European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00672.76.1123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse der beklagten Partei und der Nebenintervenientin aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die beklagte Partei war Eigentümerin des Hauses * in Oberösterreich. Die Liegenschaft wurde im Zuge des Verfahrens zum Ausbau der Rohrbacher Bundesstraße enteignet. Die Beklagten waren Mieter einer in diesem Haus gelegenen Wohnung.
Mit der am 21. 4. 1976 eingebrachten Klage machten sie nach Beendigung dieses Bestandverhältnisses gegenüber dem früheren Bestandgeber Ersatzansprüche geltend und beriefen sich hinsichtlich der Zuständigkeit des Erstgerichtes auf § 49 Abs 2 Z 5 JN.
Die beklagte Partei wendete die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein.
Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 1. 6. 1976 wurde zunächst die Klage und dann der vorbereitende Schriftsatz der beklagten Partei mit der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit vorgetragen. Sodann verkündete das Erstgericht nach Erörterung dieser Einrede den Beschluß auf ihre Abweisung, worauf die beklagte Partei die Zustellung einer schriftlichen Beschlußausfertigung beantragte. Nach dem ursprünglichen Wortlaut des Prokolles über diese Tagsatzung wurde nun von der klagenden Partei neuerlich die Klage vorgetragen, seitens der beklagten Partei bestritten und wie im vorbereitenden Schriftsatz ON 2 vorgebracht. Beweisbeschluß wurde nicht gefaßt. Die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurde schließlich bis zur Rechtskraft des Beschlusses über die sachliche Zuständigkeit auf unbestimmte Zeit erstreckt.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß die gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf Abweisung der Einrede der beklagten Partei der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes erhobenen Rekurse der beklagten Partei und der ihr beigetretenen Nebenintervenientin zurück. Es stehe dem Gericht zwar gemäß § 261 ZPO frei, über Prozeßeinreden abgesondert oder unabgesondert in Verbindung mit der Hauptsache zu verhandeln. Eine besondere, sofort anfechtbare Ausfertigung einer derartigen abweislichen Entscheidung habe aber nur zu erfolgen, wenn sie auf Grund abgesonderter Verhandlung über die Prozeßeinrede ergehe und das Gericht nach Verkündung dieses Beschlusses nicht sogleich die Verhandlung zur Hauptsache aufgenommen habe. Das Erstgericht habe aber im vorliegenden Fall nach Inhalt des Verhandlungsprotokolles über die Unzuständigkeitseinrede in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt und sei dann nach ihrer Verwerfung sogleich in die Verhandlung über die Hauptsache eingegangen. Es sei daher gemäß § 261 Abs 2 ZPO die verkündete Verwerfung der Prozeßeinrede nicht besonders auszufertigen, sondern erst in die Entscheidung zur Hauptsache aufzunehmen. Die gesetzwidrig erfolgte Beschlußausfertigung und deren Zustellung habe an der Rechtsmittelbeschränkung des § 261 Abs 3 ZPO nichts zu ändern vermocht und auch nicht die vorzeitige Anfechtbarkeit dieser Entscheidung begründet.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der klagenden Parteien ist berechtigt.
Das Rekursgericht ist zwar nach der damaligen Aktenlage im Sinne des § 261 Abs 2 ZPO völlig zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der vom Erstgericht gefaßte Beschluß auf Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede im Hinblick auf die dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmende Fortführung des Verfahrens in der Hauptsache zu Unrecht ausgefertigt und den Parteien zugestellt worden sei, sodaß diesen ein abgesondertes Rechtsmittel gegen diesen Beschluß nicht zustehe.
Dieses Protokoll, das eine auffällig inkonsequente Prozeßführung des Erstgerichtes wiedergibt, ist aber nicht mehr Entscheidungsgrundlage. Auf den Hinweis der klagenden Parteien in ihrem Rekurse gegen den angefochtenen Beschluß hin hat das Erstgericht mit seinem Beschlusse vom 19. 10. 1976, ON 15, das Tagsatzungsprotokoll vom 1. 6. 1976 wegen offenbarer Unrichtigkeit nachträglich berichtigt, wozu es gemäß § 212 Abs 5 ZPO jederzeit berechtigt war. Demnach wurde nach der abgesonderten Verhandlung und der verkündeten Entscheidung über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit weder die sofortige Verhandlung in der Hauptsache angeordnet noch auch tatsächlich durchgeführt. Da sohin über die Unzuständigkeitseinrede abgesondert verhandelt wurde, ohne daß das Verfahren in der Hauptsache fortgeführt worden wäre, ist der erstgerichtliche Beschluß im Sinne des § 261 Abs 1 ZPO abgesondert anfechtbar (vgl. Fasching III 207). Das Rekursgericht wird sich daher mit der sachlichen Erledigung der Rekurse gegen den erstgerichtlichen Beschluß zu befassen haben. Dem Obersten Gerichtshof ist eine Entscheidung in der Sache selbst verwehrt, weil er eine solche nur in jenen Fällen treffen kann, in denen die Zurückverweisung an die zweite Instanz nur eine überflüssige Formalität wäre. Es darf aber nicht der Fall eintreten, daß der Oberste Gerichtshof sachlich über eine Frage entscheidet, die im Hinblick auf § 528 ZPO unter Umständen gar nicht an ihn herangetragen werden kann, da der gesetzliche Instanzenzug nicht verändert werden darf (vgl. EvBl 1971/140).
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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