European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00581.76.0629.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.311,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 82,94 Umsatzsteuer und S 192,— Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kündigte dem Beklagten die an ihn im Hause * „verpachtete Geschäftsräumlichkeiten (Kinosaal)“ gerichtlich auf und erklärte hiezu, (neben der Geltendmachung dringenden Eigenbedarfes, der jedoch im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu erörtern ist), daß der „Saal gepachtet“ sei und daher das Bestandverhältnis nicht den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliege.
Demgegenüber behauptete der Beklagte in seinen Einwendungen, daß es sich um ein den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegendes Mietverhältnis handle.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung der von ihm in Bestand genommenen Räumlichkeiten (Kinosaal samt Nebenräumen).
Nach den wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes gab der Vater und Rechtsvorgänger der Klägerin dem Beklagten im Jahre 1948 einen im Verband des nunmehr der Klägerin gehörigen Hotels in * befindlichen leerstehenden Saal im Ausmaß von 13 x 6,5 m in Bestand, in welchem sich damals nur ein paar schadhafte Sessel befanden. Die erklärte Absicht des Beklagten ging dahin, den Saal in einen Kinosaal umzubauen und sodann dort einen Kinobetrieb einzurichten; für den Bestandgeber war nur wichtig, daß in seinem Hotel ein Kino eröffnet wird, weil er sich dadurch eine Umsatzsteigerung erwartete. Die Vertragspartner sprachen zunächst nicht über den zu bezahlenden Zins, weil „beiden klar war, daß der Zins nur Nebensache sei“. Sie erkundigten sich jedoch bei einem Fachmann (Hofrat der NÖ. Landesregierung) und einigten sich auf die von diesem damals als angemessen bezeichnete Bezahlung von S 10,— pro Spieltag.
Der Beklagte baute entsprechend der getroffenen Vereinbarung den Saal aus eigenen Mitteln zu einem Kinosaal mit 150 Sitzplätzen um und eröffnete am 28. August 1948 den Kinobetrieb. Ursprünglich spielte er jeweils Mittwoch, Samstag und Sonntag, dann nur mehr Samstag und Sonntag, schließlich während der Faschingszeit (wegen der Konkurrenz durch Ballveranstaltungen) überhaupt nicht mehr, bezahlte jedoch ungeachtet dieses Ausfalles jeweils für Samstag und Sonntag das pro Spieltag vereinbarte Entgelt.
Im Jahre 1965 unterfertigten die Parteien einen von einem Finanzbeamten entworfenen Vertragstext, in welchem unter der Überschrift „Mietvertrag“ formuliert wurde, daß die Klägerin dem Beklagten den gegenständlichen Kinosaal auf unbestimmte Zeit zu einer „Miete von S 10,— pro Spieltag verpachtet“ habe und das gesamte Inventar (Kinoeinrichtung, Saaleinrichtung und Kassenraum) Eigentum des Beklagten sei.
Nach Übernahme des Hotels durch die Klägerin einigten sich die Parteien zunächst auf eine Erhöhung des Bestandzinses auf S 20,— pro Spieltag, eine im Jahre 1969 von der Klägerin verlangte weitere Erhöhung des „Mietzinses“ auf monatlich S 500,– wurde vom Beklagten nicht akzeptiert.
Der aus einem seit dem Jahr 1948 geführten Heft mit der Aufschrift „Saalmiete“ ersichtliche Bestandzins betrug im Jahr 1948 zwischen S 130,— und S 140,– monatlich, zuletzt (nunmehr einschließlich der Mehrwertsteuer) zwischen S 172,80 und S 259,20.
Eine ausdrückliche Verpflichtung gegenüber dem Hoteleigentümer, den Kinobetrieb aufrecht zu erhalten, hat der Beklagte nie übernommen.
Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht aus, es bestehe, auch wenn der Beklagte keine ausdrückliche Betriebspflicht übernommen habe, wegen des Interesses der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Kinobetriebes „doch Betriebspflicht“; dieser Umstand rechtfertige es, das gegenständliche Rechtsverhältnis als ein nicht den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegendes Pachtverhältnis zu qualifizieren, auch wenn mehrere Umstände für die Annahme eines Mietverhältnisses sprächen.
Mit dem angefochtenen Urteil hob das Berufungsgericht die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab.
Mit Beschluß vom 13. Mai 1976, GZ R 344/75‑20, sprach das Berufungsgericht ergänzend aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 1.000,– S übersteige.
Das Berufungsgericht führte in den Entscheidungsgründen seines Urteils aus, es liege zwar kein Widerspruch vor, wenn das Erstgericht einerseits festgestellt habe, daß eine Betriebspflicht nicht ausdrücklich vereinbart worden sei, aber dennoch vom Bestehen einer derartigen Betriebspflicht auszugehen sei, weil es insoweit keiner ausdrücklichen Vereinbarung bedürfe; da jedoch die Verpflichtung, ein bestehendes Unternehmen aufrecht zu erhalten, welche tatsächlich in der Regel für eine Unternehmenspacht spreche, hier nicht vorliege, weil kein Unternehmen in Bestand gegeben worden sei, und im übrigen eine Betriebspflicht des Beklagten auf Grund des gegebenen Sachverhaltes nicht anzunehmen sei, liege nach den Umständen, unter denen der Bestandvertrag abgeschlossen wurde, Geschäftsraummiete und kein Pachtverhältnis vor, zumal bei Begründung des Bestandverhältnisses im Jahre 1948 kein Unternehmen im Sinn einer organisierten Erwerbstätigkeit bestanden habe.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Urteils das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, allenfalls das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Klägerin darin, daß im angefochtenen Urteil davon ausgegangen wurde, eine Betriebspflicht sei zwischen den Vertragsparteien nicht vereinbart worden. Da jedoch bereits das Erstgericht das Fehlen einer derartigen – ausdrücklichen – Vereinbarung (in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt) feststellte, kann von einer Aktenwidrigkeit keine Rede sein. Ob trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung wegen der Wichtigkeit für den Bestandgeber im Wege der Vertragsauslegung das Bestehen einer Betriebspflicht anzunehmen ist, betrifft eine Frage der rechtlichen Beurteilung.
Der Revisionsgrund gemäß § 503 Z 3 ZPO liegt daher nicht vor.
In rechtlicher Hinsicht ist zunächst festzuhalten, daß der gegenständliche Vertrag eindeutig alle wesentlichen Elemente eines Bestandvertrages aufweist und bisher auch stets von den Parteien als Bestandvertrag angesehen wurde (nicht zuletzt durch die gerichtliche Aufkündigung des von der Klägerin als Pachtvertrag qualifizierten Bestandvertrages). Wenn festgestellt wurde, daß die Parteien den Zins – zunächst, wie aus der begehrten Mietzinserhöhung ersichtlich ist – nur als „Nebensache“ ansahen, so bedeutet diese Feststellung dem Sinne nach bloß, daß für die Parteien bei Vertragsabschluß die Höhe des Bestandzinses im Verhältnis zum Aufwand des Beklagten einerseits bzw. zur Erwartung gesteigerten Umsatzes der Rechtsvorgänger der Klägerin andererseits von untergeordneter Bedeutung war. Aus dem Umstand, daß die Parteien sodann den ihnen von einem Fachmann als angemessen bezeichneten Bestandzins vereinbarten, kann nur abgeleitet werden, daß sie schon bei Vertragsabschluß stillschweigend (§ 863 ABGB) den üblichen bzw. angemessenen Bestandzins – natürlich bezogen auf das Jahr 1948 – vereinbarten (vgl MietSlg 15.072, 15.073, 21.148 u.a.).
Die erstmals in der Revision vertretene Auffassung, der gegenständliche Vertrag sei als Innominatvertrag anzusehen ist somit beim festgestellten Sachverhalt abzulehnen.
Ob durch einen Bestandvertrag über einen Geschäftsraum ein den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegendes Mietverhältnis (Raummiete) oder ein Pachtverhältnis begründet wurde, richtet sich, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannte, stets nach den gesamten Umständen des Einzelfalles (ebenso MietSlg 21.135, 22.113, 23.116, 24.129, 25.112 u.a.).
Gegenstand einer Unternehmenspacht ist im Regelfall ein bereits bestehendes Unternehmen (vgl MietSlg 21.136, 22.113, 22.115, 23.116, 24.127, 25.112 u.a.).
Zwar ist auch bei einem erst zu errichtenden Unternehmen eine derartige Qualifikation nicht an sich ausgeschlossen, gerade aus den von der Revision zitierten Entscheidungen 3489, 6748 und 15.063 ergibt sich jedoch, daß es hiefür nicht bloß des Vorliegens (der Vereinbarung) einer Betriebspflicht bedarf, sondern daß außerdem die wesentlichsten Grundlagen für den Unternehmensbeginn bereits bestehen bzw. vom Bestandgeber beigestellt werden müssen (im Einzelfall etwa die bereits entsprechend adaptierten Räume, der Kundenstock, die Konzession oder anderes). Wurde hingegen, wie im vorliegenden Fall, lediglich ein für den Unternehmenszweck noch gar nicht geeigneter Raum in Bestand gegeben, so liegt bloße Raummiete vor, selbst einer Betriebspflichtvereinbarung kommt in diesem Fall keine entscheidende Bedeutung zu (ebenso MietSlg 25.112 u.a., insbesondere 4964 in einem nahezu gleichgelagerten Fall).
Aus allen diesen Gründen ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß das gegenständliche Bestandverhältnis als Geschäftsraummiete zu qualifizieren ist.
Da somit keiner der geltend gemachten Revisionsgründe vorliegt, war der Revision nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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