OGH 5Ob886/76

OGH5Ob886/7629.11.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marhold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als weitere Richter in der Pflegschaftssache der * 1958 ehelich geborenen minderjährigen U* O*, vertreten durch den besonderen Kurator A* V*, Wirklicher Amtsrat i.R., *, infolge Rekurses der Mutter E* S*, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 11. Oktober 1976, GZ 2 R 222/76‑69, womit der Rekurs der Mutter gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 21. Jänner 1976, GZ 21 P 363/75‑53, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00886.76.1129.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15. 11. 1971, 18 Cg 253/70, geschieden. Im Zuge des Scheidungsverfahrens schlossen sie an diesem Tage einen Vergleich, mit dem sich der Vater Dipl.‑Ing. H* O* u.a. verpflichtete, sein Anwartschaftsrecht auf eine Eigentumswohnung in *, bestehend aus zwei Zimmern, Küche und Nebenräumen, gegenüber der österreichischen Wohnbaugenossenschaft, gemeinnützige reg.Gen.m.b.H. (ÖWG.), seiner Tochter U* O* binnen zwei Monaten abzutreten und mit dem Abtretungsvertrag U* O* zu verpflichten, der Mutter E* O* (nunmehr S*) das lebenslängliche Wohnrecht an dieser Wohnung einzuräumen; dieses höchstpersönliche Wohnrecht darf von E* S* nur persönlich bzw. gemeinsam mit den minderjährigen Kindern U*, I* und B* O* ausgeübt werden; eine Untervermietung ist unzulässig; während des aufrechten Bestandes des Wohnrechtes hat E* S* die Rückzahlungsraten, Betriebskosten und sonstige Auslagen für die Wohnung zu bezahlen. E* S* nahm das Versprechen des Dipl.-Ing. O* auf Einräumung des Wohnungsrechtes aus Anlaß der Übertragung des Anwartschaftsrechtes an U* O* an. Diesen Vergleich genehmigte das Pflegschaftsgericht durch Beschluß vom 15. 2. 1972 für die Minderjährige. Diese befindet sich derzeit in Pflege und Erziehung der Mutter. Zu ihrer Vertretung in Wahrnehmung der Rechte aus dem erwähnten Vergleich, insbesondere zum Abschluß eines entsprechenden förmlichen Vertrages mit dem Vater, bestellte das Erstgericht am 14. 7. 1975 A* V* zum besonderen Kurator. Der am 17. 9. 1974 zwischen der ÖWG. und der durch ihren Vater vertretenen minderjährigen U* O* abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung über die Gegenstand des Vergleiches bildende Wohnung erteilte das Erstgericht mit Beschluß vom 23. 9. 1975 die pflegschaftsbehördliche Genehmigung.

Am 10. November 1975 schloß die durch ihren Vater vertretene Minderjährige mit der ÖWG. den Kaufvertrag über die oben erwähnte Wohnung. Mit Beschluß vom 21. 1. 1976 genehmigte das Erstgericht den Kaufvertrag pflegschaftsbehördlich und bestätigte die Zeichnungsbefugnis des ehelichen Vaters Dipl.-Ing. H* O*. Ein Wohnungsrecht zugunsten der E* S* scheint im Vertrag nicht auf. Der Beschluß wurde dem besonderen Kurator A* V* zugestellt und blieb von diesem unangefochten. Eine Zustellung des Beschlusses an die Mutter E* S* geschah nicht; sie erhielt von ihm durch Akteneinsicht ihres Vertreters am 26. 5. 1976 Kenntnis.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter zurück. Der bekämpfte Beschluß des Erstgerichtes schmälere die Rechte der Mutter aus dem Vergleich nicht, da darin über die vertraglichen Rechte zwischen den Eltern der Minderjährigen nicht abgesprochen werde; es bleibe ihr unbenommen, ihre Ansprüche aus dem Vergleich im Rechtsweg oder auf andere geeignete Weise wahrzunehmen. Die Rekurswerberin sei nicht Vertragspartner; einem solchen komme im Genehmigungsverfahren keine Parteistellung zu, wenn seine rechtlich geschützten Interessen nicht verletzt werden. Die Frage, inwieweit die Mutter als Verwandte berechtigt sei, die Verletzung der Interessen der Minderjährigen zu wahren, werde in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich behandelt; sie sei letztlich dahin entschieden worden, daß den Verwandten des Pflegebefohlenen nur zum Zwecke der Abwendung oder Hintanhaltung von Schädigungen des Pflegebefohlenen, zur Wahrung wichtiger Interessen oder in besonders gelagerten Fällen Parteistellung eingeräumt werde. Der Kaufvertrag vom 10. 11. 1975 verletze jedoch nicht die Interessen der Minderjährigen. Allerdings habe die Mutter mit der Einräumung des Wohnungsrechtes auch die Verpflichtung übernommen, alle Aufwendungen für die Wohnung zu bezahlen; die Minderjährige, die laut Aktenlage noch in Schulausbildung stehe und kein Einkommen habe, verfüge offenbar nicht über die Mittel, die zur Erhaltung ihres Eigentumsrechtes an der Wohnung und zur Erfüllung der damit verbundenen Verbindlichkeiten notwendig seien. Die Mutter habe jedoch die Verpflichtung übernommen, alle Aufwendungen für die Wohnung zu bezahlen, solange sie dort wohne. Solange dies der Fall sei, sei die Bezahlung der Kosten für die Erhaltung der Wohnung gesichert, wolle die Mutter nicht selbst vertragsbrüchig werden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages vom 10. 11. 1975 versagt werde, oder aber den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht oder an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Derjenige, dessen Rechtsmittel zurückgewiesen wurde, hat jedenfalls das Recht, den die Zurückweisung aussprechenden Beschluß zu bekämpfen und eine sachliche Erledigung seiner Anträge anzustreben; die Entscheidung über diesen Rekurs hat die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Zurückweisung zu prüfen und auszusprechen, ob sie berechtigt war oder nicht (6 Ob 189/73). Insoweit ist also der nunmehrige Rekurs der Mutter zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Ständige Rechtsprechung ist es, daß gegen die Verweigerung der Genehmigung eines Vertrages durch das Pflegschaftsgericht nicht einmal der Vertragspartner zur Erhebung eines Rechtsmittels berechtigt ist (EvBl 1972/244 und die dort zitierte zahlreiche weitere Rechtsprechung und Literatur). Noch weniger kann das Rekursrecht jemandem zuerkannt werden, der in einem von einem Minderjährigen abgeschlossenen Vertrag nicht berücksichtigt wurde. Ein Eingriff in Eigentums- oder Besitzrechte der Mutter (EvBl 1969/187; SZ 35/94 u.a.) erfolgte jedenfalls nicht.

Was die Wahrung der Interessen der Minderjährigen durch ihre Mutter betrifft, ist darauf zu verweisen, daß diese Interessenwahrung Aufgabe des gesetzlichen Vertreters zu sein hat, der wieder unter der Kontrolle des Gerichtes steht. Die Verwandten sind, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht als weitere Kontrollorgane über den gesetzlichen Vertreter und das Gericht gedacht (EvBl 1962/87 u.a.). Ausnahmen wurden dann anerkannt, wenn etwa die (uneheliche) Mutter ihre Nichtbestellung zum Vormund bekämpfte (SZ 42/48) oder dem Pflegebefohlenen Gefahren von seinem gesetzlichen Vertreter drohten (EvBl 1974/57 u.a.). Auf keinen Fall kann jedoch der Mutter ein Recht zur Wahrung der Interessen ihres Kindes in einem Fall zuerkannt werden, in dem es auch so sehr um die Wahrung ihrer eigenen Interessen geht, daß, wäre die Mutter gesetzliche Vertreterin, ein besonderer Kurator nach § 271 ABGB bestellt werden müßte; das müßte jedoch geschehen, wenn es bei Erwerb einer Eigentumswohnung durch das Kind um die gleichzeitige Einräumung eines Wohnungsrechts an dieser Eigentumswohnung an die Mutter geht.

Es ist im übrigen nicht einmal gesagt, daß überhaupt Interessen der Rekurswerberin verletzt werden sollen. Gegenstand der pflegschaftsbehördlichen Bewilligung war nur der Kaufvertrag zwischen der ÖWG. und der Minderjährigen, der gewiß nur zwischen diesen Vertragspartnern geschlossen werden konnte und jedenfalls die Mutter bzw. deren Wohnungsrecht keineswegs einzubeziehen hatte. Was fehlte, ist nur die vorherige in einem förmlichen Abtretungsvertrag zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung der Minderjährigen, ihrer Mutter nach dem Eigentumserwerb dem Ehescheidungsvergleich gemäß das Wohnungsrecht einzuräumen. Das ändert jedoch nichts daran, daß mit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Vergleiches vom 15. 11. 1971 auch anerkannt wurde, daß mit dem Erwerb der Eigentumswohnung durch die Minderjährige auch das lebenslängliche höchstpersönliche Wohnungsrecht der Mutter verbunden werden sollte. Die Einhaltung dieser Verbindlichkeit wird auch, dann zu erfolgen haben, wenn es zu keinem förmlichen Abtretungsvertrag gekommen war. Es wird insbesondere auch Sache des Pflegschaftsgerichtes sein, die Einhaltung der von ihm zur Kenntnis genommenen und genehmigten Verbindlichkeit der Minderjährigen ihrer Mutter gegenüber zu überwachen. Der Eigentumserwerb durch die Minderjährige mußte dadurch nicht verzögert werden.

Der unzulässige Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes wurde vom Rekursgericht zu Recht zurückgewiesen.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte