European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00799.76.1216.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie Kosten.des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.
Begründung:
Die Klägerin wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16. August 1968, GZ L 41/66, wegen Geistesschwäche voll entmündigt. Am 2. September 1968 wurde C* zu ihrem Kurator bestellt (ON 6 des Pflegschaftsaktes GZ P 149/68 des Erstgerichtes). Die Klägerin und ihr Gatte F* sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, zu der unter anderem die Baufläche Nr. * (mit der alten H*hütte) sowie die Grundstücke * Weide und * Wald gehören.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten, die vorgenannten Grundstücke und die alte H*hütte zu räumen und ihr geräumt zu übergeben. Der Beklagte habe im Jahre 1969 das Haus W* (alte H*hütte) mit umliegenden 2 Grundstücken im Ausmaß von ca. 1600 m2 von ihrem Gatten gegen ein monatliches Benützungsentgelt in Bestand genommen. Diesem Vertrag habe ihr Kurator niemals zugestimmt. Auch eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieses Vertrages sei niemals erteilt worden. Der ursprünglich auch als Kläger einschreitende F* zog die von ihm erhobene Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Der Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und behauptet, F* hätte den Bestandvertrag im eigenen Namen und als Verwalter der Klägerin gemäß § 1238 ABGB auch in deren Namen abgeschlossen. Der Gatte der Klägerin habe auch erklärt, daß ihr Kurator dem Vertragsabschluß zustimme und die diesbezügliche Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes eingeholt habe. Obwohl der Kurator in der Folge durch eigene Wahrnehmungen vom Bestandvertrag Kenntnis erlangt haben müsse, habe er dagegen nie Einwände erhoben, weshalb das Bestandverhältnis bis März 1974 unangefochten geblieben sei. Der Mietzins von 200 S sei pünktlich an den Erstkläger bezahlt worden. Anzunehmen sei daher auch, daß die Hälfte des Mietzinses vom Kurator gegenüber dem Pflegschaftsgericht verrechnet worden sei.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen vermietete F* dem Beklagten mit Bestandvertrag vom 1. Mai 1969 das Haus W* (alte H*hütte) mit ca. 1600 m2 umliegenden Grund gegen einen monatlichen Mietzins von 200 S. Um eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieses Vertrages wurde nie beim, zuständigen Pflegschaftsgericht angesucht und eine solche Genehmigung auch nie erteilt. Das Erstgericht war der Ansicht, F* sei zum Abschluß des gegenständlichen, die gemeinsame Liegenschaft betreffenden Bestandvertrages im Rahmen der Verwaltung des Vermögens seiner Gattin (§ 1238 ABGB) nicht berechtigt gewesen, weil für die vollentmündigte Klägerin bereits vorher ein Kurator bestellt worden sei und außerdem zum Vertragsabschluß eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre. Der den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegende Bestandvertrag sei nämlich von großer Wichtigkeit und falle daher nicht mehr in den die Liegenschaftshälfte der Klägerin betreffenden ordentlichen Wirtschaftsbetrieb. Die bloße Zustimmung des Kurators der Klägerin zum fraglichen Bestandvertrag hätte daher nicht ausgereicht. Ob der Kurator durch allfälliges Stillschweigen seine Zustimmung zum Vertragsabschluß bekundet habe, könne daher auf sich beruhen. Schließlich habe das Pflegschaftsgericht durch die Genehmigung der Klagsführung zum Ausdruck gebracht, daß es den Bestandvertrag für die pflegebefohlene Klägerin nicht als vorteilhaft betrachte.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 1.000 S übersteigt. Es ergänzte das Beweisverfahren durch Einsichtnahme in den die Klägerin betreffenden Pflegschaftsakt des Erstgerichtes GZ P 149/68 und traf noch folgende Feststellungen: Seit 1969 oder 1970 wußte der Kurator (der Klägerin) C*, daß der Beklagte seit dem Jahre 1968 die alte H*hütte mit einer dazugehörigen Grundfläche von ungefähr 1500 m2 als Wochenendhaus gemietet und benützt hat. Er hat dagegen nichts unternommen. Dem Kurator war auch bekannt, daß der Mietvertrag nie einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung zugeführt und auch sonst der Sachverhalt dem zuständigen Pflegschaftsgericht nicht mitgeteilt worden war. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß durch das vorgenannte schlüssige Verhalten des Kurators auch zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Mietvertrag zustande gekommen sei. Dieser hätte allerdings einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurft. Solange jedoch eine solche weder erfolgt noch deren Verweigerung durch das Pflegschaftsgericht ausgesprochen worden sei, liege ein unvollkommener, bedingt oder schwebend unwirksamer Vertrag vor, an den auch die Klägerin für die Dauer des Schwebezustandes gebunden sei. Sie habe daher die Räumungsklage verfrüht eingebracht.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 505 Z. 4 ZPO. Sie beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
