OGH 7Ob675/76

OGH7Ob675/7614.10.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kralik und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Pensionistin, *, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) E*, Mechanikermeister und 2.) O*, Geschäftsfrau, beide *, vertreten durch Dr. Konrad Landau, Rechtsanwalt in Wien, wegen 482.000 S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Juni 1976, GZ. 6 R 116/76‑12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 30. April 1976, GZ. 40 c Cg 397/75‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00675.76.1014.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 14.617,53 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.840,-- S Barauslagen und 798,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt den Zuspruch eines ihrem Sohn J* gegen die Beklagten angeblich zustehenden Schadenersatzes von 482.000 S samt Anhang mit der Behauptung, ihr Sohn habe ihr den Anspruch zediert. Zwar sei diese Forderung von einem gewissen Herrn H* gepfändet worden, doch sei das Exekutionsverfahren nach § 39 Z 6 EO eingestellt worden oder könne nach dieser Bestimmung eingestellt werden.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten unter anderem im Hinblick auf das erwähnte Exekutionsverfahren die mangelnde aktive Klagslegitimation der Klägerin ein.

Beide Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab. Hiebei gingen sie von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Das Exekutionsgericht Wien bewilligte H* mit Beschluß vom 21. Mai 1974, 9 E 3888/74*‑1, gegen den Sohn der Klägerin zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 481.250 S samt Anhang die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen die beiden Beklagten angeblich zustehenden Forderung von 500.000 S mehr oder weniger. Hiebei handelt es sich um die im gegenwärtigen Verfahren streitgegenständliche Forderung. Gleichzeitig wurde die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung bewilligt. Die Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Beklagten als Drittschuldner erfolgte am 27. Mai 1974. Mit Schreiben vom 20. September 1974 ermächtigte der Vertreter des betreibenden Gläubigers den Verpflichteten, die erwähnte Forderungsexekution „gemäß § 59/6 EO. zur Einstellung zu bringen“. Im Sinne eines auf dieses Einstellungsschreiben maschinschriftlich beigesetzten Einstellungsantrages vom 25. März 1976 bewilligte das Exekutionsgericht mit Beschluß vom 2. April 1976 die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs. 1 Z 6 EO.

Gestützt auf diese Feststellungen, verneinten beide Untergerichte die aktive Legitimation der Klägerin. Das Berufungsgericht führte hiezu im wesentlichen aus, im Falle der Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung stehe die Einziehungsbefugnis nur noch dem Überweisungsgläubiger zu. Dieser könne zwar die ihm übertragenen Einziehungsrechte dem Verpflichteten rückübertragen, doch wäre die Zustimmung des Überweisungsgläubigers zur prozessualen Geltendmachung durch eine vom Verpflichteten verschiedene Person unwirksam und unbeachtlich. Erst die Exekutionseinstellung unter Aufhebung aller vollzogenen Exekutionsakte hebe das Pfändungspfand auf. Maßgebend sei hier die Wirksamkeit des Einstellungsbeschlusses. Dieser wirke nicht zurück. Da im vorliegenden Fall der Einstellungsbeschluß erst am 2. April 1976, sohin nach dem am 24. März 1976 erfolgten Schluß der Verhandlung erster Instanz, gefaßt worden sei, wäre eine den Beklagten gegenüber wirksame Zession in diesem Verfahren nicht anzunehmen. Selbst wenn man aber in der Einstellungsermächtigung eine Erklärung im Sinne des § 311 Abs. 2 EO erblicken würde, käme man zu keinem anderen Ergebnis, weil für einen Zeitpunkt nach Überreichung dieser Erklärung bei Gericht eine Zession nicht behauptet worden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, die die Revisionsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO geltend macht. Sie stellt den Antrag auf Aufhebung beider untergerichtlichen Urteile, allenfalls nur des angefochtenen Urteiles.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten stellen den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Klägerin darin, daß das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von dem sich aus dem Exekutionsakt ergebenden Tag der Einbringung des Einstellungsantrages (25. März 1976) ausgegangen ist. Hiebei rügt sie aber nicht einen Feststellungsmangel, sondern das Unterlassen einer Wiedereröffnung des erstgerichtlichen Verfahrens zwecks Erörterung des Exekutionsaktes. Eine solche Unterlassung könnte nur ein Verfahrensmangel sein. Diesbezüglich lag jedoch bereits eine Mängelrüge in der Berufung vor. Das Berufungsgericht hat den behaupteten Verfahrensmangel verneint. Die Revision kommt nun neuerlich auf diesen angeblichen erstinstanzlichen Verfahrensmangel zurück. Ein solcher kann jedoch nicht mehr zum Revisionsgrund gemacht werden, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt hat, daß er nicht vorliegt (EvBl. 1965/188, EvBl. 1959/361, SZ. 27/4 u.a.).

Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO ist daher nicht gegeben.

Auch die Revisionswerberin kann die Richtigkeit der Rechtsansicht der Untergerichte, derzufolge dem Verpflichteten in Ansehung gepfändeter und überwiesener Ansprüche die Legitimation zur Erhebung der Klage gegen den Drittschuldner insoweit fehlt, als die Überweisung reicht (SpR 220 alt, SZ 39/177 ua), nicht entgegentreten. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Revision auch zutreffend ausgeführt, daß nach der herrschenden Judikatur (SZ 15/210, ZBl. 1933/132) die Geltendmachung der überwiesenen Forderung durch den Verpflichteten zulässig ist, wenn der Überweisungsgläubiger dem zustimmt. Schließlich hat das Berufungsgericht auch die in der Revision aufgezeigte relative Wirkung einer Forderungspfändung und die nachträgliche Wirkung einer Zession der gepfändeten Forderung im Falle einer Einstellung der Exekution nicht in Abrede gestellt. Zutreffend hat es aber hiebei ausgeführt, daß der Drittschuldner diesbezüglich kein Dritter ist. Die entsprechenden Stellen bei Heller-Berger-Stix (Seite 2130 ff.) zeigen deutlich, daß die Autoren den dort genannten Dritten vom Drittschuldner unterscheiden wollen. Dies ist im übrigen selbstverständlich, weil die Wirkungen des Exekutionsverfahrens die Parteien dieses Verfahrens betreffen, der in der erwähnten Literaturstelle genannte „Dritte“ aber nicht am Exekutionsverfahren beteiligt ist, was für den Drittschuldner nicht zutrifft. Gerade ihm gegenüber sollen ja die Wirkungen der Exekutionsführung eintreten. An ihn ist das Zahlungsverbot gerichtet. Im Gegensatz zu Personen, an die ein Zahlungsverbot nicht gerichtet wurde (Dritte), muß er diesem entsprechen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Forderung nicht nur gepfändet, sondern auch zur Einziehung überwiesen worden ist. Es können daher sämtliche Erwägungen, die sich auf die bloße Forderungspfändung beziehen, außer Betracht bleiben. Weiter kann unerörtert bleiben, inwieweit der Verpflichtete die gepfändete Forderung mit Ermächtigung des betreibenden Gläubigers einklagen und Zahlung an den betreibenden Gläubiger begehren kann, weil die Klägerin im vorliegenden Fall Zahlung an sich begehrt. Bei der Einstellung einer Exekution handelt es sich um eine gerichtliche Entscheidung, die, mangels gegenteiliger Vorschrift, Rechtswirkungen erst ab ihrer Fällung erzeugen kann. Wird eine Forderungsexekution eingestellt, so hat das Zahlungsverbot gegenüber dem Drittschuldner bis dahin seine volle Wirksamkeit (Heller-Berger-Stix, 494). Der Entscheidung EvBl. 1956/ 114 lag insoferne ein mit dem vorliegenden nicht vergleichbarer Fall zugrunde, als dort der Einstellungsantrag vom Überweisungsgläubiger gestellt worden war, sohin für das Exekutionsverfahren ein wirksamer Verzicht des betreibenden Gläubigers angenommen werden konnte. Dahingestellt bleiben kann, ob in der Einstellungsermächtigung des Überweisungsgläubigers eine Zustimmung zu einer Geltendmachung der gepfändeten Forderung durch den Verpflichteten gelegen ist. Zutreffend hat nämlich das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß eine Zession der Forderung an die Klägerin vor Einstellung der Exekution den Beklagten gegenüber nicht wirksam erfolgen konnte, weil die Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung eines Rechtes nicht losgelöst von diesem übertragen werden kann.

Geht man von den Feststellungen der Untergerichte aus wonach die Exekution erst am 2. April 1976 - sohin nach dem 24. März 1976, dem Tag der Schließung des Verfahrens erster Instanz - eingestellt wurde, so erweist sich, daß bei Schluß der Verhandlung erster Instanz eine dem Beklagten gegenüber wirksame Zession nicht erfolgt sein konnte (vgl. Heller-Berger-Stix 2130).

