OGH 2Ob157/76

OGH2Ob157/7616.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Reithofer, Dr. Thoma und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günther Kraus, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei F* R*, Mechanikerlehrling, *, vertreten durch Dr. Erhard Lanner und Dr. Walter Lanner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen restlicher S 200.027,93 s. A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. März 1976, GZ 4 R 13/76‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 21. November 1975, GZ 1 Cg 76/73‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0020OB00157.76.0916.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 5.858,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 362,88 Umsatzsteuer und S 960,— Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 5. Juni 1970 ereignete sich im Gemeindegebiet von Arbing ein Verkehrsunfall, der vom Beklagten und dem inzwischen verstorbenen F* B* zu gleichen Teilen verschuldet wurde. B* lenkte ein Moped; der Beklagte fuhr auf einem Motorrad, das seinem Vater gehörte und bei der Klägerin haftpflichtversichert war. Der Beklagte hatte keine Berechtigung zum Lenken eines Motorrades. Er benützte es ohne Bewilligung seines Vaters. Durch den Unfall entstand beiden Beteiligten Schaden.

Die Klägerin erbrachte aus diesem Anlass für und an B* Versicherungsleistungen. Sie verlangt vom Beklagten den Rückersatz von insgesamt S 256.667,50 s. A. unter Hinweis darauf, dass der Beklagte das Motorrad seines Vaters ohne dessen Erlaubnis und ohne im Besitze einer Lenkerberechtigung zu sein, benützt habe. Ergänzend wurde dazu nur vorgebracht, der Beklagte habe die Klägerin zur Schadensliquidierung schriftlich ermächtigt (siehe S 82 des Aktes); im übrigen hätte auch er der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Kapitalabfindung von S 200.000,— leisten müssen, wie dies die Klägerin getan habe. Der Ersatzanspruch der Klägerin ließ sich schließlich folgendermaßen aufgliedern:

Kapitalabfindung an Pensionsversicherungsanstalt, die B* eine Invaliditätspension gewährte, unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 50 % S 200.000,–

50 % des von der oberösterreichischen

Gebietskrankenkasse getragenen Aufwandes

von S 23.845,— somit                                     S 11.922,50

50 % der Auslagen für eine

fachärztliche Untersuchung

von S 1.150,— somit                                       S 575,00

dem B* direkt ersetzter

Schaden von                                                    S 57.350,–

Abgeltung des Verdienstentganges

in der eigenen Landwirtschaft         S 20.000,–

Abgeltung für allfällige

künftige Heilungskosten                 S l0.000,–

                                                     S 87.350,–

hievon 50 %                                   S 43.675,–

dazu Kosten der Privatbeteiligung

am Strafverfahren gegen Beklagten  S 1.258,–

zusammen                                      S 44.933,–

vergleichsweise abgerundet auf                      S 40.000,–

zuzüglich Vertretungskosten

der Abfindungsverhandlungen                        S 4.175,–

(Richtig müsste es allerdings                          S 256.667,50

S 256.672,50 heißen).

Der Beklagte stellte außer Streit, dass „im Prinzip ein Ersatzanspruch gegenüber der klagenden Partei besteht“, weil er bei dem Unfall nicht im Besitze eines Führerscheines gewesen sei; er bestritt aber zum Teil die Berechtigung der von der Klägerin geleisteten Zahlungen, insbesondere der Abfindungszahlungen von S 200.000,—, S 20.000,—, S l0.000,— sowie der Vertretungskosten. Aufrechnungsweise wendete er 50 % des Schadens ein, der er nach seiner Behauptung durch den Unfall erlitten hat, nämlich S 70.000,— Schmerzengeld, S 3.500,– Fahrzeugschaden und S 600, Kleiderschaden, somit S 37.050,—. Dazu brachte er vor, die Klägerin habe die Schadensliquidierung vorgenommen, ohne mit ihm vorher Kontakt aufzunehmen. Dadurch sei er gehindert worden, seine eigenen Ansprüche zumindest im Wege der Aufrechnung geltend zu machen.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit S 85.189,57 zu Recht besteht, dass die Gegenforderung mit S 28.550,— zu Recht und mit S 8.500,— nicht zu Recht besteht und dass daher der Beklagte schuldig ist, der Klägerin S 56.639,57 s. A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 200.037,93 s. A. wies es ab. Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

B* erlitt bei dem Unfall verschiedene Verletzungen, die ein Schmerzengeld von S 55.000,— angemessen erscheinen lassen. Der Schaden an seinem Moped betrug S 1.700,—, der an seiner Bekleidung S 150,—. An Fahrt-, Telephon- und Abschleppkosten erwuchsen ihm Auslagen von S 500,—. Für seine Vertretung als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen den Beklagten entstanden ihm Kosten von S 1.258,—. Die Klägerin leistete an den Rechtsanwalt Dr. Welzl als Vertreter B* anlässlich der Abfindung seiner Ansprüche an Kosten S 4.175,–. Der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse entstanden für B* Aufwendungen von S 23.845,15. Davon ersetzte ihr die Klägerin auf Grund eines bestehenden Teilungsabkommens 60 %, das sind S 14.307,–. Für die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zahlte die Klägerin S 1.150,—.

Der am 17. April 1941 geborene F* B* hatte schon in den Jahren 1959 und 1964 je einen Unfall erlitten. Als Folge des zweiten Unfalles, der als Arbeitsunfall anerkannt worden war, erhielt B* von der AUVA eine Versehrtenrente, und zwar 60 % der Vollrente und eine 20 %‑ige Zusatzrente.

Durch den Unfall vom 5. Juni 1970 erlitt B* eine Gehirnerschütterung, einen Bruch des zweiten Halswirbelbogens, des Fortsatzes des rechten Schulterblattes, des linken Schienbeinkopfes, des linken Wadenbeinkopfes und des linken Innenknöchels. Als Folge des Unfalles wurde B* – bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – voll erwerbsunfähig, was aber gegenüber der schon vorher bestandenen Minderung der Erwerbsfähigkeit nur eine Verschlechterung um 10 % bedeutete. Mit weiteren Komplikationen seitens dieses Unfalles war schon im Jahr 1971 nicht mehr zu rechnen. B* war der Führerschein, den er für die Gruppen A, B und F hatte, schon im Jahr 1967 mangels körperlicher und geistiger Eignung entzogen worden.

Am 13. November 1970 beantragte F* B* die Zuerkennung einer Invaliditätspension. Dieser Anspruch wurde mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt Linz vom 17. Februar 1971 anerkannt. Der Berechnung der Pension wurde ein Jahreseinkommen von S 39.325,— brutto zugrundegelegt, welches B* im Jahr vor dem Unfall durch seine unselbständige Erwerbstätigkeit erzielt hatte. Dies ergab einen durchschnittlichen Nettobetrag von S 2.780,–. Die Hälfte davon, also S 1.390,— monatlich, verlangte die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter Linz im Regressweg von der Klägerin als Haftpflichtversicherer. Die ausgezahlte Invaliditätspension lag aber jedenfalls über diesem Betrag. Es wurde nun zwischen der Pensionsversicherungsanstalt und der Klägerin eine Abfindung der künftigen Pensionsleistungen für die Zeit vom 1. März 1973 bis 28. Februar 1991 – das ist bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres B* – vereinbart. Damit wurde der bereits vor dem gegenständlichen Unfall bestandenen verkürzten Erwartung des arbeitsfähigen Lebensalters B* Rechnung getragen. Für diesen Zeitraum wurde die kapitalisierte Unterhaltsrente mit S 211.169,— errechnet. Dazu kamen noch die vom 10. November 1970 bis 28. Februar 1973 aufgelaufenen Ersatzbeträge von S 38.457,—, was eine Gesamtforderung von S 249.626,– ergab. Sie wurde im Vergleichsweg auf S 200.000,– abgerundet und in dieser Höhe von der Klägerin im Mai 1973 bezahlt.

F* B* verstarb am 13. Juni 1973 an einem Herzklappenfehler, also ohne Zusammenhang mit dem gegenständlichen Unfall. Somit erhielt er nach dem 28. Februar 1973 nur noch vier Monate hindurch Pensionszahlungen, die einen Regressanspruch von S 5.560,— (viermal S 1.390,—) gegenüber der Klägerin begründet hätten. Damit ergibt sich die effektive Regressforderung unter Einschluss der vorher geleisteten Pensionszahlungen von S 38.457,– bis zum Todestag B* von S 44.017,–.

B* hatte zusammen mit seiner Ehefrau eine Kleinlandwirtschaft im Ausmaß von 3,30 ha betrieben, auf der 3 Kühe, 2 Schweine und 18 Hühner gehalten wurden. Seine Arbeitsleistung war dort vor und nach dem klagsgegenständlichen Unfall nicht nennenswert verschieden. Durch den Unfall erlitt er in seiner Landwirtschaft keine Erwerbseinbusse.

Der Beklagte ist am 7. September 1952 geboren. Er erlitt bei dem Unfall verschiedene Verletzungen, die ein Schmerzengeld von S 53.000,— angemessen erscheinen lassen. An dem vom Beklagten gelenkten Motorrad entstand ein Schaden von S 3.500,–. Es ist unbestritten, dass diese Forderung auf den Beklagten übergegangen ist. An seiner Kleidung entstand ihm ein Schaden von S 600,–.

Der Beklagte war bis zur Erreichung der Volljährigkeit, also bis 1. Juli 1973, durch seinen Vater vertreten. Er schaltete sich in die Auseinandersetzung der Regressansprüche der Pensionsversicherungsanstalt durch seinen nunmehrigen Prozessvertreter ein. Die Klägerin liquidierte sämtliche an sie herangetragene Forderungen, also sowohl die des B* selbst als auch die der Sozialversicherungsträger, ohne jede Fühlungnahme mit dem Beklagten oder dessen Vater. Allerdings ließ man sich vom Beklagten am 25. November 1970 einen „Schadensbericht“ unterschreiben, der folgende Rubrik enthält, die jedoch nicht ausgefüllt wurde: „Sind Sie mit einer Regelung der gegnerischen Forderungen durch uns einverstanden, soferne Ihre eigenen Ansprüche dadurch nicht betroffen werden?“

Diesen Sachverhalt beurteile das Erstgericht rechtlich wie folgt:

Die Klägerin stehe auf dem Standpunkt, der Beklagte sei zum Regress in voller Höhe schon deshalb verpflichtet, weil die Klägerin die an sie herangetragenen Forderungen geprüft und in dem für richtig befundenen Ausmaß befriedigt habe. Dies sei unzutreffend. Die Klägerin habe nicht erklärt, auf welche Bestimmung sich dieser Standpunkt gründe. Offenbar komme § 158 f VersVG in Verbindung mit § 158 c VersVG in Betracht. Gehe man davon aus, dann könnten der Klägerin als Versicherer nicht mehr und nicht weniger Rechte gegen den Versicherungsnehmer zustehen, als dem Dritten zugestanden wären. Dass etwa die Allgemeinen Versicherungsbedingungen etwas anderes besagten, sei nicht behauptet worden. Abgesehen davon dürften nach § 60 Abs 2 Z 5 KFG 1967 die Versicherungsbedingungen Vereinbarungen, nach denen der Versicherer zur Schadensregulierung bevollmächtigt wird, im Falle der Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung nicht enthalten. Es sei also nicht so, dass der Versicherungsnehmer eine sorglose oder unzweckmäßige Vorgangsweise des Versicherers behaupten und beweisen müsste, wie überhaupt die Beweislast in Ansehung der Berechtigung der Ansprüche des Geschädigten nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers verschoben werde; vielmehr dürfe dessen Stellung im Prozess nicht verschlechtert werden. Daher habe der Versicherer die Ansprüche des Geschädigten zu beweisen. All dies müsse in gleicher Weise gelten, wenn es sich beim Regresspflichtigen nicht um einen Versicherungsnehmer, sondern um eine mitversicherte Person oder um einen Schwarzfahrer (§ 6 Abs 1 EKHG) handle.