F* stand, wie das Erstgericht zutreffend hervorhebt, ein Verwaltungsrecht (§ 1258 ABGB) über das Vermögen seiner Gattin (Hälfteanteil der Liegenschaft EZ *, KG *) nicht zu. Ein solches setzt nämlich voraus, daß die Gattin, in der Lage ist, ihr Vermögen selbst zu verwalten. Ist daher für die zur Besorgung ihrer Angelegenheiten nicht fähige Ehegattin ein Kurator bestellt, so ist damit auch die Verwaltung ihres freien Vermögens auf den Kurator übergegangen (Weiss in Klang2 V, Seite 829; Ehrenzweig 2 II/2, Seite 170; SZ 12/219). * W* hat daher den auch die Liegenschaftshälfte der Klägerin betreffenden Bestandvertrag ohne deren Vollmacht abgeschlossen. Ob dieser auch die Klägerin verpflichtet, hängt daher in erster Linie nicht – wie das Berufungsgericht meint – davon ab, ob es zwischen den Streitteilen (bzw. dem Kurator der Klägerin) zum konkludeten Abschluß eines Bestandvertrages kam, sondern ob eine Genehmigung des von * W* geschlossenen Vertrages durch den Kurator im Sinne des § 1016 ABGB erfolgte. Denn diese Norm gilt nicht nur bei einer Vollmachtsüberschreitung, sondern auch bei einem völligen Mangel der Vollmacht (Stanzl in Klang2 IV/1, Seite 852; EvBl 1962/90, MietSlg XX/39; 6 Ob 190/65 u.a.m.). Voraussetzung für eine wirksame Genehmigung des vom Vertreter ohne Vollmacht abgeschlossene Rechts geschältes (§ 1016 ABGB) ist aber, daß dieser im Namen des Vertretenen gehandelt hat (Stanzl in Klang2 IV/1, Seite 851; MietSlg 8.586, 27.144, 6 Ob 190/65, zuletzt 5 Ob 195/75). Handelte hingegen der Vertreter im eigenen Namen, so wird er selbst Vertragspartner des Dritten (Stanzl in Klang2 IV/1, Seite 851, EvBl 1954/310, MietSlg 18.109, 24.101, zuletzt 27.144). Auch vom dinglich nicht (bzw. nicht allein) Berechtigten, abgeschlossene Bestandverträge sind nämlich zwischen den Vertragsparteien wirksam (MietSlg 4.915, 21.146, zuletzt 27.144). Hat jedoch – so wie hier – bloß ein Hälfteeigentümer einer Liegenschaft einen Bestandvertrag über diese abgeschlossen, so ist der andere Hälfteeigentümer, der dem Vertrag weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt hat, an diesen nicht gebunden und kann daher vom Bestandnehmer die Räumung begehren (MietSlg 22.048, 24.048 u.a.m.). Hat hingegen der vollmachtlose Vertreter auch im Namen des nicht wirksam Vertreten gehandelt so wird dieser Vertragspartner des Dritten, wenn er das Rechtsgeschäft genehmigt. Hiebei kann die Genehmigung nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der nicht wirksam Vertretene vollentmündigt ist und daher durch einen Kurator vertreten wird (MietSlg 16.105). Allerdings wird ein bloßes Stillschweigen des unwirksam Vertretenen eher als Ablehnung des Rechtsgeschäftes zu betrachten sein. Eine Genehmigung wird nur dann anzunehmen sein, wenn nach der Lage der Dinge dem Stillschweigen keine andere Bedeutung als die einer Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft beigelegt werden kann (Stanzl in Klang2 IV/1, Seite 853, vgl. auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, Seite 79 f, MietSlg 24.080, 1 Ob 20/74, zuletzt 4 Ob 563-572/75). Dies ist aber nach der mit der herrschenden Lehre (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes4 I, Seite 142, siehe auch Welser in JBl 1976, Seite 311) übereinstimmenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in der Regel nur dann der Fall, wenn der unwirksam Vertretene infolge bereits angebahnter Geschäftsbeziehungen nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs zu einer Antwort verpflichtet ist (SZ 37/21, HS 1175, EvBl 1957/303, 1964/221). Stillschweigen des unwirksam Vertretenen zu einem für ihn abgeschlossenen Rechtsgeschäft wird daher unter den vorgenannten Voraussetzungen im allgemeinen nur im kaufmännischen Geschäftsverkehr als Zustimmung zu betrachten sein.
