OGH 1Ob610/76

OGH1Ob610/7630.6.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Reithofer, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei H*gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Anton Dick, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei T*, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, je wegen Abgabe einer Willenserklärung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1975, GZ 5 R 202/75-20, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. Mai 1975, GZ 9 Cg 159/74-12, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00610.76.0630.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das in Ansehung der Abweisung des Klagebegehrens der klagenden und widerbeklagten Partei als unangefochten unberührt bleibt, insoweit, als es auch das Klagebegehren der beklagten und widerklagenden Partei abweist, sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

 

Begründung:

In einem am 30. und 31. 3. 1966 notariell beglaubigt unterfertigten Übereinkommen vereinbarten die Streitteile unter anderem, daß die beklagte und widerklagende Partei (in der Folge Beklagte genannt) der klagenden und widerbeklagten Partei (in der Folge klagende Partei genannt) 7/10-Anteile der in ihrem bücherlichen Alleineigentum stehenden Liegenschaft *, EZ *, KG *, im Ausmaß von 1.859 m2 verkauft und übergibt, damit auf dieser Liegenschaft nach den baubehördlich genehmigten Einreichungsplänen des Architekten T* eine aus zwei Stiegenhäusern bestehende Wohnhausanlage mit Garage samt Nebenräumen im Keller- und Erdgeschoß errichtet und daran Wohnungs- bzw. Geschäftseigentum begründet werden kann. Die klagende Partei verpflichtete sich, als Gegenleistung hiefür die mit zwei Millionen Schilling bewerteten Bauleistungen für die Herstellung der ins Geschäftseigentum der Beklagten zu übertragenden Garage samt Nebenräumen im Ausmaß von 2.485 m2 zu erbringen und der Beklagten - als Ausgleich für den durch einen Heizkeller in Anspruch genommenen Raum - eine Wohnung nach ihrer Wahl im Ausmaß von 66,63 m2, zu übertragen, ohne daß die Beklagte hiefür den Grundkostenanteil zu bezahlen habe. Für die Festsetzung der endgültigen Miteigentumsanteile sollte der von der Zentralen Schlichtungsstelle erst zu bestimmende Jahresmietwert für 1914 maßgebend sein. Die Beklagte verpflichtete sich, für den Fall, daß auf Grund der Parifizierung eine Änderung der Miteigentumsanteile notwendig werden sollte, der klagenden Partei und allen zukünftigen Miteigentümern von ihren Liegenschaftsanteilen unentgeltlich so viel abzutreten oder von der klagenden Partei und allen zukünftigen Miteigentümern unentgeltlich so viel an Liegenschaftsanteilen zu übernehmen, als erforderlich ist, um den zur Begründung des vorgesehenen Wohnungs- bzw. Geschäftseigentums notwendigen Grundbuchstand herzustellen. Sollte der Miteigentumsanteil der Beklagten infolge der Parifizierung um mehr als 5 % unter den vorläufig angenommenen 3/10-Anteil der Liegenschaft sinken, so war diese Differenz durch eine Wohnraumfläche auszugleichen, wobei die Beklagte die zusätzlichen Baukosten zu 100 % zu tragen hatte. Beide Parteien verpflichteten sich, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit allen Miteigentümern unentgeltlich Wohnungs- bzw. Geschäftseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes einzuräumen und jederzeit die erforderlichen Vertragsurkunden in einverleibungsfähiger Form zu unterfertigen. Die Beklagte leistete keine Gewähr für ein bestimmtes Ausmaß der Liegenschaft.

Auf Grund dieses Übereinkommens wurde in der Folge das Eigentumsrecht der Klägerin ob 7/10-Anteilen der Liegenschaft EZ * KG * grundbücherlich einverleibt und die Wohnhausanlage (Stiege 1: 30 Wohnungen; Stiege 2: 47 Wohnungen) errichtet. Nach der mit Bescheid der Zentralen Schlichtungsstelle vom 19. 6. 1972 erfolgten Parifizierung betrug der Gesamtjahresmietwert für 1914 129.160 Kronen. Auf die Garage samt Nebenräumen und Espresso entfielen 30.680 Kronen, auf die von der Beklagten im Sinne des Übereinkommens ausgewählte Wohnung Nr. 44 auf Stiege 2 entfielen 1.820 Kronen. Für die übrigen Wohnungen der Wohnhausanlage - mit Ausnahme der Wohnungen Nr. 1 und 2 auf Stiege 2 - räumte die klagende Partei dritten Personen, für die Wohnung Nr. 45 auf Stiege 2 (außerhalb des Übereinkommens) der Beklagten Wohnungseigentumsanwartschaftsrechte ein. Zum Abschluß entsprechender Kauf- und Wohnungseigentumsverträge ist es bisher wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Streitteilen nicht gekommen.

