European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00565.76.0628.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.934,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 360,‑‑ an Barauslagen und S 116,64 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei das von dieser gemietete Geschäftslokal in dem der klagenden Partei gehörigen Haus in *, bzw. * (Eingang) aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG auf. Zur Begründung führt sie aus, sie habe diese Liegenschaft im Jahre 1973 erworben, um Dienststellen des Amtes der Salzburger Landesregierung, das unter drückendster Raumnot leide, darin unterzubringen. Das aufgekündigte Objekt solle für die Unterbringung von Verwaltungsdienststellen der klagenden Partei verwendet werden.
Die beklagte Partei beantragte in ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen die Aufhebung dieser Kündigung. Sie betreibe seit dem Jahre 1923 in dem aufgekündigten Lokal einen Büromaschinenhandel und eine Büromaschinenreparaturwerkstätte, die ihre Existenzgrundlage bildeten. Ihre acht Arbeitnehmer können im Falle des Verlustes des Lokales nicht mehr weiter beschäftigt werden. Es werde nicht bestritten, daß die klagende Partei die Räume für ihre Verwaltung benötige. Da jedoch die beklagte Partei durch ihre Tätigkeit Steuereingänge bringe, die Verwaltung hingegen nur Geld koste, liege ein höherer Zweck der Verwendung der aufgekündigten Räume nicht vor.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und traf folgende Feststellungen: Das gegenständliche Haus wurde von der klagenden Partei für die Unterbringung ihrer neu gebildeten, Raumordnung und Umweltschutz umfassenden Abteilung VII erworben. Die Kellerräume des dringend sanierungsbedürftigen Objektes sollen für Archivzwecke und für die Unterbringung der Zentralheizung, die übrigen Räume für Bürotätigkeiten und somit für dringende Zwecke der Hoheitsverwaltung Verwendung finden.
Aus diesen Feststellungen zog das Erstgericht den rechtlichen Schluß auf das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungstatbestandes des § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und traf folgende ergänzende Feststellungen: Mit Regierungsbeschluß vom 24. Februar 1975 wurde zur ehestmöglichen Durchführung der erforderlichen Adaptierungsmaßnahmen in dem gegenständlichen, von der klagenden Partei zur dringend benötigten Unterbringung von Amtsräumen erworbenen Haus der Auftrag erteilt, die von Mietern benutzten Gebäudeteile im Wege der Kündigung freizumachen. Bei möglichster Wahrung des Bestandes soll ein entsprechendes Vorprojekt mit Varianten und der Darstellung einer stufenweise möglichen Durchführung erstellt und der voraussichtlich erforderliche Kostenaufwand ermittelt werden. Die Abteilung VII des Amtes der Salzburger Landesregierung umfaßt die Landesplanung, den Umweltschutz und den Naturschutz.
In rechtlicher Hinsicht nahm das Berufungsgericht gleichfalls die Voraussetzungen des Kündigungstatbestandes des § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG als gegeben an. Die Liegenschaft habe bisher Wohn- oder Geschäftszwecken und nicht der Hoheitsverwaltung gedient, sodaß die Art der bisherigen Verwendung für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung sei. Die Interessen der Verwaltung gingen den Interessen des einzelnen bevor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Untergerichte im Sinne einer Aufhebung der Kündigung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei weist in ihren Rechtsmittelausführungen zwar darauf hin, es sei ihr die Unzulässigkeit einer Verfahrensrüge in Revisionen gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes in Kündigungsstreitigkeiten aus Mietverhältnissen, auf welche – wie im vorliegenden Fall – die Bestimmungen über den Schutz der Mieter Anwendung finden, bekannt, vermeint jedoch, Verfahrensmängel mit Rücksicht auf die existentielle Bedeutung der Entscheidung dennoch geltend machen zu dürfen. Sie mißachtet jedoch damit die Bestimmung des § 502 Abs. 4 ZPO, wonach in den vorerwähnten Kündigungsstreitigkeiten gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision ausnahmslos nur aus dem im § 503 Z. 4 ZPO bezeichneten Grund – die Zulässigerklärung des Berufungsgerichtes vorausgesetzt – gestattet ist. Eine Abstufung nach dem Grad der Bedeutung der Berufungsentscheidung für die Prozeßparteien ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es erübrigt sich daher schon aus diesem Grund ein weiteres Eingehen auf diesen Teil der Rechtsmittelausführungen. Das gleiche gilt für jene Ausführungen, die von der beklagten Partei zwar im Rahmen der Rechtsrüge erstattet werden, in Wahrheit jedoch gleichfalls eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufzuzeigen versuchen. Die von der beklagten Partei – im übrigen bereits im Berufungsverfahren erfolglos geltend gemachte – angebliche Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht durch das Erstgericht fällt nämlich nicht unter den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sondern unter jenen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Fasching II, 874; IV, 314). Dieser kann aber im Gegenstand aus den oben dargelegten Gründen nicht geltend gemacht werden.
Die in der Rechtsrüge von der Revisionswerberin vertretene Auffassung, die gegenwärtige Verwendung des Mietobjektes diene den Interessen der Verwaltung mehr als die beabsichtigte zukünftige Verwendung für nicht geklärte Bürozwecke, ist teils unverständlich, teils weicht sie von den von den Untergerichten getroffenen Feststellungen in unzulässiger Weise ab. Unverständlich ist sie deshalb, weil das Mietobjekt derzeit nicht der Verwaltung der klagenden Partei, sondern Wohn- und Geschäftszwecken dient. Aus diesem Grund fehlt für die Annahme, die gegenwärtige Verwendung diene mehr den Interessen der Verwaltung als die beabsichtigte Verwendung, jede Grundlage. Das Vorbringen, die beabsichtigte künftige Verwendung soll „nicht geklärten“ Bürozwecken dienen, entfernt sich von den Feststellungen der Untergerichte, wonach die näher bezeichnete Abteilung VII in dem Haus untergebracht werden soll und muß daher unbeachtet bleiben.
Schließlich vertritt die Revisionswerberin die Auffassung, das Gericht habe eine Abwägung der Interessen vorzunehmen, wobei nach dem dem Mietengesetz zugrunde liegenden Schutzzweck die Interessen des Mieters bevorzugt zu berücksichtigen seien.
Diese Meinung steht jedoch mit der Gesetzeslage nicht in Einklang. Nach dem § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG ist als ein wichtiger, den Vermieter zur Kündigung berechtigender Grund anzusehen, wenn ein dem Bund oder einem Bundesland gehöriger Mietgegenstand auf eine Art verwendet werden soll, die in höherem Maße den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung. Da der Mietgegenstand bisher den Interessen der Verwaltung nicht gedient hat, fehlt die Voraussetzung für einen Vergleich der bisherigen Verwendung mit der beabsichtigten. Eine Interessenabwägung, wie sie die beklagte Partei anstrebt, ist nicht vorzunehmen (Mietslg 24.298, 24.297; SZ 19/131; VerwGH Zl 1352/51 u.a.). Der den Kündigungsbestimmungen des Mietengesetzes zugrunde liegende Schutzgedanke wird gerade durch den Kündigungstatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG im öffentlichen Interesse eingeschränkt (vgl. das Erkenntnis des VerfGH vom 23. Juni 1961, veröffentlicht in ÖJZ 1962, 415), sodaß eine Bevorzugung der Interessen des Mieters hier nicht stattzufinden hat.
Da im vorliegenden Fall nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Untergericht die klagende Partei das aufgekündigte Mietobjekt für die Unterbringung von Amtsräumen dringend benötigt und die Absicht hat, zu diesem Zweck eine Abteilung ihres Amtes in die Räume dieses Hauses, darunter auch in jene des aufgekündigten Objektes, zu verlegen, liegen die Voraussetzungen des Kündigungstatbestandes des § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG vor. Die angefochtene Entscheidung ist daher frei von Rechtsirrtum, sodaß die Revision erfolglos bleiben muß.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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