Ob F* den Bestandvertrag im eigenen Namen oder auch als Vertreter der Klägerin abgeschlossen hat, kann den sehr knapp gefaßten Feststellungen der Untergerichte nicht entnommen werden. Derzeit kann daher noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung des Bestandvertrages durch den Kurator der Klägerin im Sinne des § 1016 ABGB überhaupt gegeben waren. Auch für eine allfällige Beurteilung, ob eine konkludente Genehmigung des Bestandvertrages durch den Kurator der Klägerin erfolgt sein könnte, reichen die von der Berufungsinstanz getroffenen ergänzenden Feststellungen nicht aus. Dessen bloßes Schweigen zu dem von * W* abgeschlossenen Bestandvertrag würde nämlich zu einer konkludenten Genehmigung im Hinblick auf die vorangehenden Darlegungen nicht ausreichen, zumal keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß den Kurator der Klägerin eine Pflicht zur Äußerung zu diesem Vertrag getroffen hätte. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß der Kurator der unwirksam vertretenen Klägerin nicht Kaufmann, sondern Weingutsbesitzer ist. Zu dessen Stillschweigen müßte daher noch ein weiteres Moment hinzutreten (z. B. Annahme des auf den Liegenschaftsanteil der Klägerin entfallenden Anteiles am Zins), aus dem unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nur auf den Willen des Kurators zur Genehmigung des von * W* abgeschlossenen Bestandvertrages geschlossen werden könnte. Derartige Feststellungen fehlen aber ebenfalls in dem angefochtenen Urteil, aus dem sich nur ergibt, daß das Bestandobjekt vom Beklagten benützt und der Bestandzins entgegengenommen wurde. Damit erweist sich aber die Rechtssache als noch nicht spruchreif. Das angefochtene Urteil mußte daher der Aufhebung verfallen. Im Hinblick auf die vorgenannten Feststellungsmängel bedarf es auch einer neuerlichen Verhandlung in erster Instanz, um die Rechtssache spruchreif zu machen (§ 510 ZPO). Es war daher auch das Ersturteil aufzuheben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird daher das Erstgericht sein Verfahren im Sinne der vorangehenden Darlegungen zu ergänzen haben. Sollte sich dabei herausstellen, daß eine Genehmigung des Bestandvertrages durch den Kurator der Klägerin deshalb nicht in Frage kommt, weil * W* ausschließlich im eigenen Namen gehandelt hat (wofür die im Akt befindlichen Beilagen ./C und ./D sprechen würden), so wird das Erstgericht auch noch zu prüfen haben, ob es allenfalls zwischen dem Beklagten und dem Kurator der Klägerin zum konkludenten Abschluß eines Bestandvertrages gekommen ist. Hiebei werden allerdings die vorgenannten, für eine konkludente Genehmigung des Bestandvertrages durch den Kurator der Klägerin angeführten Grundsätze zu beachten sein.
Ob hingegen eine konkludente Genehmigung des von F* abgeschlossenen Bestandvertrages durch den Kurator der Klägerin oder ein allenfalls durch schlüssige Handlungen zwischen den Streitteilen zustande gekommener Bestandvertrag der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nach § 235 ABGB bedurft hätte, kann dahingestellt bleiben, weil eine solche nach den Feststellungen der Unterinstanzen bisher weder erteilt noch verweigert wurde. In diesem Falle würde nämlich ein unvollkommener Vertrag vorliegen, an den auch die pflegebefohlene Klägerin während des Schwebezustandes gebunden wäre und daher vom Beklagten nicht die Räumung der vorgenannten Bestandobjekte begehren könnte (Gschnitzer in Klang2, IV/1, Seite 89; SZ 31/52, MietSlg 6.232, 16.105 u.a.m.). Auch in dem Umstand, daß das Pflegschaftsgericht dem Kurator der Klägerin die Ermächtigung zur Klagsführung erteilte, kann eine konkludente Verweigerung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung zu dem von F* geschlossenen Bestandvertrag nicht erblickt werden (SZ 31/52, 2 Ob 107/50).
Die Revision der Klägerin erweist sich daher im Sinne einer Aufhebung der Urteile der Untergerichte als berechtigt.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf § 52 ZPO.
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