Mit der am 29. 3. 1974 beim Erstgericht eingelangten und in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. 4. 1975 modifizierten Klage begehrte die klagende Partei die Beklagten zu verurteilen, den der Klage als Beilage A angeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag, in dessen Punkt XXI als Abs. 2 der Abs. 2 des Punktes XXI der von der Beklagten der Widerklage als Beilagen A1 und A2 angeschlossenen Kauf-und Wohnungseigentumsvertragsentwürfe zu übernehmen sei, binnen 14 Tagen beglaubigt zu unterfertigen.

Mit der am 10. 6. 1974 beim Erstgericht überreichten Widerklage begehrte die Beklagte, die klagende Partei zu verurteilen, den der Widerklage als Beilage A1, angeschlossenen Kauf-und Wohnungseigentumsvertrag, in eventu den der Widerklage als Beilage A2 angeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag, binnen 14 Tagen beglaubigt zu unterfertigen.

Das Erstgericht verband die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und schloß die Verhandlung am 3. 4. 1975. Es wies das Begehren der klagenden Partei ab und gab dem in der Widerklage gestellten Begehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Die im Übereinkommen angegebene Gesamtfläche der Liegenschaft von 1.859 m2 beruhe auf einem in der Flächenberechnung des Architekten T* enthaltenen Schreib- bzw. Rechenfehler. Sie betrage richtig 1.559 m². Bei Berechnung des umbauten Raumes durch den Architekten T* sei der bei der Grundflächenberechnung unterlaufene Schreib- bzw. Rechenfehler mitgeschleppt worden. Dadurch sei es zur Errechnung eines unrichtigen Kostenbetrages pro Quadratmeter gekommen. In der Berechnung der im Übereinkommen genannten Garagenfläche von 2.485 m2 sei dieser Schreib- bzw. Rechenfehler nicht enthalten. Architekt T* sei von der klagenden Partei bestellt und honoriert worden. Die Pläne des Dipl.-Ing. F*, auf Grund deren das Objekt in der Folge tatsächlich ausgeführt worden sei und welche der Parifizierung zugrundelägen, stimmten in den Außenabmessungen der Liegenschaft mit dem Plan des Architekten T* bis auf 1 cm in der Länge und 5 cm in der Tiefe (seitlich links) überein. Die Garagenfläche sei praktisch so wie im Plan des Architekten T* ausgeführt worden. Es habe sich lediglich auf Grund der Berechnungen des Architekten T* eine andere Fläche ergeben als nach dem Plan des Dipl.-Ing. F* (Unterschied etwa 200 m2). Bis zur tatsächlichen Ausführung seien wiederholt Planänderungen durchgeführt worden, denen die Beklagte zugestimmt habe. Am 16. 8. 1967 sei zwischen den Streitteilen keine Vereinbarung des Inhaltes geschlossen worden, daß der Miteigentumsanteil der Beklagten sich im gleichen Ausmaß gegenüber dem des Übereinkommens vermindern sollte, als eine Verminderung der Gesamtgrundfläche von 1.859 m² auf 1.559 m2 erfolgt wäre.

Zur Stattgebung der Widerklage führte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung aus, daß der Beklagten nach dem Inhalt des Übereinkommens mindestens 28,5 % der Miteigentumsanteile verbleiben müßten. Nach diesem Übereinkommen müßte ihr an den Objekten, die dieser Quote entsprächen, Wohnungseigentum eingeräumt werden. Die Beklagte habe daher ein Recht darauf, daß - da nunmehr die Parifizierung vorliege - ein Wohnungseigentumsvertrag mit diesem Inhalt unterfertigt werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von der klagenden Partei erhobenen Berufung am 2. 12. 1975 teilweise Folge. Es bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung, soweit sie das Begehren der klagenden Partei abwies, im übrigen änderte es diese im Sinne einer Abweisung (auch) der Widerklage ab.

