OGH 7Ob678/76

OGH7Ob678/762.12.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei: Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Lebens- und Genußmittelarbeiter, *, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*, Pensionist in *, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 55.839,80 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1976, GZ 7 R 91/76-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreis-Gerichtes St. Pölten vom 4. März 1976, GZ 3 Cg 11/75-43 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00678.76.1202.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.699,52 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 600,-- S, Umsatzsteuer 155,52 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war von Oktober 1964 bis Oktober 1970 Betriebsratsobmann der Firma R*, Fleischhauerei in P*, und hatte in dieser Eigenschaft die Aufgabe, die Gewerkschaftsbeiträge zu kassieren. In den Jahren 1966 bis 1970 wurden die Gewerkschaftsbeiträge vom Lohnbüro der Firma R* (von den Löhnen der Bediensteten) einbehalten und dem Beklagten zur Weiterleitung an die Klägerin ausgefolgt. Der Beklagte stellte hiebei jeweils von ihm unterfertigte Quittungen aus, in welchen die einbehaltenen und zur Weiterleitung übergebenen Beträge, nach Betriebsstätten aufgeschlüsselt, ersichtlich waren. In der Zeit vom 31. Dezember 1965 bis 9. November 1970 übernahm der Beklagte vom Lohnbüro der Firma R* insgesamt 449.699,90 S unter dem Titel „Gewerkschaftsbeiträge“, führte jedoch hievon nur 380.598,10 S an die Klägerin ab. Am 23. März 1971 schloß der Beklagte in der Kanzlei des Klagevertreters mit der Klägerin folgende Vereinbarung (Beilage ./B): „I) Herr K* erklärte als ehemaliger Betriebsratsobmann der Firma R*, Fleischhauerei in P*, in den Jahren 1966 bis 1970 Gewerkschaftsbeiträge kassiert und einen Betrag von 69.101,90 S an die Gewerkschaft der Lebens- und Genußmittelarbeiter nicht abgeliefert zu haben. II) Herr K* verpflichtet sich, diesen Betrag von 69.101,90 S (in Worten Schilling neunundsechzigtausendeinhunderteins/90) an den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Lebens- und Genußmittelarbeiter zu bezahlen, und zwar im Jahre 1971 in Monatsraten von 1.000,‑‑ S, beginnend mit 1. April 1971, wobei die folgenden Raten jeweils am Ersten der darauffolgenden Monate bei 5-tägigem Respiro und Terminsverlust zu bezahlen sind. Den aushaftenden Rest auf die Gesamtsumme von 69.101,90 S, d.s. bei pünktlicher Einhaltung der Raten 60.101,90 S, verpflichtet sich Herr K* im Laufe des Monates Jänner 1972 zur Gänze zu bezahlen.

III) Herr K* nimmt zur Kenntnis, daß diese Verpflichtungserklärung als Vereinbarung im Sinne der §§ 187, 188 StG anzusehen ist.“

