European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00810.76.1202.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird, soweit in ihm beantragt wird, der beklagten Partei auch den vom Erstgericht bereits rechtskräftig abgewiesenen Unterhaltsteilbetrag von 3.000,-- S pro Monat zur Zahlung an die klagende Partei aufzutragen, zurückgewiesen.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichtes und die Entscheidung des Erstgerichtes, letztere aber nur soweit mit ihr dem Sicherungsantrag stattgegeben wurde, werden aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang die Fällung einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Sicherungsverfahrens.
Begründung:
Die Streitteile leben in aufrechter Ehe, doch ist der ehemals gemeinsame Haushalt aufgehoben worden. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig.
Mit der am 4. Mai 1976 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten für die Zeit ab Klagseinbringung die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 6.000,-- S und die Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes in gleicher Höhe. Zur Begründung des Klagebegehrens und des Sicherungsantrages bringt sie vor, der Beklagte habe sie, nachdem sie sich mit seiner Zustimmung auf einer Reise in den USA befunden hatte, von der sie am 31. Dezember 1975 zurückgekehrt sei, aus der Ehewohnung ausgesperrt und habe ihr Verlangen, sie wieder in den ehelichen Haushalt aufzunehmen, abgelehnt. Der Beklagte habe ihr bis zum Antritt der erwähnten Reise monatliche Unterhaltsbeträge zwischen 10.000,-- S und 15.000,-- S zur Verfügung gestellt und habe außerdem die Kosten für verschiedene Ausgaben ihrer Lebensführung selbst bestritten. Seit anfangs Jänner 1976 leiste der Beklagte, der ein Monatsnettoeinkommen von mindestens 20.000,-- S beziehe, der Klägerin keinen Unterhalt. Sie selbst sei als gebürtige Polin der deutschen Sprache nur in bescheidenem Ausmaß mächtig und könne daher in Österreich einer Beschäftigung nicht nachgehen.
Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie des Sicherungsantrages. Die Klägerin habe die Reise nach den USA am 4. November 1975 gegen seinen Willen in der Absicht angetreten, sich dort nach einer beruflichen Tätigkeit umzusehen. Vor ihrer Abreise habe sie praktisch alle ihr gehörigen Sachen aus der ehelichen Wohnung entfernt, habe ihre Wohnungsschlüssel zurückgelassen und habe nach ihrer -unangekündigten - Rückkehr aus den USA nicht wieder in der ehelichen Wohnung zu wohnen verlangt. Er, Beklagter, habe sie aus der Wohnung nicht ausgesperrt, sondern sei vom 24. Dezember 1975 bis 6. Jänner 1976 auf Urlaub im Ausland gewesen. Die Klägerin beherrsche die deutsche Sprache sehr gut und habe eine Ausbildung als Diplomkosmetikerin erfolgreich abgeschlossen, arbeite aber als Mannequin. Sie habe vor der Klagseinbringung keine Unterhaltsansprüche erhoben und könne ihren Unterhalt selbst verdienen. Die Klägerin habe niemals, auch nicht vor ihrer Abreise nach den USA, den ehelichen Haushalt geführt. Sie habe weder Mahlzeiten zubereitet noch die Wohnung zusammengeräumt noch für die Wäsche gesorgt noch sonst irgendwelche Haushaltsarbeiten verrichtet. Sie habe daher keinen Anspruch auf Unterhalt.
Die Klägerin brachte in der Folge dazu vor, sie sei bereit und sei auch bereit gewesen, den Haushalt zu führen. Der Beklagte habe jedoch ihre Aufnahme in die eheliche Wohnung abgelehnt, nachdem er ihr am 31. Dezember 1975 den Zutritt zur Wohnung nicht mehr ermöglicht hätte.
Das Erstgericht trug dem Beklagten für die Zeit ab 4. Mai 1976 eine einstweilige monatliche Unterhaltszahlung an die Klägerin in der Höhe von 3.000,-- S auf. Es unterließ zwar entgegen der Bestimmung des § 545 Abs. 2 Geo., die Abweisung des Mehrbegehrens im Entscheidungstenor anzuführen, doch ergibt sich ein darauf gerichteter Entscheidungswille immerhin aus der Begründung der einstweiligen Verfügung. Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Der Beklagte verdient derzeit monatlich 4.258,-- S, 14 mal im Jahr und hat bis Februar 1976 9.000,-- S netto pro Monat verdient. Die Klägerin hat innerhalb von 18 Monaten 19.920,-- S (einschließlich Umsatzsteuer) verdient und kann als Mannequin ein monatliches Einkommen von mindestens 1.500,-- S erzielen. Der Beklagte kann bei entsprechender Anspannung seiner Kräfte im Monat 9.000,-- S, 14 mal jährlich, verdienen. Er leistet an die Klägerin seit der im Dezember 1975 erfolgten Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft keinen Unterhalt.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht unter Zugrundelegung der Anspannungstheorie zu dem Ergebnis, der Beklagte habe an die Klägerin, die einen Anspruch auf Deckung ihrer Bedürfnisse in einer ihren Lebensverhältnissen angemessenen Weise habe, einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der ausreichenden Höhe von 3.000,-- S zu zahlen.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung, die in ihrem abweisenden Teil unbekämpft geblieben war, in ihrem stattgebenden Teil dahin ab, daß es den Sicherungsantrag zur Gänze abwies. Es nahm folgenden ergänzenden Sachverhalt als bescheinigt an: Die Streitteile wohnten in der Wohnung der Mutter des Beklagten. Frühstück und Mittagessen wurden von der Mutter des Beklagten in deren Geschäftsräumen zubereitet und vom Beklagten dort eingenommen. Auf Wunsch der Klägerin, die lange zu schlafen pflegte, brachte der Beklagte seiner Gattin das Frühstück in die Wohnung. Diese wurde nicht von der Klägerin, sondern von einer von der Mutter des Beklagten bezahlten Bedienerin einmal in der Woche aufgeräumt. An den anderen Tagen wurde die Wohnung nicht in Ordnung gebracht. Die Klägerin hat auch die Wäsche nicht besorgt.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß dem § 94 Abs. 2 ABGB ein Ehegatte gegen den anderen nur dann Anspruch auf Unterhalt besitze, wenn er entweder den Haushalt führe bzw. bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt habe oder wenn er zu einer Haushaltsführung nicht in der Lage sei. Da beide Voraussetzungen auf die Klägerin nicht zuträfen, stehe ihr schon aus diesem Grund ein Unterhaltsanspruch nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Beklagten die Leistung eines einstweiligen Unterhaltes von 6.000,-- S pro Monat aufgetragen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist teils unzulässig, teils aber sachlich berechtigt.
Die Klägerin hat den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung nicht bekämpft, so daß er in Rechtskraft erwachsen ist. Soweit sie im Revisionsrekurs den Zuspruch auch des somit bereits rechtskräftig abgewiesenen Unterhaltsteilbetrages von 3.000,-- S begehrt, ist ihr Rechtsmittel daher unzulässig. Im übrigen ist festzuhalten, daß die - auch für einstweilige Verfügungen geltende (JBl 1969, 553; 1 Ob 596, 597/76 uva.) -Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs 2 Z 1 ZPO eine Entscheidung über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes voraussetzt. Gegenstand des Revisionsrekurses ist jedoch die Frage, ob die Klägerin im Hinblick auf die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes überhaupt einen Unterhalt zu beanspruchen hat. Diese Frage betrifft aber nicht die Bemessung des Unterhaltes, sondern den Grund des Anspruches (vgl. EFSlg 14.235, 10.557; RZ 1967, 89; 1 Ob 596, 597/76; Fasching, Erg. Bd. 86), so daß der Revisionsrekurs hinsichtlich des vom Rekursgericht abgewiesenen monatlichen Unterhaltsbetrages von 3.000,-- S zulässig ist.
In der Sache selbst ist das Rekursgericht vom § 94 ABGB in der Fassung des am 1. Jänner 1976 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 1. Juli 1975 über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (BGBl 1975/412) ausgegangen. Es ist jedoch vorerst zu prüfen, ob diese Bestimmung auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, zumal die Rechtsmittelwerberin darauf hinweist, der Beklagte habe ihr bis Ende des Jahres 1975 Unterhalt gezahlt, so daß sie ihren Unterhaltsanspruch durch die im Jänner 1976 erfolgte Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes selbst dann nicht verlieren könne, wenn sie vor diesem Zeitpunkt den Haushalt nicht geführt habe. Zu prüfen ist daher, ob nicht die Anwendung des § 94 ABGB auf den vorliegenden Fall eine unzulässige Rückwirkung von Gesetzen zur Folge haben könnte.
Gemäß dem § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Sie haben daher auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Daraus ergibt sich für den Fall, in welchem an ein Dauerrechtsverhältnis, wie die Ehe, eine Dauerrechtsfolge, wie die Unterhaltspflicht, geknüpft ist, daß in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers die Rechtsfolgen, die an den zeitlichen Abschnitt der Tatbestandsverwirklichung vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geknüpft waren, nach altem Recht, die Rechtsfolgen bezüglich des sich danach weiter verwirklichenden Tatbestandes aber nach dem neuen Gesetz zu beurteilen sind (Wolff in Klang² I, 73; 1 Ob 596, 597/76; 1 Ob 671, 672/76 u.a.). Da die Klägerin Unterhalt nur für die Zeit nach dem Inkrafttreten des BGBl 1975/412 (1. 1. 1976) begehrt, ist ihr Anspruch nach der neuen Rechtslage zu beurteilen (1 Ob 596, 597/76).
Nach dieser neuen Rechtslage sollen die Ehegatten gemäß § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich gestalten. Die Ehegatten haben, wie im § 94 Abs. 1 ABGB bestimmt wird, nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Gemäß dem § 94 Abs 2 ABGB leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinne des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach dem Absatz 1 nicht zu leisten vermag.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der eheliche Haushalt aufgehoben wurde. Die Klägerin hätte nach der dargelegten neuen Rechtslage nur dann einen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten, wenn sie vor dieser Aufhebung den Haushalt geführt hätte und wenn die Geltendmachung ihres Unterhaltsanspruches kein Rechtsmißbrauch wäre, es sei denn, sie hätte den Haushalt auf Grund einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung über die Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht geführt. Nach dem vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt wurde der Haushalt nicht von der Klägerin, sondern wenigstens teilweise von der Mutter des Beklagten und von einer von dieser beauftragten Person geführt. Die Klägerin hat das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten vor Erlassung des Sicherungsantrages nicht bestritten. Sie hat aber vorgebracht, daß sie vor ihrer mit Zustimmung des Beklagten unternommenen Reise nach den USA neben anderen Unterhaltsleistungen auch monatliche Unterhaltsbeträge in der Höhe zwischen 10.000,-- S und 15.000,-- S vom Beklagten zur Verfügung gestellt bekommen habe und daß sie bereit gewesen sei, den ehelichen Haushalt zu führen. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin eine besondere Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne der §§ 91, 94 Abs 1 ABGB behauptet, die eine Haushaltsführung durch die Klägerin nicht vorgesehen habe. Sollte eine solche Regelung tatsächlich einvernehmlich erfolgt sein, dann stünde dem umstrittenen Unterhaltsanspruch die Unterlassung der Haushaltsführung nicht entgegen. Da die Untergerichte diese Frage in die als bescheinigt angenommene Sachverhaltsgrundlage nicht einbezogen haben, kann die Berechtigung des Sicherungsantrages noch nicht abschließend beurteilt werden.
Aber auch wenn die Klägerin den Haushalt im Einverständnis mit dem Beklagten nicht geführt haben sollte, wäre im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten noch zu klären, ob die Geltendmachung des an sich bestehenden Unterhaltsanspruches nicht ein Mißbrauch des Rechtes wäre.
Die Entscheidungen der Untergerichte - jene des Erstgerichtes nur in ihrem dem Sicherungsantrag stattgebenden Teil - waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die Fällung einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 78, 402 EO, 52 ZPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)