European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00128.76.0914.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich der Bewilligung der Zwangsversteigerung zur Hereinbringung des Betrages von S 215.254,09 samt 8,5 % Verzugszinsen von S 215.190,‑‑ seit1. 11. 1975 und der Exekutionskosten von S 80,‑‑ wiederhergestellt wird. Im übrigen wird der angefochtene Beschluß bestätigt.
Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit S 3.265,92 (darin S 241,92 Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Begründung:
Über das Vermögen des R* wurde vom Handelsgericht Wien am 19. 11. 1974, zu Sa 66/74 das Ausgleichsverfahren und am 15. 1. 1976 zu S 3/76 der Anschlußkonkurs eröffnet. Mit dem am 10. 12. 1975 eingebrachten Exekutionsgesuch begehrte die betreibende Gläubigerin auf Grund ihres Rückstandsausweises vom 5. 12. 1975 wegen der vollstreckbaren Forderung von S 254.539,93 an Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren die Zwangsversteigerung der dem Verpflichteten gehörigen Liegenschaft EZ * KatGem. *. Auf Anfrage des Erstgerichtes, ob die im Rückstandsausweis angeführten Beiträge erst nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens entstanden oder nicht früher als drei Jahre vor diesem Zeitpunkt fällig geworden sind, teilte die betreibende Gläubigerin mit dem Schriftsatz vom 19. 1. 1976 , ON. 4, mit, daß ihre Forderung Beiträge umfasse, die im Ausgleichsverfahren als bevorrechtet gelten und daher vom Ausgleich nicht berührt werden. Das Erstgericht bewilligte daraufhin am 28.1.1976 antragsgemäß die Exekution.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters im Konkurs des R* Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wird. Es war der Ansicht, daß bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag die bereits vorher erfolgte Eröffnung des Anschlußkonkurses berücksichtigt werden müsse und die Exekution nur bewilligt werden dürfe, wenn die betriebene Forderung eine Masseforderung im Sinne des § 46 Z. 1 Abs. 1 KO sei. Die Exekution sei daher nur wegen der erst nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge zulässig. Über die Fälligkeit der Beiträge gebe jedoch weder der Antrag noch der Exekutionstitel eindeutige Aufschlüsse.
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Gläubigerin ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs wendet sich mit Recht gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, daß die Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung nach dem Zeitpunkt der Beschlußfassung zu beurteilen sind. Bei der Zwangsvollstreckung auf bücherlich eingetragene Liegenschaften ist, wenn das Bewilligungsgericht gleichzeitig als Grundbuchsgericht einschreitet, nur der Zeitpunkt des Einlangens des Ansuchens beim Bewilligungsgericht maßgebend (§§ 29, 93 GBG 1955). Nach Lehre und Rechtsprechung sind die gemäß § 88 Abs. 2 EO für die Bewilligung und die Einverleibung eines Zwangspfandrechtes geltenden Vorschriften des GrundbuchsG 1955 auch dann anzuwenden, wenn andere Befriedigungsrechte begründet werden sollen, die einen bücherlichen Rang haben (Heller‑Berger‑Stix S. 202, 919 f, 1093 vgl. auch SZ 37/42, 3 Ob207/73). In dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Einlangens des Exekutionsgesuches beim Erstgericht als Exekutions- und Grundbuchsgericht (10. 12. 1975) war der Anschlußkonkurs noch nicht eröffnet und daher bei der Erledigung des Exekutionsantrages nicht zu berücksichtigen, denn die Rechtswirkungen des Konkurses, zu denen auch die Exekutionssperre nach § 10 Abs. 1 KO gehört, können beim Anschlußkonkurs nicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zurückbezogen werden. Gemäß § 2 Abs. 2 KO werden nur die nach der KO vom Tage der Konkurseröffnung zu berechnenden Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet (vgl. Heller‑Berger‑Stix S. 130). Die Zulässigkeit der Exekution ist daher nach § 10 AO zu beurteilen. Sozialversicherungsbeiträge gehören nach § 23 Z. 1 AO zu den bevorrechteten Forderungen und werden gem. § 10 Abs. 4 AO vom Ausgleichsverfahren nicht berührt, wenn sie erst nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder nicht früher als drei Jahre vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens fällig geworden sind. Es oblag der betreibenden Gläubigerin schon im Exekutionsantrag darzutun, daß es sich bei der betriebenen Forderung um eine bevorrechtete handelt (Heller‑Berger‑Stix S. 116). Dieser Verpflichtung kam die betreibende Gläubigerin in ihrem durch eine unzulässige Zwischenerledigung des Erstgerichtes veranlaßten Schriftsatz vom 19. 1. 1976 allerdings nicht nach. Es genügt nämlich die bloße Behauptung, daß die Forderung als bevorrechtet gelte keineswegs; vielmehr sind die Tatsachen darzutun, aus denen sich das Vorrecht ergibt. Es ist daher ausschließlich auf Grund des mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Rückstandsausweises zu beurteilen, ob die betriebene Forderung ein Vorrecht genießt. Die Prüfung der materiellen Richtigkeit und Gesetzmäßigkeit des Rückstandsausweises ist dem Gericht allerdings verwehrt, die Vorinstanzen hatten aber, wie auch der Revisionsrekurs einräumt, zu prüfen, ob der Rückstandsausweis den vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalt hat, ohne den er keinen Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO bildet. Ein Rückstandsausweis hat nach § 64 Abs. 2 ASVG außer dem Namen und der Anschrift des Beitragsschuldners den rückständigen Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, den Beitragszeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren sowie den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, daß der Rückstandsausweis keinen die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug unterliegt. Im vorliegenden Rückstandsausweis sind Sozialversicherungsbeiträge von S 80.832,58 für den Beitragszeitraum „11/73“ von S 73.458,39 für „1.N.2/74, 4/74, 1.N.5/74“ und von S 60.907,53 für „1.N.2/75" angeführt. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ergibt sich aus dieser Bezeichnung der Beitragszeiträume zweifelsfrei, daß es sich um Sozialversicherungsbeiträge für November 1973, Feber, April und Mai 1974 sowie Feber 1975, somit um Beiträge handelt, die gemäß § 23 Z. 1 AO ein Vorrecht genießen, weil sie erst während des Ausgleichsverfahrens oder nicht früher als drei Jahre vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens fällig geworden sind. Dasselbe gilt für die restlichen Verzugszinsen von S 55,59 für März 1974 („3/1974“). Hingegen läßt die dem Betrag von S 10.000,‑‑ beigefügte Bezeichnung „BZ“ in der für den Beitragszeitraum vorgesehenen Spalte des Rückstandsausweises nicht eindeutig erkennen, ob es sich um einen Sozialversicherungsbeitrag, bejahendenfalls für welchen Zeitraum oder um einen Beitragszuschlag im Sinne des § 113 ASVG, also um eine Nebengebühr handelt.
Letzteres kann nur vermutet werden. In diesem Punkt entspricht der Rückstandsausweis nicht den Erfordernissen des § 64 Abs. 2 ASVG und bildet daher insoweit keinen tauglichen Exekutionstitel.
Nebengebühren (Verzugszinsen, Mahngebühren, Verwaltungsauslagen, Exekutionskosten) einer bevorrechteten Hauptforderung genießen deren Vorrecht. Da aber aus dem vorgelegten Rückstandsausweis nicht zu ersehen ist, ob die dort angeführten Verzugszinsen von S 25.296,52, die Mahngebühren von S 695,06, die Verwaltungsauslagen von S 2.487,01 und die Exekutionskosten von S 807,25 ausschließlich die bevorrechteten Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt S 215.198,50 betreffen, oder welcher Teil auf diese bevorrechtete Forderung entfällt, fehlt hinsichtlich dieser Nebengebühren der Nachweis der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Exekution. Die beantragte Zwangsversteigerung kann daher nur zur Hereinbringung eines Betrages von S 215.254,09 (S 80.832,58, S 73.458,39, S 60.907,53 und S 55,59) samt 8,5 % Verzugszinsen, von S 215.190,-- seit 1. 11. 1975 und der mit S 80,‑‑ bestimmten Kosten des Exekutionsgesuches bewilligt werden.
Dem Revisionsrekurs war daher nur teilweise Folge zu geben und die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes in diesem Umfange wieder herzustellen. Hingegen bleibt es hinsichtlich des Betrages von S 39.285,84 bei der Abweisung des Exekutionsantrages.
Die Entscheidung über die Revisionsrekurskosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO und 78 EO.
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