European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0060OB00024.76.1223.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der Antragsteller, Dipl.‑Kfm. G* I*, und die Antragsgegnerin A* I* sind die alleinigen persönlich haftenden Gesellschafter der zur HRA * des Handelsgerichtes Wien unter der Firma „Dipl.‑Ing. R* I*“, protokollierten offenen Handelsgesellschaft mit dem Sitz in W*. Mit Schreiben vom 12. Juni 1974 kündigte der Antragsteller die OHG zum 31. Dezember 1974 auf. Da die Antragsgegnerin den Standpunkt vertrat, zwischen ihr und dem Rechtsvorgänger des Antragstellers, Dipl.‑Ing. R* I* (dem verstorbenen Gatten der Antragsgegnerin), sei vereinbart worden, daß im Falle der Kündigung der Gesellschaft der nicht kündigende Teil die Gesellschaft fortsetzen könne und eine Liquidation zu unterbleiben habe, brachte der Antragsteller zu 22 Cg 1298/74 (jetzt 22 Cg 1207/75) des Handelsgerichtes Wien eine Klage auf Feststellung ein, daß die genannte OHG mit Ablauf des 31. Dezember 1974 aufgelöst sei und ab 1. Jänner 1975 in Liquidation trete. Der Antragsteller beantragte ferner die Bestellung eines Liquidators gemäß § 146 Abs 2 HGB. Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. September 1975 wurde dem Feststellungsbegehren des Antragstellers stattgegeben. Dieses Urteil ist (allerdings erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz in der gegenständlichen Handelsregistersache) auch in dritter Instanz durch Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 7. September 1976, 3 Ob 505/76, bestätigt worden. Die Antragsgegnerin brachte ihrerseits gegen den Antragsteller beim Handelsgericht Wien zu 22 Cg 1665/74 (jetzt 28 Cg 1322/76) eine Klage gemäß § 142 HGB ein. Dieses Verfahren ist derzeit noch in erster Instanz anhängig. Ein in diesem Verfahren gestellter Antrag, dem Antragsteller mittels einstweiliger Verfügung die Geschäftsführung und Vertretungsbefugnis für die OHG zu entziehen, wurde rechtskräftig abgewiesen. Mit rechtskräftigem Beschluß des Handelsgerichtes Wien ON 31 wurde Dr. S* K* gemäß § 146 Abs 2 HGB zum Liquidator der OHG bestellt, gleichzeitig aber ausgesprochen, daß der Liquidator seine Tätigkeit erst nach rechtskräftiger Stattgebung der zu 22 Cg 1298/74 eingebrachten Klage aufzunehmen habe und seine Eintragung in das Handelsregister auch erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen werde. Ein von der Antragsgegnerin nach Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 22 Cg 1298/74 (jetzt 22 Cg 1207/75) des Handelsgerichtes Wien eingebrachter Antrag auf Aufschub der Liquidation und Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites zu 28 Cg 1322/76 (das ist die Klage nach § 142 HGB) wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 15. November 1976, ON 93, abgewiesen und die Antragsgegnerin aufgefordert, binnen 4 Wochen die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Über den dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs wurde bisher noch nicht entschieden.
Am 6. Mai 1975 beantragte der Antragsteller zu ON 40 des Aktes, der Antragsgegnerin aufzutragen, ihm in sämtliche Geschäftsbücher und Geschäftsunterlagen der prot. Firma Dipl.‑Ing. R* I* Einsicht zu gewähren, insbesonders in die Inventuraufnahme zum 31. Dezember 1974, in das Anlagenverzeichnis, in alle Ein-und Ausgangsrechnungen der Jahre 1974 und 1975 und in das Kassabuch. Er brachte vor, die Antragsgegnerin verweigere ihm die Bucheinsicht und die Mitwirkung an der Inventuraufnahme und führe das Unternehmen trotz der mit 31. Dezember 1974 eingetretenen Liquidation unverändert fort.
Die Antragsgegnerin sprach sich gegen diesen Antrag aus. Sie beantragte, den Antrag wegen Unzulässigkeit des Verfahrens außer Streitsachen zurückzuweisen bzw. auf den Rechtsweg zu verweisen, allenfalls ihn zur Gänze abzuweisen oder das Verfahren über den Antrag bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 22 Cg 1665/74 (jetzt 28 Cg 1322/76) über die Klage nach § 142 HGB zu unterbrechen bzw. die Entscheidung bis dahin aufzuschieben. Sie wendete – soweit ihr Vorbringen nicht durch den Ausgang des oben zitierten Verfahrens überholt ist – ein, der Antrag auf Bucheinsicht sei lediglich schikanös und in Schädigungsabsicht gestellt worden. Der Antragsgegner, welcher in Verletzung des Konkurrenzverbotes eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem gleichen Betriebsgegenstand gegründet habe (was u. a. Gegenstand des Verfahrens nach § 142 HGB ist), wolle lediglich die Geschäftsgelegenheit und Geschäftsbeziehungen der Antragsgegnerin in wettbewerbswidriger Weise erkunden, um diese zum Vorteil seiner Gesellschaft mbH zu nutzen. In einem weiteren Beweisantrag (ON 58) erstattete die Antragsgegnerin zur Unterstützung ihrer Behauptung, die Bucheinsicht werde nur angestrebt, um Vorteile für die Gesellschaft mbH zu erlangen, ein weiteres Vorbringen. So habe der Antragsteller am 14. Oktober 1974 bei der Österreichischen Post- und Telegrafenverwaltung die Streichung der Einschaltungen „technische Bürsten“ und „Drahtbürsten“ im Telefonbuch für 1975 veranlaßt. Weiters habe er im Amtlichen Telefonbuch/Branchenteil unter der Rubrik „Bürstenfabriken“ bei der Fa. Dipl.‑Ing. R. I* die Eintragung der Anschrift seines eigenen Konkurrenzunternehmens „*“ und dessen Telefonnummer sowie den Hinweis „siehe auch Eintragung am Kopf dieser Seite“ eintragen lassen. Dadurch habe er den Eindruck erwecken wollen, daß es sich bei den beiden Firmen um ein und dasselbe Unternehmen handle. Schließlich habe er die Firma „T* Company“, mit welcher die OHG einen langjährigen Cooperationsvertrag als deren Exklusivrepräsentant für Österreich gehabt habe, offenbar zum Vertragsbruch genötigt.
Der Antragsteller bestritt dieses Vorbringen.
Das Erstgericht trug mit Beschluß vom 17. Mai 1976 der prot. Firma Dipl.‑Ing. R* I* auf, durch ihre Gesellschafterin A* I* dem Antragsteller Einsicht in ihre Handelsbücher und Papiere zu gewähren, soweit sie sich auf den Zeitraum bis 18. November 1974 beziehen. Das Verfahren wegen Einsicht in die Bücher und Papiere ab dem 18. November 1974 setzte es gemäß § 127 FGG bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens 22 Cg 1665/74 (jetzt 28 Cg 1522/76) aus. Den Antrag der Antragsgegnerin, den Antragsteller mit seinem Antrag auf Bucheinsicht auf den Rechtsweg zu verweisen, wies das Erstgericht ab. Außer dem oben dargestellten Verlauf der verschiedenen anhängigen Verfahren nahm es folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Solange beide Gesellschafter im Betrieb arbeiteten, war der Antragsteller im wesentlichen für die Buchhaltung, Kundenbetreuung und Außenvertretung des Unternehmens, die Antragsgegnerin für die Produktionsvorgänge zuständig. Gegen Ende des Jahres 1974 stellte der Antragsteller Fotokopien verschiedener Geschäftsunterlagen der Gesellschaft her, z. B. aus der Lagerkartei und der Buchhaltung 1973 und 1974. Er nahm Kalkulationsunterlagen der Gesellschaft an sich. Bei der Gesellschaft langten Anfragen von Kunden ein, ob die Gesellschaft noch bestehe oder ob sie mit dem Betrieb in der J*Gasse (dem Unternehmen des Antragstellers) ident sei. Im Amtlichen Wiener Telefonbuch, Branchenverzeichnis sind auf derselben Seite die Einschaltungen betreffend die OHG und die vom Antragsteller geführte Gesellschaft mbH mit den richtigen Adressen zu finden. Es befindet sich auf dieser Seite auch eine Kleinschriftanzeige betreffend die OHG mit der Anschrift der Gesellschaft mbH und dem Hinweis „siehe auch Einschaltung am Kopf dieser Seite“, wo sich die Einschaltung der Gesellschaft mbH befindet. Der Antragsteller veranlaßte weiters, daß im Branchenverzeichnis die die OHG betreffenden Einschaltungen unter „technische Bürste“ und „Drahtbürsten“ gestrichen wurden.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, das Kontrollrecht nach § 118 HGB stehe jedem Gesellschafter auch im Liquidationsstadium zu. Das Bucheinsichtsrecht richte sich gegen die Gesellschaft, weshalb in diesem Sinne vom Antrag abgewichen worden sei. Auf eine Schädigungsabsicht des Antragstellers bei Ausübung des Kontrollrechtes könne nicht geschlossen werden, da der Antragsteller ohnehin Kenntnis vom Kundenkreis und den Kalkulationsunterlagen habe. Allerdings sei ein Verfahren nach § 142 HGB anhängig. Würde die Antragsgegnerin in diesem obsiegen, so wäre der Antragsteller ab 18. November 1974 (dem Zeitpunkt der Einbringung der Klage nach § 142 HGB) nicht mehr Gesellschafter und hätte ab diesem Zeitpunkt auch keine Kontrollrechte mehr. Es hänge daher von der Entscheidung in diesem Rechtsstreit ab, bis zu welchem Zeitpunkt dem Antragsteller das Recht auf Bucheinsicht zustehe. Da die dem Registerrichter zur Verfügung stehenden Aufklärungsmittel zur Lösung der Frage, ob das Begehren nach § 142 HGB berechtigt sei, nicht ausreichten, sei es zweckmäßig, die Entscheidung des Prozeßgerichtes abzuwarten.
Während die Antragsgegnerin den Auftrag zur Gewährung der Bucheinsicht bis 18. November 1974 und die Abweisung ihres Antrages, den Antragsteller auf den Rechtsweg zu verweisen, unbekämpft ließ, erhob der Antragsteller gegen diesen Beschluß Rekurs.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Antragstellers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Einschränkung der Bucheinsicht auf die Zeit bis 18. November 1974 ebenso zu entfallen habe wie Punkt 2.) des angefochtenen Beschlusses, womit das Verfahren über die Gewährung der Bucheinsicht ab 18. November 1974 ausgesetzt wurde. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, der Antragsteller behalte so lange alle Gesellschafterrechte, als nicht ein rechtskräftiges Urteil im Verfahren nach § 142 HGB gegen ihn ergangen sei. Der Zeitpunkt der Klagseinbringung sei lediglich als Stichtag für die Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern maßgebend. Von einer schikanösen Rechtsausübung des Antragstellers könne nicht gesprochen werden, da er weiterhin als Gesellschafter der OHG für alle Gesellschaftsschulden hafte und daher ein wirtschaftliches Interesse an der Bucheinsicht besitze.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Die Klage nach § 142 HGB, womit die Antragstellerin die Übernahme des Geschäftes ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven anstrebt, stellt eine Rechtsgestaltungsklage dar, wobei die Rechtslage jener der Ausschließungsklage nach § 140 HGB entspricht. Erst mit Rechtskraft des Urteiles scheidet der Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Bis dahin behält er im Innen- und Außenverhältnis alle Gesellschafterrechte und Pflichten, soweit sie ihm nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung entzogen wurden und er haftet auch den Gläubigern gegenüber weiterhin für Gesellschaftsschulden (Schlegelberger-Gessler 4 II S 1252 Anm 6 in Verbindung mit S 1244 Anm 15; Ulmer in Großkommentar3 S 599 Anm 19 und S 579 Anm 41; Hueck, Das Recht der OHG4 S 444; Hämmerle, Handelsrecht2 II 44). Der Zeitpunkt der Klagseinbringung ist nur für die Auseinandersetzung der beiden Gesellschafter von Bedeutung (vgl. dazu auch die oben erwähnte E. vom 7. September 1976, 3 Ob 505/76). Der Antragsteller behält daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren nach § 142 HGB auch seine Kontrollrechte nach § 118 HGB. Jede andere Auslegung würde dazu führen, daß einem Gesellschafter während des oft lange andauernden Verfahrens nach § 142 HGB jede Kontrollmöglichkeit genommen wäre. Aber auch durch die Liquidation der Gesellschaft werden die Kontrollrechte des Gesellschafters nicht berührt. Sie bestehen vielmehr, wie sich aus § 156 HGB ergibt, auch während der Abwicklung weiter (Schilling in Großkommentar3 II/2 S 88; Fischer in Großkommentar3 II/1 S 186).
Aber auch von einer schikanösen Ausübung des Kontrollrechtes, welche abgewehrt werden könnte (Kastner, Grundriß des Österreichischen Gesellschaftsrechtes2, 67; HS 1248 = SZ 25/237; HS 1249 = SZ 25/218), kann nicht gesprochen werden. Schikanöse Rechtsausübung liegt nur dann vor, wenn das Recht ausschließlich zu dem Zweck ausgeübt wird, um den anderen Teil (hier der Gesellschaft) zu schaden (SZ 28/133; SZ 29/49; SZ 44/86 u. v. a.). Davon kann aber schon im Hinblick auf die weiterbestehende Haftung des Antragstellers gegenüber Gesellschaftsgläubigern keine Rede sein. Der Antragsteller hat im Hinblick auf seine Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ein Interesse an der Ausübung der Kontrollrechte nach § 118 HGB. Auch die behauptete Übertretung des Konkurrenzverbotes nimmt ihm im vorliegenden Fall dieses Grundrecht jedes Gesellschafters nicht. Das Konkurrenzverbot und das Recht auf Büchereinsicht stehen in keiner rechtlichen Beziehung zueinander und sind daher grundsätzlich voneinander unabhängig (SpR R 217 = GlUNF 6289; SZ 25/237). Wohl hat bereits die Entscheidung SZ 25/237 unter Hinweis auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung die Problematik aufgezeigt, welche darin besteht, daß ein Gesellschafter die durch die Bucheinsicht erlangten Kenntnisse zum Schaden der Gesellschaft mißbrauchen kann, die Ausführungen des Revisionsrekurses bieten jedoch im vorliegenden Fall keinen Anlaß von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, zumal sich die OHG seit 1. Jänner 1975 im Stadium der Liquidation befindet und nicht die Gesellschafter Liquidatoren sind, sondern das Gericht einen Liquidator bestellt hat.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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