OGH 4Ob537/76

OGH4Ob537/7627.4.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Geschäftsfrau *, vertreten durch Dr. Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, unter Nebenintervention auf der Seite der klagenden Partei durch die Republik Österreich (Österr. Bundesforste), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Rosenbursenstraße 1, wider die beklagte Partei Marktgemeinde B*, vertreten durch Dr. Walter Stadler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 177.200,40 s.N und Feststellung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17. Dezember 1975, GZ 1 R 184/75‑35, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Juli 1975, GZ 1 Cg 35/74‑28, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00537.76.0427.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin behauptet, sie sei am 19. 1. 1971 in B* auf dem * M*platz zwischen den Häusern Nr. 9 und Nr. 11 wegen Glatteises gestürzt und habe sich schwer verletzt. Die beklagte Partei habe ihre Verpflichtung zur Bestreuung des Gehsteiges bei der Unfallstelle grob fahrlässig verletzt. Die beklagte Partei habe die Streupflicht getroffen, weil sie Eigentümerin des Gehsteiges gewesen sei und diesen für den allgemeinen Verkehr gewidmet habe; sie sei auch Erhalterin und Verwalterin des Gehsteiges gewesen und habe die Streupflicht dort auch sonst tatsächlich ausgeübt und sie jedenfalls stillschweigend übernommen. Die Klägerin begehrt an Schmerzengeld, Verdienstentgang, Heilungskosten, Sachschaden und verschiedenen unfallsbedingten Aufwendungen einen Betrag von S 177.200,40 s.A. und die Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für künftige Schäden.

Die beklagte Partei bestritt die Streupflicht, weil der Gehsteig nicht in ihrem Eigentum gestanden sei und sie die Streupflicht auch nie übernommen oder tatsächlich erfüllt habe. Die Klägerin habe den Unfall durch ihre eigene Unachtsamkeit selbst verschuldet.

Das Erstgericht sprach mit „Zwischenurteil“ aus, daß „der Anspruch der klagenden Partei auf Schadenersatz“ dem Grunde nach zu zwei Drittel zu Recht bestehe.

Es stellte fest, die Klägerin, eine damals etwa 55 Jahre alte, rüstige Frau, sei am Samstag, den 19. 1. 1971 zwischen 8,15 Uhr und 9,00 Uhr nach einer kleinen Besorgung in B* auf dem Rückweg zu ihrem Geschäft gewesen. Sie habe Lederstiefletten mit Gummisohle mit einer Profiltiefe von etwa 3 mm getragen. Es habe niederschlagsfreies Wetter mit minus 8 Grad Lufttemperatur geherrscht. Die Verkehrswege hätten teilweise Schnee- und Eisglätte aufgewiesen, wobei die Möglichkeit bestanden habe, daß tagsüber entstehendes Schmelzwasser durch den nächtlichen Frost neue Vereisungen gebildet habe. Im Bereich des M*platzes im Ortszentrum seien die Fahrbahn und der Gehsteig eisig gewesen. Schon beim Betreten des Gehsteiges im Bereich der über den G*bach führenden etwa 4 m langen Brücke habe man bei entsprechender Aufmerksamkeit einwandfrei die völlige Vereisung desselben erkennen können. Die Klägerin, die schon seit etwa 20 Jahren dort wohne und die örtlichen Verhältnisse genau kenne, sei in Kenntnis der gefährliche Straßenglätte vorsichtig gewesen. Vor dem Betreten der Brücke habe auch sie erkannt, daß der Gehsteig eisig geglänzt habe und nicht gestreut gewesen sei. Sie habe den Gehsteig vorsichtig betreten, dabei jedoch nicht das an sich verfügbare Brückengeländer benützt. Etwa in der Mitte des etwa 5 m breiten und mit 1-2 Grad gegen die Fahrbahn abfallenden, etwa 0,12 m höher als die Fahrbahn gelegenen Gehsteiges sei sie außerhalb der Griffnähe des Brückengeländers gestürzt und habe sich dabei schwer verletzt.

