OGH 7Ob562/76

OGH7Ob562/761.4.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* B*, Verkäuferin, *, vertreten durch Dr. Kurt Lindenthaler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F* B*, Pensionist, *, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erhöhung des Unterhaltes (Streitwert 3.240,-- S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1976, GZ 45 R 2/76‑12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 21. November 1975, GZ 4 C 399/75‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00562.76.0401.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.029,12 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 96,-- S Barauslagen und 69,12 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13. März 1970, 2 Cg 71/70‑4, aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Mit Vergleich vom gleichen Tage verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin ab 1. April 1970 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 500,-- S zu bezahlen. Dem lag ein Monatsnettoeinkommen des Beklagten von 4.000,-- S zugrunde. Dieser Vergleich wurde mit Vergleich des Bezirksgerichtes Hernals vom 31. August 1975, 4 C 581/73, dahin abgeändert, daß sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin ab 1. September 1973 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 700,-- S zu bezahlen, wobei ein Monatsnettoeinkommen des Beklagten von etwa 4.700,-- S und ein solches der Klägerin von etwa 2.500,-- S angenommen wurde. Eine neuerliche Abänderung erfolgte mit Vergleich des Bezirksgerichtes Hernals vom 13. Dezember 1974, 4 C 884/74, dahin, daß sich der Beklagte nunmehr verpflichtete, der Klägerin für Dezember 1974 einen Unterhaltsbetrag von 800,-- S und ab 1. Jänner 1975 einen solchen in der Höhe von 850,-- S monatlich zu bezahlen. Diesem Vergleich lag ein Monatsnettoeinkommen des Beklagten von 5.170,-- S und ein solches der Klägerin von rund 2.700,-- S zugrunde. Der Beklagte bezieht nunmehr eine Pension durch das Zentralbesoldungsamt. In den Monaten Jänner bis Juni 1973 betrug diese Pension monatlich 5.912,40 S, zuzüglich einer vierteljährlichen Sonderzahlung in der jeweiligen Höhe eines halben Monatsbezuges. Ab 1. Juli 1975 beträgt diese Pension monatlich 6.478,50 S netto, zuzüglich einer entsprechenden vierteljährlichen Sonderzahlung. Die Klägerin ist als Verkäuferin berufstätig und bezieht derzeit ein monatliches Nettogehalt von 3.311,07 S, gleichfalls 14 mal jährlich.

Unter Berufung auf die nunmehrigen Einkommensverhältnisse begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ab 1. Juli 1975 zuzüglich zu dem mit Vergleich des Bezirksgerichtes Hernals vom 13. Dezember 1974 bestimmten Unterhaltsbetrag von monatlich 850,-- S einen weiteren Betrag von monatlich 90,-- S zu bezahlen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens und wendete im wesentlichen ein, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch dadurch verwirkt, daß sie eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages komme schon deshalb nicht in Frage, weil der seinerzeitige Vergleich keine Wertsicherungsklausel enthalte. Im Hinblick auf die Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden habe die Klägerin keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm die behauptete Lebensgemeinschaft nicht als erwiesen an. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, auch ohne Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel wohne jedem Unterhaltsvergleich die clausula rebus sicstantibus inne. Wenn daher auf Seite des Unterhaltspflichtigen eine Erhöhung seiner Bezüge eintrete, sei dies im allgemeinen ein Grund für eine Erhöhung des Unterhaltes. Im vorliegenden Fall müsse jedoch berücksichtigt werden, daß der Erhöhung des Einkommens des Klägers eine Erhöhung des Einkommens der Beklagten gegenüberstehe. Im gesamten sei daher keine Änderung der Verhältnisse zuungunsten der Klägerin eingetreten.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen und trat auch der Rechtsansicht des Erstgerichtes, derzufolge jeder Unterhaltsvereinbarung die clausula rebus sicstantibus innewohne und daher im allgemeinen eine Erhöhung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen eine Erhöhung des Unterhaltes rechtfertige, bei. Maßgebend für die Beurteilung sei jedoch eine Relation zu dem letzten abgeschlossenen Vergleich. Die früheren Vergleiche seien insoweit von Bedeutung, als aus ihnen eine Tendenz hinsichtlich des Parteiwillens abgeleitet werden könne. Hiebei ergebe sich, daß auf Grund des Vergleiches vom 31. August 1973 sowie des Vergleiches vom 13. Dezember 1974 die Klägerin jeweils unter Einbeziehung des vereinbarten Unterhaltes ca. 80 % der dem Beklagten verbleibenden Beträge zur Verfügung hatte. Daraus könne geschlossen werden, daß nach dem Willen der Parteien die Klägerin jeweils denselben Prozentsatz von den dem Beklagten verbleibenden Einkünften erhalten solle. Legt man den derzeitigen beiderseitigen Einkünften den von der Klägerin nunmehr begehrten Unterhaltsbetrag zugrunde, so würden die Gesamteinkünfte der Klägerin ohnehin nur 77 % jenes Betrages erreichen, der dem Beklagten verbleibt. Dies zeige aber, daß sich tatsächlich die Verhältnisse wesentlich zuungunsten der Klägerin verändert hätten. Demnach sei das klägerische Begehren gerechtfertigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen des § 503 Z. 2 und 4 ZPO. Der Beklagte stellt den Antrag auf Abänderung dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Vorerst war die Zulässigkeit der Revision zu prüfen, weil gemäß § 502 Abs. 2 Z. 1 ZPO gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ein weiterer Rechtszug unzulässig ist. Dies gilt auch für vertragliche Unterhaltsvereinbarungen über das Ausmaß einer durch Gesetz begründeten Unterhaltspflicht, wie z.B. für einen Unterhaltsvergleich anläßlich einer Ehescheidung (Fasching IV, 270; SZ 22/36 u.a.). Die Revision ist jedoch zur Prüfung der Frage zulässig, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt (Fasching IV, 271; Jud 60 neu; EvBl 1967/342 u.a.).

Die Entscheidung über die vorliegende Klage hängt davon ab, inwieweit Änderungen der beiderseitigen Einkommensverhältnisse im Hinblick auf abgeschlossene Vergleiche das Begehren auf Erhöhung des Unterhaltes für die Klägerin rechtfertigen. Maßgebend ist sohin eine Auslegung dieser Vergleiche. Eine solche Auslegung betrifft aber den Grund des Anspruches, weshalb § 502 Abs. 2 Z. 1 ZPO einer Revision nicht entgegensteht.

Unter Berufung auf § 503 Z. 2 ZPO (Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens) behauptet die Revision eine Aktenwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung. Aktenwidrigkeit liegt jedoch nur vor, wenn bei Darstellung der Beweisergebnisse ein Irrtum unterlaufen ist, der aus den Akten selbst erkennbar und behebbar ist, nicht aber im Falle unrichtiger Schlußfolgerungen (Arb 7588, EFSlg 8978 u.a.). Einen derartigen Irrtum zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht hat nicht auf Grund von Aussagen Feststellungen über den Parteiwillen getroffen, sondern nur aus Akten (sohin Urkunden) eine Auslegung abgeschlossener Vergleiche vorgenommen. Reine Urkundenauslegung ist aber rechtliche Beurteilung (MietSlg 23.674; Arb 8578, 5468 u.a.). Demnach ist eine Aktenwidrigkeit nicht gegeben.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil der Beklagte nicht aufzeigt, welche konkreten Verfahrensschritte das Berufungsgericht unterlassen hat.

Die rechtliche Beurteilung, wonach Unterhaltsverträgen regelmäßig die clausula rebus sicstantibus innewohnt, ist ebenso zutreffend (SZ 26/222 u.a.) wie diejenige, daß in der Regel bei geänderten Verhältnissen Unterhaltsbeträge so zu bemessen sind, daß die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommens- und Unterhaltshöhe gewahrt bleibt (EFSlg 21.100 u.a.). Daß der Klägerin grundsätzlich kein Unterhalt gebühren würde, ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 68 EheG unrichtig. Durch den Abschluß eines Vergleiches, mit dem der Klägerin ein Unterhalt zugebilligt wurde, haben die Parteien dargetan, daß das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung eines Unterhaltes nicht mehr näher geprüft werden sollte, sondern die Klägerin grundsätzlich vom Beklagten einen Unterhalt zu erhalten habe. Demnach ist diese Frage bei der Auslegung der Vergleiche nicht mehr weiter zu prüfen.

Es ist auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des maßgeblichen letzten Vergleiches in dem Sinne, daß die beiderseitigen Einkommen unter Berücksichtigung der Unterhaltszahlung in einem bestimmten Verhältnis zueinander standen und dieses Verhältnis bei Änderung der beiderseitigen Einkommen ungefähr erhalten bleiben soll, zu billigen. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß nach dem Vergleich vom 13. Dezember 1974 unter Berücksichtigung der vorangegangenen Vergleiche und unter Zugrundelegung der beiderseitigen Einkommen die Klägerin ungefähr 80 % der dem Beklagten verbleibenden Beträge zu erhalten hätte. Verschiebt sich diese Relation wesentlich, so muß von einer Änderung der Verhältnisse ausgegangen werden.

Das Berufungsgericht hat sohin die Sache rechtlich richtig beurteilt.

Auf die Frage der Bemessung des Unterhaltes bei richtiger rechtlicher Beurteilung kann im Verfahren dritter Instanz nicht mehr eingegangen werden.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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