OGH 1Ob772/76

OGH1Ob772/7624.11.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Samsegger, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 12. September 1970 verstorbenen J*, zuletzt wohnhaft gewesen in *, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erben S*, Hausfrau, *, J*, Hausfrau, * und Ing. A*, Angestellter, *, sämtliche vertreten durch Dr. Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 1. Oktober 1976, GZ 43 R 1083, 1084, 1206/76, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 30. Juni und 30. Juli 1976, GZ A 679/70‑122, 123 und 126, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00772.76.1124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Am 1. August 1928 vermachte der Bildhauer Professor A* den gesamten Inhalt seiner Praterateliers der H*, deren Rechtsnachfolgerin die in Portugal wohnhafte E* ist. Gegen die Verlassenschaft nach J*, der Witwe nach Prof. A*, die zu einem Viertel seine Erbin gewesen war, ist bereits seit 1971 ein Prozeß über Klage der E* anhängig. Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 7. Juli 1972, ON 32, wurde dem Antrag der E* auf Absonderung des Nachlasses stattgegeben und u.a. die Errichtung des Inventars angeordnet. Die Inventur fand am 29. Juni 1976 statt. Der Vertreter der E*, der erst nach der Errichtung des Inventars erschien, gab vor dem Gerichtskommissär zu Protokoll, daß er sich Erinnerungen bzw. einen Rekurs gegen die Annahme des Inventars vorbehalte; er sei der Meinung, es handle sich nicht um das Hauptinventar; eine schriftliche Stellungnahme binnen acht Tagen kündigte er an. Innerhalb dieser Frist brachte er auch tatsächlich mit 7. Juli 1976 datierte Erinnerungen bzw. Einwendungen vor und beantragte, das vorliegende Inventar nur als Teilinventar aufzufassen; zur Richtigkeit und Vollständigkeit könne er erst nach Kenntnis des am 29. Juni 1976 aufgenommenen Protokolls Stellung nehmen; er beantragte die Einräumung einer Frist bis 15. September 1976. Noch vor Einlangen dieser Stellungnahme oder Entscheidung über den sinngemäß gestellten Antrag auf Fristeinräumung für die Erhebung von Einwendungen gegen das Inventar genehmigte das Erstgericht mit Beschlüssen vom 30. Juni 1976 u.a. das Inventar mit einem Bruttoaktivnachlaß von 925.136,10 S, ausgewiesenen Passiven von 7.453 S und einem Reinnachlaß von 917.683,10 S, sprach aus, daß die Einantwortungsurkunde erlassen und mit deren Rechtskraft die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt werde, und erließ die Einantwortungsurkunde, mit der der Nachlaß den Enkeln und gesetzlichen Erben S*, J* und Ing. A* zu je einem Drittel eingeantwortet wurde. Den Antrag vom 7. Juli 1976 wies das Erstgericht zurück, weil es das bereits genehmigte Inventar nicht mehr abändern könne.

