OGH 3Ob525/76

OGH3Ob525/7630.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Kuderna und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* B*, Sägewerksbesitzer, *, vertreten durch Dr. Heribert Melion, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G* S*, Lehrer, *, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 23.000,— s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1975, GZ 6 R 87/75‑18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. April 1975, GZ 24 Cg 37/74‑11 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00525.76.0330.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.054,64 (darin die Barauslagen von S 480,— und die Umsatzsteuer von S 116,64) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 23.000,—. Er brachte zur Begründung vor, Ende Juni 1973 vom Beklagten dessen bei der I*AG kaskoneuwertversicherten PKW. Alfa Romeo GT 1600 um S 70.000,— gekauft und übernommen zu haben. An diesem bereits in seinem Eigentum stehenden PKW. sei bei einem Verkehrsunfall am 28. Juni 1973 Totalschaden entstanden. Da im Zeitpunkt des Unfalles das Kennzeichen und die Fahrzeugpapiere noch nicht auf den Namen des Klägers umgeschrieben waren, habe der Beklagte vom Kaskoversicherer S 93.000,— ausbezahlt erhalten; er habe davon dem Kläger aber nur S 70.000,— ausgefolgt. Mit dem Eigentum am PKW. seien auch die Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den Kläger übergegangen; es gebühre ihm daher die volle Kaskoentschädigung.

Der Beklagte behauptete dagegen, daß er das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalles dem Kläger nur als Kaufinteressenten zu Probefahrten überlassen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 23.000,— s.A. Es legte seiner Entscheidung nach Beweiswiederholung folgenden Sachverhalt zu Grunde: Der Beklagte hatte die Absicht, beim Kraftfahrzeughändler W* L* in S* einen Vorführwagen VW K 70 zu kaufen und dafür seinen PKW. Alfa Romeo GT 1600 zu verkaufen. Der Kläger erfuhr am 26. Juni 1973 von der Verkaufsabsicht des Beklagten. Am Nachmittag dieses Tages einigten sich die Streitteile in Gegenwart des Geschäftsführers der Firma L* mündlich über den Abschluß des Kaufvertrages zum Kaufpreis von S 70.000,—. Es wurde auch mit der Schreibmaschine ein Kaufvertrag geschrieben und vom Kläger unterfertigt. Der Beklagte nahm beide Ausfertigungen dieses Schriftstückes an sich, um seine Unterschrift zur Ummeldung bei der Zulassungsbehörde beglaubigen zu lassen. Der Beklagte bestellte bei L* einen Vorführwagen VW K 70, der in wenigen Tagen geliefert werden sollte. Da er sein bisheriges Kennzeichen behalten wollte, vereinbarten die Streitteile, daß der Kläger bis zur Auslieferung des VW K 70 an den Beklagten den erworbenen Alfa Romeo mit dem bisherigen Kennzeichen fahren sollte. Außerdem vereinbarten die Streitteile, daß der Kläger den Kaufpreis von S 70.000,— direkt an die Fa. L* zur teilweisen Begleichung der Rechnung für den vom Beklagten bestellten Vorführwagen bezahlen sollte. Die Ummeldung des PKW. Alfa Romeo sollte erst nach der Auslieferung des Vorführwagens an den Beklagten durchgeführt werden. Der Beklagte übergab dem Kläger seinen PKW. Alfa Romeo, den Zulassungsschein und die Steuerkarte (den Typenschein hatte er nicht bei sich). Der Kläger überließ dem Beklagten seinen eigenen VW, damit dieser bis zur Auslieferung des bestellten Vorführwagens ein Fahrzeug zur Verfügung habe. Am 28. Juni 1973 gegen 12,40 Uhr wurde der PKW. Alfa Romeo bei einem von H* E* verschuldeten Verkehrsunfall total beschädigt. Am selben Tag überwies der Kläger über die Raiffeisenkasse S* vereinbarungsgemäß den Kaufpreis von S 70.000,– auf das Konto des Autohändlers L*. Die Buchung des überwiesenen Betrages erfolgte am 29. Juni 1973. In der von L* hinsichtlich des VW K 70 ausgestellten Rechnung vom 29. Juni 1973 über S 92.000,– ist die vom Kläger geleistete Zahlung nicht ersichtlich gemacht. Einige Wochen später zahlte die Mutter des verreisten Beklagten einen Betrag von S 70.000,— bei der Fa. L* ein, worauf F* L* ohne weitere Rücksprachen einen Betrag von S 70.000,— an den Kläger rücküberwies. Dem Kaskoversicherer war der Eigentümerwechsel bis zur Liquidierung des Schadensfalles am 20. Juli 1973 unbekannt, weshalb er die Versicherungsleistung dem Beklagten erbrachte. Bei Kaufabschluß war über den Bestand einer Kaskoversicherung nicht gesprochen worden. Der Kläger erfuhr erst einige Zeit nach dem Unfall von der vom Beklagten abgeschlossenen Vollkaskoversicherung.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß im Falle der Veräußerung eines Fahrzeuges die §§ 69 f, VVG 1958 gelten. Wenn die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert werde, trete gemäß § 69 Abs 1 VVG an Stelle des Veräußerers der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein. Der Eintritt des Erwerbers in das Versicherungsverhältnis erfolge ex lege im Zeitpunkte der Übertragung des Eigentums an der versicherten Sache, ohne daß es auf die Kenntnis des Versicherers ankomme. Der Versicherer könne aber so lange mit befreiender Wirkung an den früheren Versicherungsnehmer Zahlung leisten, als er vom Eigentumsübergang keine Kenntnis habe. Der Kläger habe daher Anspruch auf die Versicherungssumme. Da ihm der bereits entrichtete Kaufpreis zurückerstattet worden sei, habe er berechtigterweise seine Kaufpreisschuld mit der Forderung aus dem Kaskoversicherungsvertrag verrechnet und nur mehr die Differenz eingeklagt.

Der Beklagte erhebt Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag. Der Kläger stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat entgegen den Revisionsausführungen eine Feststellung, daß ein schriftlicher Kaufvertrag „zustande gekommen“ sei, nicht getroffen, sondern festgestellt, daß ein schriftlicher Kaufvertrag in zwei Ausfertigungen geschrieben und vom Kläger unterfertigt wurde. Diese Feststellung ist, da hiefür im Akt Grundlagen, nämlich die Aussagen des Zeugen F* L* und des Klägers als Partei vorhanden sind, nicht aktenwidrig, sondern das Ergebnis eines der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogenen Beweiswürdigungsvorganges der zweiten Instanz. Die Revisionsbehauptung, das Berufungsgericht habe die Feststellung des Erstrichters, daß der Kläger den Betrag von S 70.000,– erst am Nachmittag des 28. Juni 1973 bei der Raiffeisenkasse S* eingezahlt habe, und auch andere Feststellungen der ersten Instanz übernommen, ist aktenwidrig. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich seine auf Grund der Beweiswiederholung getroffenen Feststellungen zu Grunde gelegt. Die Frage, ob die Überweisung der S 70.000,— vor oder nach dem Unfall erfolgte, ließ es wegen rechtlicher Unerheblichkeit offen. Die von der Revision behaupteten Feststellungsmängel sind nicht mit der Mängelrüge, sondern mit dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO. geltend zu machen (vgl. RZ 1966, 165). Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

Die Revision ist mit der Ansicht, daß die Übergabe des Typenscheines und die Einigung der Vertragspartner darüber, ob die bestehende Versicherung fortbestehen soll, essentielle Bestandteile eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug sind, nicht im Recht. Der Kaufvertrag ist ein in der Regel formfreier Konsensualvertrag; er kommt durch Einigung über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis zustande (§§ 1053, 1054 ABGB). Besteht Einigung über das Objekt und den Preis, so sind alle übrigen Bestimmungen entweder aus dem Parteiwillen zu erschließen oder falls sich auf diese Weise kein Resultat ergibt, den dispositiven Normen zu entnehmen. Die mit der Veräußerung der versicherten Sache verbundenen versicherungsrechtlichen Folgen sind gesetzlich geregelt. Mit der rechtswirksamen Übertragung des Eigentumsrechtes an der versicherten Sache, tritt, wie die Berufungsinstanz richtig erkannt hat, der Erwerber ex lege an Stelle des Veräußerers in das Versicherungsverhältnis ein. Es bedarf daher für die Gültigkeit des Kaufvertrages keiner Vereinbarungen über das rechtliche Schicksal des Versicherungsverhältnisses, sodaß dahingestellt bleiben kann, ob Erwerber und Veräußerer überhaupt eine von der gesetzlichen Regelung des § 69 Abs 1 VVG. abweichende Vereinbarung wirksam treffen können. Dem Versicherer gegenüber haften für die Versicherungsprämie Veräußerer und Erwerber solidarisch, wenn letzterer in das Versicherungsverhältnis eintritt (§ 69 Abs 2 VVG.). Wer im Innenverhältnis für die Versicherungsprämie aufzukommen hat, läßt sich nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB. ermitteln. Es bedarf also auch hier keiner Vereinbarungen der Parteien. Mangels einer Vereinbarung wird als Parteiwille anzunehmen sein, daß Veräußerer und Erwerber für die Versicherungsprämie nach dem Verhältnis der auf jeden von ihnen entfallenden Versicherungszeiten aufzukommen haben.

