European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00011.76.0323.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.229,60 (einschließlich S 129,60 Umsatzsteuer und S 480,– Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 3. Dezember 1969 bei der beklagten Partei angestellt. Das Dienstverhältnis wurde von der beklagten Partei am 22. April 1974 zum 30. Juni 1974 gekündigt. Der Kläger wurde ab 24. April 1974 vom Dienst freigestellt. Es wurde ihm anlässlich der Kündigungserklärung mitgeteilt, daß er während der Zeit der Dienstfreistellung seinen Urlaub im Ausmaß von 28 Arbeitstagen (8 Arbeitstage Resturlaub aus dem Vorjahr und 20 Arbeitstage Urlaub aus dem laufenden Arbeitsjahr) verbrauchen müsse. Der Kläger wandte sich dagegen, weil er in dieser Zeit wegen seiner zwei schulpflichtigen Kinder keine ausreichende Erholungsmöglichkeit und bereits für die Zeit vom 20. Juli bis 17. August 1974 einen Auslandsurlaub gebucht habe.
Der Kläger begehrt eine Urlaubsentschädigung in der Höhe von S 44.961,— samt Anhang, weil er den ihm zustehenden Urlaub wegen der Kündigung des Dienstverhältnisses durch die beklagte Partei nicht mehr habe verbrauchen können.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger auf seinen Urlaub verzichtet habe und in der Lage gewesen sei, ihn während der Kündigungsfrist zu verbrauchen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:
Bei der beklagten Partei besteht zwar eine allgemeine Dienstanweisung, den angefallenen Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr zu verbrauchen. Bei leitenden Angestellten, zu denen auch der Kläger zu zählen war, wurde dies nur mit Einschränkungen gehandhabt. Das Sekretariat teilte einen Urlaubsrest jeweils zu Beginn des Kalenderjahres mit dem Urlaubsvorausplan dem Personalbüro in Wien formlos mit. Für den Verbrauch des Resturlaubes bedurfte es keiner besonderen Genehmigung durch Vorgesetzte. Bei der beklagten Partei legte man lediglich darauf Wert, daß ein allfälliger Resturlaub nicht noch über ein weiteres Urlaubsjahr mitgezogen wurde.
In dem mit 3. Dezember 1973 zu Ende gegangenen vorletzten Dienstjahr hatte der Kläger 8 Tage Urlaub noch nicht verbraucht. Er hatte auf diesen Urlaubsrest nie verzichtet, konnte ihn aber aus gesundheitlichen und dienstlichen Gründen im vorletzten Dienstjahr nicht verbrauchen.
Die Gattin des Klägers ist nicht berufstätig. Für das Jahr 1974 hatte der Kläger seinen Urlaub für sich und seine Familie (zu der zwei Kinder im Alter von damals 7 und 12 Jahren gehören) bereits im Dezember 1973 fixiert und am 26. März 1974 fix für die Zeit vom 20. Juli bis 17. August 1974 gebucht.
Der Kläger litt seit September 1973 ständig an Asthmaanfällen, weshalb er auch medikamentös behandelt wurde. Der Kläger war auch während seiner Dienstfreistellung krank. Vom 14. Mai bis 3. Juni 1975 war er wegen einer asthmoiden Bronchitis arbeitsunfähig. Auch vom 19. Juni bis 24. Juni 1975 war der Kläger nicht arbeitsfähig, nachdem er sich wegen einer Wurzelfraktur operieren lassen mußte.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zwischen den Streitteilen ein Einvernehmen über den Verbrauch des Urlaubes des Klägers nicht zustandekam. Der Kläger habe während der Kündigungszeit auch tatsächlich keine Erholungsmöglichkeit gehabt; er sei einige Zeit akut krank gewesen und während der übrigen Zeit in ärztlicher Behandlung wegen der Asthmaanfälle gestanden. Dazu komme noch, daß er mit Rücksicht auf die Schulpflicht seiner Kinder keine Urlaubsmöglichkeit gehabt habe. Den Kläger habe daher am Nichtverbrauch des Urlaubes kein Verschulden getroffen, sodaß er wegen der Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches infolge der Beendigung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf Geldentschädigung habe. Die Dienstfreistellung des Klägers könne nicht als Gewährung eines Urlaubes gewertet werden.
Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerGes die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsauffassung. Es verwies insbesondere darauf, daß von den 44 Arbeitstagen zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ende des Dienstverhältnisses dem Kläger wegen seiner Erkrankungen 17 Tage für die Möglichkeit eines Urlaubes verlorengegangen seien. Zusätzlich stellte das Berufungsgericht fest, daß nach §§ 11 und 12 des im vorliegenden Fall anzuwendenden Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie die aliquoten Teile des 13. und 14. Gehaltes nur entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit gebühren. Dazu führte das Berufungsgericht aus, daß nach ständiger Rechtsprechung in die Berechnung des Urlaubsentgeltes dauernd und regelmäßig bezogene Sonderprovisionen und Prämien sowie ein entsprechender Teil der Weihnachtsremuneration einzubeziehen seien.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei meint zunächst, es bestehe überhaupt keine rechtliche Grundlage für den Zuspruch einer Urlaubsentschädigung an den Kläger. Demgegenüber ist aber auf die seit der Entscheidung 4 Ob 52/65 (= SZ 38/67, = ArbSlg 8080 = EvBl 1965/388 = JBl 1966/156 = ZAS 1966/57) ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach sich der Anspruch des Angestellten auf Urlaubsgewährung in natura bei Unmöglichwerden seiner Erfüllung dann, wenn den Angestellten daran kein Verschulden trifft, in einen Geldanspruch auf Urlaubsentschädigung verwandelt. Das ergibt sich daraus, daß dem Angestellten jährlich ein Urlaub, somit die Gewährung arbeitsfreier Zeit bei Weiterzahlung des Entgeltes, das er bei Leistung der Arbeit bekommen hätte, zusteht und § 17 b AngGes einen Verlust des Urlaubsanspruches nur für den Fall festlegt, daß der Angestellte ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder ihn an der vorzeitigen Entlassung ein Verschulden trifft (ZAS 1970/58, 1972/136, EvBl 1969/289 u.a.). Überdies wird immer mehr die Auffassung des von der „Doppelnatur des Urlaubsanspruches vertreten s Holzer RdA 1975 135 ff m.w.N). Die Bedenken Hoppels in der Besprechung der Entscheidung 4 Ob 52/65 (ZAS 1966 59 f) dagegen aus der Bestimmung des § 17 b AngGes mit Umkehrschluß zu folgern, daß in anderen als den beiden angeführten Fällen der Auflösung des Dienstverhältnisses der Anspruch auf Urlaub aufrecht bleibe und durch die Lösung des Dienstverhältnisses an sich nicht berührt werde, wurden schon in der Entscheidung ZAS 1970 58 nicht geteilt und von Koziol (ZAS 1970 96) mit dem Hinweis widerlegt, daß es sich bei dieser Bestimmung um eine später in das Gesetz eingefügte Bestimmung handelt, die offensichtlich gerade die erwähnten Fälle treffen wollte und auf dem Gedanken beruht, daß der Dienstnehmer, der den Verlust der Möglichkeit, den Urlaub noch zu verbrauchen, selbst verschuldet habe, einen Urlaubsanspruch verlieren soll. Aus dieser Überlegung folgt allerdings, daß es gerechtfertigt ist, einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung dann zu verneinen, wenn der Dienstnehmer zwar nicht die Auflösung des Dienstverhältnisses verschuldet, wohl aber schuldhaft den Verbrauch des Urlaubes während des Dienstverhältnisses vereitelt hat, etwa dadurch, daß er grundlos sich weigerte, den Urlaub zu nehmen (Koziol a.a.O.).
Die Revision meint weiter, der Kläger habe schon deswegen keinen Anspruch auf eine Urlaubsentschädigung, weil er während der Kündigungsfrist während der er den Urlaub hätte verbrauchen sollen, vom Dienst freigestellt gewesen sei und die beklagte Partei daher keinen „Ersatz“ –durch Arbeitsleistung des Dienstnehmers in einer Zeit, während der er Anspruch auf Freizeit bei Zahlung des Entgeltes gehabt hätte – erhalten habe, den sie gemäß § 1447 Satz 3 ABGB im Sinn der Entscheidung 4 Ob 52/65 (ebenso Bydlinski JBl 1966 158 f) herausgeben müßte. Dem ist entgegenzuhalten, daß es nicht darauf ankommt, ob die beklagte Partei tatsächlich eine Arbeitsleistung erhielt, sondern ob ihr Verlangen, daß der Kläger während der Kündigungsfrist den offenen Urlaub verbrauche, gerechtfertigt war. Trifft dies nicht zu, so hat sie das Unterbleiben der Dienstleistung wegen ihrer Weigerung, die Arbeit entgegenzunehmen, selbst zu vertreten und das Entgelt zu leisten (§ 1155 ABGB), wobei die bisher nicht aufgeworfene Frage einer Pflicht des Klägers, sich einen anderweitigen Verdienst anrechnen zu lassen, auf sich beruhen kann (SZ 24/163). Die beklagte Partei ist daher in diesem Fall so zu behandeln, als ob der Kläger tatsächlich gearbeitet hätte.
