European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00699.76.1116.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.099,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 155,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
K* K*, Müllermeister in *, wurde im Verfahren C 264/56 des Bezirksgerichtes Z* als unehelicher Vater des Klägers G* W* festgestellt. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 21. Juni 1972 infolge eins Unfalles verstorbenen K* K*, A 196/72 des Bezirksgerichtes Z*, gaben der Vormund des am 27. März 1956 geborenen Klägers auf Grund des Gesetzes und die Beklagte, die Schwester des Erblassers, auf Grund eines im Oktober 1971 errichteten mündlichen Testamentes jeweils bedingte Erbserklärungen zum gesamten Nachlaß ab. Mit dem Beschluß vom 29. Juli 1974 nahm das Verlassenschaftsgericht diese Erbserklärungen an und wies gemäß § 125, 126 AußStrG G* W* die Klägerrolle zu.
Dieser begehrte fristgerecht mit der am 17. Oktober 1974 eingebrachten Klage die Feststellung, das mündliche Testament des am 21. Juni 1972 verstorbenen K* K*, errichtet im Oktober 1971 in *, aufgenommen zu Protokoll am 15. Februar 1973 beim Bezirksgericht F* zu 2 Hc 5/73 und kundgemacht vom Bezirksgericht Z* am 26. Februar 1973 zur GZ A 196/72‑24, sei ungültig, dem Kläger stehe auf Grund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlaß des K* K* zu. Dazu wurde vorgebracht, daß dieses mündliche Testament ungültig sei, weil seitens des Erblassers der ernstliche Testierwille und bei den als Testamentszeugen bezeichneten Personen das Bewußtsein gefehlt habe, als solche zu fungieren. Deswegen hätten sie auch die Erklärungen des Erblassers nicht schriftlich festgehalten.
Demgegenüber behauptete die beklagte Partei die Gültigkeit des zu ihrem Gunsten im Oktober 1971 erklärten mündlichen Testamentes des Erblassers. Dieser sei immer überzeugt gewesen, nicht der Vater des Klägers zu sein und habe seine erst nach einem langwierigem Verfahren erfolgte Feststellung als unehelicher Vater als schweres Unrecht empfunden. Er sei auch im Rahmen eines anderen gerichtlichen Verfahrens und durch behördlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Müller enttäuscht und verbittert worden. Immer mehr verunsichert aus Angst vor den Bedrohungen und Gefährdungen seiner Person und seines Eigentumes habe er zu außergewöhnlichen Maßnahmen Zuflucht genommen und daher auch die Gelegenheit benützt, ein schriftliches Testament durch ein mündliches zu bestätigen und zu wiederholen. Seine letztwillige Erklärung vor den drei Testamentszeugen sei durchaus ernst gewesen und von diesen Zeugen auch so verstanden und aufgenommen worden. Das Unterbleiben der Verfassung eines schriftlichen Protokolles durch die Zeugen ändere nichts an der Wirksamkeit dieses mündlichen Testamentes.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Feststellungen mit dem Ausspruche, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,– übersteige.
Den Entscheidungen der Untergerichte liegt folgender wesentlicher Sachverhalt zugrunde:
K* K* verstarb unvermutet infolge eines Unfalles. Er war an sich „etwas absonderlich geartet“ und wegen der Hindernisse, die ihm nach seiner Auffassung die Behörden bei der Inbetriebnahme der väterlichen Mühle in den Weg legten, verbittert. In der Folge des langwierigen Prozesses um die Vaterschaft zum Kläger kam es zu Auseinandersetzungen mit dessen Stiefvater. Bei einer solchen im September 1970 verlor der Erblasser eine Aktentasche. Im Oktober 1971 waren die mit ihm und seiner Schwester, der Beklagten, schon seit 1946 bekannten Ehegatten J* und C* G* und deren Tochter E* P* beim Erblasser um Feldfrüchte zu kaufen. Im Gespräch, schlug ihm C* G* vor, ihre Cousine zu heiraten. K* K* entgegnete aber, er werde nicht heiraten, denn er sei bei seiner Schwester gut aufgehoben. Er könne bei ihr wohnen und werde entsprechend betreut. Für die Mühe, die er seiner Schwester mache, erbe sie ja ohnehin alles. Als C* G* ihm einen Notar zur Testamentserrichtung vermitteln wollte, lehnte er dies ab, weil er ohnehin schon alles aufgeschrieben habe. Das Wort Testament wurde nicht gebraucht. Die drei Personen wurden auch nicht ersucht, als Zeugen zu fungieren oder sich den letzten Willen aufzuschreiben. Aus seinen Äußerungen ging vielmehr hervor, daß er bereits schriftlich letztwillig über sein Vermögen verfügt habe.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß das gesetzliche Erbrecht des Klägers gemäß § 754 ABGB gegeben sei, weil der Erblasser rechtskräftig als sein Vater festgestellt worden sei und keine ehelichen Nachkommen vorhanden seien. Auf der anderen Seite fehlten dem von der Beklagten behaupteten mündlichen Testament die Gültigkeitsvoraussetzungen nach dem § 585 ABGB. Der Erblasser habe nicht die Absicht gehabt, damals seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen, sondern nur gesprächsweise darauf hingewiesen, daß die Schwester alles erhalte und daß er ohnehin alles aufgeschrieben habe. Auch die drei Zeugen hätten nicht das Bewußtsein ihrer Zeugeneigenschaft gehabt, sondern nur im Zuge eines Gespräches Kenntnis von einem bereits errichteten Testament erhalten. Es sei zwar sicherlich nicht der Wille des Erblassers gewesen, den ihm verhaßten Kläger Vermögensvorteile zukommen zu lassen, doch habe er nicht erwartet, daß der Kläger zufolge einer Gesetzesänderung von ihm erben können werde und offenbar deshalb kein Testament errichtet.
Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung, wonach das mündliche Testament des K* K* nicht gültig zustandegekommen sei.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit den Revisionsanträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an die zweite, in eventu an die erste Instanz zur Ergänzung des Verfahrens mit Nachholung der Durchführung der angebotenen, jedoch zu Unrecht unterlassenen Beweise und zur Entscheidung im Sinne der Klagsabweisung zurückzuverweisen, in eventu das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsabweisung abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Für die Gültigkeit eines mündlichen Testamentes ist gemäß dem § 585 ABGB die Absicht des Erblassers erforderlich, vor den Zeugen jetzt seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen, wobei diese Personen dieser letzten Willenserklärung in dem Bewußtsein ihrer Zeugeneigenschaft beiwohnen müssen (vgl. SZ 18/46, SZ 22/135, SZ 32/120; Klang2 III, 323 f.; Koziol-Welser Grundriß3, II, 233). Die Untergerichte haben im vorliegenden Falle festgestellt, daß ein ernstlicher Testierwille nicht vorlag und dies daraus erschlossen, daß der Erblasser bei seinen Erklärungen gegenüber zufälligen Besuchern das Wort Testament nicht erwähnte und diese auch nicht ersuchte, als Testamentszeugen zu fungieren, auf der anderen Seite aber ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Hinweis darauf, seine Schwester erbe als Entgelt für ihre Betreuung alles von ihm, auch ausdrücklich erklärte, daß er ohnehin alles aufgeschrieben habe. Wenn die Revisionswerberin demgegenüber vermeint, im angefochtenen Urteil sei die Bestimmung des § 585 ABGB verletzt worden, weil es nicht auf die äußere Erscheinungsform der erfolgten Erklärung ankomme, sondern auf die diesen Erklärungen zugrunde liegenden Absichten des Erblassers, so ist dies nur insoweit zutreffend, als es auch bei einer Jausenplauderei zu einer ernstlichen letzten Willenserklärung kommen konnte. Der weitere Vorwurf, die Untergerichte hätten die den Erklärungen des Erblassers zugrunde liegende Absicht nicht hinlänglich erforscht, ist aber nicht berechtigt. Diese Absicht ergibt sich vielmehr schon aus dem Wortlaut der Erklärung. Es trifft zwar zu, daß sich bei letztwilligen Verfügungen, für die es keinen Erklärungsempfänger gibt, der zu schützen wäre, die Auslegung weit mehr am subjektiven Sinne des Erklärenden zu orientieren hat, als dies bei Geschäften unter Lebenden geschehen darf, bei denen der Vertrauensschutz im Vordergrund steht. Grundsätzlich ist aber auch für die Auslegung einer Erklärung im Zusammenhang mit ihrer Überprüfung auf das Vorliegen einer letztwilligen Willenserklärung ihr Wortlaut maßgebend (vgl. Koziol‑Welser 3 II 228 f.). Dabei konnte die von der Revisionswerberin vermißte Feststellung über die besondere Verschlossenheit und Wortkargheit des Erblassers nicht von wesentlicher Bedeutung sein, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat. Der Erblasser hat sich ja bei dem Gespräch im Oktober 1971 gegenüber den Ehegatten G* und ihrer Tochter E* P* geäußert. Aus seinen Äußerungen ging hervor, daß er bereits schriftlich letztwillig über sein Vermögen verfügt habe und es war kein Hinweis dafür gegeben, daß er aus Gründen besonderen Mißtrauens oder aus Sicherheitsgründen nun ein mündliches Testament machen wollte. Dies haben auch die Besucher so aufgefaßt. Wenn die Revision auf entgegengesetzte Aussagen dieser Zeugen hinweist, so reißt sie diesbezüglich einzelne Sätze aus ihrem Zusammenhang. E* P* hat angegeben, der Erblasser habe sie nicht zu Zeugen aufgerufen, er sagte, er hätte ohnehin alles aufgeschrieben. Sie habe auch nicht den Eindruck gehabt, daß er jetzt vor ihnen seinen letzten Willen errichten wollte (AS 53). Auch die Zeugin C* G* gab an, daß sie zwar den Eindruck hatte, daß der Erblasser damals etwas bewußt mitteilen wollte, daß sie sich aber nicht daran erinnern könne, daß damals davon die Rede gewesen wäre, sie möge im Falle seines Todes als Zeugin gehen (AS 27). Der Zeuge J* G* hatte den Eindruck, daß bei dem Gespräch die Testamentserrichtung bereits erledigt war (AS 28).
