OGH 6Ob692/76

OGH6Ob692/7628.10.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sperl und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger, Dr. Resch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, Industrieprodukte, Verkaufs‑Organisation, * vertreten durch Dr. Walter Böhm, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 77.784,50 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Juni 1976, GZ. 1 R 134/76‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. Jänner 1976, GZ. 19 Cg 157/75‑11 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0060OB00692.76.1028.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.224,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 194,40 Umsatzsteuer und S 600 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten (nach Klagseinschränkung) zuletzt noch den Betrag von S 82.665 samt stufenweisen Zinsen. Sie brachte vor, der Beklagte habe ihr am 8. August 1972 das Anbot gestellt, er werde unter der Bedingung, daß ihm die Klägerin kostenlos eine komplette Postmixanlage liefere, von ihr 3.600 kg Grundstoff zur Limonadenerzeugung zum Preis von S 145.776 zuzüglich Mehrwertsteuer kaufen und den Kaufpreis in monatlichen Raten von S 3.037 bezahlen. Die Klägerin habe dieses Anbot fristgemäß angenommen, die Anlage geliefert und den Beklagten auch mit Grundstoffen beliefert. Der Beklagte sei mit seinen Zahlungen seit Monaten in Verzug, sodaß Terminsverlust eingetreten sei. Er schulde (abzüglich der vor Klagseinbringung bezahlten S 38.111 und von S 25.000, die während des Verfahrens bezahlt worden seien) noch den zuletzt begehrten Betrag.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete zunächst ein, es habe sich nach einiger Zeit herausgestellt, daß die Klägerin nicht in der Lage sei, weitere Grundstoffe zu liefern. In der Folge habe er mit Frau W* im Büro der Klägerin vereinbart, daß die Lieferung von weiterem Sirup eingestellt und der Beklagte für das Postmixgerät den handelsüblichen Preis unter Anrechnung der bisherigen Zahlungen leisten werde. Die Klägerin habe sich verpflichtet, eine Faktura über das Postmixgerät auszustellen, sei dieser Verpflichtung aber nicht nach gekommen. In der letzten mündlichen Streitverhandlung faßte der Beklagte seinen Standpunkt dagegen in folgender Weise zusammen: „Der Beklagte habe der klagenden Partei vorgeschlagen, ihm in Hinkunft keinen Grundstoff mehr zu liefern, sondern lediglich den Apparat in Rechnung zu stellen. Diesen Vorschlag habe die klagende Partei dadurch beantwortet, daß sie ihm keine Grundstoffe geliefert habe. Eine Vereinbarung über den Preis des Apparates sei zwar nicht zustandegekommen, doch habe der Beklagte durch seine Zahlungen im Gesamtausmaß von S 63.111 nicht nur den ihm gelieferten Grundstoff im Wert von S 45.615 bezahlt, sondern darüber hinaus noch einen Betrag von S 17.496 auf den Apparat und dies sei ein angemessenes Entgelt für den Apparat“.

Das Erstgericht sprach der Klägerin den Betrag von S 77.784,50 samt stufenweisen Zinsen von 5 % zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte stellte der Klägerin am 8. August 1972 ein schriftliches Anbot, laut welchem er sich verpflichtete, durch 48 aufeinanderfolgende Monate Grundstoff für die Limonadenerzeugung zum Preise von S 3.037 monatlich zu beziehen, vorausgesetzt, daß ihm die Klägerin eine I*‑Postmixanlage ohne gesonderte Zahlung liefert, welche nach Montage Eigentum des Beklagten sein sollte. Der Kaufpreis sollte am 1. eines jeden Monats bei Terminverlust fällig werden. Die Klägerin nahm das Anbot des Beklagten an und lieferte diesem die Postmixanlage. Eine spätere Abänderung oder Aufhebung des Vertrages ist nicht erfolgt. Vielmehr hat der Beklagte bei Mahnungen weitere Zahlungen versprochen. Die Klägerin war jederzeit in der Lage, den dem Beklagten verkauften Grundstoff zu liefern. Der Beklagte bezahlte insgesamt (vor Klagseinbringung) S 38.111 per Bank, ferner einen Betrag von S 20.000 bar an den Klagevertreter und per Postaufgabeschein vom 25. September 1975 einen Betrag von S 5.000 an die Klägerin. Es ist nicht erwiesen, daß die Klägerin mit Bankkredit arbeitet, den sie mit 12 % verzinsen muß.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es ergebe sich schon aus der Zusammenfassung des Standpunktes des Beklagten, daß die Klägerin den Vorschlag des Beklagten, ihm keinen Grundstoff mehr zu liefern, sondern das Gerät in Rechnung zu stellen, damit beantwortet habe, daß sie keinen Grundstoff mehr lieferte. Darin könne keine Annahme des Vorschlags des Beklagten erblickt werden. Im Hinblick auf die Erklärung des Beklagten, daß er Ware nicht mehr haben wolle, habe die Klägerin auch keinen Lieferversuch unternehmen müssen. Da sich nach dem Vorbringen der Klägerin nach den ersten fünf Raten von je S 3.037 monatlich der zu zahlende Betrag auf monatlich S 2.923,50 verringert habe, ergebe sich bei 48 Raten insgesamt ein Betrag von 5 x S 3.037 und 43 x S 2.923,50, zusammen daher eine Schuld des Beklagten von S 140.895,50. Darauf habe der Beklagte vor Klagseinbringung S 38.111 und nach Klagseinbringung S 25.000 bezahlt, sodaß noch ein Betrag von S 77.784,50 mit allerdings nur 5 % stufenweisen Zinsen aushafte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten (die Klägerin ließ die Abweisung des Mehrbegehrens unbekämpft) nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, die seiner Ansicht nach auf Grund eines mangelfreien Verfahrens getroffen worden seien und teilte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß keine konkludente Vertragsänderung zustandegekommen sei. Im Zeitpunkt der Einstellung der Grundstofflieferungen sei infolge des damals bereits längst eingetretenen Terminsverlustes der gesamte Betrag fällig gewesen. Selbst wenn auf Seite des Beklagten keine Annahmeverweigerung vorliege, sei dem Klagebegehren doch unbedingt stattzugeben gewesen, da in erster Instanz keine Einrede der Zug‑um‑Zug‑Lieferung erhoben worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Beklagte, daß das Berufungsgericht weder ein Sachverständigengutachten über die Angemessenheit des Preises für das Mixgerät eingeholt, noch das Verfahren durch die Parteienvernehmung ergänzt habe. Darin liegt jedoch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründet. Was zunächst die unterlassene Parteienvernehmung anlangt, so hat der Beklagte im Vorbringen zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gar nicht gerügt, daß in der Unterlassung der Parteienvernehmung durch das Erstgericht ein Verfahrensmangel gelegen sei. Lediglich in den Berufungsanträgen wird auch die Vernehmung der Parteien beantragt, wobei aus der Formulierung nicht klar hervorgeht, ob die Parteienvernehmung ebenso wie das Sachverständigengutachten über die Angemessenheit des für das Mixgerät geleisteten Entgelts beantragt wurde. In keiner Weise wurde aber ausgeführt, welche Feststellungen auf Grund der Parteienvernehmung hätten getroffen werden können. Damit war der Berufungsgrund hinsichtlich der Parteienvernehmung nicht gesetzmäßig ausgeführt. In erster Instanz wurde vom Beklagten die Parteienvernehmung auch nur zu seinen ursprünglichen Einwendungen, es sei eine ausdrückliche Vereinbarung über die Änderung des Vertrages zustandegekommen, beantragt. Zu seiner „Zusammenfassung des Standpunktes der beklagten Partei“ hat sich der Beklagte aber nur auf ein Sachverständigengutachten berufen. Schließlich ist aber der Beklagte trotz ausgewiesener Ladung nach vorherigem Beweisbeschluß zur Parteienvernehmung unentschuldigt nicht erschienen, sodaß das Erstgericht mit Recht von seiner Vernehmung Abstand genommen hat und dies auch nicht mit Erfolg in der Berufung gerügt werden konnte. Die unterlassene Parteienvernehmung begründet daher keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

