OGH 2Ob195/76

OGH2Ob195/7623.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Reithofer, Dr. Scheiderbauer und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Ferdinand Fasching und Dr. Werner Pennerstorfer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1) G*, Angestellter, *, 2) *Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Alfred Lukesch und Dr. Eduard Pranz, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen restlicher S 25.946,07 s. A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Mai 1976, GZ. 9 R 40/76-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 8. Jänner 1976, GZ. 2 Cg 135/75-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0020OB00195.76.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil - einschliesslich der Kostenentscheidung - wieder hergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 1.763,80 bestimmten Kosten ihrer Berufungsmitteilung (davon S 118,80 Umsatzsteuer und S 160,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 1.526,42 bestimmten Kosten seiner Berufungsmitteilung (davon S 101,22 Umsatzsteuer und S 160,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben

 

Entscheidungsgründe:

Am 30. September 1974 um etwa 18 Uhr 20 ereignete sich auf der Westautobahn bei Melk ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger und der Erstbeklagte als Lenker und Halter sowie W* als Lenker von Personenwagen beteiligt waren. Dabei wurde der Wagen des Klägers durch den Zusammenstoß mit den vom Erstbeklagten und W* gelenkten Fahrzeugen schwer beschädigt. Die Zweitbeklagte war Halter des vom Erstbeklagten gelenkten Personenkraftwagens.

Der Kläger behauptet, einen Schaden von S 77.587,50 erlitten zu haben, und verlangt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung dieses Betrages s. A. mit der Behauptung, der Erstbeklagte habe den Unfall verschuldet. Dieser sei auf der Autobahn ins Schleudern gekommen, sei gegen die Leitschiene gestossen, in die Gegenrichtung gefahren und - die Richtungsfahrbahn blockierend - auf dieser zum Stehen gekommen. Der Kläger habe unter diesen Umständen einen Zusammenstoss nicht verhindern können.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten ein, der Erstbeklagte sei vorschriftsmässig gefahren und vermutlich infolge eines Reifenplatzers ins Schleudern gekommen. Der Kläger, der nicht auf Sicht gefahren sei, habe den schon stillstehenden Wagen des Erstbeklagten angefahren und es sei dann W*, der ebenfalls nicht auf Sicht gefahren sei, in den ebenfalls schon zum Stillstand gekommenen Wagen des Klägers hineingefahren. Davon, dass der Erstbeklagte sich in der Gegenrichtung bewegt habe, könne keine Rede sein. Der Kläger der die nach den Umständen gebotene Sorgfalt nicht angewendet habe, habe den Unfall zu 50 % mitverschuldet bzw. wären seine Ansprüche in diesem Ausmaß nach § 11 EKHG zu kürzen. Für den durch den Anstoss des W* am Heck des Wagens des Klägers entstandenen Schaden haften die Beklagten nicht. Dem Kläger gebührten daher nur S 24.272,51 abzüglich der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen von S 8.562,25 und S 2.055,-- aus der Beschädigung des Wagens des Erstbeklagten.

Das Erstgericht verurteilte - ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Erstbeklagten, einer Forderung des Klägers von S 51.634,53, das sind 2/3 seines mit S 77.451,80 festgestellten Schadens, und einer Gegenforderung der Beklagten von S 2.442,90 - die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 49.191,63 s. A. Das Mehrbegehren von S 28.395,87 s. A. wies es ab.

Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Erstbeklagte fuhr mit einem O* auf der Westautobahn in Richtung Wien. Die Fahrbahn war trocken; die Sicht war nicht behindert. Es war noch nicht völlig finster, doch war die Dämmerung schon weit fortgeschritten. Kurz nach der Autobahnauffahrt Melk streifte das Fahrzeug des Erstbeklagten, als dieser beim Strassenkilometer 78 in einer leichten, abfallenden Linkskurve mit einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h einen Autobus überholen wollte, infolge Unaufmerksamkeit die Leitschiene des Mittelstreifens. Dadurch geriet der Wagen ins Schleudern, drehte sich entgegen dem Uhrzeigersinn um etwa 270 Grad um die Hochachse, streifte dabei die Leitschiene noch mit der vorderen Wagenecke und kam frühestens 100 m nach der ersten Berührung der Leitschiene annähernd quer zur Fahrbahn zum Stillstand, wobei der 4,55 m lange, mit dem Heck zum Mittelstreifen weisende Wagen die 7,50 m breite Richtungsfahrbahn weitgehend versperrte.

Der Kläger fuhr mit seinem V* mit Abblendlicht mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h hinter dem Erstbeklagten in derselben Richtung. Er überholte einen Lastkraftwagen und beobachtete diesen anschließend im Rückspiegel. Als er seinen Blick wieder auf die vor ihm liegende Fahrbahn richtete und der Wagen etwa in der Mitte der Richtungsfahrbahn fuhr, bemerkte der Kläger etwa 40 m vor sich im Scheine der Scheinwerfer eines auf der Gegenfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeuges eine dichte Staubwolke, die vom Wagen des Erstbeklagten durch den Anprall an die Leitschiene hervorgerufen worden war. Unmittelbar darauf erkannte er in dieser Staubwolke den quer zur Fahrbahn befindlichen, mit dem Heck zum Mittelstreifen weisenden Wagen des Erstbeklagten, konnte aber wegen der Schnelligkeit des Unfallsablaufes nicht erkennen, ob dieser in Bewegung war oder stillstand. Er lenkte nach links und bremste, konnte aber nicht verhindern, dass er mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h mit der rechten vorderen Ecke seines Wagens gegen die rechte hintere Ecke des eben zum Stillstand gekommenen Wagens des Erstbeklagten stieß. Durch diesen Anstoss wurde der Wagen des Erstbeklagten im Uhrzeigersinn verdreht und kam auf dem - in Richtung Osten gesehen - rechten Fahrstreifen der Richtungsfahrbahn, mit der Front in Richtung Westen weisend, zum Stillstand. Der Wagen des Klägers kam einige Meter hinter dem des Erstbeklagten quer zur Fahrbahn, mit dem Heck zum Mittelstreifen weisend, zum Stehen.

W* fuhr mit einem Personenkraftwagen O* mit Abblendlicht und mit einer Geschwindigkeit von etwa 110 km/h hinter dem Kläger nach. Er bemerkte, als er eben wegen eines Überholmanövers auf der Überholspur fuhr, vor sich eine Staubwolke und darin auf der rechten Fahrspur die Scheinwerfer des Wagens des Erstbeklagten. Er bremste, kam am Wagen des Erstbeklagten ohne Kollision vorbei, stieß dann aber mit der rechten vorderen Ecke seines Wagens gegen die rechte hintere Ecke des dahinter stehenden Wagens des Klägers, den er bis zu dem Anprall nicht gesehen hatte.

Bei dem Unfall wurde der Wagen des Klägers durch den Anstoss an das Fahrzeug des Erstbeklagten an der Frontseite und durch den Anstoss des von W* gelenkten Wagens am Heck beschädigt. Von den angemessenen Reparaturkosten (einschliesslich der Umsatzsteuer) entfielen auf den Schaden an der Frontseite S 36.477,-- und auf den Heckschaden S 17.463,--. Der gesamte Reparaturaufwand betrug somit S 53.940,--. Da der 1974 erstmals zum Verkehr zugelassene Wagen des Klägers bis zum Unfall nur eine Fahrleistung von 7.252 Kilometer erbracht hatte und vorschadenfrei war, nach dem Unfall und der Reparatur jedoch Undichtheiten und Verziehungen im Fahrgestell aufwies, ist eine Wertminderung von S 8.000,-- anzunehmen, wovon auf den Frontschaden S 6.000,-- und auf den Heckschaden S 2.000,-- entfallen. Die Reparatur dauerte rund einen Monat, wovon die Reparatur des Frontschadens mehr als die Hälfte dieser Zeit erforderte. Während der Benützung des Mietwagens in dem neuntägigen Urlaub, die S 6.913,14 kostete, ersparte der Kläger durch Nichtverwendung des eigenen Wagens S 814,20. An Kreditkosten erwuchsen ihm S 5.912,86. Für die Heimfahrt mit Familie und für die Anreise zum Abholen des Wagens zahle der Kläger S 3.500,--. Der Gesamtschaden betrug somit S 77.451,80.

Der Wagen des Erstbeklagten war auf diesen zugelassen, doch wurden die Betriebskosten über das Geschäft seiner Frau, deren Angestellter er ist, verrechnet. Der Erstbeklagte verwendete diesen Wagen nämlich in erster Linie für geschäftliche Zwecke.

Der Wagen wurde durch den Anprall an die Leitschiene an der linken Seitenwand und im vorderen Bereich der rechten Seitenwand, durch den Anstoss des Wagens des Klägers an der rechten hinteren Ecke beschädigt. Die Reparatur der Schäden hätte S 26.707.-- gekostet. Davon wären auf den Heckschaden S 10.424,-- entfallen. Infolge mehrerer Vorschäden betrug der Zeitwert des Wagens aber nur S 21.550,--, sodass Totalschaden anzunehmen war. Angesichts des Wrackwertes von S 4.310,-- betrug der Schaden des Erstbeklagten, auf Totalschadensbasis gerechnet, S 17.240,--. Die Kaskoversicherung ersetzte ihm davon S 17.125,--. In den erwähnten Beträgen ist Umsatz- und Investitionssteuer nicht enthalten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt folgendermassen:

Am Verschulden des Erstbeklagten, der die Leitschiene aus Unachtsamkeit streifte und damit den Serienunfall auslöste, bestehe kein Zweifel.

Der Kläger habe zu dem Unfall dadurch beigetragen, dass er auf den Anstoss des Erstbeklagten gegen die Leitschiene verspätet reagiert habe, was wieder darauf zurückzuführen sei, dass er trotz einer Geschwindigkeit von 100 km/h mit Abblendlicht gefahren sei und im Moment des Anstosses des Erstbeklagten an die Leitschiene seine Aufmerksamkeit dem eben überholten Lastkraftwagen geschenkt habe. Hätte er bei Wahrnehmung der vom Erstbeklagten aufgewirbelten Staubwolke sofort stark gebremst, dann hätte er sein Fahrzeug leicht vor dem Wagen des Erstbeklagten anhalten können. Da die primäre Unfallsursache vom Erstbeklagten gesetzt worden sei, dem Kläger aber nur eine verspätete Reaktion vorzuwerfen sei, erscheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Erstbeklagten angemessen.

Höchstwahrscheinlich habe auch W* infolge unaufmerksamer Fahrweise schuldhaft zu der Entstehung des Heckschadens am Wagen des Klägers beigetragen; sicher trage auch der Kläger durch seine Fahrfehler selbst schuld daran, dass W* gegen sein Fahrzeug gestossen sei. Mit Sicherheit trage aber auch der Erstbeklagte, der durch seine Fahrweise den Serienunfall ausgelöst habe, ein Verschulden daran, dass W* gegen den Wagen des Klägers gestossen sei. Der Kläger sei daher berechtigt, von den Beklagten auch den Ersatz des am Heck seines Wagens entstandenen Schadens zu verlangen.

Hingegen habe der Erstbeklagte die Beschädigungen seines Fahrzeuges, abgesehen von den Schäden an der rechten hinteren Ecke, die durch den Anstoss des Klägers entstanden seien, durch den Anprall an die Leitlinie ausschliesslich selbst verschuldet, weshalb die Beklagten als Gegenforderung gegenüber dem Kläger nur den am Heck entstandenen Schaden einwenden können. Dies ergebe folgende Berechnung:

Dem Kläger erwachsener Schaden von insgesamt

S 77.451,80,

davon zwei Drittel: S 51.634,53.

Gesamtschaden des Erstbeklagten,

errechnet auf Totalschadensbasis

(ohne Umsatz- bzw.

Investitionssteuer) S 17.240,--

dazu 9 % Investitionssteuer

aus diesem Betrag S 1.551,60

zusammen S 18.791,60.

Davon entfallen auf den Schaden

am Heck 39 %, das sind S 7.328,72,

vermindert um zwei Drittel

entsprechend der

Mitverschuldensquote ergeben S 2.442,90,

welcher Betrag mit Recht

aufrechnungsweise eingewendet

werden könne.

Ein Zuspruch von S 34.551,63 s. A. wurde von den Beklagten nicht weiter bekämpft, während der Kläger die Abweisung hinsichtlich eines Teilbetrages von S 135,70 s. A. in Rechtskraft erwachsen liess.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Der Berufung des Klägers wurde teilweise Folge gegeben. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil auf der Grundlage einer Verschuldensteilung im Verhältnis 4 : 1 zu Lasten der Beklagten dahin ab, dass es die Klagsforderung mit S 61.961,44 und die Gegenforderung mit S 1.456,74 als zu Recht bestehend erklärte und die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 60.495,70 s. A. verurteilte. Das Mehrbegehren von S 17.091,80 s. A. wies es ab.

Zur Berufung der Beklagten führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe ihre Haftung für den Folgeunfall mit Recht bejaht, denn der Verursachungs- und Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem ersten schädigenden Ereignis und dem von W* verursachten Folgeschaden sei gegeben. Ein solcher Zusammenhang sei anzunehmen, solange die zunächst geschaffene Gefahrenlage noch nicht durch geeignete Gegenmassnahmen aufgehoben sei. Das sei aber zur Zeit des Anstosses des von W* gelenkten Wagens an das Fahrzeug des Klägers noch nicht der Fall gewesen. Wegen des Fehlens einer ausreichenden Zeitdifferenz sei eine Absicherung der Unfallstelle noch nicht einmal in die Wege geleitet gewesen. Der Erstbeklagte habe durch die schuldhafte Herbeiführung der Gefahrenlage auf Grund des ersten Unfalles auch eine Bedingung für den weiteren Unfall gesetzt, dessen Hinzutreten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich zu erwarten gewesen sei. Da dem Erstbeklagten auch an dem Folgeunfall ein Verschulden anzulasten sei, könne er sich diesbezüglich nicht auf ein unabwendbares Ereignis berufen.

Die Berufung des Klägers erachtete das Berufungsgericht insoweit als gerechtfertigt, als es den Verschuldensanteil des Klägers nur mit einem Fünftel annahm, und zwar auf Grund folgender Erwägungen:

Dass der Kläger seine Aufmerksamkeit vorübergehend dem überholten Lastkraftwagen zugewendet habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil er sogar verpflichtet gewesen sei, sich vor einem Fahrstreifenwechsel, hier vor dem Zurücklenken auf den rechten Fahrstreifen, zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Strassenbenützer möglich sei. Auch eine nach Erkennen der Gefahr verspätet einsetzende Reaktion sei dem Kläger nicht anzulasten, weil ihm infolge geringerer Auffälligkeit von Hindernissen auf der Autobahn eine längere Reaktionszeit zuzubilligen sei. Da er infolge der Schnelligkeit des Unfallsablaufes nicht habe erkennen können, ob das in der wahrgenommenen Staubwolke befindliche Fahrzeug stand oder noch in Bewegung war, sei auch seine Reaktion, zuerst ein Auslenkmanöver einzuleiten und dann erst zu bremsen, nicht falsch gewesen, zumal er damit sogar einen Teilerfolg, nämlich das Vermeiden eines Frontalzusammenstosses, erzielt habe.

Als Schuldkomponente verbleibe aber, dass der Kläger dem auch auf Autobahnen - allerdings eingeschränkt - geltenden Gebot des Fahrens auf Sicht nicht entsprochen habe. Auf Autobahnen könne zwar eine Geschwindigkeit als im Sinne des § 20 Abs 1 StVO angepasst angesehen werden, bei der der Lenker auf unvermutet in Sichtweite auftauchende Hindernisse in beherrschter Fahrweise durch eine gezielte Ausweichbewegung ohne Gefährdung anderer Strassenbenützer reagieren könne, soferne nicht auf Grund besonderer Umstände die Wahrscheinlichkeit einer Verschärfung der mit dem schnellen Verkehr auf Autobahnen üblicherweise verbundenen Gefahren zu erkennen sei. Wenn der Kläger nach dem Überholen des Lastkraftwagens nicht auf Fernlicht umgeschaltet oder den Lichtschein eines voranfahrenden Fahrzeuges nicht zum Beobachten der über das eigene Lichtfeld hinausreichenden Strecke ausgenützt habe, dann stelle es ein Mitverschulden dar, wenn er die auf der Fahrbahn entstandene Staubwolke erst im Scheinwerferlicht eines auf der Gegenfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeuges wahrgenommen habe. Dieses Verschulden des Klägers erscheine aber wesentlich geringer als das weitaus schwerwiegendere Fehlverhalten des Erstbeklagten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne einer Abweisung des S 34.549,63 s. A. übersteigenden Zuspruches abzuändern, allenfalls es im Umfange der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an eine der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.

Soweit die Beklagten die Ansicht vertreten, sie hätten für den Folgeschaden, also für die am Wagen des Klägers durch den Anprall des W* entstandenen weiteren Schäden (sog. Heckschaden) nicht zu haften, weil dieser Anprall erst erfolgt sei, als die Fahrzeuge des Klägers und des Erstbeklagten bereits zum Stillstand gekommen waren und somit das Unfallsgeschehen schon abgeschlossen gewesen sei, kann ihnen nicht gefolgt werden. Im Sinne der von der Rechtsprechung im wesentlichen angenommenen Lehre von der adäquaten Verursachung hat der Schädiger für alle zufälligen Folgen seines schuldhaften Verhaltens, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden musste, zu haften, soferne es sich nicht um einen atypischen Erfolg handelt (siehe die in Kapfer, ABGB, MGA 29. Aufl. bei § 1295 unter Nr 31 abgedruckten Entscheidungen; vgl auch Koziol, Haftpflichtrecht I S 110). Er hat somit nicht nur für den nächsten, sondern auch für alle weiteren nachteiligen, nicht atypischen Auswirkungen einzustehen. Hiebei genügt es, dass die generelle Eignung einer Ursache, den Schaden herbeizuführen, von jedem vernünftigen Menschen erkannt werden konnte, mag auch die Einzelfolge gerade nicht erkennbar gewesen sein (JBl 1966, 473 u.a.). Insbesondere ist nicht zu fordern, dass der Schädiger die Einzelfolge voraussehen konnte und dass er sie vorausgesehen hat (EvBl 1957/219, JBl 1966, 619 u.a.).