Gemäß § 311 Abs. 1 EO kann der betreibende Gläubiger auf die durch Überweisung zur Einziehung erworbenen Rechte verzichten. Die Verzichtleistung erfolgt gemäß Absatz 2 durch eine diesbezügliche Mitteilung an das Exekutionsgericht, welches hievon den Verpflichteten, den Drittschuldner und die übrigen Pfandgläubiger zu verständigen hat. Zwar sei der Revision zugegeben, daß in der im Zentralblatt 1937/97 veröffentlichten Entscheidung der Standpunkt vertreten wurde, bei § 311 Abs. 2 EO handle es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Lehre hat jedoch diese Rechtsansicht abgelehnt (Petschek in seiner Besprechung dieser Entscheidung und Heller-Berger-Stix 2242 f.). Nach der letztzitierten Lehrmeinung sei in der Verzichtserklärung des betreibenden Gläubigers im wesentlichen nichts anderes zu erblicken, als das Abstehen von der Fortsetzung des Verkaufsverfahrens. Die Wirkung eines derartigen Verzichtes auf das Pfandrecht komme in der Exekution erst mit der Bekanntgabe an das Gericht zustande. Solange die Überweisung aufrecht ist, bleibe sie im Verhältnis des Überweisungsgläubigers zum Drittschuldner bindend (Heller-Berger-Stix 2243). Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Lehrmeinung an. Die Bestimmungen des § 311 EO sind nicht nur Vorschriften zum Schutze des betreibenden Gläubigers, sondern sollen auch einen Schutz des Drittschuldners bewirken. Durch die ihm zugestellte Überweisung der gepfändeten Forderung wird ihm die Möglichkeit einer Zahlung an seinen ursprünglichen Gläubiger genommen. Zahlt er diesem trotzdem, riskiert er eine neuerliche Inanspruchnahme durch den Überweisungsgläubiger. Ihm soll nicht die Last einer Überprüfung allfällig behaupteter materieller Rechtsübergänge und das mit einer solchen Überprüfung verbundene Risiko aufgebürdet werden. Erst wenn die Wirkung der gerichtlichen Überweisung zweifelsfrei beseitigt ist, besteht für den Drittschuldner Klarheit dahin, daß er nicht mehr an den Überweisungsgläubiger zu leisten hat. Eine für ihn zweifelsfreie Beseitigung des gerichtlichen Gebotes kann aber nur durch eine gerichtliche Verständigung erfolgen. Eine solche Verständigung setzt eine Mitteilung des verzichtenden Überweisungsgläubigers an das Gericht voraus. Hieraus ergibt sich zwingend der Schluß, daß die Bestimmung des § 311 Abs. 2 EO nur so verstanden werden kann, daß die verfahrensrechtlichen Wirkungen des Verzichtes auf die Rechte aus der Überweisung erst durch die Mitteilung an das Gericht eintreten. Erst wenn diese verfahrensrechtlichen Wirkungen eingetreten sind, ist der Drittschuldner an die Überweisung nicht mehr gebunden.

Von einer Mitteilung des Überweisungsgläubigers an das Gericht kann nur die Rede sein, wenn dieser das Gericht anspricht, also seine Erklärung erkennbar darauf abzielt, daß das Gericht sie zur Grundlage für eine Tätigkeit mache. Die dem Verpflichteten bloß erteilte Ermächtigung zur Einstellung einer Exekution ist keine Mitteilung an das Gericht. Sie kann daher vom Gericht solange nicht zum Anlaß für Verständigungen der im § 311 Abs. 2 EO genannten Personen genommen werden, als ein diesbezüglicher Antrag nicht gestellt wird. Ob nach einer solchen Antragstellung nach § 311 Abs. 2 EO vorzugehen oder die Exekution nach § 39 Abs. 1 Z 6 EO einzustellen ist, bzw. inwieweit sich das Vorgehen in beiden Fällen deckt, muß hier nicht untersucht werden, weil infolge der festgestellten Antragstellung nach Schluß der Verhandlung erster Instanz eine wirksame Verzichtleistung des Überweisungsgläubigers dem Drittschuldner gegenüber vor diesem Zeitpunkt keinesfalls angenommen werden kann.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß der in SZ 8/170 veröffentlichten Entscheidung eine vom Drittschuldner nicht bekämpfte Exekutionsbewilligung zugunsten des Verpflichteten zugrundelag, also ein Sachverhalt, der mit dem vorliegenden nichts zu tun hat.

Die Rechtsansicht der Untergerichte bezüglich der mangelnden aktiven Legitimation der Klägerin erweist sich sohin als zutreffend. Fehlt einem Kläger aber die Legitimation zur Geltendmachung eines Anspruches, dann kann seinem Begehren nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen stattgegeben werden.

Da sohin auch der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO nicht gegeben ist, mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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