OGH 5Ob643/76

OGH5Ob643/7629.7.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger, Dr. Petrasch Dr. Kuderna und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Z*Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Franz Furler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J* S*, Handelsvertreter, *, vertreten durch Dr. Frank Herold, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.300,— samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Mai 1976, GZ 1 R 65/76‑24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28. Jänner 1976, GZ 38 Cg 164/75‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00643.76.0729.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.699,52 (einschließlich S 155,52 Umsatzsteuer und S 600,— Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 3 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Ende 1969 vereinbarten die Streitteile, daß der Beklagte gemeinsam mit Dipl.‑Ing. R* der Klägerin einen Auftrag zur Errichtung einer Klimaanlage für die tschechoslowakische Staatsbank in Preßburg vermitteln soll. Der Beklagte sollte dafür eine Provision von 20 % der Auftragssumme erhalten, die mit dem Eingang der Zahlungen des Auftraggebers in Wien fällig wird. Die Klägerin legte der tschechoslowakischen Staatsbank ein entsprechendes Anbot und diese teilte auf Grund der Bemühungen des Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 28. 5. 1969 mit:

„Auf mehrere eingegangene Angebote von ausländischen Firmen haben wir uns eine Expertise machen lassen.

Wir haben uns für ihr Angebot entschieden.

Da es im Rahmen dieser Expertise mehrere Bemerkungen zu einigen Teilen ihres Angebots einschließlich der Preisproblematik gab, werden diese Probleme nach der Verarbeitung ihrer Projektdokumentation gelöst werden.“

Nach dieser Mitteilung wurde der Beklagte für die Klägerin nicht mehr tätig. Er betrachtete den Vertragsschluß als perfekt. Der Beklagte hat über sein Ersuchen von der Klägerin Provisionsvorschüsse im Betrag von insgesamt S 71.300,— erhalten und zur Besicherung der Klägerin in dieser Höhe mehrere Wechsel (vom 26. 6. 1968, 13. 6. 1969, 4. 7. 1969 und 26. 9. 1969) übereignet, die von ihm akzeptiert worden sind. Ein Vertrag zwischen der Klägerin und der tschechoslowakischen Staatsbank ist in der Folge nicht errichtet worden.

Die Klägerin hat auf Grund der ihr vom Beklagten übereigneten Wechsel beim Erstgericht einen Wechselzahlungsauftrag gegen ihn über S 71.300,— samt 6 % Zinsen seit 14. 5. 1972 und S 2.622,70 Prozeßkosten erwirkt.

In seinen Einwendungen dagegen brachte der Beklagte im wesentlichen vor, daß das von ihm vermittelte Geschäft zwischen der Klägerin und tschechoslowakischen Staatsbank zustande gekommen sei und ihm daraus gegen die Klägerin ein Provisionsanspruch von mindestens US-Dollar 25.000,— zustehe, den er aufrechnungsweise als Gegenforderung geltend mache. Der von der Klägerin geltend gemachte Betrag sollte vereinbarungsgemäß nur dann zurückzuzahlen sein, wenn das von ihm vermittelte Geschäft nicht zustandekomme oder ein Abschluß ohne Verschulden der Klägerin unterbleibe.

Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Einwendungen bestritten.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung zu Recht und die Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht bestehe; es erklärte den Wechselzahlungsauftrag zur Gänze als aufrecht.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten gegen die Entscheidung des Erstgerichtes nicht Folge.

Zu der im Revisionsverfahren nur mehr beachtlichen rechtlichen Beurteilung des Streitfalles führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:

Die Frage, ob auf Grund des Anbotes der österreichischen Klägerin und des Schreibens der tschechoslowakischen Staatsbank an diese vom 28. 5. 1969 ein Vertrag zustande gekommen sei, müsse zufolge der nach dem österreischischen Kollisionsrecht geltenden Empfangstheorie nach dem Recht des Ortes beantwortet werden, an dem die Klägerin ihren Sitz habe, denn sie sei die Offerentin gewesen. Nach österreichischem Recht sei aber ein Vertrag nicht zustande gekommen, weil das Antwortschreiben der tschechoslowakischen Staatsbank mangels vorbehaltloser und vollkommener Annahme des Offerts der Klägerin nicht als Annahmeerklärung anzusehen sei. Vielmehr handle es sich bei diesem Schreiben lediglich um die Mitteilung, daß das Angebot der Klägerin eine Diskussionsgrundlage für weitere Besprechungen und Verhandlungen bilden solle. Ein Vertrag sei jedoch in der Folge nicht zustande gekommen, so daß dem Beklagten keine Provision zustehe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Unterinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend den Streitfall nach österreichischem Sachrecht beurteilt. Die Offerte der österreichischen Klägerin wurden der tschechoslowakischen Interessentin über die Staatsgrenzen hinweg zugesandt. Die das österreichische Kollisionsrecht beherrschende Empfangs- oder Zugangstheorie (Koziol-Welser, Grundriß3 I, 82; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 68; Walker, Verdroß-Droßberg, Satter ebendort I/1, 239; Gschwind, Handbuch 307; SZ 43/171; JBl 1974, 97 f. u.a.) gebietet, das Zustandekommen eines Vertrages nach dem Sachrecht des Ortes zu beurteilen, an dem der Offerent seine Niederlassung bzw. seinen Sitz hat. Im vorliegenden Fall hat die offerierende Gesellschaft m.b.H., also die Klägerin, ihren Sitz in Wien. Nach dem deshalb anzuwendenden österreichischen Vertragsrecht setzt das Zustandekommen eines Vertrages voraus, daß die Vertragsofferte vom Empfänger vorbehaltlos und vollkommen angenommen wird, daß also der Inhalt der Offerte vom Offerenten und von ihrem Empfänger übereinstimmend zur rechtsgeschäftlichen Norm erhoben wird (Koziol-Welser a.a.O., 80). Davon kann, wie das Berufungsgericht mit Recht geschlossen hat, im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, denn die Erklärung der Empfängerin der Offerte, daß sie sich für das Anbot entschieden habe, wird durch die gleichzeitige Mitteilung, es müßten einige Teile des Angebots einschließlich des Preises noch einer Problemlösung zugeführt werden, ihrer Bestimmtheit entkleidet. Das Antwortschreiben der tschechoslowakischen Empfängerin der Offerte kann nur dahin verstanden werden, daß sie Interesse an einem Vertragsabschluß mit der Klägerin habe und daß sie die Offerte mit einigen Ausnahmen, zu denen der Preis gehöre, als Verhandlungsgrundlage ansehen wolle.

Da, wie die Unterinstanzen richtig erkannt haben, ein Vertrag zwischen der Klägerin und der tschechoslowakischen Verhandlungspartnerin nicht zustande gekommen ist, konnte auch der Provisionsanspruch des Beklagten nicht entstehen. Er ist deshalb verpflichtet, die empfangenen Provisionsvorschußbeträge der Klägerin zurückzubezahlen.

Aus den dargelegten Erwägungen kann seine Revision keinen Erfolg haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 und 555 ZPO.

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