OGH 4Ob61/76

OGH4Ob61/7613.7.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Kuderna, sowie die Beisitzer Dipl.‑Ing. Otto Beer und Dr. Friedrich Neuwirth als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* Ö*, Angestellte, *, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma W* & Co. KG. *, vertreten durch Dr. Günther Schön, Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, Sektion Handel, *, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 35.577,– brutto samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 26. Februar 1976, GZ 44 Cg 32/76‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 16. Oktober 1975, GZ 3 Cr 1270/74‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00061.76.0713.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.474,— bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind S 108,— an Umsatzsteuer und S 16,— an Barauslagen enthalten) sowie die mit S 1.849, 60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 100,— an Barauslagen und S 129,60 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit der Behauptung, von der beklagten Partei am 7. 11. 1974 ungerechtfertigt entlassen worden zu sein begehrt die Klägerin vorerst die Zahlung eines sich daraus ergebenden Entschädigungsbetrages von S 35.577,– brutto samt Anhang.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und behauptete, die Entlassung sei gerechtfertigt erfolgt. Die Klägerin habe nie die Dienstzeit eingehalten, sei am Morgen öfters verspätet zum Dienst erschienen, habe während der Dienstzeit das Kaffeehaus besucht und die Mittagspause überzogen, bis ihr endlich Mitte September 1974 die Entlassung angedroht worden sei. Am 10. 10. 1974 sei sie statt um 8.00 Uhr erst um 9.15 Uhr zur Arbeit erschienen. Am 6. 11. 1974 habe sie den Auftrag erhalten, am 7. 11. 1974 die Auslagendekoration in dem in der N*gasse befindlichen Geschäftslokal der beklagten Partei zu erneuern und anschließend die gleiche Arbeit in der S*gasse zu verrichten. Auf dem Weg in das letztgenannte Geschäftslokal habe sie im Kaufhaus H* neue Textilmuster abgeben sollen. Dann hätte sie wieder in das Büro und Großhandelslager der beklagten Partei in der G*gasse kommen sollen. Nachdem die Klägerin in der N*gasse die Auslagenarbeiten beendet gehabt hätte, habe sie sich in das genannte Kaufhaus begeben und sei anschließend um etwa 11.15 Uhr in der S*gasse eingetroffen. Dort habe sie nur einen Rock in die Auslage gegeben und habe der Verkäuferin H* N* gegenüber erklärt, die Auslage sei ohnehin in Ordnung, sie sehe nicht ein, warum sie diese umgestalten solle, wo doch ohnehin in 14 Tagen die Weihnachtsdekoration vorzunehmen sei. Sie fügte bei, wenn der Chef nachfragen sollte, so werde sie sagen, sie habe das Lager geschlichtet. Um 13.00 Uhr habe die Klägerin das in der S*gasse befindliche Geschäft verlassen und sei um 14.45 Uhr in der G*gasse angekommen, wo sie bis 17.00 Uhr gearbeitet habe. Als der Beklagte am nächsten Tag die Auslagen kontrolliert habe, habe er festgestellt, daß seine Anordnungen nicht befolgt worden seien. Die Klägerin habe seine Frage, ob sie seine Anweisungen befolgt habe, trotzdem bejaht und habe die weitere Frage, ob etwas Besonderes vorgefallen sei, verneint. Als sie daraufhin vom Beklagten mit dem Hinweis zur Rede gestellt worden sei, sie habe in der S*gasse nichts gemacht, sei sie dabei geblieben, alle Anweisungen befolgt zu haben. Der Beklagte habe sie daraufhin entlassen. Erst nach diesem Zeitpunkt habe er erfahren, daß die Klägerin im Oktober 1974 geäußert habe, das Geschäft in der W*straße gehe schlecht, man solle dort nichts einkaufen, die Bedienung sei schlecht, sie hoffe, dort wieder als Verkäuferin angestellt zu werden.

Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und brachte unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung (Beilage ./B) ergänzend vor, am 7. 11. 1974 die in der Bestätigung angeführten Mensesbeschwerden gehabt zu haben.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Es legte seiner Entscheidung folgende wesentliche Feststellungen zugrunde:

Die Klägerin war seit März 1971 als Verkäuferin und Auslagenarrangeurin im Unternehmen des Beklagten, und zwar zuerst in dem in der W*straße, dann in dem in der N*gasse befindlichen Geschäftslokal und zuletzt in dem in der G*gasse befindlichen Großhandelsgeschäft und Büro beschäftigt. Neben diesen Tätigkeiten hat sie Auslagen der beklagten Partei arrangiert.

Nach dem Sommer 1974 kam sie im Falle von Straßenbahnstörungen öfters am Morgen zu spät zur Arbeit. Am 10. 10. 1974 erschien sie statt um 8.00 Uhr erst um 9.00 Uhr, hat dann allerdings bis um 22.00 Uhr, das sind insgesamt 13 Stunden, gearbeitet. Am 11. 10. 1974 durfte sie statt um 15.30 Uhr schon um 13.00 Uhr die Arbeit verlassen. Sie hat auch als Auslagenarrangeurin ihre von 9.00 Uhr bis etwa 15.30 Uhr währende Dienstzeit nicht ganz genau genommen. Sie hat mitunter kleinere oder größere Pausen gemacht und hat sich in dieser Zeit im Kaffeehaus oder in einer Tabaktrafik aufgehalten. Sie hat allerdings ihre Dienstzeit von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr (am Freitag von 9.00 Uhr bis 15.30 Uhr) auch insofern nicht genau eingehalten, als sie bis um 18.00 Uhr arbeitete. Für die von ihr aufgeschriebenen Überstunden hat sie kein Entgelt erhalten. Sie hat sich dadurch schadlos gehalten, daß sie während der Arbeitszeit öfters Pausen einschaltete. Die beklagte Partei hat bezüglich des verspäteten Arbeitsantrittes der Klägerin keine Konsequenzen gezogen, hat ihr aber immer vorgehalten, sie solle sich zusammenreißen, die beklagte Partei könne sonst nicht mehr mit ihr weiterarbeiten.

Am 6. 11. 1974 erhielt die Beklagte (richtig die Klägerin) den Auftrag, die Auslagen der Geschäfte N*gasse und S*gasse zum Teil zu arrangieren, und zwar in der Weise, daß neu angekommene Ware ausgestellt werden sollte. Die Klägerin war an diesen Auftrag gebunden, doch hatte sie hinsichtlich des Arrangements freie Hand. Am 7. 11. 1974 erschien sie um 8.00 Uhr in der G* und fuhr dann in die Filiale N*, wo sie die Auslage auftragsgemäß arrangierte. Von dort fuhr sie mit zwei größeren Paketen, die für das Kaufhaus H* bestimmt waren, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel in die Filiale S*gasse, wo sie um etwa 11.15 Uhr eintraf. Sie beschloß, nur einen Rock und ein Tuch in die Auslage zu geben, weil schon 14 Tage später die Weihnachtsauslage zu arrangieren war und weil sie plötzlich unwohl wurde und ihre Wäsche auswaschen mußte. Sie wurde offenbar dadurch an der ordnungsgemäßen Durchführung des ihr aufgetragenen Arrangements verhindert. Sie ist dann gegen 12.45 oder 13.00 Uhr mit den beiden Paketen zum Kaufhaus H* gefahren, hat dort die Pakete abgegeben – hiezu brauchte sie 10 bis 20 Minuten – und ist dann in die G*gasse zurückgefahren. Vorher hatte sie noch eine kurze Mittagspause gemacht, die sie nach ihrem Belieben nehmen durfte. Nachdem sie um 14.45 Uhr in der G*gasse eingelangt war, arbeitete sie bis 16.30 Uhr weiter. Am nächsten Tag wurde sie von W* N*, nachdem dieser die Auslagen beider Geschäfte kontrolliert hatte, gefragt, ob sie alles gemacht habe. Sie bejahte diese Frage, ohne ihr Unwohlsein zu erwähnen. Der Chef hielt ihr darauf vor, sie habe nicht alles gemacht und sprach die Entlassung aus, ohne daß sich die Klägerin in eine Debatte einließ.

Eine üble Nachrede der Klägerin in bezug auf ihre Arbeitskollegin B* F* ist nicht erwiesen. Die Klägerin hat alte Leute nicht als Kunden aus dem Geschäft geekelt. Sie war aber der Ansicht, daß junge Leute mehr kaufen als alte.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die nicht vollständige Ausführung des der Klägerin bezüglich des Auslagenarrangements in der S*gasse erteilten Auftrages werde durch den Eintritt der Monatsregel entschuldigt. Eine Vertrauensverwirkung sei nicht eingetreten, zumal die Unpünktlichkeiten der Klägerin stillschweigend geduldet worden seien.

In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wandte die beklagte Partei in eventu ein Mitverschulden der Klägerin an der Entlassung gemäß dem § 32 AngG ein, weil sie nicht mitgeteilt habe, aus Gesundheitsgründen an der Nichtbefolgung des Auftrages gehindert gewesen zu sein. Primär wurde eine solche Verhinderung jedoch weiterhin von der beklagten Partei bestritten.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es führte das Beweisverfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG neu durch und gelangte mit der Maßgabe zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht, daß es dessen Feststellung, die Klägerin habe nur deshalb einen Rock und ein Tuch in die Auslage des in der S*gasse befindlichen Geschäfts gegeben, weil sie plötzlich unwohl geworden sei und ihre Wäsche auswaschen habe müssen und weil sie offenbar dadurch an der ordnungsgemäßen Durchführung des ihr aufgetragenen Arrangements verhindert worden sei, nicht übernahm.

Das Berufungsgericht traf noch folgende zusätzliche Feststellungen:

Nachdem die Klägerin am 7. 11. 1974 um etwa 11.15 Uhr in den Filialbetrieb S*gasse gekommen war, nahm sie zunächst ihre Jause ein. Auf die Aufforderung der H* N*, die Klägerin solle doch endlich „was in der Auslage machen“, entgegnete sie, daß in 14 Tagen ohnehin die Weihnachtsauslage zu richten sei, sie habe keine richtige Lust dazu. Über Vorhalt, daß dann der Chef wieder sehr böse sein werde und vor allem sie selbst, H* N*, dies zu hören bekommen werde, tauschte die Klägerin einen Rock aus. Sie sagte dann zu H* N*, wenn diese einverstanden wäre, würde sie dem Chef sagen, sie (die Klägerin) hätte das Lager geschlichtet. H* N* gab hiezu nicht ihr Einverständnis.

Diesen Sachverhalt unterstellte das Berufungsgericht dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG und erblickte in der Nichtbefolgung des die Filiale S*gasse betreffenden Auftrages, ferner in der wahrheitswidrigen Bejahung der Frage des Geschäftsführers der beklagten Partei, W* N*, ob sie die Auslagen auftragsgemäß arrangiert habe, sowie schließlich in dem Versuch, H* N* zu unrichtigen Angaben dem Arbeitgeber gegenüber zu verleiten, Handlungen der Klägerin, die diese des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen ließen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Bei der Beurteilung der streitentscheidenden Frage, ob die von der beklagten Partei ausgesprochene Entlassung der Klägerin gerechtfertigt ist, muß von dem Entlassungsgrund ausgegangen werden, der den unmittelbaren Anlaß zur Entlassung gebildet hat. Dies ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der mit dem Auslagenarrangement S*gasse in Zusammenhang stehende Sachverhalt. Dieser besteht in der nur unvollständigen Befolgung der vom Komplementär der beklagten Partei, W* N*, über diese Arbeit der Klägerin erteilten Anordnungen. Dieser Sachverhalt ist aber entgegen der Meinung der Untergerichte nicht dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG (Begehung einer Vertrauensunwürdigkeit bewirkenden Handlung), sondern dem zweiten Tatbestand des § 27 Z 4 AngG, wie im Entlassungsschreiben Beilage ./3 an sich richtig angeführt wurde, zu unterstellen. Nach diesem Tatbestand kann ein Arbeitnehmer entlassen werden, der sich beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Dieser Tatbestand umfasst zwei Modifikationen: Im ersten Fall verweigert der Angestellte die Erfüllung einer sich aus dem Dienstvertrag oder einer anderen maßgebenden Norm (Betriebsvereinbarung, Kollektivvertrag, Gesetz) bzw. die Erfüllung einer sich aus dem Ortsgebrauch oder aus den angemessenen Diensten ergebenden Verpflichtung. Im zweiten Fall lehnt er die Befolgung einer vom Dienstgeber in Ausübung dessen Direktionsrechtes getroffenen Anordnung ab. Nur jene Pflichtenvernachlässigungen, die diesem Entlassungstatbestand nicht unterstellt werden können, fallen unter der Voraussetzung der Vertrauensverwirkung unter den dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG (Kuderna, Entlassungsrecht, 94).

