European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00316.76.0406.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Rechtsmittelwerber haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.
Begründung:
Die klagende Partei beantragte zur Sicherung des von ihr mit der vorliegenden Klage gegen die beklagten Parteien geltend gemachten Anspruches auf Unterlassung patentverletzender Eingriffshandlungen, den beklagten Parteien bis zur Beendigung des gegenständlichen Rechtsstreites – dieser ist derzeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim österreichischen Patentamt zu N 15/73 anhängigen, das Klagspatent betreffenden Nichtigkeitsverfahrens unterbrochen – zu verbieten, Schubladenführungen zu erzeugen und/oder zu vertreiben, die am vorderen Ende einen Tragwinkel aufweisen, an dem eine abgewinkelte Tragplatte befestigt ist, die an ihrem parallel zur Schubladenvorderwand ausgerichteten Bereich mit waagrechten, schlitzförmigen Befestigungsöffnungen versehen ist, wobei diese Tragplatte weiters zu ihrer Befestigung eine senkrechte Einschlitzung aufweist, in welche eine am Tragwinkel angreifende Schraube hineingreift und wobei die in sich gewinkelte Tragplatte weiters im Winkel eine weitere oben offene, annähernd bis zum unteren Ende der Tragplatte reichende Einschlitzung aufweist, wobei der an seinem oberen Ende parallel zur Schubladenfrontplatte aus gerichtete Teil der Tragplatte mit einer nach hinten gebogenen Fahne versehen ist, die sich parallel zu dem die Verlängerung des Tragwinkels bildenden Plattenteiles erstreckt und diese Fahne mittels einer in einem senkrecht zur Schubladenfrontplatte verlaufenden schlitzeingreifenden Schraube mit diesem Tragplattenteil verbunden ist, wodurch eine Höhenverstellung dadurch, daß die Tragplatte am senkrecht stehenden freien Schenkel des Tragwinkels höhenverstellbar ist, ein Verschwenken dadurch, daß die Tragplatte in einer senkrecht zur Vorderwand liegenden Ebene schwenkbar aufgenommen ist und ein waagrechtes Verstellen dadurch, daß die Tragplatte mit waagrechten schlitzförmigen Befestigungsöffnungen versehen ist, erreicht wird.
Die beklagten Parteien bestritten einen Patenteingriff und wandten die Nichtigkeit des Klagspatentes wegen vorveröffentlichter neuheitsschädlicher Druckschriften und wegen offenkundiger Vorbenützung im Inland ein. Sie brachten ferner vor, das Patent gebe keine Lehre zum technischen Handeln, sondern zeige nur das zu lösende Problem auf. Außerdem besäßen die beklagten Parteien ein Vorbenutzungsrecht.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung im wesentlichen aus der Erwägung ab, die Frage der Priorität des Klagspatentes, die entscheidend für den Umfang der Berücksichtigung des von den beklagten Parteien genannten neuheitsschädlichen Materials sei, werde erst in dem beim österreichischen Patentamt anhängigen Nichtigkeitsverfahren geprüft und entschieden werden. Feststellungen über eine rechtlich relevante Vorbenützung des Klagspatentes könnten nur auf Grund eines umständlichen Beweisverfahrens und nicht mit den Mitteln des Provisorialverfahrens getroffen werden. Das gleiche gelte für die ebenfalls noch ungelöste Frage, ob das Patent nur eine Problemstellung aufzeige oder eine Lehre zu technischem Verhalten gebe. Da somit der Rechtsbestand des Klagspatentes und das Fehlen von Vorbenützungsrechten noch offen sei und die Tatsachengrundlagen hiefür mit den Mitteln des Provisorialverfahrens nicht geklärt werden könnten, habe die klagende Partei ihren Unterlassungsanspruch nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne des Sicherungsantrages der klagenden Partei ab und ordnete das erwähnte Verbot unter der Bedingung des Erlages einer Sicherheitsleistung seitens der klagenden