Die Aushändigung und der Besitz des Typenscheines haben für die Frage des Eigentumserwerbes an einem Kraftfahrzeug rechtlich keine Bedeutung, weil der Typenschein das Eigentum an einem Kraftfahrzeug, das nach seiner Beschaffenheit eine körperliche Übergabe zuläßt, nicht verbrieft (RiZ 1964, 140 SZ 41/37 ua). Die Ausfolgung des Typenscheines ist für den Eigentumserwerb des Käufers weder erforderlich noch ausreichend.

Die Behauptung des Revisionswerbers, daß die Streitteile für den Kaufvertrag die Schriftform vorbehalten haben, ist akenwidrig und stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung dar. Das Berufungsgericht hat eine solche vom Beklagten gar nicht behauptete Vereinbarung nicht festgestellt, sondern ist davon ausgegangen, daß sich die Parteien über den Gegenstand des Kaufvertrages und den Preis mündlich geeinigt haben. Aus der Feststellung, daß die Parteien auch eine schriftliche Urkunde errichtet haben, folgt für sich allein noch nicht, daß sie vor Errichtung dieser Urkunde nicht gebunden sein wollten (vgl. JBl 1967/84). Kaufverträge über Kraftfahrzeuge sind formfrei; eine Vertragsurkunde wird lediglich für die Zulassungsbehörde zum Nachweis des Veräußerungsgeschäftes benötigt. Dem Revisionsgegner ist beizupflichten, daß es sich bei der von den Parteien errichteten Vertragsurkunde lediglich um eine Beweisurkunde handelt. Der Kaufvertrag ist schon mit der mündlichen Einigung der Parteien über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis gültig zustandegekommen.

Richtig ist, daß es zum Eigentumserwerb des Klägers der Übergabe des Kaufobjektes bedarf. Nach herrschender Lehre ist die Tradition ein dinglicher Vertrag. Man versteht darunter die Übertragung des Besitzes an der Sache mit dem Willen, „Eigentum zu geben und zu nehmen.“ Der Übereignungswille wird im Verkehr in der Regel nicht gesondert erklärt, da er zumeist genügend deutlich aus dem Titelgeschäft hervorgeht. Die Aneignungshandlung des Erwerbes trägt in der Regel den Aneignungswillen in sich und es ist nicht der Beweis des Besitzwillens erforderlich. Der Gegenbeweis seines Nichtvorhandenseins ist aber zulässig (Klang ABGB2 2. Band S. 307). Der in diesem Zusammenhang von der Revision geltend gemachte Feststellungsmangel liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat der Behauptung und der Aussage des Beklagten, Fahrzeug und Fahrzeugpapiere (ohne Typenschein) dem Kläger nur zwecks Probefahrten übergeben zu haben, keinen Glauben geschenkt, sondern hat das Gegenteil als erwiesen angenommen, nämlich daß ein Kaufvertrag zwischen den Parteien – durch mündliche Vereinbarung – zustande kam und das Fahrzeug dem Kläger übergeben wurde. Es bedurfte daher nicht noch der ausdrücklichen Feststellung, daß die gegenteilige Behauptung des Beklagten nicht erwiesen sei. Dem Beklagten ist der ihm obliegende Gegenbeweis, daß der übereinstimmende Wille der Parteien zur Eigentumsübertragung gefehlt habe, nicht gelungen. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten daß der Kläger bereits am 26. Juni 1973, also vor dem Unfall, Eigentümer des mit Kaufvertrag erworbenen PKWs. Alfa Romeo geworden ist und deshalb der Anspruch auf die Versicherungssumme dem Kläger und nicht dem Beklagten zustand.

Die Revision erweist sich daher als unberechtigt, sodaß ihr der Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

 

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