OGH 4Ob43/76

OGH4Ob43/7615.6.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl sowie die Beisitzer Dr. Robert Müller und Dr. Gottfried Opitz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, Angestellte *, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dipl.-Ing. F* R*, Architekt *, vertreten durch Dr. Anton Knees, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 17.403,30 samt Anhang (Revisionsstreitwert S 7.099,80) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. März 1976, GZ 3 Cg 5/76‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Klagenfurt vom 4. Dezember 1975, GZ Cr 241/75-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00043.76.0615.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.239,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 120,— Barauslagen und S 82,94 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. Dezember 1973 bis 22. August 1975 beim Beklagten als Schreibkraft beschäftigt gewesen. Nachdem sie das auf unbestimmte Zeit eingegangene Dienstverhältnis am 6. August 1975 ordnungsgemäß zum 30. September 1975 aufgekündigt hatte, wurde sie vom Beklagten am 22. August 1975 fristlos entlassen. Daß diese Entlassung ungerechtfertigt war, wird vom Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung einer Kündigungsentschädigung bis zum 22. November 1975 in der unbestrittenen Höhe von S 17.403,30 samt Anhang.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens.

Infolge Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht dieses Urteil dahin ab, daß es der Klägerin nur S 10.303,50 samt Anhang (Kündigungsentschädigung bis 30. September 1975) zuerkannte und das Mehrbegehren von S 7.129,50 (richtig: S 7.099,80) abwies.

Gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der Klägerin, in welcher der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht und die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt wird.

Der Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gegenstand der Entscheidung in dritter Instanz ist nur noch die Frage, ob die Klägerin auch für die Zeit vom 1. Oktober bis 22. November 1975 Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach nicht mehr strittigen – Kündigungsentschädigung hat. Das Erstgericht hat diese Frage im Hinblick darauf bejaht, daß der Klägerin zufolge ihrer ungerechtfertigten Entlassung auch über den 30. September 1975 – an welchem Tag das Dienstverhältnis auf Grund ihrer eigenen Kündigung sein Ende gefunden hätte – hinaus gemäß § 29 AngG der gesetzlich pauschalierte Schadenersatz in der Höhe von drei Monatsentgelten gebühre. Demgegenüber war das Berufungsgericht der Auffassung, daß die von der Klägerin selbst ordnungsgemäß ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses durch die nachfolgende rechtswidrige Entlassung nicht aufgehoben worden sei; die Klägerin könne daher ihren Entgeltanspruch gemäß § 29 Abs 1 AngG nur bis zum 30. September 1975 geltend machen. Dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist aus nachstehenden Erwägungen zu folgen:

Die am 6. August 1975 von der Klägerin selbst ausgesprochene Kündigung hatte das ursprünglich auf unbestimmte Zeit eingegangene Dienstverhältnis in ein Dienstverhältnis auf bestimmte Dauer – nämlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. September 1975 –umgewandelt (SZ 26/267; Arb 7082; Arb 9142 = EvBl 1974/185 = SozM I A d 1069 = ZAS 1975, 19; Arb 9259 = JBl 1975, 437 = ZAS 1975, 223; Martinek-Schwarz, AngG3, 330 § 20 Anm 1). Erst dieses im Auflösungsstadium befindliche, zufolge der Kündigung mit 30. September 1975 befristete Dienstverhältnis wurde durch die ungerechtfertigte Entlassungserklärung vom 22. August 1975 mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Der Klägerin gebührt daher gemäß § 29 Abs 1 AngG das vertragsmäßige Entgelt „für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Zeit ... hätte verstreichen müssen.“ Daß diese Bestimmung nur auf solche Dienstverhältnisse anwendbar wäre, die im Sinne des § 19 Abs 1 AngG von vornherein auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, kann dem Gesetz entgegen der Meinung der Klägerin nicht entnommen werden; eine „Beendigug des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit“ liegt vielmehr auch dann vor, wenn ein zunächst auf unbestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis erst durch eine (ordnungsgemäße) Kündigung zu einem befristeten, mit dem Ablauf der Kündigungsfrist endenden Dienstverhältnis wird. Daraus folgt aber, daß einem Angestellten, der zunächst selbst gekündigt hat, dann aber während der Kündigungsfrist von seinem Dienstgeber ohne gerechtfertigten Grund entlassen wird, die Kündigungsentschädigung nach § 29 Abs 1 AngG nur bis zu dem Tag gebührt, an welchem das Dienstverhältnis auf Grund der vorangegangenen Kündigung durch Zeitablauf geendet hätte (Martinek-Schwarz aaO 513 § 29 Anm 10; Kuderna, Das Entlassungsrecht 23; ebenso auch LGZ Wien in Arb 7768).

Gegen diese schon vom Berufungsgericht zutreffend vertretene Rechtsauffassung vermag die Klägerin auch in der Revision nichts Stichhältiges vorzubringen: Die Richtigkeit der erwähnten Judikatur, nach welcher ein auf unbestimmte Zeit vereinbartes Dienstverhältnis durch die Kündigung in ein Dienstverhältnis auf bestimmte Dauer umgewandelt wird, ergibt sich schon aus dem Wesen der Kündigung als einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung, welche das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Dienstverhältnis ab einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich zum Ende der Kündigungsfrist, für die Zukunft auflösen soll; von einem Widerspruch zu § 19 Abs 1 AngG kann dabei ebensowenig die Rede sein wie von einem Verstoß gegen den „klaren Wortlaut des § 29 Abs 1 AngG“. Daß die ungerechtfertigte Entlassung eines Dienstnehmers für den Dienstgeber aber auch dann noch einen erheblichen Nachteil bedeutet, wenn sie während der durch die Kündigung des Dienstnehmers in Lauf gesetzten Kündigungsfrist ausgesprochen wird, ergibt sich entgegen der Meinung der Klägerin schon daraus, daß der Dienstnehmer in diesem Fall Anspruch auf Zahlung einer Abfertigung hat, welche ihm sonst gemäß § 23 Abs 7 AngG nicht gebühren würde (Arb 8936; Arb 9189 = ZAS 1974, 223; Martinek-Schwarz aaO 393 f § 23 Anm 34).

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

 

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