Partei im Betrage von 1,000.000 S an. Es ging von der – unbestrittenen – Tatsache aus, daß die klagende Partei Inhaberin des aufrechten österreichischen Patentes Nr. 282.106, betreffend einen schubkastenartig ausziehbaren Möbelteil, sei. Die Registrierung schaffe für das Provisorialverfahren einen prima‑facie‑Beweis dafür, daß eine patentfähige Erfindung vorliege, daß der Patentinhaber berechtigt sei, diese im Rahmen des Schutzumfanges gewerbsmäßig zu verwerten und daß der in den Patentansprüchen zum Ausdruck gebrachte Lösungsgedanke auch formell den Erfordernissen eines Patentes entspreche, somit daß er auch eine Lehre zu technischem Handeln gebe. Das Rekursgericht nahm auf Grund des vom Erstgericht – im Hauptverfahren – eingeholten Sachverständigengutachtens als bescheinigt an, daß die von den beklagten Parteien hergestellte und vertriebene Schubladenführung, die den Gegenstand des Unterlassungsanspruches bilde, einen Eingriff in das Klagspatent darstelle. Die Prüfung der Gültigkeit und Wirksamkeit des Klagspatentes sei auch im Provisorialverfahren zulässig, allerdings nur mit den Mitteln und innerhalb der Grenzen dieses Verfahrens. Die Bescheinigungspflicht für die behauptete Nichtigkeit treffe aber die beklagten Parteien. Die von diesen erhobene Nichtigkeitsklage und die gutachterliche Stellungnahme ihres Patentanwaltes seien aber hiefür nicht ausreichend. In welchem Umfang die Nichtigkeitsvorhalte zu berücksichtigen sein werden, hänge überdies von der strittigen Frage der Priorität des Anspruches 1 des Klagspatentes ab, worüber bisher nur widerstreitende Privatgutachten vorlägen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei aber im Provisorialverfahren nicht zulässig. Auch die übrigen offenen Fragen, für die die beklagten Parteien die Bescheinigungspflicht treffe, sei nur durch ein mit den Mitteln des Provisorialverfahrens nicht durchführbares weitwendiges Beweisverfahren zu klären. Da die einstweilige Verfügung sehr erheblich in die geschäftlichen Interessen der beklagten Parteien eingreife, wodurch diese einen bedeutenden Schaden erleiden könnten, falls sich der Eingriff als unberechtigt erweisen sollte, sei die Auferlegung einer Sicherheitsleistung erforderlich. Die Höhe eines solchen Schadens sei jedoch nicht abzusehen, sodaß das Rekursgericht unter Bedachtnahme auf den von der klagenden Partei angegebenen Streitwert von 1,000.000 S auch hinsichtlich der Höhe der Sicherheitsleistung dem Verlangen der beklagten Parteien folge und einen Betrag in derselben Höhe für angemessen erachte.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse der klagenden Partei und der beklagten Parteien. Letztere streben die Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz an, wogegen die klagende Partei nur die Auferlegung einer Sicherheitsleistung bekämpft. Sie beantragt, den die Sicherheitsleistung betreffenden Teil der angefochtenen Entscheidung ersatzlos aufzuheben oder ihn dahin abzuändern, daß eine Sicherheitsleistung in der Höhe von 100.000 S festgesetzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionsrekurse sind nicht berechtigt.
Zum Revisionsrekurs der beklagten Parteien:
Die beklagten Parteien halten den Unterlassungsanspruch der klagenden Partei wegen des Streites über die Priorität und über den Schutzumfang sowie deshalb für nicht bescheinigt, weil zwischen der Erstattung des Sachverständigen‑Gutachtens und dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ein zu langer Zeitraum liege. Ferner sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung während eines unterbrochenen Verfahrens unzulässig. Schließlich meinen die beklagten Parteien, sie hätten die von ihnen behauptete Nichtigkeit des Klagspatentes durch Privatgutachten bescheinigt.
Diesen Auffassungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Wenn auch die Unterbrechung eines Verfahrens dieses zum Stillstand bringt und für die Dauer der Unterbrechung grundsätzlich alle Gerichtshandlungen unzulässig sind, so wird doch ein im Zuge des Rechtsstreites durchgeführtes Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch die Unterbrechung des Hauptverfahrens nicht berührt. Selbst während der Unterbrechung kann eine einstweilige Verfügung – ausgenommen die Fälle der Konkurseröffnung und des Stillstandes der Rechtspflege – beantragt und erlassen werden (Fasching II, 755, 757). Solange über die Nichtigkeitsklage der beklagten Parteien noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann von einer Nichtigkeit – den noch zu erörternden, hier jedoch nicht vorliegenden Fall der Bescheinigung der Nichtigkeit abgesehen – nicht die Rede sein, sodaß sie einer Bescheinigung des Patentrechtes der klagenden Partei und damit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ungeachtet der Unterbrechung des Verfahrens nicht entgegenstehen kann. Die von den Rechtsmittelwerbern zitierten Bestimmungen des § 44 VfGG und des § 9 Abs. 2 WuchG über die dort für zulässig erklärte Erlassung einer einstweiligen Verfügung während der Unterbrechung des betreffenden Verfahrens rechtfertigen keineswegs den von den beklagten Parteien gezogenen Umkehrschluß, sondern stützen vielmehr die Ansicht Faschings über die grundsätzliche Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung während eines unterbrochenen Verfahrens, indem sie zufolge Rechtsähnlichkeit der zu vergleichenden Fälle die Gewinnung eines allgemeinen Grundsatzes durch Analogieschluß ermöglichen.
Hinsichtlich der strittigen Priorität ist dem Rekursgericht darin beizustimmen, daß die Registrierung des gegenständlichen Patentes der klagenden Partei für das Provisorialverfahren einen prima‑facie‑Beweis über den Bestand des von der klagenden Partei behaupteten Patentrechtes und für das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen im angegebenen Prioritätszeitpunkt schafft (ÖBl 1973, 128; ÖBl 1971, 98 und 145; ÖBl 1968, 54 u.v.a.; vgl. auch Friedl, ÖBl 1960, 44 f.).
Wenn daher die beklagten Parteien, wie es hier geschehen ist, ein Vorbenutzungsrecht sowie mangelnde Neuheit der patentierten Erfindung behaupten, dann trifft sie dafür die Gegenbescheinigungspflicht. Der durch die Patenterteilung geschaffene prima‑facie‑Beweis kann wohl in den Grenzen und mit den Mitteln des Provisorialverfahrens durch geeignete Gegenbescheinigungsmittel entkräftet werden; durch die bloße Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen das Klagspatent ist eine solche Gegenbescheinigung aber noch nicht erbracht (ÖBl 1975, 128 u.a.). Ob ein solcher Gegenbeweis durch ein Privatgutachten erbracht wurde, ist im Einzelfall zu prüfen. Soweit es sich hiebei, wie im vorliegenden Fall, um Tatfragen handelt, ist eine Überprüfung der von den Untergerichten vorgenommenen Beweiswürdigung dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt. Tatsachen, die das Rekursgericht als nicht bescheinigt annimmt, können in die rechtliche Betrachtung nicht einbezogen werden (4 Ob 348/75, 4 Ob 307/75; 4 Ob 517/74; 7 Ob 60/75 u.v.a.). Die beklagten Parteien wenden sich daher vergeblich gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, sie hätten die ihnen obliegende Gegenbescheinigung nicht erbracht. Die Auffassung des Rekursgerichtes, dies wäre nur durch ein weitwendiges, den Rahmen eines Provisorialverfahrens sprengendes Beweisverfahren möglich, begegnet keinen Bedenken. Das gleiche gilt für die Auffassung des Rekursgerichtes, die klagende Partei habe durch das vom Erstgericht – im Hauptverfahren – eingeholte Sachverständigen‑Gutachten den Eingriff der beklagten Parteien in ihr Patentrecht bescheinigt. Wenn auch die Annahme, ob ein Patenteingriff vorliegt, auf einer rechtlichen Beurteilung beruht, so ist im vorliegenden Fall doch nicht zu verkennen, daß das Rekursgericht über die darin zum Ausdruck kommende rechtliche Beurteilung hinaus zur Tatfrage auf der Grundlage des Sachverständigen-Gutachtens Stellung nehmen wollte. Die angefochtene Entscheidung enthält zwar keine detaillierten Angaben über den in diesem Zusammenhang als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Trotzdem kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das Rekursgericht, das im Provisorialverfahren an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden ist (Fasching III, 51; 4 Ob 307/75; ÖBl 1973, 104 u.v.a.), die vom Sachverständigen in seinem Gutachten eingehend erörterten Eingriffe in den dort gleichfalls angegebenen und im Entscheidungstenor des angefochtenen Beschlusses beschriebenen Schutzumfang des Patentrechtes der klagenden Partei übernommen und seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Für das Provisorialverfahren reicht daher die zusammenfassende Feststellung des Rekursgerichtes im vorliegenden Fall aus. Die Frage der Richtigkeit des Sachverständigen‑Gutachtens gehört jedoch dem Bereich der Beweiswürdigung an und ist der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof aus dem bereits erwähnten Grund entzogen. Da der Sicherungsantrag mit dem zu sichernden Unterlassungsanspruch inhaltlich übereinstimmt, kommt dem Zeitraum, der von der Erstattung des Sachverständigen‑Gutachtens bis zur Erlassung der einstweiligen Verfügung verstrichen ist, entgegen der Auffassung der beklagten Parteien keine Bedeutung zu.
Dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien konnte somit ein Erfolg nicht beschieden sein.
Zum Revisionsrekurs der klagenden Partei:
Die klagende Partei vertritt die Auffassung, von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung wäre Abstand zu nehmen gewesen, weil die beklagten Parteien keine konkreten Angaben über den ihnen drohenden Schaden gemacht hätten und weil der Ausgang des Rechtsstreites im Sinne des Standpunktes der klagenden Partei voraussehbar sei. Überdies sei die auferlegte Sicherheitsleistung überhöht, zumal es der Gerichtserfahrung entspreche, daß die Gegner der gefährdeten Parteien im allgemeinen höhere als angemessene Sicherheitsleistungen begehren.
Diesen Auffassungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist nach dem Ermessen des Gerichtes vom Erlag einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruches abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen des Ausmaßes des Eingriffes in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RZ 1974/97; 4 Ob 333/74; 7 Ob 279/74). Die Sicherheitsleistung dient nur der Sicherstellung des dem Gegner durch die sich etwa als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruches und der Kosten. Besonderer Erhebungen über die Hohe eines solchen Schadens bedarf es nicht, weil das Gericht die Sicherheitsleistung nach freiem Ermessen zu bestimmen hat (ÖBl 1972, 87; 4 Ob 333/74 u.v.a.).
Im vorliegenden Fall ist der drohende Schaden nicht absehbar und kann daher von den beklagten Parteien nicht konkretisiert werden. Dem Rekursgericht ist darin zuzustimmen, daß die von den beklagten Parteien verlangte Sicherheitsleistung nicht überhöht ist, zumal die klagende Partei einen Streitwert in der Höhe von 1,000.000 S angegeben hat. Der Prozeßausgang ist derzeit noch keineswegs voraussehbar, sodaß schon deshalb diesem Argument der Rechtsmittelwerberin nicht gefolgt werden kann. Da die Höhe der Sicherheitsleistung den oben entwickelten Grundsätzen nicht widerspricht, mußte der Revisionsrekurs der klagenden Partei erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 402, 78 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)