Den Geschädigten trifft daher nur die Beweislast, dass der Schädiger eine Bedingung zum Eintritt des ganzen Schaden gesetzt hat. Das ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft, denn ohne den vom Erstbeklagten verschuldeten Primärunfall, also das Streifen der Leitschiene, Schleudern des Wagens und der Anstoss des Wagens des Klägers an den die Fahrbahn blockierenden Wagen des Erstbeklagten, wäre es nicht zu dem Anstoss des Wagens des W* an das Fahrzeug des Klägers gekommen. Blockieren nach einem Unfall die unfallsbeteiligten Fahrzeuge die Fahrbahn, dann ist das Zustandekommen weiterer Auffahrunfälle keine atypische, sondern auf Autobahnen bei Nacht eine geradezu typische Folge (vgl dazu 1970/245). Dass dazu Aufmerksamkeitsfehler der Lenker der auffahrenden Fahrzeuge wesentlich mit beigetragen haben, ändert an der grundsätzlichen Verantwortlichkeit desjenigen, der den Primärunfall verschuldet hat, nichts. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der ersten Unfallsursache und dem schliesslich eingetretenen Erfolg kann dadurch nicht berührt werden. Damit gehen aber auch die Revisionsausführungen ins Leere, dass etwa in Fällen, in denen nach einem Unfall Warneinrichtungen oder gleichwertige Gegenmassnahmen zur Verhinderung von Folgeunfällen nicht gesetzt werden oder nicht gesetzt werden können, der Kausalitäts- und Rechtswidrigkeitszusammenhang endlos verlängert würde. Fraglich könnte nur sein, ob ein Folgeunfall trotz aufgestellter Warneinrichtungen als atypische Folge des Primärunfalles anzusehen ist. Darauf ist aber nicht einzugehen, weil hier Primär- und Folgeunfall so kurz hintereinander stattfanden, dass es zur Aufstellung von Warneinrichtungen gar nicht mehr kommen konnte.

Die Vorinstanzen haben somit die Verantwortlichkeit der Beklagten auch für den Schaden der durch den Anstoss des von W* gelenkten Wagens an den des Klägers entstand, mit Recht bejaht. Es erübrigte sich daher eine Feststellung, welcher Teil der Kreditspesen von S 5.912,86 auf den Front- bzw auf den Heckschaden entfällt, womit sich die von den Beklagten erhobene Mängelrüge - mit der tatsächlich aber nur ein auf angeblicher unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhender Feststellungsmangel behauptet wird, erledigt.

Berechtigung muss der Revision der Beklagten aber insoweit zuerkannt werden, als sie sich gegen die Ausmessung des Mitverschuldensanteiles des Klägers mit weniger als einem Drittel wendet. Festzuhalten ist daran, dass die Bestimmung des § 20 Abs 1 StVO auch für das Fahren auf Autobahnen gilt. Wenn der Kläger infolge der Verwendung des Abblendlichtes die nach den Feststellungen etwa (100 + 40 =) 140 m vor der späteren Unfallstelle entstandene Gefahrenlage erst auf so kurze Entfernung erkennen konnte, dass er bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit vor dem Hindernis sein Fahrzeug nicht zum Stillstand bringen konnte, und auch nicht in der Lage war, dem Hindernis auszuweichen, dann hat er gegen § 20 Abs 1 StVO verstossen. Die Revision verweist mit Recht darauf, dass ein solcher Verstoss als schwerwiegend anzusehen ist, sodass die Ausmessung des darin liegenden Mitverschuldens mit einem Drittel als nicht zu hoch gegriffen erscheint. Es würde aber auch zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn man das späte Erkennen des Hindernisses durch den Kläger auf einen Aufmerksamkeitsfehler zurückführen wollte, denn auch ein solcher müsste im Hinblick auf die vom Kläger eingehaltene Geschwindigkeit sowie die zur Unfallszeit bereits weitgehend herrschende Dunkelheit zur Annahme eines Mitverschuldens von einem Drittel führen.

Insoweit war daher der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 bzw 41, 46 und 50 ZPO. Da beide Teile im Berufungsverfahren aus der Sicht der Revisionsentscheidung einen, und zwar einen vollen Erfolg nur mit ihren Berufungsmitteilungen erzielt haben, waren ihnen jeweils die Kosten der Berufungsmitteilungen zuzuerkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Da die Beklagten mit ihrer Revision etwa zur Hälfte durchgedrungen sind, waren die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben.

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