European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00659.76.0921.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Der am 25. Oktober 1953 geborene Kläger ist der eheliche Sohn des Beklagten. Er studiert Medizin und begehrte mit der am 18. 11. 1974 eingebrachten Klage von seinem Vater erhöhte Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes und zwar nach dem letzten Stande des Verfahrens (Tagsatzung am 8. 10. 1975) ab 1. 12. 1974 monatlich im vorhinein zusätzlich zu den S 1.800,—, zu deren Bezahlung der Beklagte sich bereits verpflichtet habe, einen Unterhaltsbetrag von S 1.650,— (ausgenommen den Zeitraum seiner Wehrdienstleistung). Im Zuge des nach Aufhebung des erstgerichtlichen abweislichen Urteiles durch das Berufungsgericht durchgeführten zweiten Rechtsganges holte das Erstgericht entsprechend seinem Beweisbeschluß ON 20 bezüglich der Eignung des Klägers und der gehörigen Fortsetzung des Medizinstudiums eine Auskunft des Dekanates der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck sowie hinsichtlich der Einkommensverhältnisse des als Dentist tätigen Beklagten Auskünfte der hiefür in Betracht kommenden Krankenkassen ein.
Der Kläger beantragte am 22. 12. 1975 unter Hinweis auf die Unterhaltsklage und die lange Prozeßdauer die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Auftrag an den Beklagten, dem Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhaltsstreit monatlich im vorhinein zusätzlich zu den von ihm bisher bezahlten S 1.800,– einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 1.650,— zu leisten.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.
Es stellte ohne Durchführung eines weiteren Bescheinigungsverfahrens auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse fest, daß der Kläger, nachdem er mit 21 Jahren die Gymnasialmatura bestanden habe, im Wintersemester 1974/75 an der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck das Medizinstudium begonnen habe. Der Beklagte sei als Dentist imstande, seinem Sohn außer der freiwillig erbrachten Unterhaltsleistung von S 1.800,— zusätzlich noch S 1.650,— monatlich zu bezahlen. Zur Bestreitung des Unterhaltes des Klägers als Medizinstudent in Innsbruck sei ein Betrag von 3.450,— S monatlich angemessen. Zur Abweisung des Antrages gelangte das Erstgericht deshalb, weil es die besondere Eignung des Klägers zum Medizinstudium sowie die Zumutbarkeit der Finanzierung dieses Studiums des selbsterhaltungsfähigen Sohnes für seinen Vater als Anspruchsvoraussetzung ebensowenig für hinlänglich bescheinigt erachtete wie eine Gefährdung dieses Anspruches, weil eine Gefährdung seines Unterhaltes im Hinblick auf die Unterhaltsleistungen seiner Mutter nicht zu befürchten sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse des Klägers Folge und trug dem Antragsgegner auf, dem Antragsteller ab 2. 1. 1976 bis zur rechtskräftigen Entscheidung „dieses Verfahrens“ monatlich im vorhinein zusätzlich zu dem von ihm bisher bezahlten Betrag von S 1.800,— einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 1.650,— zu leisten, und zwar die bis zur Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner fällig gewordenen Beträge sofort, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils bis zum Ersten eines jeden Monates. Das Rekursgericht erachtete auf der Grundlage des § 382 Z 8 EO in der Fassung des Bundesgesetzes vom 1. 7. 1975, BGBl 412, daß auch ein bereits volljähriges Kind, das noch nicht selbsterhaltungsfähig ist, bei Nichtleistung des Unterhaltes durch den Elternteil einen einstweiligen Unterhalt durchsetzen könne. Das antragstellende Kind habe dabei nur das Bestehen des Unterhaltsanspruches und die Voraussetzung der Unterhaltspflicht, nicht aber auch das Bestehen einer Gefahr bei Nichterfüllung des Anspruches zu bescheinigen. Es stehe unbekämpft fest, daß ein Betrag von S 3.450,— zur Bestreitung des Unterhaltes des Klägers als Medizinstudent angemessen sei sowie daß der Beklagte über die von ihm erbrachte Unterhaltszahlung von S 1.800,– hinaus die Leistung eines weiteren Betrages von S 1.650,– ablehne.
Das Rekursgericht nahm auf Grund des Schreibens des Dekanates der medizinischen Fakultät vom 30. 12. 1975 zusätzlich als bescheinigt an, daß der Kläger das Medizinstudium bisher erfolgreich durchgeführt und sich keinerlei zeitliche Verzögerungen gestattet habe. Nach Ansicht des Dekanates sei zu erwarten, daß er unter Beibehaltung des bisherigen Fleißes auch die weiteren Prüfungen ordnungsgemäß ablegen werde. Seine bisherigen Leistungen zeigten, daß er ein sehr interessierter und fleißiger Student sei.
Damit sind nach Auffassung des Rekursgerichtes der Anspruch des Klägers und auch die Voraussetzungen der Unterhaltspflicht durch den Beklagten bescheinigt, zumal der Beklagte allein von der Tiroler Gebietskrankenkasse in den Jahren 1974 und 1975 einen durchschnittlichen monatlichen Bruttobetrag von S 51.016,— bezogen habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei.
