OGH 4Ob386/76

OGH4Ob386/7630.11.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) H* T*, Zeltverleiher, *, 2) D* T*, Zeltverleiher, *, 3) E* T*, Zeltverleiherin, *, 4) H* S*, Zeltverleiher, *, 5) G* K*, Zeltverleiher, *, 6) A* T*, Zeltverleiher, *, 7) H* K*, Zeltverleiher, *, sämtliche vertreten durch Dr. Otto Kiessling, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei T* K*, Inhaberin eines Grosszeltverleihes, *, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 29. Juli 1976, GZ. 2 R 76/76‑11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Graz vom 7. Mai 1976, GZ. 8 Cg 214/76‑8, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00386.76.1130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die klagenden Parteien behaupten, daß der Ehemann der Beklagten, der ebenso wie die klagenden Parteien gewerbsmäßig den „Verleih“ von Zelten betreibe, im Auftrag der Beklagten den Verleih von Zelten unentgeltlich oder zu weit unter den ortsüblichen Preisen liegenden Preisen anbiete und auch durchführe. Das verstoße gegen die Bestimmungen des UWG. Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Anspruches auf Unterlassung dieser Handlungen begehren die klagenden Parteien deren Verbot durch einstweilige Verfügung. Zur Bescheinigung des Anspruches beriefen sich die klagenden Parteien auf drei Urkunden, die sie vorlegten. Dabei handelt es sich um:

1.) eine Originalbestätigung samt Unterschrift des K* W* vom 5. Februar 1976, wonach dieser bestätigt, daß Herr K* (der Gatte der Beklagten) bei ihm telefonisch Zelte angeboten und nach Befragen des Preises sagte, er sei um 2.000 S billiger als jede Konkurrenz (Beilage ./C),

2.) eine unbeglaubigte Fotokopie einer Bestätigung des J* P* über das Anbot von Herrn K* auf kostenlose Aufstellung seiner Zelte für das Hartberger Oktoberfest für 10 Jahre hindurch, „um die Firma T* auszuschalten oder zu ruinieren“ ... (Beilage ./D),

3.) eine unbeglaubigte Fotokopie einer Bestätigung des H* K*, wonach Herr K* ebenfalls die kostenlose Aufstellung von Zelten und darüber hinaus noch Bargeld angeboten habe, „um die Fa. T* auszuschalten oder zu ruinieren“ (Beilage ./E).

Die Beklagte begehrte Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, da weder sie noch ihr Gatte wettbewerbswidrige Handlungen der behaupteten Art begangen hätten. Sie hätten insbesondere nie Preise nur zu dem Zweck unterboten, um ihre Mitbewerber zu ruinieren. Der Zeltverleih sei durch die Beklagte nur im Zusammenhang mit der Erlaubnis, bei dem betreffenden Fest einen Vergnügungspark einrichten zu dürfen, unentgeltlich angeboten worden; das entspreche den üblichen geschäftlichen Gepflogenheiten. Ein „ortsüblicher Preis“ bestehe überhaupt nicht.

Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung mit der Einschränkung, daß der Beklagten nur verboten wird, bei Veranstaltern vorzusprechen und ihre Zelte um 2.000 S billiger als jede Konkurrenz oder in der Weise anzubieten, um die Firma T* auszuschalten oder zu ruinieren. Das Mehrbegehren auf Erlassung eines uneingeschränkten Verbotes, den Verleih von Zelten unter den ortsüblichen Preisen und unentgeltlich anzubieten, wurde abgewiesen. Es nahm den Sachverhalt, wie er in den angeführten Beilagen C, D, E angeführt ist, als bescheinigt an, da die Aussagen der Beklagten und ihres Gatten, die das Erstgericht vernommen hatte, nicht geeignet seien, den Inhalt dieser Urkunden zu widerlegen, obgleich der Gatte der Beklagten bestritt, die in den Beilagen D und E angeführten Äußerungen gemacht zu haben. Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß ein Preisunterbieten an sich nicht sittenwidrig im Sinn des UWG sei; das Preisunterbieten sei nur dann wettbewerbswidrig, wenn besondere Umstände die Annahme einer Sittenwidrigkeit rechtfertigten. Das treffe zu für das Anbieten der Zelte „um 2.000 S billiger als die Konkurrenz“, um Mitbewerber auszuschalten oder zu ruinieren. Ein ortsüblicher Preis, der unterboten worden sei, sei aber nicht bescheinigt worden.

Über Rekurs der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses änderte das Rekursgericht die Entscheidung dahin ab, daß der Beklagten verboten wurde, den Kunden die Vermietung von Zelten unter allgemeinem Unterbieten der Preise der Konkurrenz und ohne Nennung des eigenen Preises, der gefordert wird, anzubieten. Das Mehrbegehren (Verbot des Verleihens von Zelten unter den ortsüblichen Preisen oder unentgeltlich) wurde abgewiesen. Auch das Rekursgericht ging davon aus, daß ein Preisunterbieten grundsätzlich erst bei Vorliegen besonderer Umstände sittenwidrig im Sinn des UWG sei. Das treffe zu, wenn die Preisunterbietung ausschließlich den Zweck habe, Mitbewerber zu schädigen oder auszuschalten. Es sei aber auch sittenwidrig, wenn jemand, ohne den von ihm selbst geforderten Preis zu nennen, erkläre, Leistungen unter allen Umständen billiger als jede Konkurrenz zu erbringen. Ein solches Verhalten der Beklagten sei durch die Urkunde Beilage C bescheinigt. Die Urkunden Beilagen D und E seien aber keine ausreichenden Bescheinigungsmittel. Bei ihnen handle es sich nur um Ablichtungen von Privaturkunden, die weder eine Originalunterschrift noch eine Beglaubigung der Übereinstimmung mit dem Original aufwiesen. Die darin beschriebenen Vorfälle könnten daher nicht als bescheinigt angesehen werden. Die einstweilige Verfügung sei nur im Rahmen des bescheinigten Sachverhaltes zu bewilligen gewesen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wenden sich die Revisionsrekurse der klagenden Parteien und der Beklagten.

Die klagenden Parteien bekämpfen den abändernden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes und beantragen insoweit Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Beklagte bekämpft den bestätigenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes mit dem Antrag, ihn, allenfalls auch den Beschluß des Erstgerichtes, aufzuheben oder ihn im Sinne einer (vollständigen) Abweisung des Antrages der klagenden Parteien abzuändern.

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zwar zulässig, weil der bestätigende und der abweisliche Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes innerlich zusammenhängen, da das Erstgericht die Sittenwidrigkeit der Vermietung von Zelten unter allgemeinem Unterbieten der Preise der Mitbewerber auch aus dem Zusammenhang mit der planmäßigen Absicht der Beklagten, Mitbewerber durch Vernichtung der geschäftlichen Existenz zu schädigen, ableitete.

Rechtliche Beurteilung

Es sind aber beide Revisionsrekurse nicht berechtigt.

Die klagenden Parteien wenden sich dagegen, daß das Rekursgericht die Beilagen D und E nicht ausreichend erachtete, die darin angeführten Umstände als bescheinigt anzusehen.

Demgegenüber ist aber darauf zu verweisen, daß der Oberste Gerichtshof bei der Entscheidung über einen Revisionsrekurs auch im Provisorialverfahren nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz ist. Er hat daher von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt annahm. Behauptete Tatsachen, die das Rekursgericht nicht als bescheinigt annahm, können in die rechtliche Beurteilung nicht einbezogen werden. Das Rekursgericht ist dagegen im Provisorialverfahren an die Beweiswürdigung durch das Erstgericht nicht gebunden. Das Rekursgericht kann daher auch zu anderen Feststellungen gelangen als das Erstgericht (ÖBl 1974 105, 1973 104, 1971 156, 1958 38, SZ 27/204, EvBl 1964/392, ÖRZ 1965 12, ÖBl 1976 101, 4 Ob 317/76 u.a.). Grundsätzlich können als Bescheinigungsmittel auch urkundliche Angaben von Zeugen herangezogen werden (Fasching ZP III 292, SZ 41/111, ÖBl 1972 92). Ob die vorgelegten Urkunden auch konkret zur Bescheinigung tauglich sind, ist eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung. (Fasching a.a.O. Rechtsprechung 1936/331). Wenn das Rekursgericht zur Auffassung gelangte, daß die Urkunden Beilagen D und E nicht genügend Beweiskraft haben, um die darin angeführten Tatsachen als bescheinigt anzusehen, kann dies im Revisionsrekurs daher nicht mehr mit Erfolg bekämpft werden. Die darin angeführten Tatsachen sind vielmehr in die rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof nicht einzubeziehen. Daraus folgt aber, daß das beantragte Verbot, das Verleihen von Zelten in der Weise anzubieten, um die Firma T* auszuschalten oder zu ruinieren, mit Recht nicht erlassen wurde, weil ein darauf gerichteter Unterlassungsanspruch mangels eines solchen Verhaltens der Beklagten nicht bescheinigt wurde. Es ist aber auch nicht als bescheinigt angenommen worden, daß die Beklagte ortsübliche Preise unterboten und Zelte unter Verletzung der im Geschäftszweig üblichen Gepflogenheiten verliehen habe. Es wurde vielmehr als bescheinigt angenommen, daß auch die klagenden Parteien ihre Zelte (nur) gegen einen Anerkennungszins, also praktisch unentgeltlich, vermieten; weiter ging das Erstgericht schon davon aus, daß die klagenden Parteien nicht bescheinigt hätten, daß ein ortsüblicher Preis überhaupt besteht (AS 37). Es ist daher auch insoweit der erhobene Unterlassungsanspruch nicht bescheinigt.

Dem Revisionsrekurs der klagenden Parteien war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Beklagte macht in ihrem Revisionsrekurs zunächst geltend, daß die Bestätigung Beilage C keine ausreichende Grundlage zur Bescheinigung des darin angeführten Sachverhaltes gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beantwortung der Frage, ob dieses Bescheinigungsmittel ausreichte, diesen Sachverhalt als bescheinigt anzusehen, im Revisionsrekurs – wie bei der Erledigung des Revisionsrekurses der klagenden Parteien bereits näher ausgeführt wurde – nicht mehr mit Erfolg bekämpft werden kann. Die Beklagte bringt weiter vor, das Rekursgericht habe zu Unrecht angenommen, daß das festgestellte Preisanerbieten der Beklagten wettbewerbswidrig sei. Auch darin kann ihr nicht gefolgt werden.

Richtig ist, daß grundsätzlich jeder Gewerbetreibende befugt ist, den Preis seiner Ware oder Leistung frei zu bestimmen. Soweit keine – gesetzliche oder vertragliche – Preisbindung besteht, kann er seine Ware so billig abgeben, wie er will. Das Unterbieten der Preise der Mitbewerber ist daher grundsätzlich ein erlaubtes Kampfmittel im wirtschaftlichen Wettbewerb. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände ist es als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG anzusehen (Hohenecker‑Friedl, Wettbewerbsrecht 75, ÖB1 957 45, 1961 96, 1965 47, SZ 30/85 u.a.). Umstände, die ein Preisunterbieten sittenwidrig machen, sind etwa die Absicht, die geschäftliche Existenz von Mitbewerbern zu vernichten oder Gläubiger durch Vermögensverschleuderung zu schädigen, ein auf Täuschung abzielendes Verhalten (SZ 20/267), aber auch ein allgemeines Unterbieten jeden Preises, ohne den Preis zu nennen, den der Ankündigende selbst fordert.

Damit wird den Mitbewerbern die Möglichkeit genommen, sich über die objektive Höhe des tatsächlich verlangten Preises zu unterrichten und ihr Verhalten bei der Gestaltung des eigenen Angebotes darauf einzustellen. Es wird auch der Anreiz geschaffen, die Preise auf ein wirtschaftlich nicht mehr vertretbares Maß herabzusetzen, nur um den Konkurrenten auszuschalten. Das ist mit dem sittlichen Anstandsgefühl der betroffenen Kreise nicht mehr vereinbar, sodaß ein derartiges Vorgehen als wettbewerbsrechtlich unlauter anzusehen ist. Insoweit wurde also das Preisanerbieten der Beklagten mit Recht als sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG beurteilt. In diesem Umfang ist daher der Unterlassungsanspruch der klagenden Parteien bescheinigt, sodaß die zu seiner Sicherung beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen war.

Daraus folgt aber, daß auch dem Revisionsrekurs der Beklagten ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekurse stützt sich auf §§ 402, 78 EO, 40, 50, 52 ZPO.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte