European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00672.76.1007.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.359,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 240,-- an Barauslagen und S 82,94 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bringt in der Klage vor, er habe mit Vertrag vom 2. Juli 1966 die Wohnung in *, an die Beklagte vermietet. Auf dieses Bestandobjekt seien die Bestimmungen des Mietengesetzes nicht anzuwenden. In dem mit S 2.200,--vereinbarten Mietzins seien die anteiligen Betriebskosten einschließlich der öffentlichen Abgaben sowie sonstige Aufwendungen für das Haus enthalten gewesen. Für den Fall der Erhöhung dieser Betriebskosten und öffentlichen Abgaben habe sich die Beklagte verpflichtet, zu dem vereinbarten Mietzins einen dieser Erhöhung entsprechenden Zuschlag zu zahlen. Diese der Beklagten bekanntgegebenen Zuschläge hätten für die Zeit vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1975 S 7.282,17 und für Juli 1975 S 260,65, sohin insgesamt S 7.542,80 betragen, deren Zahlung mit der vorliegenden Klage begehrt werde. Der Kläger schränkte dieses Begehren um den Betrag von S 2.200,-- auf S 5.342,80 samt Anhang mit Rücksicht auf eine von der Beklagten bei ihm hinterlegte Kaution, die er auf die Klagsforderung anrechnete, ein.
Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe sie erstmals mit Schreiben vom 23. Juni 1975 von einer Erhöhung der Betriebskosten verständigt. Diese von der Beklagten nicht überprüfbare Erhöhung beruhe jedoch nicht auf gesetzlichen Vorschriften, sondern sei in der allgemeinen Erhöhung der Betriebskosten begründet, die jedoch keine Wertsicherungsfunktion besitze. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, sie von einer Erhöhung der Betriebskosten unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
Die Parteien stellten außer Streit, daß der Kläger vor seinem Schreiben vom 23. Juni 1975 eine Erhöhung der Betriebskosten nicht begehrt habe, weil der Mietzins vereinbarungsgemäß an den Wohnungsinhaber Ing. E* gezahlt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Am 2. Juli 1966 schlossen der Kläger als Vermieter und die Beklagte als Mieterin einen Mietvertrag über die Wohnung in *, für die Zeit bis 30. Juni 1967 ab. In dem vereinbarten Mietzins von S 2.200,-- waren die anteilsmäßigen Betriebskosten und die öffentlichen Abgaben sowie sonstige Aufwendungen für das Haus enthalten. Die Beklagte verpflichtete sich in dem Vertrag, zu diesem Mietzins, falls die derzeit allgemein geltenden Mietzinse erhöht werden sollten oder falls Mietzinserhöhungen infolge Erhaltungsarbeiten notwendig werden oder die derzeit geltenden Ansätze der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben erhöht werden oder wenn den Mieter treffende Betriebskosten oder öffentliche Abgaben neu eingeführt werden sollten, einen diesen Erhöhungen entsprechenden Zusatz oder einen neu zu vereinbarenden Mietzins zu zahlen. Die Parteien haben das Mietverhältnis in der Folge jeweils stillschweigend verlängert. In einem am 19. Juli 1975 (richtig 19. Juni 1975) zwischen den Prozeßparteien stattgefundenen Gespräch wurde festgehalten, daß eine Wertsicherung des Mietzinses im Hinblick auf die Kürze der beabsichtigten Vertragsdauer unterblieben sei. In der Zeit vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1975 betragen die sich aus den gestiegenen Betriebskosten ergebenden Zuschläge insgesamt S 7.282,17. Der Betriebskostenzuschlag für den Monat Juli 1975 beträgt S 260,65.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Mietobjekt unterliege mangels Bestreitung einer solchen vom Kläger aufgestellten Behauptung durch die Beklagte nicht den Bestimmungen des Mietengesetzes, sodaß Zinsforderungen innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z. 4 ABGB verlangt werden könnten.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinn ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener über die Höhe des rückständigen Betrages und ließ die Frage, ob das Bestandobjekt dem Mietengesetz unterliege, offen. Der Klagsanspruch bestehe deshalb nicht zu Recht, weil der Kläger infolge jahrelanger unbeanstandeter Annahme des Mietzinses auf dessen Erhöhung für die Vergangenheit stillschweigend verzichtet habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem auf Abänderung des Berufungsurteiles im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz gerichteten Antrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der in der Rechtsrüge vorgetragenen Auffassung des Klägers, ein stillschweigender Verzicht auf die im Mietvertrag vereinbarte Erhöhung des Mietzinses für den Fall des Ansteigens der Betriebskosten sei deshalb nicht anzunehmen, weil er persönlich den Mietzins nicht entgegengenommen und den Empfang nicht quittiert habe, ein bloßes Untätigsein aber die Annahme eines stillschweigenden Verzichtes nicht rechtfertige, kann nicht beigepflichtet werden. Richtig ist zwar, daß der österreichischen Rechtsordnung eine allgemeine Verwirkung fremd ist (MietSlg 16.073; 7 Ob 571/76 u.v.a,) und daß ein stillschweigender Verzicht nur dann anzunehmen ist, wenn mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) kein vernünftiger Grund besteht, an einem Verzicht zu zweifeln, sodaß der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (MietSlg 26.053, 24.080, 23.062 u.v.a). Für die Annahme eines stillschweigenden Verzichtes im dargelegten Sinn ist aber entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht unbedingt ein Tätigwerden erforderlich. Auch ein passives Verhalten reicht für einen stillschweigenden Verzicht dann aus, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß ein Verzicht ernstlich gewollt ist (vgl. EvBl 1976/20). Ein solcher Wille ist jedoch dem Verhalten des Klägers hier eindeutig zu entnehmen. Der Kläger hat dem von der Beklagten geschuldeten Mietzins neun Jahre hindurch entgegengenommen, ohne daß er jemals von dem im Mietvertrag vereinbarten Recht, eine Erhöhung des Pauschalmietzinses im Hinblick auf das Ansteigen der „geltenden Ansätze der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben“ zu verlangen, Gebrauch gemacht oder die Beklagte von einem solchen Ansteigen verständigt hätte. Dies wäre aber gerade im vorliegenden Fall umso notwendiger gewesen, als aus dem Mietvertrag eine Aufschlüsselung von Mietzins und Betriebskosten nicht hervorgeht, sodaß der Beklagten die Möglichkeit fehlte, einen Erhöhungsbetrag selbst festzustellen. Der Umstand, daß die Beklagte den Mietzins vereinbarungsgemäß nicht an den Kläger direkt, sondern an eine ihr vom Kläger bekanntgegebene dritte Person, den Eigentümer der Wohnung, überwiesen hat, vermag daran nichts zu ändern, weil es Sache des Klägers gewesen wäre, sich um das Ansteigen der Betriebskosten und um die Höhe der von der Beklagten überwiesenen Mietzinsbeträge zu kümmern. Entscheidend ist, daß die Beklagte die unbeanstandete Entgegennahme des vereinbarten Mietzinses in gleicher Höhe während eines Zeitraumes von neun Jahren nach Treu und Glauben nur so verstehen konnte, daß damit der Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Mietzinses jeweils erledigt war (vgl. MietSlg 26.121, 19.101, 18.156 bis 18.158 u.v.a.). Die Beklagte konnte nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtskundigkeit des Klägers mit Recht der Auffassung sein, daß dieser infolge der langjährigen Entgegennahme des nicht auf gewerteten Mietzinses auf dessen Erhöhung für die entgegengenommenen Beträge verzichtet habe. Der Verstoß gegen Treu und Glauben findet auch darin seinen Ausdruck, daß der Mieter die vom Vermieter für einen längeren Zeitraum begehrte Nachzahlung möglicherweise gar nicht mehr zu zahlen in der Lage ist und eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrages wegen Nichtzahlung des Mietzinses hinnehmen müßte.
Da somit der Kläger, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, auf die Einforderung eines erhöhten Mietzinses für die Vergangenheit verzichtet hat, besteht der Klagsanspruch nicht zu Recht. Auf die in der Revision ausführlich behandelte Frage, ob der Bestandgegenstand den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegt, brauchte daher nicht eingegangen zu werden. Bedeutungslos ist schließlich auch die Frage, ob dem Kläger für den Monat Juli 1975 der im Betrag von S 260,65 begehrte Zuschlag etwa im Hinblick darauf zusteht, daß er die Erhöhung Ende Juni 1975 begehrt hatte, sodaß dieser Betrag vom Verzicht nicht umfaßt ist. Der Kläger hat nämlich die von der Beklagten erlegte Kaution von S 2.200,-- ohnehin auf die Klagsforderung angerechnet und das Klagebegehren um diesen Betrag eingeschränkt.
Der Revision konnte daher ein Erfolg nicht beschieden sein.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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