Die Parzelle * KG B*, über welche der G*bach fließe, stehe im Eigentum der Republik Österreich. Das Bachgrundstück werde von der Forstverwaltung B* verwaltet. Das Fischereirecht sei verpachtet. Eine weitergehende Nutzung des Baches bestehe dort nicht. Der Gehsteig auf der über den Bach führenden Brücke sei von der Forstverwaltung nie bestreut oder von Schnee geräumt worden. Die Brücke mit dem Gehsteig befinde sich im Verlauf der S*bundesstraße. Im Grundbuch werde die Straßenparzelle an dieser Stelle aber von der Bachparzelle unterbrochen; erst jenseits des Bachgrundstückes setze sich der Straßengrund mit neuer Parzellennummer fort.

Wer den Gehsteig bis zum Unfall geräumt habe und ob der Gehsteig ansonsten bestreut worden sei, sei nicht feststellbar. Die Bundesstraße selbst werde von der Bundesstraßenverwaltung geräumt. Ob die Fahrbahn damals bestreut gewesen sei, sei ebenfalls nicht feststellbar. Ein dort an die Bundesstraße anschließender Parkplatz und die dortige Autobushaltestelle würden nach Bedarf von der beklagten Partei geräumt und bestreut. Die Erhaltung des Gehsteiges obliege im Unfallsbereich der beklagten Partei, welche auch das Brückengeländer instandhalte. Des weiteren besorge die beklagte Gemeinde die Verwaltung des nicht in ihrem Eigentum stehenden Gehsteiges. Eine Vereinbarung der beklagten Partei mit den österreichischen Bundesforsten über die Räumung und Streuung des Gehsteiges sei nicht bekannt. Die beklagte Gemeinde habe ihrem Bauhof mit etwa 40 Beschäftigten keinen Auftrag zur Räumung oder Streuung des über den G*bach führenden Gehsteigstückes erteilt. Auch vom Bauhof aus habe kein Beschäftigter einen solchen Auftrag erhalten.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, mit der Verwaltung des Gehsteiges habe die beklagte Partei auch die Streupflicht übernommen. Daß der Gehsteig damals nicht gestreut gewesen sei, gereiche der beklagten Gemeinde zum Verschulden. Die Österreichischen Bundesforste seien hingegen nicht als Anrainer im Sinne des § 93 StVO zu betrachten. Allerdings treffe die Klägerin ein mit 1/3 zu veranschlagendes Mitverschulden, weil sie trotz des Erkennens der Vereisung dieses Gehsteigstück ohne weitere Sicherungsmaßnahmen betreten und nicht entlang des Geländers benützt habe. Da die Sache dem Grunde nach spruchreif sei, sei mit Zwischenurteil zu entscheiden.

Über Berufung beider Parteien hob das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug diesem neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es verwies zunächst darauf, daß das Urteil des Erstgerichtes nur ein Teilzwischenurteil gewesen sei, da es sich nur auf das Leistungsbegehren, nicht auch auf das Feststellungsbegehren bezogen habe, und daß die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteiles nur hinsichtlich des Schmerzengeldanspruches gegeben gewesen seien, weil bei den anderen Ansprüchen nicht feststehe, daß sie der Höhe nach wenigstens mit der kleinsten Einheit zu Recht bestehen. Weiters billigte das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Republik Österreich (Bundesforste) als Eigentümer des Bachbettes, über das die Brücke mit dem Gehsteig führte, keine Streupflicht gemäß § 93 StVO 1960 treffe, da sie nicht „Anrainer“ gewesen sei, weil ihre Liegenschaft nicht unmittelbar an den Gehsteig angegrenzt habe. Mangels einer Streupflicht der Bundesforste komme auch eine Übertragung der Streupflicht durch diese an die beklagte Partei im Sinn des § 95 Abs. 5 StVO 1960 nicht in Betracht. Daraus folge aber noch nicht, daß die Streupflicht für den Gehsteig die Beklagte getroffen habe. Es handle sich nämlich um einen Gehsteig im Zuge einer Bundesstraße. Dafür sei zunächst die Bundesstraßenverwaltung verantwortlich. Mit Rücksicht auf den Unfallszeitpunkt seien die Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1948 maßgeblich. Dieses behandle im § 6 Abs. 2 und 3 die Erhaltung von Ortsdurchfahrten und die Schneeräumung in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern. Es bestünden aber auch oft besondere (ausdrückliche oder schlüssige) Vereinbarungen darüber zwischen der Bundesstraßenverwaltung und der Gemeinde. Ob im vorliegenden Fall die Gemeinde eine Haftung wegen des Unterbleibens der Bestreuung des Gehsteiges an der Unfallstelle treffe, sei noch nicht ausreichend geklärt. Es müsse zunächst die Lage der Unfallstelle im Verhältnis zu dem in der Nähe befindlichen Parkplatz und der Bushaltestelle, wo die Gemeinde die erforderliche Bestreuung und Erhaltung des Gehsteiges übernommen habe, geklärt werden. Da nicht als erwiesen angenommen worden sei, daß auch der Gehsteig bei der Unfallstelle vor dem Unfallszeitpunkt durch Arbeiter der beklagten Partei jeweils geräumt worden sei, könne daraus, daß die beklagte Partei die Erhaltung im engeren Sinne hinsichtlich des Gehsteiges übernommen habe nicht gefolgert werden, daß diese auch die Bestreuung bei Glatteis umfaßt habe. Richtig sei der Gedanke einer Verkehrssicherungspflicht vom Erstgericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben worden, doch bleibe noch zu prüfen, wer tatsächlich den Gehsteig dem öffentlichen Verkehr widmete. Es seien daher noch nähere Feststellungen darüber erforderlich, wann die angeführten Verkehrsflächen geschaffen wurden, wie der Gehsteig über die Brücke gegenüber Fahrbahn, Parkplatz und Bushaltestelle abgegrenzt ist, von wem die einzelnen Bereiche dem allgemeinen Verkehr gewidmet wurden und ab wann allenfalls von bestimmten, ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarungen hinsichtlich der Streupflicht auf dem Gehsteig über die Brücke auszugehen ist. Es sei aber, wenn sich ergebe, daß die beklagte Partei die Streupflicht getroffen habe, noch zu klären, ob ihr deren Erfüllung zum Unfallszeitpunkt an der Unfallstelle auch zumutbar gewesen sei. Dabei müsse darauf Rücksicht genommen werden, welche Verkehrsflächen die Gemeinde insgesamt zu betreuen hatte und welche Reihung nach der Wichtigkeit der Verkehrsbedeutung und der Gefährlichkeit der Verkehrsflächen unter angemessener Bedachtnahme auf die Wirtschaftlichkeit geboten war. Schließlich müsse auch geprüft werden, inwieweit mit Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse eine wirksame Bestreuung schon in den Morgenstunden des Unfallstages möglich und zu erwarten war. Zur Frage eines Eigenverschuldens der Klägerin sei noch zu klären, ob die Möglichkeit bestanden habe, auf weniger glatte Stellen des Gehsteiges, der angrenzenden Fahrbahn oder auf den gegenüberliegenden Gehsteig auszuweichen und ob die Klägerin in der Reichweite des Brückengeländers hätte gehen sollen. Es sei nämlich unbedenklich festgestellt worden, daß die Klägerin bereits vor dem Betreten der Brücke erkannt habe, daß der Gehsteig dort einen eisigen Glanz habe und nicht gestreut sei. Aus diesen Gründen sei die Entscheidung des Erstgerichtes in Stattgebung der beiden Berufungen aufzuheben und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung aufzutragen gewesen.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung im Sinne ihrer Berufung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin macht zunächst geltend, die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe vor Betreten der Brücke erkannt, daß der Gehsteig dort nicht gestreut sei, beruhe auf aktenwidriger Grundlage. Die Aussage der Klägerin, auf der diese Ansicht des Berufungsgerichtes beruhe, habe nämlich gelautet, daß die Klägerin beim Betreten der Brücke gesehen habe, daß diese nicht gestreut sei, daß sie vor dem Betreten der Brücke gesehen habe, daß der Gehsteig eisig glänze und daß sie, als sie dies dachte, auch schon gestürzt sei. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die Klägerin angab, sie habe vor dem Betreten Brücke gesehen, daß diese eisig glänzte, weiters, daß sie beim Betreten der Brücke bereits gesehen habe, daß sie nicht gestreut sei, und schließlich, daß sie etwa in der Mitte der Brücke gestürzt sei (AS 93). Wird noch berücksichtigt, daß der Gehsteig über die Brücke nach den Feststellungen der Untergerichte eine Länge von etwa 4 m hatte (AS 98), dann ist die Auffassung des Berufungsgerichtes, aus dem Zusammenhalt der getroffenen Feststellungen sei abzuleiten, die Klägerin habe vor dem Betreten der Brücke nicht nur den eisigen Glanz auf der Brücke, sondern auch erkannt, daß diese nicht gestreut ist, mit dem Akteninhalt nicht in Widerspruch. Es wird somit im Rekurs der Klägerin keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Untergerichte bekämpft. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß es auch nicht wesentlich ist, ob die Klägerin bereits vor dem Betreten der Brücke oder erst beim Betreten der Brücke erkannte, daß diese nicht gestreut war, weil beide Zeitpunkte noch vor dem Unfall liegen müssen, da der Unfall erst etwa in der Mitte der Brücke war und andererseits die Tatsache, daß die Brücke nicht gestreut ist, nach den Feststellungen der Untergerichte jedenfalls rechtzeitig erkennbar war. Wenn die Klägerin diese trotzdem nicht rechtzeitig erkannt haben sollte, müßte ihr auch ein Mangel an der gebotenen Aufmerksamkeit und Vorsicht vorgeworfen werden.

Weiters wendet sich der Rekurs der Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Frage der Haftung der beklagten Partei noch nicht ausreichend geklärt sei. Nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1948 seien nämlich Bundesstraßen derart herzustellen und zu erhalten, daß sie (unter anderem) von Fußgängern unter Bedachtnahme auf die durch die Witterungsverhältnisse bedingten Umstände ohne Gefahr benützbar sind. Nach § 6 Abs. 2 dieses Gesetzes hätten in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern die Gemeinden für die Mehrkosten, die durch die Bedürfnisse der Ortsbewohner bezüglich Bauweise und Instandhaltung bedingt sind, selbst aufzukommen und müssen solche Gemeinden für die Schneeräumung und Schneeabfuhr aus eigenem sorgen. Da B* mehr als 3000 Einwohner habe, ergebe sich bereits aus dem festgestellten Sachverhalt, daß die beklagte Partei gesetzlich für die Eröffnung des Verkehres auf dem Gehsteig zu sorgen hatte und auch tatsächlich gesorgt habe. Daher habe sie auch die Verpflichtung zur Bestreuung dieser Verkehrsfläche gehabt.

Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1948 den Inhalt der Straßenbaulast festlegt. Richtig ist, daß diese nicht nur die Verpflichtung zur Durchführung baulicher, sondern auch sonstiger Maßnahmen, wie etwa Bestreuung bei Glatteis, beinhaltet, weil ohne diese Maßnahmen auch eine in gutem baulichen Zustand befindliche Straße nicht gefahrlos benutzt werden kann (Krzizek, Das öffentliche Wegerecht 124/125). Träger der Straßenbaulast ist bei Bundesstraßen gemäß § 5 des Bundesstraßengesetzes 1948 der Bund, weil diesem die Errichtung und Erhaltung von Bundesstraßen obliegt (Krzizek a.a.O. 134). § 6 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes 1948 sieht für Ortsdurchfahrten in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern lediglich einen Beitrag zu den Kosten vor; durch diese Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen werden aber die Gemeinden nicht Träger der Straßenbaulast (Krzizek a.a.O. 152). Die Gemeinden haften daher für Schäden wegen des mangelhaften Zustandes einer Ortsdurchfahrt nur, wenn ihnen deren Erhaltung gemäß § 6 Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes 1948 übertragen wurde (ÖRZ 1960 143). Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich der Straßenreinigung sowie Schneeabräumung und -abfuhr, weil dafür gemäß § 6 Abs. 2, letzter Satz, des Bundesstraßengesetzes 1948 die Gemeinden auf eigene Kosten „zu sorgen“ haben; diese Aufgabe obliegt ihnen somit unmittelbar. Hinsichtlich der Gehsteige ist aber die Frage der Schneeräumung und der Bestreuung bei Schnee und Glatteis besonders geregelt. Die Verpflichtung dazu trifft gemäß § 93 Abs. 1 StVO 1960 den Anrainer (SZ 44/187). Diese Vorschrift geht der allgemeinen Regelung über die Instandhaltung der Straße vor (ZVR 1959/64). Für jene Ausnahmefälle, in denen ein Anrainer des Gehsteiges nicht vorhanden ist, muß es bei der allgemeinen Regelung bleiben, daß die Verpflichtung zur Bestreuung bei Schnee und Glatteis grundsätzlich den Träger der Straßenbaulast trifft, weil diese Verpflichtung ein Teil der Straßenbaulast ist. Richtig hat das Berufungsgericht aber auch darauf verwiesen, daß diese Verpflichtung durch ausdrückliche Vereinbarung oder schlüssig vom Träger der Straßenbaulast auf jemand anderen übertragen werden kann, so wie derjenige, den diese Verpflichtung gemäß § 93 Abs. 1 StVO 1960 trifft, jemand anderen mit deren Erfüllung beauftragen und damit seine Haftung ausschließen kann (§ 93 Abs. 5 StVO 1960, SZ 44/187). Besondere Bedeutung kann in diesem Zusammenhang der Frage zukommen, wer tatsächlich den Gehsteig dem öffentlichen Verkehr widmete oder wer die Räumung des Gehsteiges von Schnee und die Bestreuung bei Schnee und Glatteis tatsächlich durchführte. Das Berufungsgericht ist somit bei der Beurteilung dieser Frage von keiner unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen. Wenn es diese Frage in tatsächlicher Hinsicht noch nicht ausreichend geklärt erachtete, so kann dem vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegengetreten werden (Fasching ZP IV 414).

Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob der beklagten Partei, falls sie die Streupflicht traf, deren Erfüllung auch zumutbar war. Auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das zumutbare Ausmaß der Streupflicht nach den Umständen des Falles unter Bedachtnahme auf die Wichtigkeit, Verkehrsbedeutung und Gefährlichkeit der Verkehrsfläche, aber auch unter angemessener Rücksichtnahme auf die Wirtschaftlichkeit des Bestreuens zu beurteilen sei, entspricht Lehre und Rechtsprechung (ZVR 1972/ 155, 1969/140, 1961/188 u.a.). Auch hier kann die Frage, ob noch weitere Beweisaufnahmen zur Klärung dieser Umstände erforderlich sind, vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden.

Dem Einwand der Klägerin, sie sei zu keiner „vorbeugenden Schadensabwehr“ verpflichtet gewesen, weil sie nicht von vorneherein darauf eingestellt sein mußte, daß auf dem M*platz ein kleines Stück des Gehsteiges nicht gestreut sei, muß entgegengehalten werden, daß sie damit nicht von den bisher getroffenen Feststellungen ausgeht. Darnach war nämlich die Vereisung des Gehsteiges über die Brücke bei entsprechender Aufmerksamkeit einwandfrei schon beim Betreten der Brücke erkennbar. Es wurde schon betont, daß es unter diesen Umständen nicht mehr entscheidend ist, ob die Klägerin überdies auch tatsächlich erkannt hat, daß der Gehsteig vereist und nicht gestreut ist. Im übrigen kann zur Frage, wie weit die Klägerin die zumutbare Aufmerksamkeit vernachlässigte und. selbst zum Schadenseintritt beigetragen habe, deswegen noch nicht abschließend Stellung genommen werden, weil die aufgetragenen Verfahrensergänzungen auch zu einer Änderung des Sachverhaltes (z.B. ob für die Klägerin eine Ausweichmöglichkeit bestand oder ob sie das Brückengeländer benützen konnte) ergeben können. Die vom Berufungsgericht dazu angeführten Umstände sind für die Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß der Klägerin ein Eigenverschulden anzulasten ist, von Bedeutung, sodaß auch dieser Ergänzungsauftrag auf keiner unrichtigen Rechtsansicht beruhte.

Damit erweist sich der Rekurs der klagenden Partei gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes als unberechtigt, sodaß ihm ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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