OGH 3Ob549/76

OGH3Ob549/766.7.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Dr. h.c. Otto Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 1.000.000,—, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Februar 1976, GZ 3 R 195/74‑24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 27. Oktober 1975, GZ 7 Cg 272/75‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00549.76.0706.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

 

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 974.738 und die mit S 56.606,08 (darin S 1.860 Barauslagen und S 4.055,26 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren der klagenden Partei nach Zahlung eines weiteren Betrages von S 25.262,– wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Kosten des Berufungsverfahrens von S 12.368,19 (darin S 200 Barauslagen und S 901,35 Umsatzsteuer) und die mit S 13.351,36 (darin S 2.400,– Barauslagen und S 811,21 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 1.000.000,— bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ * KG *. Sie brachte vor, der Beklagten Kredite gewährt zu haben, zu deren Sicherung auf dieser Liegenschaft der Kreditnehmerin Höchstbetragshypotheken von S 20.000.000,— und S 16.000.000,— verbüchert worden seien. Die Beklagte, über deren Vermögen am 30. 1. 1975 das Ausgleichsverfahren eröffnet worden sei, habe ihre Verpflichtungen nicht eingehalten. Die Klägerin mache ihr Absonderungsrecht vorerst nur mit einem Teilbetrag von S 1.000.000,— geltend.

Die Beklagte wendete ein, daß die Klägerin auf Grund einer Vereinbarung der Streitteile nicht berechtigt sei, den bis 30. 6. 1976 prolongierten Hypothekarkredit vor diesem Zeitpunkt ganz oder teilweise fällig zu stellen. Der eingeklagte Betrag sei durch nach Klagseinbringung eingegangene Zahlungen von mehr als S 1.000.000,— getilgt. Die Klagsforderung sei außerdem nicht fällig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte folgendes fest: Die Klägerin räumte der Beklagten am 29. 5. 1973 einen Barkredit von S 36.000.000,– mit einer Laufzeit bis 30. 6. 1975, bei bücherlicher Sicherstellung auf der Liegenschaft EZ * KG * ein. Es wurde ausdrücklich vereinbart, daß beiden Teilen unbeschadet der Terminisierung der Kreditlaufzeit das Recht zustehe, das Kreditverhältnis jederzeit zu lösen. Am 15. 7. 1974 prolongierte die Klägerin den Kredit unter den gleichen Bedingungen bis 30. 6. 1976. Sie bestätigte am 1. 10. 1974 auf Ersuchen des damaligen Vorstandsmitgliedes der Beklagten, Dr. H* K* schriftlich, daß die Absicht bestehe, den Kredit bis 30. 6. 1976 offenzuhalten, wenngleich beiden Teilen grundsätzlich das Recht zustehe, das Kreditverhältnis jederzeit auch zu einem früheren Zeitpunkt zu lösen. Die Klägerin verzichtete nie darauf, den Kredit vor dem 30. 6. 1966, richtig 30. 6. 1976, fällig zu stellen. Nach Punkt 36 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute in der Fassung vom 1. 7. 1971, welche Grundlage der Kreditgewährung waren, steht dem Kreditunternehmen nach freiem Ermessen das Recht zu, die Geschäftsverbindung mit sofortiger Wirkung aufzukündigen, insbesondere dann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Vermögens des Kunden oder eine erhebliche Vermögensgefährdung eintritt. Zwischen dem Hypothekarkredit und dem der Beklagten außerdem von der Klägerin gewährten Zessionskredit von S 10.000.000,— besteht kein Zusammenhang. Es war nie vereinbart oder vorgesehen worden, durch den Zessionskredit den Hypothekarkredit abzudecken. Der der Beklagten eingeräumte und von der Klägerin über das Konto * abgewickelte Hypothekarkredit von 36 Mill. Schilling haftete zum Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung mit S 29.322.454,38 und bei Klagseinbringung (1. 4. 1975) mit S 29.165.148,27 aus. Er erhöhte sich am 31. 3. 1975 um Zinsen und Spesenbelastungen von S 783.288,61 auf S 29.948.443,48. Die Beklagte widersprach den ihr übersendeten Kontoauszügen nicht.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß sich die Einwendungen der Beklagten als unrichtig erwiesen haben. Es zog aus den vorstehenden Feststellungen den Schluß, daß die Behauptung der Beklagten, auf das Konto über den Hypothekarkredit seit Klagseinbringung mehr als S 1.000.000,– einbezahlt zu haben als unrichtig widerlegt sei. Damit sei aber auch der an sich unberechtigte Einwand der Beklagten hinfällig, daß der seit Klagseinbringung eingegangene Betrag von S 1.000,000,– auf die eingeklagte Schuld als die drückendste anzurechnen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und meinte, daß auf dieser Sachverhaltsgrundlage auch die nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge unberechtigt sei. Die Klägerin sei sowohl auf Grund der getroffenen Vereinbarungen als auch im Hinblick auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute Österreichs berechtigt gewesen, einen Teil des eingeräumten Kredites fällig zu stellen, was sie mit der Einbringung der vorliegenden Klage getan habe.

Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes wird von der Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag angefochten, in Abänderung des angefochtenen Urteils das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Mit dem Vorbringen im Berufungsverfahren, daß der seit Klagserhebung „aus der Krediteinräumung vom 29. 5. 1973“ eingegangene Betrag von mehr als 1 Mill. Schilling gemäß § 1416 ABGB auf den eingeklagten Teil der Schuld als den beschwerlichsten anzurechnen sei, wurde die Rechtsrüge gesetzmäßig ausgeführt. Die Klägerin hatte nämlich im Verfahren erster Instanz ausdrücklich zugestanden, daß nach Klagseinbringung – 1. 4. 1975 – auf das Kreditkonto * insgesamt S 25.262,– eingegangen sind. Sie behauptete dazu jedoch, daß sich der Debetsaldo in Ansehung ihrer Absonderungsrechte nach Klagseinbringung durch Zinsen und Spesen für das erste Quartal 1975 weiter erhöht habe (AS 20, 21). Eine entsprechende Erhöhung des Debetsaldos der Beklagten mit 31. 3. 1975 (allerdings nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung) stellte das Erstgericht auch fest. Das Berufungsgericht hatte daher davon auszugehen, daß nach Klagserhebung auf die eingeklagte Schuld der Beklagten S 25.262,– bezahlt wurden. Da es sich bei der Anrechnung dieser Zahlung auf die Schuld der Beklagten um eine Rechtsfrage handelt, ist die Rechtsrüge der Berufung in diesem Belange gesetzmäßig ausgeführt. Es war daher vom Berufungsgericht eine allseitige rechtliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteiles vorzunehmen (vgl. MietSlg 22.636/27), weshalb auch der Beklagten frei steht, die rechtliche Beurteilung in dritter Instanz anzufechten.

In der Rechtsrüge macht die Revision geltend, daß infolge Novation der ursprünglichen Kreditschuld durch die Prolongation die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen, insbesondere deren Art 36 nicht mehr heranzuziehen seien. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß nach den Feststellungen der Untergerichte das Recht beider Vertragsteile zur jederzeitigen Auflösung des Kreditverhältnisses vereinbart wurde, dieses Recht anläßlich der Prolongation des Kredites bestätigt wurde und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der Fassung vom 1. 7. 1971 die Grundlage der gegenseitigen Geschäftsverbindung bilden. Die Revisionsbehauptung, daß das Prolongationsschreiben der Klägerin vom 15. 7. 1974, Beil. D, keinen solchen „Vorbehalt“ enthalte, ist aktenwidrig.

Nach Art 36 Abs 2 der erwähnten Geschäftsbedingungen gelten die Bestimmungen über die Beendigung der Geschäftsverbindung auch für die Beendigung von Teilen des Geschäftsverkehrs. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Klägerin auf Grund des Vertrages zur vorzeitigen Fälligstellung eines Teiles ihrer Kreditforderung berechtigt war und daß sie von diesem Recht durch die Anbringung der Klage Gebrauch machte. Damit ist die Fälligkeit der eingeklagten Teilforderung zu bejahen.

