European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00047.76.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.
Die Rekurswerber haben die Kosten ihrer Rekurse selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger hat mit der Beklagten bezüglich seines Sattelschleppers Steyr 1290, Pol. Kennzeichen *, eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Am 23. 8. 1974 ereignete sich auf der Ennstaler-Bundesstraße, nahe Liezen, ein Unfall, bei dem dieser Sattelschlepper beschädigt und manövrierunfähig wurde. Das Abschleppen erfolgte durch die freiwillige Feuerwehr der Stadt Liezen. Hiebei wurde es unterlassen, den Getriebegang auszuschalten und die Steckachse herauszunehmen, wodurch es dazu kam, daß der Motor des Sattelschleppers im Zuge des Abschleppvorganges in Betrieb gesetzt wurde und das Fahrzeug mehrmals gegen das abschleppende Fahrzeug prallte. Hiedurch wurde das Führerhaus des Sattelschleppers schwer beschädigt. Weiter erlitt der Motor durch Heißlaufen und Anreiben der Kolben Schäden, weil infolge des zuvor erlittenen Auffahrunfalles das Kühlwasser ausgeronnen war.
Der Kläger begehrt, gestützt auf den mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag, den Ersatz der durch den Unfall und das Abschleppen verursachten Schäden im Gesamtausmaß von 168.282,10 S. Die Beklagte habe lediglich den beim Primärunfall entstandenen Schaden von 33.700,-- S und die Abschleppkosten von 7.020,-- S anerkannt. Unter Abzug des Selbstbehaltes von 20.000,-- S habe die Beklagte sohin die Bezahlung eines Betrages von 20.700,-- S in Aussicht gestellt. Für den Fall, als das Leistungsbegehren als nicht zulässig erscheinen sollte, wird das Eventualbegehren gestellt, es werde festgestellt, die Beklagte habe der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag auch hinsichtlich der anläßlich des Abschleppvorganges an diesem Fahrzeug entstandenen Schäden Versicherungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendete ein, den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er es unterlassen habe, für eine richtige Vorgangsweise beim Abschleppen zu sorgen. Die Schäden durch die Abschlepptätigkeit seien im übrigen nicht auf einen Unfall zurückzuführen und stünden auch nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem vorangegangenen Unfall. Das Klagebegehren werde auch der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 148.282,10 S s.A. zu und wies das Mehrbegehren auf Bezahlung weiterer 20.000,-- S ab. Hiebei ging es von folgenden zusätzlichen Feststellungen aus:
Das Abschleppen des Fahrzeuges erfolgte insoferne unsachgemäß, als dieses mit aufgehobener Vorderachse an einen Kranwagen angehängt und dann mit seinem Abtransport begonnen wurde, ohne daß am geschleppten Fahrzeug der eingelegte Gang herausgenommen und die Steckachse ausgesteckt worden wäre. Dadurch sprang während des Abschleppvorganges der Motor des geschleppten Fahrzeuges selbsttätig an. Da beim primären Auffahrunfall der Kühler beschädigt worden und die Kühlerflüssigkeit ausgeronnen war, lief der Motor während dieses Vorganges ohne Kühlung und erlitt so einen Schaden durch Heißlaufen und Anreiben der Kolben an den Zylinderwänden. Außerdem erreichte das geschleppte Fahrzeug eine höhere Geschwindigkeit als das schleppende Fahrzeug, so daß es innerhalb kürzester Zeit mehrmals mit großer Wucht auf das Schleppfahrzeug auffuhr, wobei durch dessen Kranarm das Führerhaus völlig zerschlagen wurde.
Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, nach Art. 11 A I Z. 2 e der Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern 1969 (AKIB 1969) ersetze der Versicherer in der Vollkaskoversicherung nur Unfallsschäden, nicht aber Betriebsschäden. Unfallschäden seien nur solche, die durch plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkende Ereignisse verursacht worden seien. Die durch den Auffahrunfall eingetretenen Schäden seien unbestrittenermaßen Unfallschäden. Der Motorschaden sei nur eine Folge dieser Unfallschäden. Er stehe in einem adäquaten Kausalzusammenhang zu diesen. Die weiteren Schäden seien auf Grund eines weiteren Unfalles entstanden. Ob dieser Unfall durch den Fahrer des Klägers oder durch Personen, die mit dem Schleppfahrzeug beschäftigt waren, entstanden sei, könne unerörtert bleiben, weil es sich auf jeden Fall um die Verursachung durch eine dritte Person handelt. Durch die vorgelegten Urkunden sei erwiesen, daß der Kläger durch die beiden Unfälle die von ihm behaupteten Schäden erlitten habe. Die Beklagte habe ihm daher den begehrten Betrag zu ersetzen, allerdings unter Abzug eines weiteren Selbstbehaltes von 20.000,-- S, weil es sich um zwei voneinander getrennte Unfälle gehandelt habe.
Während der abweisende Teil dieses Urteiles in Rechtskraft erwachsen ist, berief die Beklagte gegen dessen stattgebenden Teil.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht den stattgebenden Teil des Urteiles des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es verneinte die behaupteten Verfahrensmängel, übernahm die erstrichterlichen Feststellungen mit Ausnahme jener, die sich auf die Schadenshöhe beziehen, und trat im wesentlichen auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse beider Parteien. Beide beantragen die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur Sachentscheidung im Sinne des jeweiligen Prozeßstandpunktes der Parteien.
Rechtliche Beurteilung
Keiner der Rekurse ist gerechtfertigt.
A) Zum Rekurs des Klägers:
Es ist unrichtig, daß sich der Kläger auf eine von der Beklagten stammende Urkunde beruft. Vielmehr stützt er sich auf das Gutachten eines Sachverständigen, der im Auftrag der Beklagten tätig geworden ist. Daß der Sachverständige das Gutachten im Auftrag der Beklagten erstellt hat, rechtfertigt noch nicht den Schluß, die Beklagte anerkenne seine Richtigkeit. Eine Erklärung der Beklagten in diesem Sinne kann dem Akt nicht entnommen werden. Die Beklagte hat vielmehr das Klagebegehren auch der Höhe nach ausdrücklich bestritten (S. 14). Zu dem vom Kläger vorgelegten Gutachten hat sie keine Erklärung abgegeben (S. 32). Tatsachen, die nicht zugestanden, aber auch nicht ausdrücklich bestritten worden sind, bedürfen eines Beweises (7 Ob 50/75). Ob dieser Beweis durch vorliegende Beweismittel erbracht ist, stellt eine Frage der Beweiswürdigung dar, deren Lösung der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen kann.
Im vorliegenden Fall wurde weder die Richtigkeit der Klagsforderung der Höhe nach noch die Richtigkeit jenes Privatgutachtens, auf das sich die Forderung stützt, zugestanden. Die Höhe dieser Forderung bedurfte daher eines Beweises. Das Berufungsgericht hat die Grundlagen für entsprechende Feststellungen nicht als ausreichend erachtet. Damit hat es einen Akt der Beweiswürdigung gesetzt, der einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist.
Dem Rekurs des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.
B) Zum Rekurs des Beklagten:
Abgesehen davon, daß die Berichtigung von Schreibfehlern einer Partei in erster Linie ihr selbst obliegt, ist nicht einzusehen, welchen Einfluß das Unterlassen einer solchen Berichtigung auf die vorliegende Entscheidung gehabt haben soll. Die Untergerichte haben aus den Fehlern der Beklagten (mehrfache Verwechslung der Parteien in der Klagebeantwortung) nämlich keine Konsequenzen gezogen. Selbst wenn man daher in der Unterlassung des Erstgerichtes, die Beklagte auf ihre Fehler hinzuweisen, einen Verstoß gegen § 182 ZPO erblicken würde, könnte dies dem Rekurs zu keinem Erfolg verhelfen, weil nur Verfahrensmängel, die von Einfluß auf die Entscheidung sein könnten, vom Rechtsmittelgericht wahrzunehmen sind.
Wenn die Wiedereröffnung eines geschlossenen Verfahrens trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 194 ZPO abgelehnt wird, ist dies der gesetzwidrigen Schließung eines Verfahrens gleichzusetzen. Entspricht die Schließung nicht dem Gesetz, weil sie vor Spruchreife erklärt wurde, ist das Verfahren mangelhaft (Fasching II, 947). Auch die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bildet einen Verfahrensmangel (Fasching II, 951, IV, 189). Die Ausführungen des Rekurses zur Ablehnung der Wiedereröffnung des geschlossenen Verfahrens und zur Durchführung der Parteienvernehmung im Rechtshilfewege betreffen demnach nur angebliche Verfahrensmängel, die in erster Instanz unterlaufen sein sollen. Diese angeblichen Mängel wurden bereits mit der Berufung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat sie verneint. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können, von hier nicht interessierenden Ausnahmefällen abgesehen, in dem gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rechtsmittel nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (EvBl 1965/188, EvBl 1959/71, SZ 27/4 ua). Demnach ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf die Ausführungen des Rekurses bezüglich der unterlassenen Wiedereröffnung des Verfahrens und der angeblichen Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes weiter einzugehen.