Zur Begründung des abändernden Teiles seiner Entscheidung führte das Berufungsgericht aus, daß mit dem am 1. 9. 1975 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetz 1975 das Wohnungseigentumsgesetz 1948 mit den im § 29 Abs. 1 Z 1 und 2 WEG 1975 normierten Einschränkungen außer Kraft getreten sei. Gemäß § 29 Abs. 1 Z 1 WEG 1975 seien die §§ 2 und 5 WEG 1948 nur mehr in den Fällen weiterhin anzuwenden, in denen zumindest an einer Wohnung (einem Geschäftsraum) das Wohnungseigentum nach den bisher geltenden Vorschriften erworben wurde. Da das Wohnungseigentum erst durch die Verbücherung erworben werde (240 BlgNR 13. GP 22 f; Meinhart, Wohnungseigentumsgesetz 1975, 227; MietSlg 21.764), seien die auf den Jahresmietwert 1914 abzustellenden Parifizierungsvorschriften des § 2 WEG 1948 nur mehr dann anwendbar, wenn zumindest für eine Wohnung (einen Geschäftsraum) des Hauses das auf die Begründung von Wohnungseigentum abzielende Grundbuchsgesuch bereits vor dem 1. 9. 1975 beim Grundbuchsgericht eingelangt war (§§ 4, 93 GBG; § 431 ABGB;| SZ 39/152, Meinhart aaO). Das bedeute, daß in allen anderen Fällen - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob bereits ein Wohnungseigentumsvertrag geschlossen wurde oder nicht - die Begründung von Wohnungseigentum auf Grund einer nach § 2 WEG 1948 erfolgten Parifizierung nicht mehr möglich sei, dieser vielmehr eine Nutzwertfestsetzung nach § 3 WEG 1975 vorauszugehen habe. Auf Grund der in der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgten Außerstreitstellung durch die Parteien stehe fest, daß bis zum 1. 9. 1975 (Inkrafttreten des WEG 1975) an keiner Wohnung (keinem Geschäftsraum) der gegenständlichen Wohnhausanlage das Wohnungseigentum nach den Vorschriften des WEG 1948 erworben worden sei. Daraus folge, daß das Wohnungseigentum an den Objekten dieser Wohnhausanlage künftig weder auf Grund des dem Klagebegehren noch auf Grund des dem Widerklagebegehren (Hauptbegehren oder Eventualbegehren) angeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages verbüchert werden könnte, weil alle von den Parteien vorgelegten Vertragsentwürfe von der Parifizierung nach dem WEG 1948 ausgingen. Damit sei aber auch eine Verpflichtung zur Unterfertigung dieser Verträge nicht gegeben und sowohl dem Klage- als auch dem Widerklagebegehren (in beiden Varianten) der Boden entzogen. Sei das Begehren auf Unterfertigung eines bestimmten Vertrages gerichtet, so könne das Urteil nur im Sinne des Klagebegehrens oder - falls ein anderer Vertragsinhalt erwiesen werde und die klagende Partei diesem. Umstand nicht durch eine rechtzeitige Klagsänderung Rechnung getragen habe - im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ergehen; eine sachliche Änderung des Vertragsinhaltes durch das Gericht sei nicht möglich (JBl 1967, 30; NZ 1970, 41). Dasselbe gelte im vorliegenden Fall, in dem eine - auch noch im Rechtsmittelverfahren zu beachtende - Gesetzesänderung zwingenden Rechtes eine Änderung des Vertragsinhaltes notwendig gemacht habe.

Gegen den abändernden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung wendet sich die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 503 Z 2 und 4 ZPO) geltend machende Revision der Beklagten mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des - der Widerklage stattgebenden - Ersturteiles abzuändern, allenfalls das Berufungsurteil in seinem angefochtenen Teil aufzuheben und die Streitsache insoweit an das Gericht zweiter Instanz zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 5 ABGB wirken die Gesetze, nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Das bedeutet, daß Sachverhalte vor Inkrafttreten eines neuen Gesetzes grundsätzlich nicht nach diesem, sondern nach dem alten Gesetz zu beurteilen sind; maßgebend ist, wann der Sachverhalt sich verwirklichte, wann also alle dazugehörigen Umstände eingetreten sind (Wolff in Klang2 I/1, 83). Wohlerworbene Rechte sollen geschont werden (Ehrenzweig 2 I/1, 88; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 35). Grundsätzlich ist daher ein neues Gesetz nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach seinem Inkrafttreten verwirklicht haben (Koziol-Welser 3 I 28). Für eine gerichtliche Entscheidung maßgeblich ist, wenn das Verfahrensgesetz, wie im vorliegenden Fall, neues Vorbringen in zweiter und dritter Instanz nicht mehr zuläßt, der Sachverhalt im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz (JBl 1974, 426; EvBl 1972/20; SZ 26/298 u.a.; Fasching III 659). Das Urteil hat daher auch nach der Rechtslage zu ergehen, wie sie sich auf Grund der Verhandlungsergebnisse zur Zeit des Verhandlungsschlusses darstellt (Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 175). Auf Rechtsänderungen nach dem Schluß des Verfahrens erster Instanz ist grundsätzlich nicht Bedacht zu nehmen (JBl 1975, 485 u.a.; soweit Fasching IV 330 anders zu verstehen wäre, könnte seiner Auffassung nicht gefolgt werden). Ausnahmen erachtete der Oberste Gerichtshof nur dort für gerechtfertigt, wo auf rückwirkend angeordnetes zwingendes Recht - wie z.B. auf die rückwirkende Außerkraftsetzung typisch nationalsozialistischer Vorschriften (Ehrenzweig aaO 88; Wolff aaO 74 f.) - Bedacht zu nehmen ist (JB1 1947, 243; 1 Ob 900/53; 1 Ob 921/52; Fasching III 661, IV 330; Pollak, System2 583) oder wenn, wie bei Unterhaltsansprüchen, auch über solche für die Zukunft und damit für die Zeit nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes abzusprechen ist (5 Ob 522/76).

Im vorliegenden Fall behauptete die Beklagte, den (obligatorischen) Anspruch auf Unterfertigung eines bestimmten Vertrages durch die klagende Partei zu haben. Sie begehrte daher auch die Verurteilung der klagenden Partei zur Unterfertigung eines bestimmten Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages und damit eine bestimmte Handlung. Ob die klagende Partei zu einer solchen Handlung verpflichtet war, kann auch im Rechtsmittelverfahren nur nach dem Zeitpunkt, der für diese Beurteilung entscheidend ist, und damit nach dem Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz beurteilt werden. Eine allfällige Verpflichtung der klagenden Partei, den von der Beklagten gewünschten Vertrag zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz, also am 3. 4. 1975, zu unterfertigen, wurde entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes durch das am 1. 9. 1975 (§ 28) in Kraft getretene Wohnungseigentumsgesetz 1975 nicht geändert. Das wäre nur der Fall, wenn das Gesetz entweder eine Rückwirkung ausgesprochen oder sonst angeordnet hätte, daß auch am 3. 4. 1975 noch zulässige Handlungen nicht als gesetzt anzusehen seien oder sonst rückwirkend keine Bedeutung mehr hätten. Dem Wohnungseigentumsgesetz 1975 lag jedoch eine solche Absicht fern. In seinem § 29 ließ es sogar unter bestimmten Voraussetzungen die weitere Anwendung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen zu. Der für den vorliegenden Rechtsstreit wesentliche § 2 WEG 1948, wonach für die Bestimmung der Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer der (fiktive) Wert der Wohnungen und Geschäfte im Jahre 1914 maßgeblich zu sein hatte, sollte allerdings nur unter der Voraussetzung weiter Bedeutung haben, daß vor dem 1. 9. 1975 zumindest an einer Wohnung oder einem Geschäftsraum bereits das Wohnungseigentum nach den bisher geltenden Vorschriften (durch bücherliche Einverleibung) erworben wurde (§ 29 Abs. 1 Z 1 WEG 1975), eine Voraussetzung, die für das Haus, in dem sich die streitgegenständlichen Wohnungen befinden, nicht zutrifft. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß eine bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes und des Wohnungseigentums für die Beklagte auf Grund der Verträge, deren Unterfertigung sie von der klagenden Partei begehrte, nicht mehr möglich sein wird. Die Beklagte begehrte aber nicht die Einverleibung ihres Miteigentums und ihres Wohnungseigentumsrechtes, sondern in Zuhaltung übernommener Verpflichtungen die Unterfertigung bestimmter Verträge. Wenn dem Wohnungseigentumsgesetz 1975 nicht zu entnehmen ist, daß es die Unterfertigung solcher Verträge mit dem Zeitpunkt 3. 4. 1975 nicht mehr als gültig oder zulässig ansehen wollte, besteht dann aber kein Grund, über das Begehren der Beklagten im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr abzusprechen. Die Erwirkung eines Urteiles ist für die Beklagte auch keineswegs gleichgültig. Mit einem rechtskräftigen Urteil im Sinne der Entscheidung des Erstgerichtes wäre die Beklagte in der gleichen Lage wie ein Wohnungseigentumswerber am 1. 9. 1975, der zu diesem Zeitpunkt zwar einen verbücherungsfähig unterfertigten Vertrag in Händen hatte, aber sein Recht noch nicht verbüchern hatte können. In diesem Fall muß der Nutzwert im Sinne der §§ 3 ff. WEG 1975 zwar neu festgesetzt und der Vertrag entsprechend geändert werden, die Rechtslage des Wohnungseigentumswerbers ist aber doch keineswegs die gleiche wie bei jemandem, der keine schriftliche Vereinbarung im Sinne des § 4 WEG 1948 in Händen hat. Der Anspruch auf Zuerkennung des Wohnungseigentums steht vielmehr auf Grund des bereits geschlossenen Vertrages nach wie vor bindend und verpflichtend fest, es muß nur der Vertrag zur grundbücherlichen Durchführung unter Bedachtnahme auf die neue Gesetzeslage neu gefaßt und allenfalls, wenn man der Rechtsansicht Meinharts, WEG 1975, 227 folgt, eine Ausgleichsverpflichtung analog nach § 4 Abs. 2 WEG 1975 vereinbart werden. Auf Abschluß eines solchen Vertrages besteht aber ein auch gerichtlich durchsetzbarer Anspruch. Der Beklagten muß, wenn ihr Klagebegehren und damit der ihm zugrundeliegende Rechtsanspruch schon vor dem 1. 9. 1975 bestand und im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz berechtigt war, auch heute noch das Recht zustehen, ein rechtskräftiges Urteil im Sinne des Klagebegehrens zu erwirken und damit in. der gleichen Lage zu sein wie jemand, der am 1. 9. 1975 einen weiterhin verbindlichen und nur nicht mehr verbücherungsfähigen Vertrag in Händen hatte. Es würde hingegen dem Sinn, des neuen Gesetzes, dem nicht ungerechte Konsequenzen unterstellt werden können, widersprechen, nur wegen der eingetretenen Rechtsänderung, der die Beklagte im Rechtsmittelverfahren durch Anpassung des Klagsbegehrens nicht mehr Rechnung tragen konnte, die Beklagte den Rechtsstreit kostenpflichtig verlieren zu lassen, wenn sie ihn ohne eingetretene Rechtsänderung während des Rechtsmittelverfahrens gewonnen hätte. Ein im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gegebener Anspruch auf Unterfertigung eines Wohnungseigentumsvertrages nach dem Wohnungseigentumsgesetz 1948 kann vielmehr nicht allein deswegen von einer Oberinstanz als unberechtigt erkannt und abgewiesen werden, weil während des Rechtsmittelverfahrens infolge Inkrafttretens des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 die Verbücherungsfähigkeit des Vertrages weggefallen ist. Ob die neue Rechtslage nach den Vereinbarungen der Streitteile Konsequenzen auch auf einen schon vor dem 1. 9. 1975 unterfertigten Vertrag hätte, ist in diesem. Verfahren nicht zu beurteilen.

Ausgehend von seiner abweichenden Ansicht über die Auswirkungen des nach Urteilsfällung in erster Instanz in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetzes 1975 auf den erhobenen Anspruch hat es das Berufungsgericht unterlassen, auf die von der klagenden Partei geltend gemachten, sich auf die Stattgebung der Widerklage beziehenden Anfechtungsgründe einzulassen. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher im bekämpften Umfang aufzuheben und die Rechtssache insoweit an das Gericht zweiter Instanz zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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