Die Revision ist der Ansicht, daß die – angeblich – aus Zessionen eingegangenen Beträge primär auf die vorliegende Kreditschuld und zwar auf deren eingeklagten Teil anzurechnen wären. Nun haben aber die Vorinstanzen festgestellt, daß der der Beklagten unabhängig vom Barkredit von S 36.000.000 gewährte Zessionskredit nicht zur Abdeckung des Hypothekarkredits bestimmt war. Zahlungen, die auf die zedierten Forderungen der Beklagten geleistet wurden, waren daher vereinbarungsgemäß nur auf den Zessionskredit anzurechnen. Dies entspricht auch dem sich aus dem Zweck der Sicherung des Zessionskredits ergebenden Parteiwillen der Vertragspartner. Die Vorschrift des § 1416 ABGB ist, da sie dispositives Recht darstellt, diesfalls durch eine anderweitige Übereinkunft der Parteien ersetzt (vgl. Gschnitzer bei Klang2, VI 386). Es ist daher auch unerheblich, ob auf Grund solcher Zessionen nach Klagserhebung tatsächlich bei der Klägerin weitere Zahlungen auf diese Schuld der Beklagten eingegangen sind. Zu erörtern ist somit nur noch die Frage, ob die von der Klägerin zugestandene Zahlung von insgesamt S 25.262,– auf die Klagsforderung anzurechnen ist oder ob einer solchen Anrechnung eine Kontokorrentabrede entgegensteht. Im Kontokorrentverkehr findet nämlich die Vorschrift des § 1416 ABGB keine Anwendung; eine Zahlung gilt auf das Ganze geleistet, sie tilgt nicht eine bestimmte Post, sondern sie mindert den Saldo (Gschnitzer a.a.O.; SZ 40/119, EvBl 1971/76 u.a.). Ein Kontokorrentverhältnis ist wohl auf Grund der aus den Urkunden Beilagen ./C und ./D hervorgehenden Vereinbarung, daß der Kontoabschluß vierteljährlich zu Ende des Kalenderquartals erfolgt, anzunehmen, doch kommt diesem Umstand im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weil die Klägerin einen Teil ihrer Kreditforderung vorzeitig fällig gestellt und eingeklagt hat. Es ist daher die Frage zu entscheiden, auf welchen Teil der Forderung diese nach Klagseinbringung erfolgte Zahlung anzurechnen ist. Die Bestimmung des § 1416 ABGB betrifft zwar ihrem Wortlaut nach nur den Fall, daß ein Gläubiger gegen einen Schuldner mehrere Forderungen hat, doch zwingt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung ZBl 1933 Bd 51/291 ausgesprochen hat, die Gleichheit des Rechtsgrundes zu ihrer Anwendung auch auf Teilzahlungen einer einheitlichen Schuld, die der Gläubiger angenommen hat. Aus demselben Grunde ist dem Schuldner nicht verwehrt, auf den schon eingeklagten Teil der Hauptforderung aufzurechnen (5 Ob 95/65). In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird gleichfalls die Ansicht vertreten, daß die gesetzliche Verrechnungsregel (§ 366 BGB) auf eigenständig gewordene Forderungsteile, so bei Einklagung einer Teilforderung anzuwenden ist (Palandt, BGB35, Anm. 1 zu § 366; RG 66, 271). Die durch die Einklagung bewirkte Selbständigkeit des eingeklagten Forderungsteiles zeigt sich vor allem darin, daß der Gläubiger dessen Bezahlung annehmen muß, während der Schuldner doch sonst (§ 1415 ABGB) zur Teilzahlung nicht berechtigt ist. Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, daß der nicht eingeklagte Teil der Forderung nicht fällig ist, da die Klägerin gar nicht behauptete, das Kreditverhältnis zur Gänze gelöst zu haben. Durch die Klagseinbringung wurde nur die vorzeitige Fälligkeit des eingeklagten Teiles bewirkt. Die Zahlung von S 25.262,– ist daher auf die eingeklagte Forderung anzurechnen.

Der Revision war somit teilweise Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung spruchgemäß abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf §§ 43, Abs 2 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Der Klägerin gebührt, da sie nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlaßt hat, unterlegen ist, der Ersatz der gesamten Kosten auf der Grundlage des ersiegten Betrages.

 

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