Hinsichtlich der Zulässigkeit dieses Revisionsrekurses ist zu beachten, daß die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs 2 Z 1 ZPO auch für einstweilige Verfügungen gilt, mit denen der gesetzliche Unterhalt bemessen wird. Das Rechtsmittel an die dritte Instanz ist aber insoweit zulässig, als die Anfechtung der Entscheidung den Grund des Anspruches und verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft (vgl. Jud. 60 neu = SZ 27/177; SZ 43/154).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist sohin in diesem Rahmen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Schon nach der Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 1. 7. 1975, BGBl 412, konnte der Unterhalt des bereits großjährigen, aber noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes gegen seinen ehelichen Vater nach § 382 Z 8 EO bestimmt werden. Die Auferlegung eines vorläufigen Unterhaltes im Sinne dieser Gesetzesstelle stellt allerdings begrifflich keine einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung dar, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern dem Berechtigten einstweilen ein Unterhalt zugebilligt wird. Die seit 1. 1. 1976 in Kraft stehende Regelung des § 382 Z 8 lit a EO sieht die Bestimmung eines einstweilen von einem Elternteil seinem Kinde zu leistenden Unterhalts jeweils im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts vor. Die Unterhaltsansprüche der Kinder an ihre Eltern sollen dadurch besser als bisher geschützt werden. Jedes Kind, auch wenn es bereits volljährig, aber noch nicht (voll) selbsterhaltungsfähig ist, kann bei Nichtleistung des Unterhaltes durch einen Elternteil von diesem den einstweiligen Unterhalt begehren und auch durchsetzen.
Das antragstellende Kind hat dabei nur das Bestehen des Anspruchs und die Verletzung der Unterhaltspflicht, nicht aber auch das Bestehen einer Gefahr der Nichterfüllung des Anspruches zu bescheinigen (Heller-Berger-Stix EO, 2762).
Zu dem von ihm bestrittenen Grund des Anspruches ist der Revisionsrekurswerber darauf hinzuweisen, daß die primäre Unterhaltspflicht des ehelichen Vaters im Sinne des § 141 ABGB erst mit der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes endet, die nicht schon mit der Volljährigkeit an sich gegeben ist und im allgemeinen eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt. Der Vater hat dabei im Sinne der ständigen Rechtsprechung zu einem Universitätsstudium seines Kindes beizutragen, wenn dieses die zum Studium erforderliche Fähigkeit besitzt und das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Vater nach seinen Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums seines Kindes möglich und zumutbar ist (vgl. EvBl 1968/70; EvBl 1966/395; EFSlg 14.461; EFSlg 19.548).
Die vom Rekursgericht als bescheinigt angesehenen tatsächlichen Gegebenheiten rechtfertigen die Annahme des Bestehens des Anspruches und der Verletzung der Unterhaltspflicht im Provisorialverfahren. Wenn der Revisionsrekurswerber noch darauf hinweist, daß der Kläger auch anderweitige Zuschüsse beziehe, betrifft dies die Beurteilung der zur Deckung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten vorhandenen Mittel, die zur Bemessung des Unterhaltes gehört und sohin im Sinne der § 502 Abs 2 Z 1 ZPO, §§ 78, 402 EO der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist (SZ 27/177). Eine Bemessungsfrage liegt auch bezüglich der Feststellung der Bruttoeinkünfte des Beklagten vor, bei denen der Revisionsrekurswerber eine entsprechende Reduzierung durch Betriebsausgaben, Werbungskosten und dergleichen berücksichtigt haben will.
Insoweit der Revisionsrekurswerber das Fehlen von Bescheinigungsgrundlagen betreffend Eignung und Studienerfolg des Klägers sowie bezüglich des Einkommens des Beklagten vermißt, ist auf den Akteninhalt zu verweisen, wie er bereits zur Zeit der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung gegeben war. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers hat das Rekursgericht auch ausdrücklich auf die von ihm herangezogenen Bescheinigungsmittel verwiesen. Das Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung kann aus einem spätestens gleichzeitigen Prozeß- (Klage) Vorbringen ergänzt werden (vgl. EvBl 1967/460, 662). Das Rekursgericht ist im Provisorialverfahren nicht an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes gebunden. Die sachliche Richtigkeit seiner zusätzlichen Feststellungen wird vom Revisionsrekurswerber auch gar nicht in Zweifel gezogen.
Schließlich trifft auch der Vorwurf nicht zu, das Rekursgericht habe einen Ausspruch unterlassen, für welchen Zeitraum die einstweilige Verfügung Gültigkeit haben solle. Der angefochtene Beschluß trägt die Unterhaltsleistung vom 2. 1. 1976 bis zur rechtskräftigen Entscheidung „dieses Verfahrens“ auf, worunter im Zusammenhalt mit der Begründung des Beschlusses eindeutig der Zeitraum bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites über die Unterhaltsklage zu verstehen ist.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 402, 78 EO, 40, 50 ZPO.
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