätzlich Schadenersatz gebührt, doch ist der genaue Wert des abhanden gekommenen Mantels nicht zu ermitteln. Dies rechtfertigt eine Schadensfestsetzung nach § 273 Abs. 1 ZPO. Was die Festsetzung selbst anlangt, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Die Revision setzt ihnen nur die Behauptung eines mangelhaften Verfahrens entgegen. Daß diese Rüge vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht beachtet werden kann, wurde bereits ausgeführt.

Bei ihren Ausführungen zum behaupteten Mitverschulden der Klägerin mißversteht die Beklagte nach wie vor die von ihr zitierte Literatur (KlangIV/1, 649) und Judikatur (EvBl 1971/17). Grundsätzlich legt das Gesetz demjenigen, der eine Sache in Verwahrung gibt, nicht die Verpflichtung auf, dem Verwahrer Mitteilung vom Wert der Sache zu machen. Demnach kann das Unterlassen einer solchen Mitteilung im allgemeinen kein Mitverschulden des Hinterlegers an dem durch den Verlust der Sache bewirkten Schaden begründen (SZ 23/129). Gschnitzer spricht in der in der Revision erwähnten Stelle bei Klang nur von dem unterlassenen Hinweis des Hinterlegers auf einen besonderen Wert der hinterlegten Sache, weil diese Tatsache dem Verwahrer nicht kenntlich ist. Die in EvBl 1971/17 veröffentlichte Entscheidung hatte den Verlust einer wertvollen Brosche zum Gegenstand, wobei diese auf der Jacke nicht auffallend sichtbar angesteckt war, welche von der Kundin eines Friseurs einer seiner Angestellten übergeben wurde. In diesem Falle verneinte der Oberste Gerichtshof das Zustandekommen eines Verwahrungsvertrages bezüglich der Brosche, weil das Zustandekommen eines diesbezüglichen Vertragswillens wegen mangelnder Kenntnis des Verwahrers von der Übergabe der Sache nicht angenommen werden konnte. Im vorliegenden Fall ist jedoch gerade jene Sache abhanden gekommen, die ausdrücklich in Verwahrung genommen worden war. Die Garderobefrau wußte genau, daß es sich hiebei um einen wertvollen Mantel handelte. In einem solchen Falle erstreckt sich die Obsorge des Verwahrers auf die von den Gästen des die Garderobe haltenden Unternehmens üblicherweise getragenen Überkleider. Daß sich darunter im Einzelfall auch überdurchschnittlich wertvolle Stücke befinden können, muß von einem Unternehmer, insbesondere wenn er ein Lokal mit renomierterem Publikum führt, in Rechnung gestellt werden. Nur auf die Möglichkeit dieses Bewußtseins von der Existenz und dem Wert der einzelnen Verwahrungsgegenstände kommt es aber bei der Begrenzung der Verwahrerhaftung an; die Haftung des Verwahrers ist nur dann ausgeschlossen, wenn er sich der betreffenden Umstände nicht bewußt werden konnte, wie dies etwa dann der Fall ist, wenn in den abgelegten Kleidungsstücken Wertgegenstände oder Geldbeträge in einer solchen Höhe zurückgelassen werden, mit denen der Verwahrer nach aller Erfahrung nicht rechnen konnte (SZ 37/151; 5 Ob 79/73).

Beim Lokal der Beklagten handelt es sich um ein beim internationalen Publikum besonders geschätztes Etablissement in einem eher mondänen Wintersportort. Gerade bei einer Faschingsveranstaltung in einem solchen Lokal, zu der man Publikum in gehobenen finanziellen Verhältnissen erwartet, muß der Veranstalter damit rechnen, daß Damen ihre wertvolleren Toilettestücke vorführen wollen. Hiezu gehören aber im Winter auch Pelze aller Art. Daß der Wert solcher Pelze sich in große Höhen bewegen kann, ist jedermann bekannt und muß insbesondere der Inhaber eines vom wohlhabenderen Publikum frequentierten Lokales wissen. Tatsächlich wurde der Mantel der Klägerin auch als „kostbares Stück“, also als überdurchschnittlich wertvolle Sache, erkannt. Bei diesem Sachverhalt mußte die Klägerin nicht noch besonders auf die Kostbarkeit des Mantels verweisen. Ob der Verwahrer oder sein Vertreter den Wert der verwahrten Sache genau kennt, ist aber unerheblich.

Von einem Mitverschulden der Klägerin kann daher keine Rede sein.

Mit Recht kommt die Revision nicht mehr auf den von der Beklagten ursprünglich erhobenen Einwand der Beklagten einer Haftungsbeschränkung infolge Abschlusses einer Versicherung zurück. Diesbezüglich kann daher auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Die Rechtsrüge erweist sich sohin ebenfalls als ungerechtfertigt, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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