OGH 7Ob655/76

OGH7Ob655/762.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Stix, Dr. Petrasch und Dr. Wurz als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem * 1975 verstorbenen, zuletzt in *, wohnhaft gewesenen Dipl. Ing. W*, infolge Rekurses der Finanzprokuratur in Wien 1., Rosenbursenstraße 1, gegen den Beschluß des Landesgericht es für ZRS. Wien als Rekursgeichtes vom 29. Juli 1976, GZ. 45 R 929/76‑24, womit der Rekurs der Finanzprokuratur gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26. April 1976, GZ. 2 A 547/75-17, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00655.76.0902.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Da der * 1975 verstorbene Dipl. Ing. W* keine gesetzlichen Erben hat und vorerst ein Testament nicht vorgefunden wurde, erließ das Erstgericht am 15. Juli 1975 ein Edikt im Sinne des § 128 AußStrG, wobei es eine sechsmonatige Frist ab dem genannten Tag zur Bekanntgabe allfälliger Erbrechte setzte. Innerhalb dieser Frist meldete sich kein Erbansprecher, doch wurde in der Wohnung des Verstorbenen ein nach Ansicht des Gerichtskommissärs als Testament zugunsten des V* anzusehendes Testament des Erblassers vorgefunden. Dieses Testament wurde am 20. November 1975 kundgemacht. Der hierauf zum Gerichtskommissär vorgeladene V* gab am 20. Februar 1976 eine bedingte Erbeerklärung zum Nachlaß des Dipl. Ing. W* unter Hinweis auf das erwähnte Testament ab. Das Erstgericht nahm unter anderem diese bedingte Erbserklärung an. Einen gegen diesen Beschluß gerichteten Rekurs der Finanzprokuratur wies das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß zurück. Hiebei vertrat es folgenden Rechtsstandpunkt:

Das Heimfallsrecht des Staates sei kein Erbrecht, sondern setze den vom Gericht anerkannten Mangel eines Erbberechtigten voraus. Solange das Gericht einen solchen Mangel nicht anerkannt habe, sei demnach die Finanzprokuratur nicht legitimiert, durch Rechtsmittel in das schwebende Verlassenschaftsverfahren einzugreifen. Vor allem werde ihre Parteistellung durch die Einleitung eines Ediktalverfahrens nach § 128 AußStrG nicht begründet. Ob eine Verlassenschaft erblos sei, habe allein das Gericht zu beurteilen. Solange es die Voraussetzungen für eine Erbloserklärung nicht für gegeben halte, sei es der Finanzprokuratur verwehrt, auf eine für sie günstige Lösung der Frage des Heimfallsrechtes hinzuwirken. Vor allem sei sie nicht berechtigt, in ein Abhandlungsverfahren mit dem Ziel einzugreifen, die Voraussetzungen für das Heimfallsrecht zu schaffen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Finanzprokuratur mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Die Rekurswerberin erkennt selbst, daß die Rechtsansicht des Rekursgerichtes der nunmehr einheitlichen Judikatur entspricht. Es sei ihr zugegeben, daß zwischen dem vorliegenden Fall und jenem, der der vom Rekursgericht in erster Linie herangezogenen Entscheidung (EvBI 1974/102) zugrunde lag, insoferne ein gewisser Unterschied besteht, als in der seinerzeitigen Rechtssache das Gericht von dem allfälligen Vorhandensein bereits früher bekannter Erben ausgegangen ist, während im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für ein allfälliges Erbrecht erst nach Erlassung des Ediktes aufgetaucht sind. Dieser Unterschied ist jedoch nicht erheblich. Gerade die genannte Entscheidung hat unter Zitierung der früheren Judikatur (EvBl 1967/363, 6 Ob 303/76 u.a.) ausgeführt, daß das Heimfallsrecht des Staates den vom Gericht anerkannten Mangel eines Erbberechtigten voraussetzt. Auch im vorliegenden Fall wurde ein solcher Mangel vom Gericht nie anerkannt. Ob das Gericht, im Gegensatz zu der von ihm verfügten Erlassung eines Ediktes, später ein Verfahren zur Ausforschung bisher nicht beteiligter Erben bezw. zur Beiziehung nunmehr aufgetauchter Erben einleitet, weil es der Meinung ist, sein früherer Schritt habe der Rechtslage nicht entsprochen, oder ob es diese Einleitung vornimmt, weil sich seiner Meinung nach die Sachlage geändert hat, ist in rechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung. Maßgebend ist nur, daß in beiden Fällen das Gericht die Erblosigkeit des Nachlasses auch nach Ablauf der von ihm gesetzten Ediktalfrist annimmt. Wenn daher der Oberste Gerichtshof im seinerzeitigen Fall ein derartiges Vorgehen für rechtmäßig erachtet hat, muß dies auch für den vorliegenden Fall gelten. Demnach kann sich nur die Frage ergeben, ob ein Anlaß für ein Abgehen von der bisherigen Judikatur besteht oder nicht.

Hält man an der, offenbar auch von der Rekurswerberin nicht als unrichtig bezeichneten Rechtsansicht fest, daß das Heimfallsrecht des Staates erst eintritt, wenn kein Erbberechtigter mehr vorhanden ist, dann würde die Zulässigkeit eines Rekurses der Finanzprokuratur namens des Staates als Heimfallsberechtigten zumindest die Darstellung jener Fakten voraussetzen, die das Heimfallsrecht begründen könnten. Dies wäre nicht der Fall, wenn das Gericht eine Erbserklärung angenommen hat, die es nach der Gesetzeslage nicht zurückweisen hätte dürfen. Die Zurückweisung einer Erbeerklärung ist aber nur zulässig, wenn feststeht, daß der Erbrechtstitel, auf den die Erbserklärung gegründet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses führen kann (SZ 44/72, EvBl 1970/225 u.a.). Eine Erbserklärung ist dagegen auch anzunehmen, wenn es nach dem bei ihrer Abgabe erstatteten Vorbringen wenig wahrscheinlich erscheint, daß das behauptete Erbrecht materiell gerechtfertigt ist (vergl. SZ 44/72, NZ 1927/55 u.a.).

Im vorliegenden Fall wird lediglich die Möglichkeit angedeutet, daß der Erblasser nicht den Willen gehabt haben könnte, zu testieren. Dagegen bringt die Rekurswerberin keinen Umstand vor, der die äußere Form des Testamentes und die grundsätzliche Eignung des Inhaltes als letztwillige Verfügung in Frage stellen könnte. Demnach hätte das Erstgericht eine auf Grund dieser Verfügung abgegebene Erbserklärung nicht zurückweisen dürfen, weshalb derzeit ein Rekursrecht der Finanzprokuratur auf jeden Fall zu verneinen war. Ob ein solches Rekursrecht gegeben wäre, wenn das aufgefundene Schriftstück nicht den oben aufgezeigten formellen Erfordernissen einer letztwilligen Verfügung entsprechen würde, muß hier nicht weiter erörtert werden, weil lediglich inhaltliche Bedenken gegen diese Verfügung geltend gemacht worden sind und solche keinesfalls die Zurückweisung einer Erbserkärung gerechtfertigt und hiedurch das Rekursrecht der Finanzprokuratur begründet hätten.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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