Das Rekursgericht hob die erwähnten Beschlüsse des Erstgerichtes auf und trug ihm die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Sei eine Nachlaßseparation bewilligt worden, komme dem Gläubiger in diesem Rahmen Antrags‑ und Rekurslegitimation zu, sei es doch gerade Zweck der Nachlaßseparation und Inventur, ein Sondervermögen, welches ausschließlich zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger diene, zu erhalten und abzugrenzen. Das Erstgericht habe das Inventar genehmigt und die Einantwortungsurkunde erlassen, ohne auf die angekündigte Stellungnahme der E* zu warten oder auch nur über deren Fristerstreckungsantrag zu entscheiden; hiedurch sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Eine Erledigung sei auch nicht durch den Zurückweisungsbeschluß vom 30. Juli 1976 erfolgt, der nur auf das genehmigte Inventar verwiesen habe.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Erben mit dem Anträge, den Beschluß dahin abzuändern, daß die Rekurse der E* abgewiesen und die Beschlüsse des Erstgerichtes vollinhaltlich wiederhergestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Grundsätzlich ist die Auffassung der Erben richtig, daß der Nachlaßgläubiger an sich nicht das Recht hat, im Verlassenschaftsverfahren als Beteiligter einzuschreiten (SZ 23/390 ua); Einfluß auf die Verlassenschaftsabhandlung kann er nur in Ausübung der ihm in den §§ 811, 812, 815 und 822 ABGB eingeräumten Rechte ausüben (EvBl 1968/32 ua). Eines der gesetzlichen Rechte des Nachlaßgläubigers ist das der Nachlaßabsonderung, die durch Errichtung eines Inventars (§ 92 Abs. 1 AußStrG) und Übernahme des Nachlasses in gerichtliche oder sonstige Verwaltung vollzogen wird (§ 812 ABGB; Koziol-Welser 3  II 266). Die vorgenommene Absonderung dauert noch über die Einantwortung bis zur Sicherstellung oder Befriedigung des Absonderungsgläubigers hinaus fort, so daß die Einantwortung in der Regel erfolgen kann, ohne daß die Beendigung der Absonderung abgewartet werden müßte (Ehrenzweig 2 II/2, 533; Weiß in Klang2 III 1024). Es darf aber doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß mit der Einantwortung der Verlassenschaft die Abhandlung für beendet zu erklären und das Verlassenschaftsverfahren zumindest mit der Rechtskraft der Einantwortung beendet ist; die Einantwortung hat also die Wirkung, daß das Verlassenschaftsgericht nach Rechtskraft der Einantwortung keine Möglichkeit mehr hat, sich mit der konkreten Verlassenschaftssache zu befassen, weshalb auch seine Zuständigkeit zu Verfügungen und Entscheidungen aufhört, die nur im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens getroffen werden können (SZ 45/118 ua). Auch eine Absonderung durch Errichtung eines Inventars kann daher nur vor der Einantwortung erfolgen, so daß eine bewilligte Absonderung vor der Einantwortung auch durchgeführt werden muß (EvBl 1961/513 ua). Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber muß daher auch bereits das gesamte Nachlaßvermögen vor der Einantwortung erfaßt und abgesondert worden sein. Zur der Erfassung des abzusondernden Nachlaßvermögens dienenden Inventur ist daher auch der Gläubiger, dem die Absonderung der Erbschaft vom Vermögen des Erben bewilligt wurde, von Amts wegen zu laden (§ 95 Abs. 1 AußStrG). Im Rahmen der Geltendmachung der damit zusammenhängenden Rechte kommt ihm dann aber auch die Stellung eines Beteiligten und damit Rekursberechtigten im Verlassenschaftsverfahren zu (6 Ob 619/76; 6 Ob 238/72 ua). Soweit E* also geltend machte, durch die Beschlüsse des Erstgerichtes in ihren Rechten als Absonderungsgläubigerin beeinträchtigt zu sein, kam ihr die Rechtsmittellegitimation zu. Mit Recht nahm das Rekursgericht aber auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Erstgerichte an. Das Verlassenschaftsverfahren ist zwar, wie die Erben richtig anführen, schon viele Jahre anhängig. Die erforderliche Inventur wurde jedoch erst am 29. Juni 1976, nachdem vorher Sachverständige gehört worden waren, durchgeführt. E* ist in Portugal wohnhaft; sie konnte daher an der Inventarerrichtung nicht ohne weiteres teilnehmen. Es war aber auch ihrem Vertreter der Antrag, eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Ergebnis der Inventur zu erhalten, nicht ohne weiteres abzuschlagen. Es war daher verfrüht, über das Ergebnis der Inventur Beschluß zu fassen und das Verlassenschaftsverfahren zu beenden, ohne auch nur über den Antrag der E* auf Einräumung einer Frist zur Stellungnahme zur Inventur entschieden zu haben. Es durfte dann aber auch der Beschluß über die Einwendungen der E* nicht mit dem Hinweis auf diese Entscheidung zurückgewiesen werden. Inwieweit die Anträge der E* berechtigt sind, wird im fortgesetzten Verlassenschaftsverfahren zu entscheiden sein. Dem Revisionsrekurs der Erben ist ein Erfolg zu versagen.

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