OGH 5Ob671/76

OGH5Ob671/7619.10.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofrate des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold, Dr. Samsegger, Dr. Griehsler und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* T*, Hausfrau, *, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) F* S*, Pensionist, und 2.) G* S*, Hausfrau, beide wohnhaft in *, beide vertreten durch Dr. Fritz Bourcard, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines Eigentumsrechtes (Streitwert 8.000 S), Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 1.000 S) und Unterfertigung einer Urkunde (Streitwert 7.000 S), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14. Juni 1976, GZ 7 R 113/76‑10, womit das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 5. April 1976, GZ 6 Cg 71/76‑5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00671.76.1019.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt:

1) die Feststellung, daß sie Eigentümerin der Parzelle */3 Garten sei, die zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ * des Grundbuches über die Katastralgemeinde * gehört, und

2) die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, daß sie

a) der Erstellung eines neuen Teilungsausweises im Sinne des nunmehr gültigen Vermessungsgesetzes unter Zugrundelegung des Teilungsausweises des Dipl.‑Ing. E* S* vom 11. Mai 1950, GZ *, zustimmen und

b) eine grundbuchsfähige Erklärung unterfertigen, womit die zu 1) angeführte Parzelle in das ihr, der Klägerin, gehörige Grundstück */1 (vormals zur Liegenschaft EZ * des angeführten Grundbuches gehörig) einbezogen werde.

Zur Begründung dieses Klagebegehrens brachte die Klägerin, die die Schwester der Zweitbeklagten und Schwägerin des Erstbeklagten ist, im wesentlichen vor:

1950 habe sie von G* P* die Parzelle */1 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ * des bereits erwähnten Grundbuches käuflich erworben. Damals sei ihr von ihren Eltern in Gegenwart der Beklagten die Übertragung des Eigentums an der Parzelle */3 versprochen worden, damit eine Zufahrt zu der von G* P* erworbenen Parzelle möglich sei. Tatsächlich sei ihr, der Klägerin, von ihren Eltern in der Folge auch diese Parzelle in der Natur übergeben worden, und sie habe in der Folge auch straßenseitig darauf ein Eingangstor und im Bereich der Zufahrt diverse Befestigungen errichtet. Die im Teilungsplan des Geometers Dipl.‑Ing. S* vorgesehene Übertragung des Eigentums an dieser Parzelle sei irrtümlich (versehentlich) nicht im Grundbuch durchgeführt worden. Den Beklagten sei bekannt gewesen, daß ihr, der Klägerin, außerbücherlich das Eigentum an dieser Parzelle zustehe, als sie 1951 schenkungsweise von den Eltern der Klägerin und der Zweitbeklagten die Liegenschaft EZ * des bereits genannten Grundbuches erwarben, zu deren Gutsbestand auch diese Parzelle zähle. Die Beklagten verweigerten unberechtigt die Anerkennung ihres, der Klägerin, Eigentum an der Parzelle und die Ausfertigung der zur Herstellung des richtigen Grundbuchstandes erforderlichen Urkunden.

Die Beklagten begehren die Abweisung der Klage und wenden im wesentlichen ein, daß der Klägerin von ihren Eltern niemals das Grundstück */3 versprochen und übergeben worden sei.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen bloß auf Grund des Klagevorbringens ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es an:

Selbst bei Annahme der Richtigkeit ihres Vorbringens könne die Klägerin nicht Eigentümerin der Parzelle */3 geworden sein, denn dazu hätte es der Einverleibung ins Grundbuch bedurft (§ 431 ABGB); die behauptete Übergabe der Parzelle in Natur sei zur Übertragung des Eigentums nicht geeignet und es fehle auch an der Behauptung, daß es jemals zur Errichtung einer mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 ABGB versehenen Urkunde über die Eigentumsübertragung gekommen sei. Es könne auch von der angeblich bloß versehentlich unterbliebenen vollständigen Durchführung des Teilungsplanes des Geometers Dipl.‑Ing. S* keine Rede sein, da auf dieser Grundlage allein eine Eigentumsübertragung an der in ihrer Größe unverändert gebliebenen und daher vermessungstechnisch von keiner Teilung betroffenen Parzelle */3 ohne Vorlage einer einverleibungsfähigen Vertragsurkunde nicht vollziehbar gewesen sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes Folge. Es hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache mit dem Ausspruch des Rechtskraftvorbehalts zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht sprach folgende Rechtsansichten aus:

Es sei richtig, daß Eigentum an Liegenschaften nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben werden könne, wozu verbücherungsfähige Urkunden erforderlich seien (§§ 431 ff ABGB). Gerade infolge des Mangels für den Erwerb des Eigentums wegen fehlender Bucheintragung trotz vorhandenen Titels komme § 372 ABGB zur Anwendung, worauf die Klägerin in der Berufung zutreffend verwiesen habe. Eine Doppelveräußerung im Sinne einer unabhängig voneinander gewollten rechtsgeschäftlichen Übertragung derselben Liegenschaft an zwei verschiedene Erwerber mit den sich aus dem Intabulationsgrundsatz (§ 431 ABGB) ergebenden Problemen liege nach den Klagebehauptungen nicht vor. Es vertrete auch Bydlinski, der sonst gegen die Lehre vom außerbücherlichen Eigentumserwerb an Liegenschaften und die darauf beruhende Rechtsprechung auf-getreten sei (Bydlinski in Klang² IV/2 118 ff), die Ansicht, daß dem Erwerber, dem die Liegenschaft übergeben wurde, die Klage nach § 372 ABGB zustehe (a.a.O. 122). Die Klägerin habe sich darauf berufen, daß die außerbücherliche Übergabe des Grundstückes an sie durch ihre Eltern in Schenkungsabsicht erfolgt sei, und dies reiche als Erwerbstitel hin (§ 938 ABGB). Liege der Übergabszeitpunkt vor dem Schenkungsvertrag, auf den die Beklagten ihr Eigentumsrecht gründen, dann müsse in Ermangelung anderer Tatsachen davon ausgegangen werden, daß die im Teilungsplan (des Geometers Dipl.‑Ing. S*) vom Jahre 1950 vorgesehene Abschreibung des Grundstückes */3 vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ * des Grundbuches über die Katastralgemeinde * tatsächlich irrtümlich unterblieben sei. Treffe dies zu, dann habe den Eltern der Klägerin und der Zweitbeklagten der Wille gefehlt, dieses Grundstück den Beklagten zu schenken, sodaß es diesen an dem erforderlichen Titel ermangle, worunter nicht die Vertragsurkunde, sondern das (beurkundete) Rechtsgeschäft als der zur Eintragung taugliche Rechtsgrund zu verstehen sei; Gegenstand des Vertrages habe nur das sein können, was nach dem Willen der Vertragspartner wirklich übertragen werden sollte. Die Beklagten seien dann, wenn sie von der irrtümlichen Übertragung des Grundstückes an sie wußten, unrechtmäßige Besitzer.

Da die Klägerin dies alles behauptet und unter Beweis gestellt habe, erweise sich infolge der Tatsachenbestreitung durch die Beklagten die Aufnahme der angebotenen Beweise als notwendig.

Gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Hauptantrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, und dem Hilfsbegehren, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Zunächst ist zu bemerken, daß der Hauptantrag der Rechtsmittelwerberin im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unzulässig ist, weil der Oberste Gerichtshof, wenn er als Rekursgericht angerufen wird, nicht in der Hauptsache durch Urteil entscheiden kann (EvBl 1962/160 u.a.).

Als Verfahrensmangel rügt die Rechtsmittelwerberin, daß es einer Ergänzung des Verfahrens, wenn überhaupt, nur durch Einsichtnahme in die Urkunden bedürfe, die zur Urkundensammlung des Grundbuchgerichtes in H* erliegen, und daß das Berufungsgericht diese Einsichtnahme unterlassen habe.

Dieser Rüge ist entgegenzuhalten, daß dem Obersten Gerichtshof unter der Voraussetzung, daß die dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zugrunde liegende Rechtsansicht richtig ist, die Überprüfung der vom Berufungsgericht angenommenen Notwendigkeit zur Verfahrensergänzung durch Aufnahme von Beweisen zu den rechtserheblichen Vorgängen verwehrt ist (SZ 38/227 u.v.a., zuletzt 4 Ob 58/76).

In der Sache selbst ist zunächst der Ansicht des Berufungsgerichtes voll beizustimmen, daß die Klägerin nicht „außerbücherliche Eigentümerin“ des von ihr in Anspruch genommenen Grundstückes sein kann, weil im Bereich der Herrschaft des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB), dessen normierte Ausnahmen hier nicht vorliegen, die bloße Übergabe des Grundstückes nicht den Übergang des Eigentums zu bewirken vermag (EvBl 1976/83 = JBl 1976, 144 f mit Glosse Bydlinskis; derselbe in Klang2 IV/2, 120) und die Klägerin sich nur auf einen derartigen Akt beruft. Allerdings hätte das Berufungsgericht auf Grund dieser zutreffenden Rechtsansicht insoweit (Punkt 1 des Klagebegehrens: Feststellung, daß sie Eigentümerin des strittigen Grundstückes sei) das Urteil des Erstgerichtes als Teilurteil bestätigen können. Da jedoch die Fällung eines Teilurteiles ins – wenngleich pflichtgemäße – Ermessen des erkennenden Gerichtes gestellt ist, kann eine solche Entscheidung schon mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge nicht dem Berufungsgericht aufgetragen werden.