Wesentlich ist daher, ob die Ablehnung des Klägers, den Urlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen, durch die Bestimmung des § 17 Abs 11 AngGes gedeckt war, wonach der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer im Einvernehmen unter Rücksicht auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Angestellten zu bestimmen ist. Daraus folgt, daß der Dienstnehmer nicht verpflichtet ist, den Urlaub zu einer Zeit zu verbrauchen, während welcher der eigentliche Zweck des Urlaubes, nämlich die Erholung des Dienstnehmers, nicht erreicht werden kann. Dazu wurde hinsichtlich des Resturlaubes des Klägers aus dem bereits vergangenen Urlaubsjahr festgestellt, daß dessen Verbrauch aus gesundheitlichen und dienstlichen Gründen nicht möglich war. Es wurden auch keine Umstände festgestellt, aus denen sich ein Anlaß ergeben hätte, den Urlaub bereits vor dem Ausspruch der Kündigung zu verbrauchen. Es standen dem Kläger daher für den Verbrauch eines Urlaubes von 27 Arbeitstagen insgesamt 44 Arbeitstage während der Kündigungsfrist offen. Davon war der Kläger an 17 Tagen wegen Krankheit dienstunfähig, aber auch die ganze übrige Zeit wegen seines Asthmaleidens in ärztlicher Behandlung. Wenn auch diese Beeinträchtigung der Gesundheit nicht bis zur Arbeitsunfähigkeit reichte, konnte dem Kläger doch nicht zugemutet werden, seinen Erholungsurlaub während dieser Zeit zu verbrauchen, weil der Erholungszweck des Urlaubes wegen dieser – gegenüber der übrigen Zeit stärkeren –Gesundheitsbeeinträchtigung sicher nicht erreicht worden wäre. Der Nichtantritt des Urlaubes während der Kündigungszeit kann daher dem Kläger nicht als Verschulden angelastet werden, so daß er dadurch den Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht verloren hat, gleichgültig ob man deren Rechtsgrund in der Bestimmung des § 1447, Satz 3 ABGB oder darin sieht, daß der Urlaub ein „Doppelanspruch“ ist, nämlich ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, der nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr erfüllt werden kann und ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes, der auch nach dem Ende des Dienstverhältnisses noch erfüllt werden kann und muß, da Verträge so weit aufrechterhalten werden sollen, als die Aufrechterhaltung des möglichen Teiles den Parteieninteressen entspricht und daher die zum Urlaubsanspruch gehörende Verpflichtung des Dienstgebers zur Zahlung des Entgeltes auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses noch bestehen bleibt, weil der damit verfolgte Erholungszweck für den Dienstnehmer noch erreicht werden kann (Koziol ZAS 1970, 979, Holzer RdA 1975, 135 mwN.). Da dem Kläger schon wegen seines Gesundheitszustandes der Verbrauch des Urlaubes während der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte, kommt es darauf, ob der Erholungszweck wegen der zeitlichen Lage des Urlaubes bei einem Verbrauch während der Kündigungsfrist nicht hätte erreicht werden können und der Kläger auch aus diesem Grunde den Verbrauch des Urlaubes zu dieser Zeit ohne Verlust eines Anspruches auf eine Entschädigung ablehnen durfte, nicht mehr an.
Die Untergerichte haben aber auch mit Recht bei der Berechnung der Höhe der Urlaubsentschädigung die Sonderprovisionen und die Sonderzahlungen entsprechend berücksichtigt. Die Berechtigung der Einbeziehung dieser Entgeltsbestandteile in die Berechnung der Urlaubsentschädigung ergibt sich daraus, daß die Urlaubsentschädigung in der Höhe des Entgeltes zu zahlen ist, das bei Verbrauch des Urlaubes in Natur zu leisten gewesen wäre (ZAS 1972 136). Da für diesen ein entsprechender Teil des Kalenderjahres erforderlich ist, gebührt auch der darauf entfallende Anteil an den Sonderzahlungen nach den Bestimmungen des hier anzuwendenden Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten in der Industrie. Dadurch, daß sich das Urlaubsentgelt wegen des Nichtverbrauches des Urlaubes in eine Urlaubsentschädigung verwandelt – wenn man nicht wegen der „Doppelnatur“ des Urlaubsanspruches überhaupt die Annahme einer Umwandlung des Urlaubsentgeltes in eine Urlaubsentschädigung verneint und das Weiterbestehen des Anspruches auf das Urlaubsentgelt an sich annimmt (Holzer RdA 1975 135 ff insbesondere 137) – wird die Höhe des zu leistenden Betrages nicht berührt. Die Berücksichtigung der im Rahmenkollektivvertrag festgelegten Sonderzahlungen ist daher deswegen begründet, weil sie auch während der Urlaubszeit in einem entsprechenden Ausmaß gebührten.
Es war somit der Revision ein Erfolg zu versagen.
Der Hinweis in der Revisionsbeantwortung, daß der Vertreter der beklagten Partei in den Unterinstanzen zum Einschreiten im Revisionsverfahren und daher auch zur Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes für das Revisionsverfahren nicht berechtigt gewesen sei, ist nicht stichhältig. Die einer Person, die nicht Rechtsanwalt ist, erteilte Vollmacht, Rechtsmittel aller Art zu ergreifen – eine solche hatte der Vertreter der beklagten Partei in den Unterinstanzen – schließt auch das Recht ein, einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen, wenn für das zu ergreifende Rechtsmittel Anwaltszwang besteht (EvBl 1973/25 u.a.).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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