European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0080OB00180.76.1027.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 1.350,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 91,29 und die Barauslagen von S 120,--) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 28. 5. 1975 hielt der von F* gelenkte PKW des Klägers in * neben dem am linken Fahrbahnrand parkenden LKW der Zweitbeklagten. Als der Erstbeklagte mit dem LKW vom linken Fahrbahnrand weg zur rechten Fahrbahnhälfte fuhr, beschädigte er den PKW des Klägers.
Der Kläger begehrt Ersatz eines Schadens von S 10.196,79 und behauptet Alleinverschulden des Erstbeklagten.
Die Beklagten bestreiten das Klagebegehren.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Der Zuspruch eines Teilbetrages von S 4.923,39 blieb unangefochten. Das Berufungsgericht, das von einer gleichteiligen Schadensaufteilung ausging, bestätigte das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Zuspruches eines weiteren Teilbetrages von S 175,--, änderte es aber hinsichtlich des Zuspruches eines Teilbetrages von S 5.098,40 im Sinne der Abweisung der Klage ab.
Gegen den abweisenden Teil dieses Urteiles richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrunde des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes oder unter Zugrundelegung einer Schadensaufteilung im Verhältnisse 3 : 1 zugunsten des Klägers abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagten stellen den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Untergerichte gingen von folgendem Sachverhalt aus:
Der Erstbeklagte hielt den LKW am linken Fahrbahnrand. Er bestieg den LKW, blickte in den rechten Außenspiegel und machte dann noch Eintragungen in das Fahrtenbuch. Inzwischen hielt F* den PKW des Klägers neben dem LKW derart an, daß die Front des PKWs bis zur Fahrzeugmitte des LKWs reichte. Er legte den ersten Gang ein und stieg rechts aus, da der Seitenabstand zum LKW zu knapp war, um links aussteigen zu können. Ohne noch einmal in den Außenspiegel zu blicken, fuhr der Erstbeklagte dann los, um auf die rechte Fahrbahnhälfte zu gelangen. Er mußte dazu nicht stark nach rechts einschlagen. Als er die rechte Fahrbahnhälfte noch nicht erreicht hatte, sah er im rechten Außenspiegel den PKW des Klägers, der vom LKW gestreift und mitgezogen wurde, sodaß dieser noch gegen einen rechts parkenden PKW stieß. Der PKW des Klägers wurde dabei an der rechten und an der linken Seite beschädigt.
Das Erstgericht ging vom Alleinverschulden des Erstbeklagten aus. Dieser sei weggefahren, ohne sich zu überzeugen, ob dies auch ohne Behinderung möglich sei. Den Lenker des Fahrzeuges des Klägers treffe kein Mitverschulden, da das Verbot des Haltens in zweiter Spur nur den fließenden Verkehr schütze.
Das Berufungsgericht nahm ein gleiches Verschulden der beteiligten Lenker an. Der Lenker des Fahrzeuges des Klägers habe gegen die Bestimmungen des § 23 Abs 1 StVO verstoßen, weil er den Erstbeklagten am Wegfahren gehindert habe. Er habe auch gegen das Gebot des § 25 Abs 2 StVO, am Fahrbahnrand zu halten, verstoßen. Diese Schutznorm bezwecke nicht nur den Schutz des fließenden Verkehrs. Dem Erstbeklagten liege zur Last, daß er sich vor dem Wegfahren nicht vergewissert habe, ob dies möglich sei. Die primäre Unfallsursache habe aber der Lenker des PKWs des Klägers gesetzt, als er sein Fahrzeug behindernd aufgestellt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Kläger vertritt die Auffassung, daß seinen Lenker kein Mitverschulden treffe. Dieser habe durch das Halten des Fahrzeuges in zweiter Spur nicht gegen die Bestimmung des § 23 Abs 1 StVO verstoßen, weil der Erstbeklagte am Herausfahren aus seiner Parkposition nicht gehindert, sondern höchstens behindert worden sei. Die Verletzung der Bestimmung des § 23 Abs 2 StVO könne seinem Lenker nicht angelastet werden, weil es an dem erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß gegen diese Vorschrift und dem eingetretenen Schaden fehle. Zweck dieser Vorschrift sei es, die Fahrbahn vom ruhenden Verkehr freizuhalten und eine Behinderung oder Gefährdung des fließenden Verkehres zu vermeiden. Sie bezwecke aber nicht zu verhindern, daß jemand an ein sichtbar abgestelltes Fahrzeug anfahre, weil er es an jeder Aufmerksamkeit fehlen lasse.
Diesen Ausführungen kann unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht gefolgt werden. Nach § 23 Abs 2 StVO ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen – soferne sich aus Bodenmarkierungen nichts anderes ergibt – zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen. Diese Bestimmungen bezwecken nicht nur die bestmögliche Ausnützung vorhandener Flächen zum Halten und Parken, sondern auch die möglichst weitgehende Freihaltung der Fahrbahn, um die Sicherheit und Flüssigkeit des vorbeiflutenden Verkehrs zu gewährleisten. Daraus ergibt sich für die Prüfung des sachlichen Schutzbereiches dieser Norm, daß insbesondere jene Schadensformen, jene Arten von Kausalabläufen im Hinblick auf das geschützte Objekt vermieden werden sollen, die durch verbotswidriges Halten oder Parken zufolge der Verengung der Fahrbahn und Verringerung der Seitenabstände für die vorbeifahrenden Fahrzeuge entstehen. Die genannte Vorschrift stellt daher in diesem Sinne eine Schutznorm gemäß § 1311 ABGB dar (vgl. Welser, ÖJZ 1975, 5; ZVR 1976/224; ZVR 1975/72; ZVR 1972/138; ZVR 1966/159). Von diesem Schutzzweck wird – wie im vorliegenden Falle – auch der beim Vorbeifahren eines sich vom Halten oder Parken in den fließenden Verkehr einordnenden Fahrzeuges entstehende Schaden erfaßt, der durch die Verringerung des Seitenabstandes auf Grund rechtswidrigen Haltens und Parkens eines anderen Fahrzeuges in zweiter Spur verursacht wird. Der vorliegende Fall kann nicht mit jenen Fällen verglichen werden, die den Entscheidungen ZVR 1975/87 und 188 zugrunde liegen. In diesen Fällen fuhren Lenker von Fahrzeugen auf vor ihnen am rechten Fahrbahnrand parkende, für sie sichtbare Fahrzeuge auf. Im vorliegenden Falle hatte der Erstbeklagte den PKW des Klägers nicht vor, sondern hinter sich, da der PKW in seiner Halteposition mit der Front nur etwa bis zur Mitte des LKWs reichte. Daß der Erstbeklagte die Beschädigung bei gewöhnlicher Sorgfalt durch einen Blick in den Außenspiegel vor dem Losfahren hätte vermeiden können, begründet sein Verschulden, mag aber nicht das Mitverschulden des Lenkers des PKWs des Klägers zu beseitigen, der durch vorschriftswidriges Parken in zweiter Spur – wie das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat – in erster Linie den Schaden verursacht hat. Bei dieser Sachlage kann auch in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensaufteilung im Verhältnisse 1 : 1 ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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