Die Klägerin behauptet, daß ihr das Grundstück von ihren Eltern, die damals die Eigentümer waren, geschenkt und übergeben worden sei. Wenn nun auch, wie eben dargelegt wurde, der körperlichen Übergabe des Grundstückes nicht die Wirkung der Eigentumsübertragung zukommen konnte, so vermochte dieser Vorgang doch als ein sinnfälliger, nach außen hin erkennbarer Akt die Ernstlichkeit des Willens der Schenker auf Überlassung des Grundstückes an die Klägerin auszudrücken und damit das von § 943 ABGB für Schenkungen normierte Erfordernis der „wirklichen Übergabe“ zu erfüllen (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts4 272; JBl 1967, 623). Wenn sich ihre diesbezüglichen Behauptungen als richtig erweisen sollten, wäre die Klägerin in Ansehung des stritten Grundstückes forderungsberechtigte Gläubigerin ihrer Eltern gewesen.

Die Beklagten sind, wie unbestritten ist, als Eigentümer der Liegenschaft, zu deren Gutsbestand auch das strittige Grundstück zählt, im Grundbuch eingetragen.

Das Vorbringen der Klägerin, die ihre Klageansprüche aus dem untauglichen „außerbücherlichen Eigentum“ herleiten will, läßt in Anbetracht der Behauptung, die Beklagten seien Zeugen des Schenkungsversprechens der Eltern der Klägerin gewesen und hätten zum Zeitpunkt ihres schenkungsweisen Erwerbs der Liegenschaft gewußt, daß ihr, der Klägerin, an dem Grundstück „außerbücherliches Eigentum“ zustehe, läßt die durchaus taugliche Schlußfolgerung zu, die Beklagten hätten sich beim schenkungsweisen Erwerb des strittigen Grundstückes bewußt über das obligatorische Forderungsrecht der Klägerin gegenüber ihren Eltern hinweggesetzt und wären daher wegen der dadurch geschehenen Beeinträchtigung eines fremden Forderungsrechtes nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes zur Naturalrestitution an die Klägerin verpflichtet (§ 1323 ABGB). Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß es im Falle des durch den Besitz des Grundstückes verstärkten Forderungsrechtes der Gläubigerin im Sinne der neuerdings von Schilcher und Holzer (Der Schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl 1974, 445 ff, 512 ff) in Fortentwicklung der Lehre von der Verleitung zum Vertragsbruch (insbesondere Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte) entwickelten Idee von der Funktion des Besitzes als Ausdrucksmittel „typischer Erkennbarkeit“ von Forderungsrechten zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruches des forderungsbeeinträchtigten Gläubigers genügt, wenn der Zweiterwerber die obligatorische Position des Beeinträchtigten kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte. Jüngst hat auch Bydlinski (JBl 1976, 145) dieser Idee Beifall gezollt, damit auf dem Wege des Schadenersatzrechtes die aus dem Eintragungsgrundsatz für den bereits besitzenden Erwerber erwachsende Härte vermieden werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Die Wirkung des Besitzes, daß ein möglicherweise schutzwürdiges Recht des Besitzenden vorliege, der nicht Eigentümer ist, kann in der Tat, wie Schilcher und Holzer Koziols These (a.a.O. 176 f) von der mangelnden Publizitätseignung des Besitzes für andere Rechte als das Eigentum entgegenhalten (a.a.O. 454), nicht übersehen werden. Diesem Gedanken hat der Oberste Gerichtshof schon in seiner bisherigen, sachenrechtlich allerdings nicht länger aufrechtzuerhaltenden Rechtsprechung zum Schutz des besitzenden „außerbücherlichen Erwerbers“ Rechnung getragen (vgl. EvBl 1972/268; 3 Ob 51, 52/73 u.a.).

Im vorliegenden Falle träfe die Beklagten, wenn sich die Behauptung der Klägerin als richtig erweisen sollte, daß sie im Zeitpunkt des schenkungsweisen Erwerbs der Liegenschaft von der vorangegangenen Schenkung des zur Liegenschaft gehörigen strittigen Grundstückes an die Klägerin und von deren von den Schenkern abgeleiteten Besitz Kenntnis hatten, der Vorwurf zumindestens fahrlässigen Verhaltens, das sie gemäß § 1323 ABGB zum Schadenersatz in Form der Naturalrestitution verpflichten würde. Aus diesem Gesichtspunkt wäre das Klagebegehren (Punkt 2 lit a und b, freilich ohne Solidarverpflichtung, die nicht denkbar ist) rechtlich schlüssig.

Dem Rekurs der Beklagten kann aus diesen Erwägungen kein Erfolg zukommen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

 

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