Beide Modifikationen der oben näher umschriebenen Dienstverweigerung müssen jedoch, um tatbestandsmäßig zu sein, beharrlich erfolgt sein. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw. der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen. Daraus folgt, daß sich die Verweigerung entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein muß, daß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann. Die beharrliche Dienstverweigerung setzt daher im erstgenannten Fall eine vorangegangene Ermahnung oder eine wiederholte Aufforderung, die Dienste zu leisten, bzw. die Anordnung zu befolgen, voraus. Dazu ist nicht der Gebrauch bestimmter Worte und ebensowenig die Androhung der Entlassung erforderlich. Es genügt, daß der Angestellte auf die Dienstverweigerung hingewiesen und in einer dem Ernst der Lage angepassten Weise zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert wird. Erst die Weigerung trotz Ermahnung begründet das Merkmal der Beharrlichkeit. Nur auf diese Weise kann die Möglichkeit eines Mißverständnisses, eines Irrtums oder eines Vergessens weitgehend ausgeschaltet werden (Kuderna a.a.O. 95, 72 und die dort zitierte Literatur; Martinek-Schwarz, AngG2, 432; Arb 8.785, 7.693, 5.908 u.a.).

Diese Voraussetzungen treffen aber im Gegenstand nicht zu. Eine Ermahnung oder eine wiederholte Anordnung wurde weder von der beklagten Partei behauptet noch vom Berufungsgericht festgestellt. Auch aus dem Beweisverfahren ergibt sich kein Anhaltspunkt in dieser Richtung. Nach den Feststellungen ist die Dienstverweigerung der Klägerin aber auch keineswegs von derart schwerwiegender Art, daß sie für sich allein schon einen begründeten Schluß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung der Klägerin gestattet. Der ihr vom Komplementär der beklagten Partei erteilte Auftrag umfaßte das teilweise Arrangement der Auslagen zweier Filialgeschäfte und den Transport zweier Pakete in das Kaufhaus H*. Diesen Auftrag hat sie hinsichtlich der Filiale N*gasse und der beiden Pakete ordnungsgemäß erfüllt. (Die Frage, ob sie die Pakete auf dem Weg in die S*gasse abgegeben hat oder auf dem Rückweg, ist zumindest im vorliegenden Zusammenhang ohne entscheidende Bedeutung, zumal die beklagte Partei keinen Grund dafür behauptet hat, daß die Klägerin dies auf dem Hinweg hätte erledigen müssen.)

Hinsichtlich der S*gasse hat sie den Auftrag teilweise erfüllt, wobei im Zusammenhang mit der Prüfung der gestellten Frage nach der schwerwiegenden Bedeutung der Dienstverweigerung nicht unberücksichtigt bleiben kann, daß der Auftrag, die Auslage zum Teil zu arrangieren, Zweifel über den Umfang der aufgetragenen Arbeit jedenfalls nicht ausgeschlossen hat. Gerade diese Ungenauigkeit des Auftrages, ferner die kurz bevorstehenden Arbeiten an der Weihnachtsdekoration und das pflichtgemäße Verhalten der Klägerin hinsichtlich des übrigen Teiles des erhaltenen Auftrages erforderte eine neuerliche, deutlichere Anordnung und gegebenenfalls eine Ermahnung der Klägerin. Der vorliegende Fall ist daher ein besonders anschauliches Beispiel für die Notwendigkeit einer solchen Ermahnung.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin der in der S*gasse tätigen Verkäuferin (es ist die geschiedene Ehegattin des Komplementärs der beklagten Partei) gegenüber nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes erklärt hat, sie werde, das Einverständnis der Verkäuferin vorausgesetzt, dem Chef sagen, sie habe das Lager geschlichtet. Diese als Deckungshandlung anzusehende Erklärung bildet mit der teilweisen Nichtbefolgung des Auftrages eine Einheit und ist mit dieser daher gemeinsam zu beurteilen. Sie ist, für sich allein betrachtet, vor allem mit Rücksicht auf die nur teilweise Nichtbefolgung eines unklaren Auftrages und auf den Umstand, daß die Klägerin ihre Absicht nicht verwirklicht hat, auch keineswegs geeignet, das Vertrauen des Beklagten in die künftige getreuliche Pflichtenerfüllung zu verwirken. Das gleiche gilt für die vom Berufungsgericht für seine Auffassung mit herangezogene Bejahung der an die Klägerin gestellten Frage des W* N*, ob sie alles gemacht habe. Auch darin kommt lediglich die Absicht der Klägerin zum Ausdruck, eine teilweise Nichtbefolgung des Auftrages nicht einzugestehen. Ein selbständiger Entlassungsgrund kann darin aber nicht erblickt werden.

