OGH 4Ob577/76

OGH4Ob577/7621.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dkfm. H*, Handelsfrau, *, vertreten durch Dr. Viktor Cerha, Dr. Karl Hempel, Dr. Dieter Cerha, Rechtsanwälte in Wien, 2.) H*, Private, *, vertreten durch Dipl. Ing. J*, Angestellter, *, dieser vertreten durch Dr. Karl Hempel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Rudolf Stöhr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Juni 1976, GZ. 41 R 260/76‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichte Innere Stadt Wien vom 15. März 1976, GZ. 43 C 289/75‑10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00577.76.0921.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; es werden die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

 

Begründung:

Die klagenden Parteien begehren in der am 13. 8. 1975 überreichten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihnen die im Haus * links vor der Einfahrt ebenerdig gelegenen Räume (ein Ausstellungsraum und ein Lagerraum) geräumt zu übergeben. Sie hätten diese Räume dem Beklagten vermietet, wobei schriftlich vereinbart worden sei, daß im Falle der Veräußerung der Liegenschaft sämtliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien erlöschen und das Bestandobjekt zu räumen ist. Die Veräußerung der Liegenschaft sei am 9. 4. 1975 erfolgt.

Der Beklagte machte geltend, daß nur das ihm eingeräumte Optionsrecht auf ein Hauptmietrecht an diesen Räumen im Falle einer Veräußerung der Liegenschaft nicht hätte ausgeübt werden können, daß aber der einmal zustandegekommene Mietvertrag darüber unbeschränkt gewesen sei. Die Kläger hätten den Abschluß eines Mietvertrages auf Grund des dem Beklagten eingeräumten Optionsrecht abgelehnt, doch unabhängig davon den Bestand eines Mietrechtes des Beklagten insbesondere durch Entgegennahme des Mietzinses anerkannt; der Mietzins werde nach wie vor vorbehaltlos entgegengenommen. Für eine Vereinbarung, daß das Mietverhältnis im Falle der Veräußerung der Liegenschaft erlösche, fehle auch die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:

Der Beklagte war vorerst Untermieter der Firma D* in den ebenerdigen, links von der Einfahrt gelegenen Räumlichkeiten im Hause *. Mit Schreiben vom 3. 11. 1972, Beilage D, räumten die klagenden Parteien dem Beklagten eine bis 30. 4. 1974 unwiderrufliche Option zur Erwerbung der Hauptmietrechte an den derzeit von ihm als Untermieter der Firma D* benützten Räumlichkeiten ein. Der Hauptmietvertrag sollte bei Ausübung des Optionsrechtes durch den Beklagten folgenden Inhalt haben:

„Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und ist in einmonatiger Frist kündbar, soferne die Miete bis zum 15. eines jeden Monats bei uns nicht eingetroffen ist. Der monatliche Mietzins beträgt 110 % jenes Betrages, den die Firma D* für die gegenständlichen Räumlichkeiten von Ihnen erhält und ist wertgesichert. ....... Im Falle der Veräußerung der Liegenschaft erlöschen sämtliche Rechte und Pflichten beider Vertragspartner.“

Mit Schreiben vom 27. 11. 1973 erklärte der Beklagte durch seinen Rechtsvertreter, daß er nunmehr sein Optionsrecht ausübe und ab 1. 12. 1973 seine Zahlung auf Grund des Hauptmietverhältnisses leisten werde. Die klagenden Parteien teilten ihm daraufhin mit, daß sie die Zahlungen derzeit noch nicht als Hauptmietzins anerkennen können, da der Mietvertrag mit der Firma D* noch nicht abgelaufen sei und er Untermieter der Firma D* sei. Sie fügten jedoch hinzu, daß nach Beendigung des D*-Vertrages im nächsten Jahr der Hauptmiete nach Abschluß eines Vertrages gemäß der Option vom 3. 11. 1972 nichts im Wege stehe. Am 29. 4. 1974 teilte der Beklagte durch seinen Rechtsvertreter mit, daß die Firma D* die Räumlichkeiten geräumt hätte und nunmehr auf Grund des ihm eingeräumten Optionsrechtes die Hauptmietrechte an ihn übergegangen seien. Mit Schreiben vom 7. 5. 1974 gaben die Kläger dem Beklagten bekannt, daß der Abschluß eines Hauptmietvertrages auf Grund der von ihnen geführten Verkaufsverhandlungen nicht mehr möglich sei. Sie seien jedoch bereit, dem Beklagten bis zur Übergabe der Liegenschaft an den Käufer die Benützung der gegenständlichen Räume gegen jederzeitigen Widerruf und Zahlung eines Benützungsentgeltes von S 10.000,‑‑ zuzüglich Mehrwertsteuer zu gestatten. In der Folge aber wurden dem Beklagten für diese Räume Mietzinse vorgeschrieben und von diesem bezahlt. Der Hauptmietvertrag mit dem in Beilage D genannten Inhalt kam zustande. Mit Kaufvertrag vom 9. 4. 1975 wurde die Liegenschaft veräußert.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Beklagte durch die Ausübung des ihm durch die Option eingeräumten Gestaltungsrechtes Hauptmieter der gegenständlichen Räumlichkeiten geworden sei, deshalb aber zu räumen verpflichtet sei, weil die tatsächlich erfolgte Veräußerung der Liegenschaft durch die Kläger gemäß § 19 Abs. 6 MG wirksam als Auflösungsgrund vereinbart worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusätzlich fest, daß das Schreiben vom 3. 11. 1972 Beilage D nur von der Erstklägerin, nicht auch von der Zweitklägerin unterschrieben und vom Beklagten nicht unter fertigt wurde. Wegen des Fehlens der Unterschrift des Beklagten sei die nach § 19 Abs. 6 Mietengesetz vorgeschriebene Schriftform für eine gültige Vereinbarung des geltend gemachten Auflösungsgrundes nicht erfüllt. Das darauf gestützte Räumungsbegehren sei daher schon aus diesem Grunde abzuweisen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Untergerichte berechtigt.

In der Rechtsrüge vertreten die klagenden Parteien im wesentlichen den Standpunkt, daß dem Formerfordernis des § 19 Abs. 6 Mietengesetz auch dann entsprochen sei, wenn die Vereinbarung in Briefform zustande gekommen sei; es sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht erforderlich, daß ein und dieselbe Urkunde von allen Vertragsparteien unterschrieben sei.

Dieser Auffassung muß zugestimmt werden.

Nach § 19 Abs. 6 Mietengesetz (in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes BGBl 1967/281) sind Vereinbarungen zulässig, womit eine bestimmt bezeichnete Tatsache von vornherein schriftlich als Kündigungs- oder Auflösungsgrund festgesetzt wird. Das Gesetz stellt den bestimmt vereinbarten Kündigungs- oder Auflösungsgrund den im Gesetz normierten Kündigungstatbeständen gleichwertig zur Seite, wenn die bestimmt bezeichnete Tatsache schriftlich als Kündigungsgrund vereinbart wurde und in Bezug auf die Kündigung wichtig oder bedeutsam anzuerkennen ist. Um dem Mieter die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich zu machen, sowie zur Vermeidung von allfälligen späteren Unklarheiten wird auch die Schriftlichkeit dieser Vereinbarung gefordert. Daraus folgt, daß ein bloßes schriftliches Festhalten in irgendeiner Form nicht ausreicht. Dem Gesetzgeber ging es vielmehr darum, für die Vereinbarung eines derartigen Kündigungs- oder Auflösungsgrundes die Schriftform im Sinn des § 886 ABGB (Unterschrift der Parteien) aufzustellen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Zweck ist nicht die Schaffung einer Beweisurkunde, sondern der Schutz des Mieters, dem die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich gemacht werden soll. Dieser Zweck läßt sich nicht erreichen, wenn der Mieter bloß ein schriftliches Anbot an den Vermieter richtet und dieser es mündlich annimmt, sondern nur, wenn die bestimmte Tatsache von vornherein „schriftlich“ als Kündigungsgrund festgesetzt wird. Zur Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung bedarf es daher der Unterschrift beider Parteien (SZ 46/64). Die Schriftform im Sinn des § 886 ABGB ist aber auch dann gewahrt, wenn ein von einem Vertragspartner schriftlich gemachtes Anbot schriftlich angenommen wird. Es müssen also in diesem Falle zwei Urkunden vorliegen und sowohl das Anbot als auch die Annahme schriftlich erklärt werden (Gschnitzer-Klang 2 IV/1, 273, Immobilienzeitung 1975 43 u.a.). Es ist somit zur Wahrung der Schriftform nicht erforderlich, daß die Parteien ein und dieselbe Urkunde unterzeichnen. Es kann auch die Unterfertigung von Briefen genügen, auch wenn sie nicht gleich lauten. Voraussetzung ist aber, daß die Willenserklärung im Text ausdrücklich erfolgt, in der Urkunde also verkörpert wird. Das kann auch durch Bezugnahme auf das vorangegangene Schreiben der Gegenseite geschehen, doch muß eine ausdrückliche Erklärung dazukommen, welche die erfolgte Willenseinigung klar und vollständig hervortreten läßt.