Bei den Feststellungen der Untergerichte über einen fehlenden ernstlichen Testierwillen des Erblassers und das fehlende Bewußtsein der obgenannten Personen Zeugen der Erklärung einer letztwilligen Verfügung zu sein, sind auch keine wesentlichen Aktenwidrigkeiten unterlaufen. Es trifft zwar zu, daß das Berufungsgericht bei der Erörterung der Beweiswürdigung irrtümlich der Auffassung war, die Aussagen der Testamentszeugen zu 6 Hc 22/75 des Bezirksgerichtes F* seien im Verlassenschaftsverfahren erfolgt, während die Vernehmung in Wahrheit im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens durch einen ersuchten Richter gemäß §§ 282 f ZPO geschehen ist. Der Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO kann aber nur vorliegen, wenn das Berufungsgericht in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt den Inhalt einer Beweisurkunde, eines Protokolles oder eines sonstigen Aktenstückes versehentlich unrichtig wiedergegeben hat und infolgedessen bei seiner rechtlichen Beurteilung von einem fehlerhaften Sachverhaltsbild ausgegangen ist. Nun haben aber sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht bei der Erörterung der Beweiswürdigung die Aussagen der drei als Testamentszeugen genannten Personen, die vom erkennenden Gericht niemals unmittelbar vernommen wurden, eingehend überprüft und abgewogen. Die unterlaufene Aktenwidrigkeit kann daher nicht als entscheidungswesentlich angesehen werden. Insoweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang Teile der Aussagen der Zeugen C* G* und E* P* aus ihren Rechtshilfevernehmungen zitiert, geschieht dies, wie bereits dargelegt, unvollständig. Die Revisionsausführungen fallen auch hier in Wahrheit in den Bereich der im Revisionsverfahren irrevisiblen Beweiswürdigung.
Es kann auch der Mängelrüge der Revision kein Erfolg beschieden sein. Diese wird in der Richtung geltend gemacht, daß im erstinstanzlichen Verfahren die Vernehmung der Zeugin Dr. I* A* sowie die Beischaffung der Akten über den Vaterschaftsprozeß und über Strafverfahren im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Erblassers mit einem Verwandten unterblieben seien. Die Vernehmung der Rechtsanwältin Dr. A* wurde zum Beweise dafür beantragt, daß der Erblasser die ererbte Mühle infolge verschiedener Schwierigkeiten mit den Behörden nicht in Betrieb nehmen konnte. Das Berufungsgericht hat eingehend zu den diesbezüglich gerügten Mängeln des erstgerichtlichen Verfahrens Stellung genommen und diese verneint. Eine Wiederholung der als unstichhältig erkannten Rüge im Revisionsverfahren ist aber nach ständiger Judikatur unzulässig (vgl. SZ 22/106, SZ 27/4 u.v.a). Da das Berufungsgericht die in der Mängelrüge der Berufung gerügte Unterlassung von Beweisaufnahmen nicht zu Unrecht mit der Begründung für irrelevant erachtet hat, ein taugliches Beweisthema sei in erster Instanz nicht angegeben worden, kann der Hinweis der Revisionswerberin auf die in SZ 38/120, wiedergegebene oberstgerichtliche Entscheidung und andere in gleiche Richtung gehende Entscheidungen nicht zielführend sein.
Es steht sohin fest, daß im Zusammenhang mit dem von der Revisionswerberin behaupteten mündlichen Testament ein ernstlicher Testierwille des Erblassers nicht vorlag und daß die drei genannten Zeugen bei der Äußerung des Erblassers nicht das Bewußtsein hatten, Zeugen einer letztwilligen Verfügung zu sein. In diesem Zusammenhang kann weder ein wesentlicher Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens noch eine wesentliche Aktenwidrigkeit des angefochtenen Urteils wahrgenommen werden. Soweit in der Revision vor allem darzustellen versucht wird, daß doch eine ernstliche Testierabsicht des Erblassers bestanden habe und die Zeugen wohl gewußt hätten, daß sie Zeugen einer letztwilligen Verfügung seien, geht es der Revisionswerberin um eine für sie günstigere Veränderung der Feststellungsgrundlage, die sie im Revisionsverfahren aber nicht mehr erreichen kann.
Der unbegründeten Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)