Zusammenfassend ist zu dem einheitlichen Entlassungsgrund der Dienstverweigerung zu sagen, daß dieser mangels Beharrlichkeit die Voraussetzungen des zweiten Tatbestandes des § 27 Z 4 AngG nicht erfüllt. Es erübrigt sich daher auf die Frage der von der Klägerin behaupteten Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen und auf die allein in diesem Zusammenhang unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgetragenen Rechtsmittelausführungen einzugehen.

Da jedoch dieser Entlassungsgrund für die Rechtfertigung der Entlassung ausscheidet, vermag die beklagte Partei die Entlassung auch auf die von ihr behauptete Unpünktlichkeit der Klägerin (erster Tatbestand des § 27 Z 4 AngG: pflichtwidriges Unterlassen der Dienstleistung) nicht mit Erfolg zu stützen. Das verspätete Erscheinen zum Dienst hatte nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichtes in Straßenbahnstörungen seinen Grund und kann der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der weiters geltend gemachte Vorfall vom 10. 10. 1974 (Zuspätkommen um eine Stunde), vermag die am 8. 11. 1974 ausgesprochene Entlassung allein schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil sie – die Dienstverweigerung scheidet mangels Tatbestandsmäßigkeit aus – nicht unverzüglich erfolgt ist (4 Ob 86/75; Arb 9.091, 8.318 u.v.a.; Adler-Höller in KlangV, 340; Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, 142; Martinek-Schwarz a.a.O., 372, 403 ff; Kuderna a.a.O., 15 ff.). Das gleiche gilt für die von der Klägerin eingeschalteten Pausen, die nach dem Vorbringen der beklagten Partei bis zu der Mitte September 1974 angeblich erfolgten Androhung der Entlassung von der Klägerin in Anspruch genommen und nach den Feststellungen durch nicht bezahlte Mehrarbeit ausgeglichen wurden. Die der beklagten Partei während des Verfahrens erst bekanntgewordene und von ihr nachträglich geltend gemachte üble Nachrede bezüglich der Arbeitskollegin B* F* wurde nicht als erwiesen angenommen, so daß sie gleichfalls für die Rechtfertigung der Entlassung nicht herangezogen werden kann. Das Erstgericht und ihm folgend das Berufungsgericht haben schließlich noch festgestellt, die Klägerin habe alte Leute nicht aus dem Geschäft geekelt, so daß die Entlassung auch auf diesen Sachverhalt nicht mit Erfolg gestützt werden kann. Da die Entlassung somit ungerechtfertigt ausgesprochen wurde, bestehen die von der Klägerin auf Grund der Bestimmung des § 29 AngG geltend gemachten, hinsichtlich der Höhe – nach einer Klagseinschränkung – nicht mehr bestrittenen Ansprüche zu Recht. Da der Grund für die mangelnde Tatbestandsmäßigkeit der Dienstverweigerung mit einer Gesundheitsstörung der Klägerin aus den dargelegten Gründen nicht im Zusammenhang steht, bleibt für die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin an der Entlassung im Sinne des § 32 AngG und des dazu von der beklagten Partei erstatteten Vorbringens kein Raum.

Der Revision war somit Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz abzuändern.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte