European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00098.76.0921.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 822,53 (einschließlich S 60,93 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger behauptet, er sei seit 1. 9. 1975 bei der beklagten Partei als Änderungsschneider und Abzeichner beschäftigt. Am 31. 10. 1975 sei er ohne Grund fristlos entlassen worden. Da der Kläger Kündigungsschutz nach dem Invalideneinstellungsgesetz genieße, bestehe das Dienstverhältnis entgegen der Meinung der beklagten Partei trotz dieser Entlassungserklärung weiterhin aufrecht. Er begehre daher die Feststellung, daß das Dienstverhältnis weiter aufrecht sei.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung dieses Begehrens, da die Entlassung des Kläger berechtigt gewesen sei. Er habe eine Arbeitskollegin beschimpft, den Anweisungen seines unmittelbaren Vorgesetzten nicht Folge geleistet und seinem Vorgesetzten und der beklagten Partei vorgeworfen, daß mit faschistoiden Methoden gearbeitet werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:
Der Kläger ist Kriegsinvalider und seit 1. 9. 1975 als Änderungsschneider bei der beklagten Partei beschäftigt. Er arbeitete mit E* zusammen in einem Raum. Zwischen den beiden kam es wiederholt zu Wortwechseln, in deren Verlauf der Kläger E*auch als „Trutschn“ bezeichnete, worüber sich diese beim gemeinsamen Vorgesetzten, dem Geschäftsführer V*, beschwerte. In der Folge fühlte sich der Kläger von E* provoziert und wollte ihr bei der Arbeit den Rücken zukehren. Dazu wollte er den von den Parteien gemeinsam benützten Bügeltisch umstellen, worüber sich E* wieder beim Geschäftsführer V* beschwerte und verlangte, daß der Tisch wieder so wie früher gestellt werde, weil sie ihn zum Arbeiten brauche. V* stellte daraufhin den Tisch wieder so wie er früher stand. Der Kläger stellte aber in der Folge den Tisch wieder um, worauf sich E* neuerlich bei V* beschwerte. Dieser stellte den Tisch wieder auf den früheren Platz. Der Kläger erklärte bei diesem Anlaß V* gegenüber, er lasse sich von ihm nichts dreinreden. Als nach einer weiteren Umstellung E* den Tisch selbst in die alte Lage stellen wollte, forderte sie der Kläger auf, den Tisch stehen zu lassen, und bedrohte sie mit erhobener Hand. Daraufhin rief V*den Direktor der beklagten Partei, J* an, schilderte ihm diese Sachlage und sagte, es gehe nicht mehr so weiter. In der Folge sprach der Geschäftsführer V* dem Kläger gegenüber die fristlose Entlassung aus. Der Kläger verlangte darauf den seiner Meinung nach dafür zuständigen Herrn zu sprechen. Dieser, nämlich Direktor J* sprach nun selbst die Entlassung des Klägers in Anwesenheit des Geschäftsführers V* und eines weiteren Angestellten aus. Daß der Kläger den Tisch aus Sicherheitsgründen umstellen wollte, kam am Entlassungstag nicht zur Sprache. Im Zuge des Vorganges der Entlassung erklärte der Kläger, daß die beklagte Partei mit faschistoiden Methoden arbeite wie andere Firmen auch und er deshalb entlassen worden sei und auch schon bei anderen Firmen aus politischen Gründen verfolgt worden sei.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht die beharrliche Weigerung des Klägers, der Anordnung des Geschäftsführers V* Folge zu leisten, als den Entlassungsgrund nach § 82 lit. f Gewerbeordnung 1859 (zweiter Tatbestand); so daß die Entlassung berechtigt gewesen und damit das Dienstverhältnis aufgelöst worden sei. Die Anordnung des Geschäftsführers sei nämlich berechtigt gewesen, weil der Bügeltisch vom Kläger und von der Arbeitskollegin E* gemeinsam benützt werden mußte und diese mit der durch die veränderte Stellung des Tisches hervor gerufenen Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen nicht einverstanden gewesen sei. Die Entlassung des Klägers sei aber auch deswegen berechtigt gewesen, weil der Kläger seine Arbeitskollegin E* als „Trutschn“ beschimpft, sie hinsichtlich ihrer fachlichen Eignung herabgesetzt und mit erhobener Hand bedroht habe. Schließlich habe er die beklagte Partei der Anwendung faschistoider Methoden bezichtigt.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerGes die Feststellungen des Erstgerichtes hinsichtlich des wiederholten Umstellens des Arbeitstisches durch den Kläger und seines Verhaltens gegenüber V* und E* in diesem Zusammenhang. Es folgerte daraus rechtlich, daß dieses festgestellte Verhalten des Klägers den Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung nach § 82 lit. f Gewo. 1859 (zweiter Tatbestand) bilde. Die Anordnung des Geschäftsführers V*, daß der Arbeitstisch, der dem Kläger und seiner Arbeitskollegin E* zur Verfügung stand, auf dem einmal gewählten Arbeitsplatz zu verbleiben habe, sei durch den Gegenstand der Arbeitsleistung und die Besonderheit des Betriebes gerechtfertigt gewesen. Gründe, die es dem Kläger nicht zumutbar erscheinen ließen, dieser Anordnung Folge zu leisten, lägen nicht vor. Da die Entlassung des Klägers somit berechtigt gewesen sei, sei durch sie das Dienstverhältnis beendet worden. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 15.000,‑‑ übersteigt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger macht in der Revision geltend, daß sein Verhalten hinsichtlich der Umstellung des Arbeitstisches gerechtfertigt gewesen sei, weil er das hämische Gesicht seiner Arbeitskollegin E* nicht mehr sehen wollte. Es sei nicht hervor gekommen, daß diese ihm kein hämisches Gesicht gezeigt habe. Das Verhalten der E* stelle ihm gegenüber eine Ehrverletzung dar, wogegen er selbst habe Abhilfe schaffen dürfen. Es wäre überdies geradezu Sache des Geschäftsführers V* gewesen, dafür zu sorgen, daß E* ihr ungehöriges Verhalten gegenüber dem Kläger auf gebe. Jedenfalls habe das Verhalten des Klägers einen so geringen Unrechtsgehalt, daß es als Entlassungsgrund nicht ausreiche.
Zu diesen Ausführungen ist darauf zu verweisen, daß die Untergerichte mit Recht in der wiederholten Weigerung des Klägers, den Arbeitstisch entsprechend der Anweisung seines Vorgesetzten V* aufgestellt zu lassen, eine beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 82 lit. f GewO. 1859 (aufrechterhalten durch § 376 Z. 47 GewO 1973) gesehen haben. Dieses Verhalten bedeutete die Nichtbefolgung einer durch den Gegenstand der Arbeitsleistung und die Besonderheit des Betriebes, insbesondere durch die Notwendigkeit der Benützung des Tisches auch durch die Arbeitskollegin des Klägers, gerechtfertigten Anordnung des Dienstgebers. Bei dieser Sachlage wäre es Sache des Klägers gewesen, einen ausreichenden Grund dafür nachzuweisen, daß ihm die Befolgung dieser Anordnung nicht zumutbar war. Zu der Behauptung der Revision, das Verhalten der Arbeitskollegin E* gegenüber dem Kläger habe eine Ehrverletzung bedeutet ist darauf zu verweisen, daß er im Verfahren erster und zweiter Instanz nie behauptet hat, daß dieses Verhalten den Grad einer Ehrverletzung erreicht habe. Das Erstgericht hat diesbezüglich festgestellt, daß sich der Kläger von E* provoziert fühlte, als sie sich beim Geschäftsführer V* darüber beschwert hatte, daß sie der Kläger als „Trutschn“ bezeichnete (AS. 38). In der Berufung führte der Kläger dazu aus, es sei durch nichts erwiesen, daß er den Tisch nur deswegen umgestellt habe, um nicht das Gesicht der E* zu sehen (AS. 45). Er kann somit in der Revision nicht davon ausgehen, daß seine Weigerung, das Umstellen des Tisches wieder rückgängig zu machen, wegen eines ehrverletzenden Verhaltens der Arbeitskollegin E* gerechtfertigt gewesen sei. Diese Weigerung war vielmehr bei dem erwiesenen Sachverhalt ungerechtfertigt, aber auch „beharrlich“ im Sinn des § 82 lit. F GewO 1859.
Unter „beharrlich“ im Sinn dieser Gesetzesstelle ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden auf die Verweigerung der Dienste oder die Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen. Die Weigerung muß sich daher entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein, daß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Dienstnehmers mit Grund geschlossen werden kann (ArbSlg 8617, 9229 4 Ob 61/76 u.a.). Die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Klägers kam aber in der Wiederholung des Umstellens des Tisches, in seiner Äußerung gegenüber dem Geschäftsführer V*, er lasse sich von diesem nichts dreinreden, und darin, daß der Kläger die Hand gegen die Arbeitskollegin E* erhob, als sie den Tisch wieder umstellen wollte, eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck. Damit kann auch nicht mehr gesagt werden, daß das Verhalten des Klägers so geringen Unrechtsgehalt habe, daß es nicht als Entlassungsgrund gewertet werden könne. Die Untergerichte haben vielmehr die Entlassung des Klägers schon aus diesem Grunde zutreffend als berechtigt erkannt, so daß das Dienstverhältnis trotz des Schutzes des Invalideneinstellungsgesetzes dadurch aufgelöst würde (SZ 31/100, ArbSlg 6239 u.a.). Das auf die Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses gerichtete Klagebegehren wurde daher mit Recht abgewiesen, so daß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Zu bemerken ist, daß der vom Kläger erklärte Widerruf der Vollmacht seines Vertreters Rechtsanwalt Dr. Machatschek (ON 20) gemäß § 36 Abs. 1 ZPO dem Gericht und dem Gegner gegenüber nicht wirksam ist, weil auch im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist (§§ 23 ArbGerGes, 513, 463 Abs. 2 ZPO) und in solchen Rechtssachen der Widerruf der einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht dem Gegner und dem Gericht gegenüber erst mit der Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes wirksam wird (Fasching ZP II 289, 252).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)