Was aber den Sachverständigenbeweis anlangt, so wurde der Sachverständige darüber beantragt, welchen Wert der Mixapparat gehabt habe. Eine solche Feststellung wäre aber nur dann erforderlich gewesen, wenn zumindest eine konkludente Abänderung des ursprünglichen Vertrages anzunehmen wäre. Da jedoch in der Einstellung der Belieferung des Beklagten mit Grundstoffen – wie noch zur Rechtsrüge ausgeführt werden wird – keine konkludente Zustimmung der Klägerin zum Abänderungsvorschlag des Beklagten erblickt werden kann, war auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich.

Die Untergerichte haben den Sachverhalt aber auch rechtlich richtig beurteilt.

Daß es zu einer ausdrücklichen Abänderung des Vertrages gekommen wäre, behauptet der Beklagte gar nicht mehr. Er steht vielmehr auf den Standpunkt, daß die Klägerin durch die auf seine Bitte um Umwandlung des Vertrages erfolgte Einstellung der Grundstofflieferungen schlüssig zu erkennen gegeben habe, daß sie mit dem Vorschlag des Beklagten einverstanden sei.

Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden.

Dafür, ob eine schlüssige Willenserklärung vorliegt, ist nicht die innere Absicht der Parteien, sondern ihr objektives Verhalten unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche maßgebend (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 74; Koziol‑Welser‑Grundriß 3 I 68 f.; MietSlg. 24.079, 24.080; EvBl 1976/62 S. 124 u.a.). Es ist jedoch bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Deshalb bestimmt das Gesetz, daß eine konkludente Handlung nur angenommen werden darf, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (Koziol‑Welser, a.a.O. 67; MietSlg 24.078 u.a.).

Im vorliegenden Fall hat nun der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen der Klägerin vorgeschlagen, in Hinkunft keinen Grundstoff mehr zu liefern, sondern lediglich das Mixgerät in Rechnung zu stellen. Daraufhin hat die Klägerin die Lieferung des Grundstoffes eingestellt, jedoch keine Rechnung gelegt. Berücksichtigt man, daß in jenem Zeitpunkt der Beklagte unbestrittenermaßen (vgl. Berufung des Beklagten ON. 12 S. 49 d.A.) mit seinen Zahlungen in Rückstand war, dann kann die Einstellung der weiteren Lieferungen nach Treu und Glauben nicht zweifelsfrei so verstanden werden, daß die Klägerin damit dem Vorschlag des Beklagten zugestimmt hätte. Dazu kommt aber noch, daß sie dem Beklagten keine Rechnung über das Mixgerät ausstellte, obgleich der Beklagte dies vorgeschlagen hatte und ihm der Preis des Gerätes nicht bekannt war. Auch dies spricht eindeutig dafür, daß die Einstellung der weiteren Belieferung mit Grundstoffen nicht als Zustimmung zum Vorschlag des Beklagten verstanden werden konnte. Die Untergerichte haben daher mit Recht eine Zustimmung der Klägerin durch schlüssige Handlungen verneint. Daß aber die Klägerin überhaupt nicht in der Lage gewesen sei, Grundstoff zu liefern, wurde von den Unterinstanzen ausdrücklich verneint, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen der Rechtsrüge nicht von dem festgestellten Sachverhalt ausgehen.

Was schließlich die Frage der Zug‑um‑Zug‑Leistung anlangt, so hat der Beklagte in erster Instanz keinen auf eine Zug‑um‑Zug‑Verurteilung abzielenden Antrag gestellt, da er auf dem Standpunkt stand, der Vertrag sei abgeändert worden. Von Amts wegen ist jedoch die Zug-um-Zug-Leistung nicht zu berücksichtigen (JB1 1975, 262; EvBl 1974/141 S. 299; JBl 1973, 616 u.v.a.).

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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