Aus dem Grundsatz, dass der vom Versicherer belangte Versicherungsnehmer nicht dadurch schlechter gestellt werden dürfe, dass er vom Geschädigten direkt belangt werde, ergebe sich, dass dem Regresspflichtigen die Aufrechnung seiner Gegenforderungen gegen die Ersatzansprüche des Geschädigten nicht verwehrt werden dürfe. Im übrigen bestehe auch kein Grund, die Bestimmungen der §§ 1396 und 1442 ABGB nicht auf eine Legalzession, wie sie hier vorliege, anzuwenden.

Mit der Unterfertigung des „Schadensberichtes“ habe der Beklagte die Klägerin nicht zur Schadensregulierung ermächtigt, weil er die betreffende Rubrik gar nicht ausgefüllt habe. Da er damals noch nicht volljährig gewesen sei, hätte eine solche Erklärung mangels Genehmigung des gesetzlichen Vertreters und des Pflegschaftsgerichtes keine Bedeutung.

Berechtigt seien folgende Forderungen gewesen:

Ersatzforderung der Pensionsversicherungsanstalt für die Zeit bis einschließlich Juni 1973         S  44.017,–

50 % von S 55.000,— Schmerzengeld             S  27.500,–

50 % von S 1.700,— Fahrzeugschaden            S  850,–

50 % von S 150,— Kleiderschaden                 S  75,–

50 % von S 500,— Spesen                              S  250,–

50 % des Aufwandes der Gebietskrankenkasse S     11.922,57

50 % von S 1.150,— an Kosten einer

fachärztlichen Untersuchung                           S  575,–

                                                                     S 85.189,57.

Eine darüber hinausgehende Forderung sei nicht begründet. Zu einer Kapitalabfindung der Pensionsversicherungsanstalt wäre auch der Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Im bürgerlichen Recht sei eine solche Abfindung beim Verdienstentgang überhaupt nicht vorgesehen; nach § 14 Abs 3 EKHG sei sie nur für den Fall des Vorliegens besonderer Gründe in der Person des Geschädigten und außerdem nur dann zulässig, wenn eine einmalige Zahlung dem Ersatzpflichtigen wirtschaftlich zumutbar sei. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei von der Klägerin nicht behauptet worden. Auch im Verfahren seien Anhaltspunkte dafür nicht hervorgekommen.

Dasselbe gelte für die Ablösen künftiger Schäden, für die kein Anlass bestanden habe.

Da die wechselseitigen Ansprüche B* und des Beklagten an Schmerzengeld und Sachschadenersatz nahezu gleich hoch gewesen seien, hätte dies auch eine Kompensation der Kosten zur Folge gehabt, sowie auch die beiderseitigen Kosten der Beteiligung am Strafverfahren als Privatbeteiligte gegenseitig aufgehoben worden seien.

Die Berufung der Klägerin, die das Ersturteil in seinem abweisenden Teil zur Gänze anfocht, blieb erfolglos. Das Berufungsgericht beurteilte das Verfahren als mängelfrei und folgte dem Erstgericht im Ergebnis auch in der rechtlichen Beurteilung, wobei es ergänzend ausführte:

Die Klägerin nehme selbst den Standpunkt ein, dass der Beklagte als Schwarzfahrer im Sinne des § 6 Abs 1 Satz 1 EKHG anzusehen und daher nicht zu den mitversicherten Personen nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsrechtes und der AKHB (Art 1 AKHB 1967) zu zählen sei. Somit habe die Haftpflichtversicherung des Vaters des Beklagten nicht die Schädigung B*, die durch das Verhalten des Beklagten eingetreten sei, erfasst. Die §§ 158 c und 158 f VersVG kämen daher hier nicht zum Tragen, Die Klägerin sei also weder auf Grund des Gesetzes noch eines Vertrages ermächtigt gewesen, im Namen des Beklagten Vergleichsverhandlungen zu führen und einen Vergleich mit derart weitreichenden Folgen zu Lasten des Beklagten abzuschließen. Damit erweise sich der Standpunkt der Klägerin, sie wäre zur Einholung einer Vergleichsermächtigung nicht verpflichtet gewesen, als unhaltbar. Dass der Beklagte die in der Schadensmeldung enthaltene Rubrik mit der Frage, ob er mit der Schadensregulierung durch die Klägerin einverstanden sei, nicht ausgefüllt habe, könne nach der Übung des redlichen Verkehrs nicht als stillschweigende Zustimmung aufgefasst werden, zumal der Beklagte über seine allfälligen Regressverpflichtungen nicht aufgeklärt worden sei. Abgesehen davon stellten die §§ 151 und 247 ABGB (in der damals geltenden Fassung) ausschließlich auf die rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit eines Minderjährigen ab und erfassten daher nicht Schadenersatzansprüche, selbst wenn diese in einem unmittelbaren tatsächlichen Zusammenhang mit dem frei verfügbaren Vermögen des Minderjährigen gestanden wären. Auch ein mündiger Minderjähriger hätte zu Handen seines gesetzlichen Vertreters geklagt werden müssen. Es hätte daher auch eine wirksame Bevollmächtigung der Klägerin zur Schadensliquidierung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedurft. Keine dieser Voraussetzungen liege vor. Tatsachen, aus denen eine nachträgliche Genehmigung des Verhaltens der Klägerin durch den gesetzlichen Vertreter des Beklagten abgeleitet werden könnten, seien gar nicht behauptet worden. Dass der Beklagte selbst nach eingetretener Volljährigkeit die von der Klägerin geschlossenen Vereinbarungen nicht genehmigt habe, ergebe sich aus seinem Verhalten in diesem, noch zur Zeit seiner Minderjährigkeit eingeleiteten Prozess.

Da die Klägerin als Haftpflichtversicherer für den vom Beklagten verursachten Schaden nicht gehaftet habe, jedoch Verbindlichkeiten des Beklagten getilgt habe, deren Tilgung ihm oblegen wäre, müsse aus ihrem Verhalten nach der Verkehrssitte geschlossen werden, dass sie die Forderungen des befriedigten Geschädigten, soweit sie zu Recht bestanden, einlöste (§ 1422 ABGB). Sei daher das Schuldverhältnis zwischen dem geschädigten B* und dem Beklagten auf die Klägerin als zahlende Dritte übergegangen, dann könne diese, und zwar auch auf dem Umweg des § 332 ASVG die ursprünglichen Forderungen B* gegen den Beklagten nur geltend machen, soweit sie B* tatsächlich zugestanden wären. Diese habe das Erstgericht zutreffend beurteilt. Dagegen habe die Berufung nichts Stichhaltiges vorgebracht.