Von der Einhaltung der Schriftform kann nicht mehr gesprochen werden, wenn zur Beurteilung der Frage ob eine Willenseinigung erfolgte der Wortlaut der Urkunden nicht ausreicht, sondern zur Ermittlung ihres Inhaltes auf die Auslegungsregeln des § 863 ABGB zurückgegriffen werden muß (6 Ob 342/60).

Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die vorgeschriebene Schriftform im vorliegenden Fall eingehalten. Der Inhalt des Optionsrechtes laut Schreiben vom 3. 11. 1972 (Beilage D) war klar, so daß über Art und Umfang des Mietrechtes des Beklagten bei Annahme des Anbotes kein Zweifel bestehen konnte. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Punktes, wonach im Falle einer Veräußerung der Liegenschaft sämtliche Rechte und Pflichten beider Vertragspartner erlöschen. Es ergibt sich aus dem Inhalt dieses Schreibens auch eindeutig, daß der Vertrag bereits mit der Annahme des befristeten Anbotes durch den Beklagten wirksam sein soll und nicht erst dann ein Mietvertrag abzuschließen sei, daß also der Beklagte kraft seines einseitigen Gestaltungsrechtes gleich die Erfüllung und nicht bloß den Abschluß des Mietvertrages verlangen kann. Das ist aber die wesentliche Unterscheidung einer Option von einem Vorvertrag, bei dem nicht Erfüllung, sondern Abschluß des Hauptvertrages begehrt werden kann (Koziol-Weiser Grundriß I3 89, MietSlg 20.080 u.a.). Die in diesem Schreiben gebrauchte Wendung „ein auf Grund vorliegender Option errichteter Mietvertrag zwischen Ihnen und uns würde insbesondere folgenden Wortlaut haben“ kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dahin verstanden werden, daß der Vertrag nach Ausübung des Optionsrechtes durch ihn noch nicht verbindlich zustandegekommen, sondern erst abzuschließen sei; diese Wendung bezog sich vielmehr klar erkennbar nur auf die allfällige Schaffung einer Beweisurkunde, falls der Beklagte von seinem Optionsrecht tatsächlich Gebrauch machen sollte. Darüber, daß bei Zustandekommen des Mietvertrages die Veräußerung der Liegenschaft einen Auflösungsgrund bilden sollte, konnte nach Inhalt des Schreibens vom 3. 11. 1972, Beilage D, kein Zweifel bestehen. Der Inhalt der Willenserklärung war daher schon aus dem Wortlaut der Urkunde einwandfrei feststellbar. Dasselbe gilt aber auch für das Schreiben des Vertreters des Beklagten vom 27. 11. 1973, in welchem er ausdrücklich mitteilt, namens des Beklagten das Optionsrecht laut Erklärung vom 3. 11. 1972 auszuüben, und daß der Beklagte daher nun seine Zahlungen auf Grund dieses Hauptmietverhältnisses leisten werde. Es ist daher auch diesem Schreiben bereits zu entnehmen, daß der Beklagte damit eine Willenseinigung mit dem im Schreiben der Gegenseite vom 3. 11. 1972 enthaltenen Inhalt herbeiführen will und diesen Inhalt annimmt, ohne daß auf die Auslegungsregeln des § 863 ABGB zur Beurteilung der Frage, ob das Schreiben die Erklärung der Willenseinigung darstellt und welchen Inhalt sie haben sollte, zurückgegriffen werden müßte. Die Willenseinigung ergibt sich also aus dem Annahmeschreiben des Vertreters des Beklagten klar und vollständig, so daß durch die Unterzeichnung der Annahmeerklärung der Schriftform entsprochen werden konnte.

Für die Beurteilung, ob dies zutrifft, reichen aber die getroffenen Feststellungen nicht aus. Beide Schreiben, nämlich das Optionsschreiben vom 3. 11. 1972 und das Annahmeschreiben vom 27. 11. 1973, wurden nicht von allen Parteien, sondern von Vertretern unterschrieben. Da der Zweck des Erfordernisses der Schriftlichkeit nach § 19 Abs. 6 Mietengesetz zwar für den Vermieter bloß die Schaffung einer Beweisurkunde ist, für den Mieter aber darin besteht, ihm die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich zu machen und vor einer Übereilung zu schützen, bedurfte auch die Vollmacht, die seinen Vertreter zu dieser Vereinbarung ermächtigte, der Schriftform (Stanzl-Klang IV/1 806 f, SZ 22/25, 36/9 u.a.). Da die Einhaltung der Formvorschrift des § 19 Abs. 6 Mietengesetz für die Vereinbarung, daß die Veräußerung der Liegenschaft einen Grund zur Auflösung des Mietverhältnisses darstelle, bestritten war, bedurfte die Frage, ob der Vertreter des Beklagten eine schriftliche Vollmacht zur Abgabe der Annahmeerklärung hatte, einer Prüfung. Mangels Erörterung und Prüfung dieser Frage konnte noch nicht davon ausgegangen werden, daß die angeführten Formvorschriften eingehalten oder nicht eingehalten wurden. Da der Verkauf des Hauses eine Tatsache darstellt, die als wichtig und bedeutsam im Sinn des § 19 Abs. 6 Mietengesetz anzuerkennen ist und daher als Grund für die Auflösung des Mietverhältnisses vereinbart werden kann (Zingher das Mietengesetz17 121), bedarf es somit einer Ergänzung des Verfahrens zur Prüfung der Frage, ob die für diese Vereinbarung vorgeschriebene Form eingehalten wurde.

Sollte dies zu bejahen sein, wird auch noch das Vorbringen der Parteien über eine unbeanstandete Entgegennahme des Mietzinses auch noch nach Eintritt des vereinbarten Auflösungsgrundes zu erörtern und zu prüfen sein. Nach herrschender Lehre gilt nämlich auch für eine Klage nach § 1118 ABGB der Grundsatz, daß der Bestandgeber das Recht auf Aufhebung des Bestandrechtes durch Nichtgeltendmachung während längerer Zeit verliert. Diese Rechtsprechung beruht auf der Bestimmung des § 863 ABGB, weil ein längeres grundloses Zuwarten mit der Geltendmachung des Auflösungsgrundes den Schluß erlaubt, daß der Vermieter darauf verzichten wollte. Ob dieser Schluß erlaubt ist, muß nach den Verhältnissen des Einzelfalles unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände beurteilt werden (MietSlg 27.207, 25.412, 25.156, 23.182 u.a.).

Da somit die Rechtssache noch nicht spruchreif ist und es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Streitsache an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte