OGH 7Ob42/76

OGH7Ob42/7626.8.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Flick, Dr. Stix und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, Orientteppichhändler, *, vertreten durch Dr. Karl Feichtenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*-AG, *, vertreten durch Dr. Dkfm. Kurt Sailer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen 165.490,‑‑ S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. April 1976, GZ 1 R 51/76‑15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried/Innkreis vom 30. Dezember 1975, GZ 1 a Cg 210/75‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. ) den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00042.76.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen;

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird im übrigen nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 6.119,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920,‑‑ S Barauslagen und 311,04 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt den Zuspruch von 165.490,‑‑ S samt Anhang mit der Begründung, er habe am 16. Juni 1975 bei der Beklagten die Versicherung seines Geschäftslokales gegen Einbruch beantragt. Die Beklagte habe diesen Antrag angenommen, ihr Vertreter habe auch eine vorläufige Deckungszusage gemacht. Am 16. Juli 1975 sei in das Lokal eingebrochen und hiebei ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages verursacht worden. Die Klägerin habe jedoch mit Brief vom 30. Juli 1975 den Antrag auf Abschluß einer Versicherung abgelehnt. Abgesehen davon, daß diese Ablehnung der vorläufigen Deckungszusage widerspreche, verstoße es gegen Treu und Glauben und gegen die guten Sitten, daß die Ablehnung nicht in angemessener Zeit erfolgte. Aus diesem Grunde sei die Klägerin einerseits auf Grund der vorläufigen Deckungszusage und andererseits aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung verpflichtet.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, bestritt die behauptete Deckungszusage und wendete ein, die Ablehnung der Versicherung sei innerhalb jener Dreimonatefrist erfolgt, die im Antrag als Überlegungsfrist angeführt sei. Im übrigen sei dem Kläger am 4. Juli 1975 vom Vertreter der Beklagten mitgeteilt worden, daß die Beklagte seinen Antrag nur annehmen werde, wenn der Kläger alle seine Versicherungen bei ihr abschließe. Dies habe der Kläger jedoch abgelehnt, weshalb ihm bereits zu diesem Zeitpunkt die Ablehnung klar sein hätte müssen.

Beide Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab. Hiebei gingen sie von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Der Kläger eröffnete im Sommer 1975 in S* ein Teppichgeschäft. Er wollte sich gegen Diebstahl und Beraubung versichern lassen und begab sich am 16. Juni 1975 zu diesem Zweck zum Leiter der Geschäftsstelle der Beklagten in S*, * St*. Dieser füllte ein Formular über einen Versicherungsantrag aus, das der Kläger nach Kenntnis seines Inhaltes unterschrieb. St* bedeutete damals dem Kläger, nach seiner Erfahrung könne mit der Zusendung der Polizze innerhalb von 2 - 3 Wochen gerechnet werden. Im Vordruck des Antrages war enthalten, daß der Antragsteller drei Monate lang an seinen Antrag gebunden sei, weiter, daß die Abgabe einer vorläufigen Deckungszusage einem Versicherungsvertreter nicht gestattet und daher ohne rechtliche Wirkung sei. Dieser Antrag wurde von St* sofort der Landesdirektion der Beklagten in L* und von dieser der Generaldirektion in Wien vorgelegt. Die Generaldirektion teilte der Filialdirektion L* mit Schreiben vom 24. Juni 1975 mit, daß der Versicherungsantrag nicht angenommen werden könne, wenn sich der Kläger nicht bereit finde, zusätzliche Sachversicherungen bei der Beklagten abzuschließen. Dies wurde dem Kläger am 4. Juli 1975 von St* bekanntgegeben. Obwohl St* dem Kläger das Schreiben der Generaldirektion der Beklagten zeigte, lehnte der Kläger wegen der hohen Kosten den Abschluß weiterer Versicherungsverträge ab.

Am 16. Juli 1975 wurde im Geschäft des Klägers eingebrochen, wobei Ware in der Höhe des Klagsbetrages gestohlen wurde. Von diesem Einbruch erhielt auch die Beklagte Kenntnis. Mit Schreiben vom 28. Juli 1975 wurde der Kläger von der Beklagten ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt, daß der Versicherungsantrag vom 16. Juni 1975 nicht angenommen werde.

Rechtlich gingen beide Unterinstanzen davon aus, daß eine vorläufige Deckungszusage nicht erteilt worden sei. Die Klägerin habe nach dem Versicherungsantrag eine dreimonatige Überlegungsfrist gehabt. Da die Ablehnung innerhalb dieser Frist erfolgt sei, könne nicht vom Zustandekommen eines Versicherungsvertrages ausgegangen werden. Demnach könne der Kläger aus einem solchen Vertrag keine Ansprüche ableiten. Im übrigen könne der Beklagten auch kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden, weil ihr eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden müsse. Bereits am 4. Juli 1975 habe dem Kläger klar sein müssen, daß die Beklagte nicht bereit sein werde, den Antrag in der vorliegenden Form anzunehmen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Es werden die Revisionsgründe des § 503 Z 1, 2 und 4 ZPO geltend gemacht. Der Kläger beantragt die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und die Zurückverweisung der Rechtssache an eines der beiden Untergerichte, hilfsweise Abänderung dahin, daß seinem Begehren stattgegeben wird.

Die Beklagte stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Was den Revisionsgrund nach § 503 Z 1 ZPO anlangt, so behauptet der Kläger hier lediglich eine angeblich im Verfahren 1. Instanz unterlaufene Nichtigkeit. Nichtigkeiten, die in erster Instanz unterlaufen sind, können in der Revision nicht geltend gemacht werden (RZ 1968, 108, EvBl 1957/145 u.a.). Im übrigen wäre der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nur bei völligem Ausschluß von der Verhandlung gegeben (Fasching IV, 128). Die Unterlassung der Parteienvernehmung ist kein Ausschluß von der Verhandlung und kann für sich allein daher keinesfalls eine Nichtigkeit begründen.

Die Revision war daher, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, gemäß den §§ 513 und 473 Abs 1 ZPO zu verwerfen.

Beide Untergerichte haben die Unterlassung der Parteienvernehmung des Klägers auch damit begründet, daß der Sachverhalt durch die aufgenommenen Beweise hinreichend geklärt sei. Gemäß § 371 Abs 2 ZPO darf die Parteienvernehmung nur durchgeführt werden, wenn der Beweis durch die anderen aufgenommenen Beweismittel nicht hergestellt ist. Die Beantwortung der Frage, ob dies der Fall ist, fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung. Wenn daher die Parteienvernehmung im Hinblick auf § 371 Abs 2 ZPO abgelehnt wird, ist das ein Akt der Beweiswürdigung, der nicht revisibel ist (Fasching III, 519, RZ 1966, 165).

Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO ist daher ebenfalls nicht gegeben.

Bei der Ausführung der Rechtsrüge entfernt sich der Kläger weitgehend von den Feststellungen der Untergerichte. In diesem Umfang ist daher die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Untergerichte haben eine vorläufige Deckungszusage durch den Vertreter der Beklagten nicht festgestellt. Aus diesem Grunde muß nicht auf die Frage eingegangen werden, welche Wirkung dem Hinweis auf dem Antragsformular zukäme, wenn der Vertreter im Widerspruch zu diesem Hinweis eine Deckungszusage gemacht hätte.

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat die Beklagte ihrem Vertreter mitgeteilt, sie werde den Antrag des Klägers nicht annehmen, wenn dieser nicht weitere Versicherungen bei ihr abschließt. Dies hat der Vertreter dem Kläger am 4. Juli 1975 bekanntgegeben. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß dem Kläger an dem genannten Tag eine Mitteilung gemacht wurde, die Zweifel bei ihm gerechtfertigt hätte. Vielmehr lautete diese Mitteilung eindeutig dahin, die Beklagte werde den Antrag nur annehmen, wenn der Kläger weitere Versicherungen abschließt. Dies hat der Kläger abgelehnt. Er konnte daher keinen Zweifel mehr daran haben, daß sein Antrag nicht angenommen werde. Der vom Kläger behauptete Schwebezustand war nach den Feststellungen sohin am 4. Juli 1975 beendet.

Inwieweit § 862 ABGB für den Standpunkt des Klägers sprechen sollte, ist überhaupt unerfindlich, weil die Folge der Nichtäußerung zu einem Vertragsanbot nach dieser Bestimmung nicht als Annahme gilt, sondern das Erlöschen des Antrages bewirkt. § 5 VersVG ist eine Sonderbestimmung, die einen gänzlich anderes gelagerten Fall zum Gegenstand hat, weshalb der Kläger aus ihr nichts für sich ableiten kann.

Daß eine Überlegungsfrist der Beklagten bis 4. Juli 1975 unvertretbar gewesen wäre, behauptet nicht einmal der Kläger. Diesbezüglich kann im übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Es ergibt sich sohin, daß mangels Zustandekommens eines Versicherungsvertrages zwischen den Streitteilen der Kläger aus einem solchen Vertrag keinen Anspruch ableiten kann. Da die Feststellungen auch kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten ergeben haben, entbehrt die Forderung des Klägers auch aus dem Titel des Schadenersatzes jeglicher Grundlage. Wieso die Beklagte durch ihr Verhalten gegen die guten Sitten verstoßen hätte, ist unverständlich.

Auch dar Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO liegt daher nicht vor, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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