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nach Klagseinschränkung um 4.262,-- S vom Beklagten die Bezahlung von 55.839,80 S samt Anhang. Der Beklagte habe die ihm von der Firma R* übergebenen, von ihren Dienstnehmern in Abzug gebrachten Gewerkschaftsbeiträge nicht vollständig an die Klägerin abgeführt, wodurch sich ein Abgang von 69.101,90 S ergeben habe. Trotz der von ihm in der Vereinbarung vom 23. März 1971 übernommenen Rückzahlungsverpflichtung habe der Beklagte bisher an die Klägerin nur 9.000,‑‑ S überwiesen. Sollte sich herausstellen, daß Gewerkschaftsbeiträge von Personen einbehalten wurden, die noch nicht Mitglieder der Klägerin gewesen seien, werde das Klagebegehren hinsichtlich dieser Beträge auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, weil der Beklagte zur Weiterleitung von deren Aufnahmeansuchen verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und behauptet, bei dem Abgang handle es sich um jene Beträge, die von der Firma R* den bei ihr beschäftigten Gastarbeitern ohne deren Einwilligung als „Gewerkschaftsbeträge“ abgezogen worden seien und die er daher diesen Arbeitern refundiert habe. Das behauptete Anerkenntnis vom 23. März 1971 (Beilage ./B) habe er nur deshalb unterfertigt, weil er der Meinung gewesen sei, den Abgang aus eigenen Mitteln bezahlen zu müssen, und weil er auf allfällige strafrechtliche Folgen aufmerksam gemacht worden sei. Das Anerkenntnis sei daher infolge eines ihm unterlaufenen Rechtsirrtums nicht verbindlich.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens und traf noch folgende Feststellungen: Im Oktober 1970 trat E* die Nachfolge des Beklagten als Betriebsratsobmann bei der Firma R* an. Bei einer vorgenommenen Überprüfung der Abrechnungslisten und der Bestätigungen über die dem Beklagten von der Firma R* übergebenen (von ihren Bediensteten einbehaltenen) Beträge ergab sich ein Fehlbetrag von 69.101,90 S (richtig 69.101,80 S). Diesen Fehlbetrag begründete der Beklagte damit, daß er Rückzahlungen an Mitglieder geleistet habe, konnte allerdings trotz Aufforderung hierüber keine Belege vorweisen. Daß der Beklagte aus den ihm übergebenen Geldbeträgen Beitragsrückzahlungen an Gastarbeitern geleistet oder die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt hätte, daß Beiträge auch von Dienstnehmern der Firma R* einbehalten worden seien, welche sich weigerten, der Klägerin beizutreten, kann nicht festgestellt werden. Anläßlich der Unterfertigung der Erklärung vom 23. März 1971 (Beilage ./B) wurde seitens der Klägerin angekündigt, daß im Falle einer Nichtunterzeichnung gegen den Beklagten gerichtlich vorgegangen werden würde. Auf Grund der vorgenannten Vereinbarung leistete der Beklagte nur 9.000,-- S. Wegen des klagsgegenständlichen Sachverhaltes wurde gegen den Beklagten von der StA Wien Anklage wegen Verbrechens der Veruntreuung nach § 183 StG erhoben, weil er als Gewerkschaftsfunktionär ihm von der Firma R* zur Weiterleitung an die Klägerin übergebene Geldbeträge im Gesamtausmaß von 64.839,80 S sich zugeeignet habe. Das Strafverfahren gegen den Beklagten wurde am 14. August 1974 wegen dessen Verhandlungsunfähigkeit infolge eines schweren Herzleidens nach § 422 StPO abgebrochen. Das Erstgericht war der Ansicht, der Beklagte sei als Beauftragter der Klägerin nach § 1009 ABGB verpflichtet gewesen, alle an ihn auf Grund des Vollmachtsverhältnisses erbrachten Leistungen der Fa. R* an seinen Machtgeber auszufolgen. Zu eigenmächtigen Verfügungen über die ihm anvertrauten Geldbeträge sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen. Die vom Beklagten behauptete Rückzahlung von Gewerkschaftsbeiträgen an Nichtmitglieder der Klägerin stelle daher eine den Bestimmungen des § 1009 ABGB zuwiderlaufende Vorgangsweise dar. Auch hinsichtlich solcher Beiträge sei daher der Beklagte zur Herausgabe an die Klägerin verpflichtet. Schließlich enthalte aber auch die Vereinbarung vom 23. März 1971, Beilage ./B, ein konstitutives Anerkenntnis.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es befand das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstrichters als unbedenklich und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z. 1 und 4 ZPO. und beantragt dessen Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin beantragt, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Sofern der Revisionswerber im Rahmen seiner Rechtsrüge behauptet, der vorliegende Rechtsstreit hätte vor das Arbeitsgericht gehört, macht er in Wahrheit den Revisionsgrund nach § 503 Z. 1 (§ 477 Abs. 1 Z. 3) ZPO geltend. Ob eine Rechtssache vor die ordentlichen oder die Arbeitsgerichte gehört, ist nämlich eine Frage der durch Parteienvereinbarung nicht zu beseitigenden (JBl 1954/442, EvBl 1962, 420, RZ 1963/33) sachlichen Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte (SZ 43/33, 29/66, zuletzt 6 Ob 3/75).

Der geltend gemachte Revisionsgrund liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil der Revisionswerber in keinem Dienstverhältnis zur Klägerin stand und von dieser als Betriebsratsobmann nur mit dem Inkasso der von seinen Arbeitskollegen zu entrichtenden Gewerkschaftsbeiträgen beauftragt war.

Auch die weiteren Ausführungen des Revisionswerbers, die in der Beilage ./B festgehaltene Vereinbarung der Streitteile vom 23. März 1971 sei deshalb nicht als konstitutives Anerkenntnis zu betrachten, weil sich der dort festgehaltene Betrag von 69.101,90 S als unrichtig herausgestellt habe, welchem Umstande von der Klägerin durch Einschränkung ihres Klagebegehrens Rechnung getragen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Der Revisionswerber verkennt nämlich das Wesen des konstitutiven Anerkenntnisses (auch Anerkenntnisvertrag genannt), das dann vorliegt, wenn ein Gläubiger auf Grund eines bestimmten Sachverhaltes ernstlich den Bestand einer Forderung behauptet und der Schuldner die Unsicherheit der dadurch gegebenen Rechtslage durch sein Anerkenntnis wie bei einem Vergleich beseitigt (Ehrenzweig 2I/1, S. 351, Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes4 I S. 229, SZ 24/162, 25/279, JBl 1975/206, zuletzt 7 Ob 125/75). Voraussetzung für das Zustandekommen eines konstitutiven Anerkenntnisses ist daher, daß das anerkannte Recht vom Gläubiger ernstlich behauptet wurde, mag diese Behauptung auch nicht begründet gewesen sein (Ehrenzweig S. 361). Beseitigt der Schuldner die Zweifel an dem vom Gläubiger behaupteten Recht dadurch, daß er es zugibt, so liegt ein konstitutives Anerkenntnis vor (SZ 36/24, 41/122, EvBl 1974/4, zuletzt 7 Ob 125/75), das einen vom bestehenden Schuldverhältnis unabhängigen neuen Verpflichtungsgrund schafft (Koziol-Welser 4 I S. 229, SZ 35/103, RZ 1961/166), ohne den alten Rechtsgrund zu beseitigen (Ehrenzweig 2 I/1 S. 361, JBl 1975/206, 7 Ob 89, 90/75, zuletzt 7 Ob 125/75). Das deklaratorische Anerkenntnis (auch Rechtsgeständnis genannt) ist hingegen eine bloße Wissenserklärung des Schuldners, mit der dieser keine Rechtsfolgen herbeiführen will, sondern nur bekanntgibt, daß das Recht des Gläubigers seinem Wissen nach besteht. Ein solches deklaratorisches Anerkenntnis bildet daher keinen neuen Verpflichtungsgrund, sondern im Rechtsstreit nur ein Beweismittel für das Bestehen der Forderung, das jedoch durch andere Beweise widerlegbar ist (Ehrenzweig 2I/1 S. 359 f., Koziol-Welser 4 I S. 229, SZ 12/104, 25/6, HS 5.229, 5.446 u.a.m.).

Hier hat der Klagevertreter bei der in seiner Kanzlei am 23. März 1971 stattgefundenen Besprechung der Streitteile eine Forderung der Klägerin von 69.101,90 S mit der Behauptung erhoben, daß der Revisionswerber Gewerkschaftsbeiträge in dieser Höhe in den Jahren 1966 bis 1970 kassiert und an die Klägerin nicht abgeführt habe. Der Beklagte gab diese Forderung der Klägerin als richtig zu (Punkt 1 der Vereinbarung Beilage ./B) und verpflichtete sich, den vorgenannten Betrag ratenweise zurückzuerstatten (Punkt II der Vereinbarung Beilage ./B). Die vom Revisionswerber abgegebenen Erklärungen enthalten somit nicht nur ein bloßes Rechtsgeständnis (Wissenserklärung), sondern auch eine Willenserklärung, die in dem von ihm abgegebenen Schuldversprechen (siehe Punkt II der Beilage ./B) klar und deutlich zum Ausdruck kommt (EvBl 1960/365). Mit Recht erblickten daher die Unterinstanzen in der zwischen den Streitteilen am 23. März 1971 abgeschlossenen Vereinbarung, Beilage ./B, ein konstitutives Anerkenntnis des Revisionswerbers. Der Umstand, daß die Klägerin später ihr Klagebegehren unter den in der Beilage ./B angeführten Betrag einschränkte, ist für die Wirksamkeit des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Anerkenntnisvertrages ohne Bedeutung. Es ist nämlich dem Gläubiger unbenommen, die ihm zustehende Forderung auch nur teilweise geltend zu machen.

Ein konstitutives Anerkenntnis schneidet aber dem Schuldner alle verzichtbaren Einwendungen aus dem anerkannten Rechtsverhältnis ab, läßt hingegen die nicht verzichtbaren Einreden unberührt (Ehrenzweig 2I/1 S. 362, SZ 35/103, JBl 1961, 123, zuletzt 7 Ob 89, 90/73). Es kann daher selbst bei Vorliegen eines vom Gegner veranlaßten Irrtums darüber, ob die anerkannte Forderung zu Recht besteht, nur im Falle einer listigen Irreführung angefochten werden (SZ 39/73, 45/20, EvBl 1961/248, JBl 1975/206, zuletzt 7 Ob 125/75). Auch der Umstand, daß der Schuldner vom Gläubiger durch ungerechte und gegründete Furcht zur Abgabe des konstitutiven Anerkenntnisses veranlaßt wurde, berechtigt den Anerkennenden zu dessen Anfechtung nach § 870 ABGB. Eine arglistige Irreführung durch die Klägerin wurde vom Revisionswerber nicht einmal behauptet. Richtig ist allerdings, daß der Klagevertreter dem Revisionswerber bei der Unterredung am 23. März 1971 ankündigte, daß im Falle der Nichtunterfertigung der Beilage ./B gegen ihn gerichtlich vorgegangen werden würde. Selbst wenn in diesen Erklärungen eine Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige gelegen gewesen sein sollte, kann darin eine ungerechtfertigte Drohung im Sinne des § 870 ABGB. nicht erblickt werden. Eine Drohung mit einer an sich erlaubten positiven Handlung ist nämlich nur dann widerrechtlich, wenn das angedrohte Übel nicht geeignet ist, den berechtigten Interessen des Drohenden zu dienen (Gschnitzer in Klang2 IV/1 S. 104 f.). Der Klagevertreter verfolgte aber mit der vorgenannten Äußerung nur die berechtigten Interessen der Klägerin an der Rückzahlung der ihr vom Revisionswerber vorenthaltenen Gewerkschaftsbeiträge. Auch eine Strafanzeige dient nämlich dem Geschädigten als Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen, weil er im Strafverfahren seine zivilrechtlichen Ansprüche im Adhäsionsverfahren geltendmachen kann (Gschnitzer in Klang2 IV/1 S. 104 f., JBl 1931, 242, 1933, 476, 1 Ob 105/61). Auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Anerkenntnisvertrages durch den Revisionswerber wegen ungerechter und gegründeter Furcht sind somit nicht gegeben. Ob der Revisionswerber berechtigt gewesen wäre, von Nichtmitgliedern einbehaltene Gewerkschaftsbeiträge an diese zu refundieren, kann im Hinblick auf die rechtsbegründende Wirkung des konstitutiven Anerkenntnisses dahingestellt bleiben (Koziol-Welser 4 I S. 229, JBl 1975/206). Daß solche Rückzahlungen durch den Revisionswerber tatsächlich stattgefunden hätten, konnte überdies von den Untergerichten nicht festgestellt werden.

Der Revision des Beklagten war somit nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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