Die vom Beklagten vorgenommene Aufrechnung mit seinen aus demselben Schadensereignis entspringenden Gegenforderungen habe das Erstgericht mit Recht als zulässig angesehen. Durch die Einlösung der Ersatzforderungen B* durch die Klägerin habe sich am Charakter dieser Forderungen nichts geändert. Dem Schuldner stehen daher auch gegen den Forderungsübernehmer dieselben Einwendungen zu wie gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern oder es in seinem abweisenden Teil aufzuheben und die Sache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird geltend gemacht, dass das Berufungsgericht die in der Berufung erhobene Mängelrüge zu Unrecht als nicht berechtigt angesehen habe. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsvorbringen wiederholt, dass der von der Klägerin geführte, vom Erstgericht aber nicht zugelassene Zeuge M* über die strittigen Forderungsposten, insbesondere den Verdienstentgang B*, hätte aussagen und eine vom Beklagten unterschriebene Ermächtigung der Klägerin zur Schadensliquidierung vorlegen können. Damit wird ein Mangel des Berufungsverfahrens, also ein Verstoß des Berufungsgerichtes gegen prozessuale Vorschriften, nicht aufgezeigt. Das Berufungsgericht hat sich mit der Mängelrüge der Klägerin ausführlich auseinandergesetzt und es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kann ein in erster Instanz angeblich unterlaufener Verfahrensmangel, der vom Berufungsgericht als nicht gegeben beurteilt wurde, nicht mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (SZ 22/106, SZ 27/4, EvBl 1968/344 u.v.a.).

Auch die Rechtsrüge muss versagen.

Zunächst sei hervorgehoben, dass die Klägerin im ganzen Verfahren keine Tatsachen behauptet und bewiesen hat, aus denen sich ein Übergang der Ersatzforderungen aus der vom Beklagten verursachten Verletzung B* eindeutig hätte ableiten lassen. Hat der Beklagte das Motorrad seines Vaters ohne Lenkerberechtigung und ohne Einwilligung seines Vaters gelenkt, hat sich also der Beklagte als Schwarzfahrer eigenmächtig in den Besitz des Fahrzeuges gesetzt, dann fällt der bei der Schwarzfahrt verursachte Schaden nicht mehr in den Bereich der Haftpflichtversicherung (Art 1 Abs 1 und 2 AKHB 1967, Koziol, Haftpflichtrecht II S 448, Veit EKHG3 S 89, ZVR 1961/290, ZVR 1961/318, ZVR 1962/121 u.a.). Der Schwarzfahrer ist durch die Haftpflichtversicherung des Halters eben nicht gedeckt. Ist aber der Haftpflichtversicherer nicht zur Leistung nach § 158 c VersVG gehalten, dann kommt auch ein Anspruchsübergang nach § 158 f VersVG nicht in Betracht (vgl Prölss-Martin 20 S 736).

Des weiteren hat die Klägerin aber auch nicht behauptet, dass sie die Schuld des Beklagten, für die sie nicht haftete, sich vor oder bei der Zahlung von den betreffenden Gläubigern habe abtreten lassen. Es kann daher auch nicht von einem Einlösen der Forderungen im Sinne des § 1422 ABGB die Rede sein.

In der Revision beruft sich die Klägerin auch gar nicht auf einen Forderungsübergang nach § 158 f VersVG oder auf eine Einlösung der Forderungen nach § 1422 ABGB, sondern ausschließlich auf eine vom Beklagten erteilte Ermächtigung zur Schadensliquidierung. Eine solche wurde nicht festgestellt. Soweit sich die Klägerin dabei auf den im Akt erliegenden Schadenbericht vom 25. November 1970 (Beilage ./K), der immerhin vom Beklagten unterschrieben wurde, berufen will, wurde ihr schon von den Vorinstanzen mit Recht entgegengehalten, dass die darin enthaltene Frage, ob der Beklagte mit der Regelung der gegnerischen Forderungen durch die Klägerin einverstanden sei, soferne seine eigenen Ansprüche dadurch nicht betroffen werden, nicht beantwortet und damit auch nicht bejaht wurde. In der Unterfertigung der Schadensmeldung durch den Beklagten eine schlüssige Zustimmung zur Schadensregulierung zu erblicken, erscheint schon deshalb völlig unzulässig, weil die betreffende Rubrik des Schadensberichtes einen eigenen freien Raum für die Beantwortung dieser Frage enthält. Den Untergerichten ist daher bei der Auslegung dieser Urkunde kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Geht man aber davon aus, dass der Beklagte mit der Unterfertigung des Schadensberichtes der Klägerin keine Ermächtigung zur Schadensliquidierung erteilt hat, dann braucht auf die weiteren Fragen, ob eine solche Ermächtigung der Klägerin durch den Beklagten einer Genehmigung des gesetzlichen Vertreters oder des Gerichtes bedurft hätte, nicht eingegangen zu werden. Damit geht auch der Hinweis der Revision, dass der Beklagte zur Zeit der Unterfertigung des Schadensberichtes das 18. Lebensjahr schon vollendet gehabt habe, ins Leere. Auch von einer stillschweigenden Genehmigung der Schadensregulierung nach erreichter Volljährigkeit des Beklagten kann keine Rede sein, wo dieser doch zur Zeit der Klagseinbringung noch minderjährig war und in der Folge unverändert den Standpunkt eingenommen hat, dass die von der Klägerin vorgenommene Schadensregulierung für ihn nicht verbindlich sei, weil er ihr nicht zugestimmt habe.

Geht man davon aus, dann erweist sich der Standpunkt des Beklagten als richtig, dass die von der Klägerin vorgenommene Abfindung der Regressansprüche der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sowie der Ersatzansprüche B* den Beklagten nicht bindet, sondern ausschließlich in den Risikobereich der Klägerin fällt. Wenn die Klägerin Ansprüche befriedigt, für die sie nicht haftet, dann hat sie die Folgen ihres Handelns selbst zu tragen. Sie kann sich daher auch nicht darauf berufen, sie habe nicht wissen können, dass B* weit früher ableben werde, als dem statistischen Durchschnitt entsprochen hätte, der bei der Abfindung der Regressansprüche der Pensionsversicherungsanstalt zugrundegelegt worden sei.

Damit fehlt es also an einer Grundlage der von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachten Regressansprüche. Demzufolge bräuchte schon aus diesem Grunde auf die eingewendeten Gegenforderungen nicht eingegangen zu werden. Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin, sie habe bei der Schadensregulierung zumindest stillschweigend zu erkennen gegeben, dass sie eine fremde Schuld tilgen wolle (vgl EvBl 1956, 248), wie das Berufungsgericht annimmt und der Beklagte offenbar auch zugestehen will, und nimmt man an, dass die Klägerin damit die Ersatzforderungen gegen den Beklagten im Sinne des § 1422 ABGB eingelöst hat, dann stünde dem Beklagten die Aufrechnungseinrede zu. Dass wechselseitige Schadenersatzforderungen aus einem gemeinsam verschuldeten Verkehrsunfall im Sinne des § 1438 ABGB gleichartig sind, kann wohl nicht bezweifelt werden. Soweit die Klägerin meint, die Kompensandoforderung des Beklagten stehe mit der Klagsforderung nicht im rechtlichen Zusammenhang, sie hätte B* gegenüber geltend gemacht werden können, nicht aber gegenüber der Klägerin, bezweifelt sie offenbar die Kompensationsvoraussetzung der Gegenseitigkeit im Sinne des § 1438 ABGB. Dabei übersieht sie aber die Bestimmungen der §§ 1394 und 1442 ABGB, nach der die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben sind und nur die Aufrechnung von Forderungen an Zwischenzessionare ausgeschlossen ist. Im Falle der Abtretung (Einlösung) wird der Grundsatz der Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung durchbrochen. Der Schuldner kann dem Zessionar der Forderung Gegenforderungen, die ihm gegen den Zedenten zustanden unter gewissen Voraussetzungen, die hier jedenfalls erfüllt sind, aufrechnen.

Damit erweist sich die Revision als nicht gerechtfertigt. Es war ihr daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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