OGH 4Ob94/76

OGH4Ob94/765.10.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, Pensionist, *, vertreten durch Dr. Franz Kriftner sen., Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Kammer für Arbeiter und Angestellte *, vertreten durch K*, Referent der beklagten Partei, dieser vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen Gewährung eines Ruhegenusses (Streitwert S 198.906,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 21. Jänner 1976, GZ. 12 Cg 26/75-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 2. Mai 1975, GZ. 1 Cr 161/74-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00094.76.1005.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, an die klagende Partei einen Betrag von S 98.106,-- binnen 14 Tagen und ab 1. August 1974 monatlich am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein einen Ruhegenuß von S 2.800,-- zu gewähren, alles bei sonstiger Exekution, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.348,96 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.800,-- an Barauslagen und S 336,96 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger führt zur Begründung seines aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen, auf Gewährung eines Ruhegenusses gerichteten Klagebegehrens aus, er sei vom 1. April 1924 bis 30. April 1934 Sekretär des D*verbandes gewesen. Nach dessen Auflösung sei er von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in *, der auf dem Arbeiterkammergesetz 1920 beruhenden Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, für die Zeit ab 1. Mai 1934 als Angestellter aufgenommen und in die Verwendungsgruppe I, Bezugsklasse IV, Gehaltsstufe 1, unter Berücksichtigung einer Vordienstzeit von 12 Jahren eingestuft worden. Man habe ihm mitgeteilt, daß er nach dem § 26 der Dienst- und Bezugsordnung der Angestellten der Kammern für Arbeiter und Angestellte (DBO) nach zweijähriger Dienstleistung ein Ansuchen auf Anrechnung der Vordienstzeiten stellen könne. Mit Schreiben vom 20. April 1936 an die Verwaltungskommission der Arbeiterkammer habe er dieses Ansuchen gestellt, das durch Zustellung des administrativen Rundschreibens der Kammer vom 15. Oktober 1937, Nr. 81, erledigt worden sei. Im Präsidium der Kammer sei dem Kläger unmittelbar nach Zustellung dieses Rundschreibens mitgeteilt worden, daß sein Anrechnungsgesuch mit Beschluß der Verwaltungskommission vom 1. Oktober 1937, mit welchem die im Rundschreiben wiedergegebene Änderung der DBO beschlossen worden sei, eine positive Erledigung erfahren habe und eine gesonderte Mitteilung über die Anrechnung seiner Vordienstzeiten nicht mehr zu erfolgen brauche. Mit Schreiben des kommissarischen Leiters der Kammer vom 28. Juni 1938 sei der Kläger verständigt worden, daß die Kammer aufgelöst und sein Dienstvertrag automatisch und ohne besondere Kündigung beendet sei. Er habe weder eine Abfertigung noch eine Entschädigung erhalten. Das nach dem Jahr 1945 vom Kläger an die beklagte Partei gerichtete Ersuchen um Wiedereinstellung sei ebenso abgelehnt worden wie sein Verlangen, ihm für diesen Fall einen Ruhegenuß zu gewähren. Ein auf Zahlung eines Ruhegenusses gerichtetes, beim Erstgericht zu Cr 240/50 erhobenes Klagebegehren sei aus der Erwägung rechtskräftig abgewiesen worden, daß ihm nach der DBO ein Anspruch auf Ruhegenuß nach einer Dienstleistung von 35 Jahren oder einer solchen von 10 Jahren bei Vollendung des 60. Lebensjahres oder im Falle der Dienstunfähigkeit zustehe. Diese Voraussetzungen seien jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung über jene Klage nicht erfüllt gewesen. In Betracht komme für den Kläger nur ein Anspruch auf Ruhegenuß nach einer Dienstzeit von 10 Jahren bei Vollendung des 60. Lebensjahres. Dieses habe er im Jahr 1963 vollendet, sodaß ihm ein Anspruch auf Ruhegenuß nunmehr zustehe.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung aus rechtlichen Gründen und erhob die Einrede der Verjährung.

Folgender Sachverhalt steht außer Streit: Der am * 1903 geborene Kläger war vom 1. April 1924 bis 30. April 1954 Sekretär des D*verbandes. Mit Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte in * vom 10. Jänner 1935 wurde er in die Verwendungsgruppe I, Bezugsklasse IV, Gehaltsstufe 1, der DBO eingestuft. Am selben Tag wurde ihm ein Exemplar der DBO ausgefolgt. Der § 39 Abs. 2 der DBO wurde in der Sitzung der Verwaltungskommission der Kammer vom 1. Oktober 1937 dahin abgeändert, daß die Dienstzeiten bei Berufsvereinigungen der Arbeiter und Angestellten als effektive Dienstzeiten gelten, wenn das Dienstverhältnis bei diesen Körperschaften dem Eintritt in die Arbeiterkammer unmittelbar vorangegangen ist. Am 30. Juni 1938 wurde das Dienstverhältnis des Klägers durch eine politische Maßnahme des kommissarischen Leiters der Kammer beendet. Der Kläger hat sich 1947, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, beim Präsidenten der beklagten Partei gemeldet, doch wurde seine Wiedereinstellung abgelehnt.

Das Erstgericht beschränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches und erkannte mit Zwischenurteil, daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Mit Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte in * vom 4. Mai 1954 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. Mai 1954 als Angestellter in den Dienst des * Gewerkschaftsbundes aufgenommen. Die Geschäfte des damals noch im Aufbau befindlichen Gewerkschaftsbundes wurden durch Bedienstete der Arbeiterkammer wahrgenommen. Als Geschäftsstellen der Landeskartelle des Gewerkschaftsbundes fungierten die örtlich zuständigen Arbeiterkammern, die den Apparat für die Tätigkeit der Gewerkschaft beizustellen hatten. Der Kläger war daher seit 1. Mai 1934 Angestellter der oben erwähnten Kammer. Grundlage dieses Dienstverhältnisses war die DBO. Diese wurde mit den Beschlüssen der Verwaltungskommission dieser Kammer vom 22. Jänner 1937 und vom 4. Oktober 1937 entsprechend den Empfehlungen des Arbeiterkammertages in Salzburg vom 7. Dezember 1936 in mehreren Punkten geändert. Zumindest bei der letztgenannten Sitzung war Oberregierungsrat Dr. K* als Aufsichtskommissär im Sinn des § 8 der Verordnung vom 21. Dezember 1933, BGBl. 1933/572, anwesend. Die Bestimmung des § 39 Abs. 2 der DBO wurde wie folgt erweitert: „Nach den Worten: ‚… vollen Bemessungsgrundlage gleichkommt‘ wird der Satz eingeschoben: Die Dienstzeiten bei anderen Arbeiterkammern, bei Berufsvereinigungen der Arbeiter und Angestellten und bei Gehilfenausschüssen gelten als effektive Dienstzeiten, sofern das Dienstverhältnis bei diesen Körperschaften dem Eintritt in die Kammer unmittelbar vorangegangen ist. Dies gilt aber nur insofern, als der Angestellte nicht bereits eine Abfertigung erhalten hat oder einen Ruhegenuß bezieht.“

Diese Änderung wurde über Antrag der genannten Kammer durch das Bundesministerium für Soziale Verwaltung aufsichtsbehördlich genehmigt. Dem Kläger wurde die Modifizierung der Dienst- und Bezugsordnung durch Zustellung des administrativen Rundschreibens Nr. 81 der Arbeiterkammer vom 15. Oktober 1937 mitgeteilt. Da er am 20. April 1936 ein schriftliches Ansuchen um Anrechnung seiner Vordienstzeiten gestellt hatte, begab er sich in das Präsidium der Kammer und fragte an, ob mit diesem Rundschreiben sein Ansuchen genehmigt sei. Er erhielt die Auskunft, daß dieses hiedurch positiv erledigt sei und eine gesonderte Mitteilung über die erfolgte Anrechnung seiner Vordienstzeiten nicht mehr zu ergehen habe. Der Kläger wurde mit Schreiben des kommissarischen Leiters der Kammer für Arbeiter und Angestellte in * vom 28. Juni 1938 davon verständigt, daß die Kammer aufgelöst sei, eine Vertragspartei auf der Dienstgeberseite daher nicht mehr bestehe und daß sein Dienstvertrag damit automatisch und ohne besondere Aufkündigung beendet sei. Der Kläger erhielt weder eine Abfertigung noch eine Entschädigung.

Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß der Anspruch des Klägers nur auf das Beamtenüberleitungsgesetz gestützt werden könne. Da er am 27. April 1945 nicht mehr in einem Dienstverhältnis zu der (alten) Kammer für Arbeiter und Angestellte in * gestanden sei, jedoch aus politischen Gründen aus dem Dienststand im Jahre 1938 ausgeschieden sei, wurzle sein Anspruch nicht im § 8 Abs. 2 BÜG, sondern im § 4 Abs. 2 leg. cit. Da er über sein Ansuchen nach 1954 nicht wieder in den Dienst aufgenommen worden sei, müsse er nach den Bestimmungen des österreichischen Dienstrechtes in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen seien jene des § 39 DBO in der durch den erwähnten Beschluß der Verwaltungskommission abgeänderten Fassung. Selbst wenn man eine ausdrückliche aufsichtsbehördliche Genehmigung entgegen den getroffenen Feststellungen nicht annehmen könnte, wäre diese Genehmigung deshalb stillschweigend erfolgt, weil das Bundesministerium für Soziale Verwaltung von seinem Aufsichtsrecht und seiner Aufsichtspflicht keinen Gebrauch gemacht habe. Die nach dem anzuwendenden § 39 Abs. 5 Z. 1 DBO erforderliche Voraussetzung der Vollendung des 60. Lebensjahres habe der im Jahre 1903 geborene Kläger nunmehr erfüllt. Das gleiche gelte für die zweite Voraussetzung einer mindestens 10‑jährigen Dienstzeit, die der Kläger unter Berücksichtigung seiner Vordienstzeiten aus den Jahren 1924 bis 1934 zurückgelegt habe. Für die Anrechnung dieser Vordienstzeiten seien eine Antragstellung und eine Entscheidung der Kammer nicht notwendig. Die Verordnung der Bundesregierung vom 23. Februar 1954, BGBl 1934/113, sei entgegen der Auffassung der beklagten Partei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie durch den § 4 BÜG derogiert worden sei und weil die Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers nicht den Bestimmungen des § 3 der Verordnung entsprochen habe. Die Klagsforderung sei nicht verjährt, weil für die Verjährung des Rechtes auf wiederkehrende Leistungen die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1480 ABGB gelte. Diese Frist sei jedoch erst mit der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers, sohin am * 1963 in Lauf gesetzt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG neu durch und gelangte mit der Einschränkung zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht, daß es eine ausdrückliche aufsichtsbehördliche Genehmigung der von der Verwaltungskommission der Kammer vorgenommenen Abänderung des § 39 Abs. 2 DBO nicht als erwiesen annahm. Die Parteien stellten vor dem Berufungsgericht außer Streit, daß für den Fall des Zurechtbestehens der Klagsforderung dem Grunde nach diese mindestens S 5,-- betrage. Die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung wurde vom Berufungsgericht im wesentlichen gebilligt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Untergerichte im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision den Erfolg zu versagen.

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Klagsanspruch auf Leistung von Geldzahlungen gerichtet ist, für deren Bewertung die Vorschriften des § 58 Abs. 1 JN anzuwenden sind. Eine Bewertung nach dem § 500 Abs. 2 ZPO hat daher mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu unterbleiben. Der vom Berufungsgericht dennoch vorgenommene Ausspruch ist infolge Fehlens der erforderlichen prozessualen Voraussetzungen unbeachtlich (Fasching, ErgBd 66 f; EvBl 1972/260; JBl 1967, 578 u.v.a.). Wendet man die Vorschrift des § 58 Abs. JN im Gegenstand an, dann erweist sich die Revision als zulässig.

Die beklagte Partei legt in der Rechtsrüge dar, daß der Klagsanspruch mangels aufsichtsbehördlicher Genehmigung der Abänderung der DBO, ferner aus dem Grunde der Verordnung BGBl 1934/113 und infolge Verjährung nicht zu Recht bestehe. Da die beklagte Partei den Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO geltend gemacht und dem Gesetz entsprechend ausgeführt hat, ist die vom Berufungsgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung ohne Beschränkung auf die von der Revisionswerberin ausgeführten Gründe zu prüfen (EvBl 1971/123; Arb 7533; JBl 1950, 140; 4 Ob 545/76 u.v.a.). Eine solche Prüfung führt jedoch zu dem Ergebnis, daß unabhängig von der Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen und von der Revisionswerberin bekämpften Rechtsauffassung der Klagsanspruch aus anderen Gründen nicht zu Recht besteht.

Gemäß dem § 2 Abs. 2 des zweiten Rückstellungsanspruchsgesetzes (BGBl 1951/76) ist der gegenständliche Anspruch auf Ruhegenuß nach den Bestimmungen des Beamtenüberleitungsgesetzes zu beurteilen. Hiefür kommen im vorliegenden Fall die Bestimmungen der §§ 4 und 8 in Betracht. Welche der beiden Bestimmungen auf den Kläger zutrifft, kann hier auf sich beruhen, weil im Hinblick darauf, daß sich der Kläger im Jahre 1947 bei der beklagten Partei zum Dienst gemeldet hat, auf einen entsprechenden Dienstposten aber nicht übernommen wurde, die Rechtsfolgen in beiden Fällen darin bestehen, daß der Kläger nach Maßgabe der für ihn geltenden Bestimmungen des österreichischen Dienstrechts in den Ruhestand zu versetzen war. Da nach diesen Bestimmungen aus den noch darzulegenden Gründen der geltend gemachte Ruhegenußanspruch nicht besteht, ist auch der weitere Unterschied dieser beiden Bestimmungen, nämlich die im § 4 BÜG nicht geforderte Voraussetzung des § 8 Abs. 1 BÜG, wonach der Bedienstete im Zeitpunkt der Beseitigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis gestanden sein muß (vgl. auch JBl 1950, 93) im Gegenstand bedeutungslos und braucht nicht erörtert zu werden. Der Anspruch auf Ruhegenuß muß nämlich in beiden Fällen nach Maßgabe der Dienstzeiterfordernisse der DBO, deren Normen als geltende Bestimmungen des österreichischen Dienstrechts im Sinne der §§ 4, 8 BÜG auf den Kläger anzuwenden sind, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Übernahme oder Nichtübernahme auf einen neuen Dienstposten bestehen (4 Ob 59/52). Die Richtigkeit dieser Überlegung ergibt sich aus dem Zweck des Beamtenüberleitungsgesetzes, der in der Übernahme oder in dem Ausscheiden der Bediensteten besteht. Im Falle des Ausscheidens muß unter den im Gesetz normierten Voraussetzungen und nach Maßgabe der dienstrechtlichen Bestimmungen die Versetzung in den Ruhestand vorgenommen werden, die ihrerseits den Anspruch auf Ruhegenuß auslöst. Der Kläger mußte daher in diesem Zeitpunkt die im § 39 Abs. 5 DBO anzuwendenden Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand erfüllt haben. Dies war, da eine vollendete Dienstzeit von 35 Jahren oder eine Dienstunfähigkeit nicht in Betracht kamen, die Zurücklegung einer mindestens 10‑jährigen effektiven Dienstleistung und die Vollendung des 60. Lebensjahres. Der im Jahre 1903 geborene Kläger hatte im Jahre 1947, dem Zeitpunkt seines Ansuchens um Wiedereinstellung, bzw. in dem nicht festgestellten, jedoch jedenfalls vor der im Jahre 1950 erfolgten Einbringung seiner eingangs erwähnten Klage liegenden Zeitpunkt der Ablehnung dieses Ansuchens die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt. Daraus ergibt sich, daß der Kläger keinen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand besaß und einen solchen im Zeitpunkt der späteren Vollendung seines 60. Lebensjahres auch nicht mehr erwerben konnte.

Der Kläger hatte aber auch die zweite Voraussetzung einer mindestens 10‑jährigen Dienstzeit nicht erfüllt. Selbst wenn man der Auffassung der Untergerichte über die rechtliche Möglichkeit eines durch Stillschweigen zustandegekommenen Verwaltungsaktes beitreten könnte und wenn man das Vorliegen der Voraussetzung einer solchen stillschweigenden aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Abänderung des § 39 Abs. 2 DBO auf Grund der Feststellungen bejahen könnte, wäre für den Kläger nichts gewonnen. Die Parteien und die Untergerichte haben nämlich übersehen, daß in der wie ein Gesetz auszulegenden DBO (siehe Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, öRdA 1975, 161 ff, insbesondere 171 f) in denen § 39 zwischen den für die Bemessung erforderlichen Dienstzeiten (Abs. 2) und der für den Erwerb des Anspruches auf Ruhegenuß erforderlichen Dienstzeiten (Abs. 3), welch letztere den im Pensionsrecht allgemein üblichen Wartezeiten entsprechen, unterschieden wird. Von der durch den gegenständlichen Beschluß der Verwaltungskommission vorgenommenen Abänderung der DBO waren jedoch, soweit es den Ruhegenuß betraf, nur der Absatz 2 des § 39 und somit, wie sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, nur die für die Bemessung (Höhe) des Ruhegenusses notwendigen Dienstzeiten betroffen. Für eine Anrechnung auf die für den Anspruch erforderliche Dienstzeit (Wartezeit) fehlt es in der DBO, insbesondere auch in deren § 39, an jeder Grundlage. Der entgegengesetzten Annahme des Klägers stehen auch der im Absatz 3 verwendete Begriff der „effektiven Dienstleistung“ sowie der Umstand entgegen, daß nur der Absatz 2, nicht aber auch der Absatz 3 abgeändert wurde. Der vom Kläger ausdrücklich auf den § 26 gestützte Antrag auf Anrechnung seiner Vordienstzeiten hatte auf den Ruhegenuß überhaupt keinen Einfluß, weil im § 39 Abs. 2 DBO bestimmt wird, daß in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen die Verwaltungskommission der Angestellten, die in vorgeschrittenem Lebensalter in den Dienst der Kammer eingetreten sind und sich im Dienst der Kammer bewährt haben, die nach den Bestimmungen des § 26 DBO angerechnete Vordienstzeit für die Bemessung des Ruhe‑(Versorgungs-)Genusses ganz oder teilweise in Anrechnung bringen kann, wenn die Art der Verwendung vor Eintritt in den Dienst der Kammer für die Anstellung bei der Kammer ausschlaggebend war. Während die Anrechnung von Vordienstzeiten im Sinne des § 26 DBO nach dieser Gesetzesstelle an die Entscheidung der Verwaltungskommission gebunden war (vgl. auch § 2 DBO), hatten Vordienstzeiten im Sinne des gegenständlichen Abänderungsbeschlusses vom 1. Oktober 1937 kraft unmittelbarer Normwirkung ipso iure als Dienstzeiten (aber nur für die Bemessung, nicht auch für den Anspruch) zu gelten.

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, daß der Kläger auch aus der ihm im Präsidium erteilten, in den wiedergegebenen Feststellungen enthaltenen Auskunft keinen Anspruch auf die Klagsforderung ableiten kann. Weder seine Frage noch die erhaltene Auskunft haben sich auf eine, nach den Bestimmungen der DBO gar nicht mögliche, Anrechnung von Vordienstzeiten auf die für den Erwerb des Anspruches auf Ruhegenuß erforderliche Dienstzeit (Wartezeit) bezogen.

Da somit der Klagsanspruch schon aus den dargelegten Gründen nicht zu Recht besteht, erübrigt es sich, auf die Verordnung BGBl 1934/113, auf die Frage der Verjährung sowie auf die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens einzugehen. Der Revision war vielmehr schon aus den dargelegten Erwägungen Folge zu geben und die Entscheidungen der Untergerichte im klagsabweisendem Sinne abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet. Hinsichtlich des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat eine Kostenentscheidung zu entfallen, weil die beklagte Partei keine Kosten verzeichnet hatte.

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