Rechtlich ist davon auszugehen, daß nach Art. 11 A I Z 2 e AKIB die Vollkaskoversicherung Beschädigungen durch Unfall, d.h. durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, umfaßt; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden fallen daher nicht unter den Versicherungsschutz. Die Kaskoversicherung ist eine vertragliche Transportversicherung (Prölß-Martin 20, 828; Stiefel-Wussow-Hofmann, Kfz.Vers.9, 504). Ein Versicherungsschutz kann daher im allgemeinen nach den Bestimmungen der §§ 61 und 130 VersVG nur bei schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer selbst ausgeschlossen sein. § 1313 a ABGB ist im Verhältnis zwischen einer Hilfskraft und dem Versicherungsnehmer nicht anwendbar (SZ 22/54, ZVR 1964/42 ua). Fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einen Beauftragten des Versicherungsnehmers kann die Leistungsfreiheit des Versicherers daher nicht zur Folge haben (ZVR 1964/42, ZVR 1963/275 ua). Es ist demnach unerheblich, ob der Schaden durch Personen, die für das Abschleppunternehmen tätig waren, oder durch den vom Kläger beschäftigten Lenker des Sattelschleppers verschuldet wurde, weil in beiden Fällen das Verschulden dieser Personen Leistungsfreiheit der Beklagten nicht bewirken würde.
Wenn die Beklagte ihre Haftung mit der Behauptung verneint, der Schaden sei nur allmählich eingetreten, ist sie darauf zu verweisen, daß nach Art. 11 A I Z 2 e AKIB nicht der Schaden plötzlich entstanden sein, sondern das von außen einwirkende Ereignis plötzlich eingewirkt haben muß (EvBl 1965/167). Das erste Auffahren des Sattelschleppers anerkennt die Beklagte selbst als Unfall. Wenn daher die weiteren Schäden auf diesen Unfall zurückgehen, sind sie auch dann Unfallschäden, für deren Ersatz die Beklagte aufzukommen hätte, wenn sie erst allmählich entstanden sein sollten.
Was nun die Abgrenzung zwischen Betriebsschäden und Unfallschäden anlangt, ist davon auszugehen, daß ein Betriebsschaden dann vorliegt, wenn der Schaden durch eine Einwirkung entstanden ist, der ein Kraftfahrzeug gewöhnlich ausgesetzt ist und die es ohne weiteres überstehen muß (ZVR 1974/60, ZVR 1969/324, ZVR 1966/36 ua). Wird ein Kraftfahrzeug durch einen Unfall derart beschädigt, daß allmählich Öl ausrinnt, so ist der dadurch verursachte Motorschaden ein Unfallschaden im Sinne des Art. 11 A I Z 2 e AKIB (EvBl 1965/167). Die adäquate Kausalität des Unfalles für den Motor- und Kolbenschaden ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes anzunehmen, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden nicht nur dann anzunehmen ist, wenn das Ereignis den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht hat, sondern vielmehr auch dann, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden hinzugetreten ist und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erwartung steht. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich ist (JBl 1966, N 619, ZVR 1969/142 ua). Nur bei Eintritt eines Erfolges, der für die Herbeiführung des Schadens als völlig ungeeignet erscheint und der nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen eingetreten ist, muß der Kausalzusammenhang verneint werden (8 Ob 19/76, 5 Ob 87/75 ua). Daß beim Abschleppen eines durch einen Unfall manövrierunfähig gewordenen Fahrzeuges durch Unachtsamkeit weitere Schäden entstehen können, ist keineswegs außergewöhnlich. Wenn auch das Übersehen eines eingelegten Ganges und der nicht herausgenommenen Steckachse sicher als nicht geringe Fehlleistung anzusehen ist, ist diese doch noch nicht so außergewöhnlich, daß sie den Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den durch das Übersehen hinzugetretenen Schaden unterbrechen würde.
Bezüglich der weiteren Schäden muß nicht mehr untersucht werden, ob sie noch in einem Kausalzusammenhang zu dem Auffahrunfall stehen, weil der Kläger die Abweisung seines auf 20.000,-- S gerichteten Begehrens durch das Erstgericht unbekämpft gelassen hat. Stünden die weiteren Schäden nicht in einem kausalen Zusammenhang zu dem ersten Unfall, müßte das Aufprallen auf das Abschleppfahrzeug als ein weiteres, durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, sohin als weiterer Unfall, angesehen werden. Daß es sich hiebei nach den oben aufgezeigten Grundsätzen nicht um einen Betriebsschaden handeln kann, ist selbstverständlich, weil das Abschleppen eines Kraftfahrzeuges nicht eine Einwirkung darstellt, der es gewöhnlich ausgesetzt ist. Demnach hat die Beklagte auch für diese Schäden auf zukommen.
Dem Rekurs der Beklagten war daher ebenfalls der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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