OGH 8Ob513/76

OGH8Ob513/7617.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Benisch, Dr. Thoma und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* V*, Handelsvertreter, *, vertreten durch Dr. Giampaolo Caneppele, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Firma A* K* „*“‑Jalousien, *, vertreten durch Dr. Otto Perner, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Vorlage eines Buchauszuges und Zahlung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3. September 1975, GZ 2 R 500/75‑53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 3. April 1975, GZ C 2/73‑47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0080OB00513.76.0317.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.732,99 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 240,— und die Umsatzsteuer von S 110,59) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betrieb im Jahre 1959 auf Grund einer entsprechenden Gewerbeberechtigung eine Handelsagentur mit dem Standorte L*. Der Beklagte befasst sich mit der Erzeugung von Jalousien. Am 1. Juni 1959 schlossen die Parteien einen Vertrag mit folgendem Wortlaut:

 

V E R T R A G !

A*, am

 

1. 6. 1959

  

 

Die Fa. K* A* „*“-Jalousienerzeugung in * und die Firma V* M*, schließen nachfolgenden Vertrag:

1.) Die Erzeugerfirma betraut die Agentur mit dem Generalvertrieb ihrer Erzeugnisse für das gesamte Bundesgebiet auf unbestimmte Zeit und auf der Grundlage der vom Erzeuger gestellten Preise und allgemeinen Verkaufsbedingungen.

2.) Der Vertriebsfirma obliegt es, ein Vertriebsnetz mit mindestens einer Ländervertretung in jedem Bundesland sowie Ortsvertretungen in den einzelnen Bezirken oder Gemeinden zu errichten, zu betreuen und zu überwachen. Die Ortsvertretungen müssen zu einer zeitgerechten und einwandfreien Montage in der Lage sein und diese Gewähr bieten.

3.) Reklamationen auf Grund falscher Vermessungen, die nicht die Erzeugung betreffen, sind von der Vertretung zu tragen.

4.) Für den Vertrieb der Erzeugnisse wird eine Gesamtspanne von 30 % vom Endpreis festgelegt. Die Verteilung dieser Spanne soll mit 15 % für den Verkaufsabschluss und mit je 5 % für den Gebietsschutz (General-, Orts- und Landesvertretung) erfolgen. Für Osttirol ist keine Landesvertretung zu betrauen. Von der Provisionierung ausgenommen ist nur das Zusatzmaterial von Außenmontagen. Die Manipulation der Spanne obliegt nach den Gegebenheiten der Vertretung.

5.) Sonderrabatte zur Errichtung von Großaufträgen über S 30.000,— werden vom Erzeuger einvernehmlich bis zu 5 % getragen.

6.) Der Erzeuger gibt bis spätestens 10. eines jeden Monates eine Provisionsaufstellung über die im abgelaufenen Monat eingegangenen Aufträge, womit 15 % von 30 % fällig sind, ausgenommen Aufträge mit einer Lieferzeit von mehr als 3 Monaten. Die weiteren 15 % der Spanne sind fällig am 10. nach Eingang des Rechnungsbetrages.

7.) Übersteigt der Umsatz des Werkes eine Million im Jahr, so ist die Vertretung an einvernehmlich durchgeführten Reklamationen mit einem Drittel der Unkosten zu beteiligen.

8.) In der Geschäftsabwicklung scheint die Vertreterfirma nicht als selbständiges Unternehmen, sondern als Vertriebsleitung des Werkes auf.

9.) Wird das Vertragsverhältnis auf welche Art immer beendet, ohne dass der Vertreter durch schuldbares Verhalten begründet Anlass hiezu gegeben hat, oder durch den Tod des Vertreters, dann hat die Erzeugerfirma dem Generalvertreter zwei Prozent der Gebietsschutzprovision als Nachfolgeprovision für die Hälfte der bisherigen Vertragszeit, längstens jedoch durch drei Jahre, weiterzuzahlen.

10.) Der Vertrag erhält mit 1. Juni 1959 Wirksamkeit und kann innerhalb der ersten zwei Monate noch einseitig zurückgelegt werden. Nach dieser Zeit ist er nach Ablauf eines Jahres mit drei Monaten Frist kündbar.

 

Für die Erzeugerfirma:

Für die Vertreterfirma:

A* K* eh.

M* V* eh.

  

 

Der Kläger begehrt unter Berufung auf Pkt. 9 dieses Vertrages vom Beklagten die Vorlage eines Buchauszuges für den Zeitraum vom 1. Juli 1971 bis 30. Juni 1974 für die Gebiete Kärnten und Tirol, ausschließlich Osttirol, aus dem sich die erzielten Endpreise der Verkäufe ergeben, sowie die Zahlung von 2 % davon als Nachfolgeprovision:

Das Vertragsverhältnis sei infolge Kündigung des Beklagten zum 30. Juni 1971 beendet worden, ohne dass der Kläger durch schuldbares Verhalten begründet Anlass hierzu gegeben habe. Der Beklagte weigere sich, dem Kläger für den klagsgegenständlichen Zeitraum eine Abrechnung zukommen zu lassen und lehne die Zahlung der begehrten Nachfolgeprovision mit der Behauptung ab, der Kläger sei seinen vertraglichen Verpflichtungen nach Punkt 2.) nicht nachgekommen.

Der Beklagte hat im wesentlichen eingewendet, dass dem Kläger die Nachfolgeprovision deshalb nicht gebühre, weil er trotz wiederholten Drängens vereinbarungswidrig die Vertriebsorganisation nicht errichtet habe; er habe überdies nach Beendigung seiner Tätigkeit für den Beklagten zu dessen Schaden gleichartige Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertrieben und unter Benützung von Firmenpapieren des Beklagen unlauteren Wettbewerb betrieben.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ging davon aus, dass die Nachfolgeprovision im ursprünglichen Vertrag im Hinblick auf die vom Kläger zu errichtende Vertriebsorganisation vereinbart worden sei; da die Parteien in der Folge von dem Aufbau einer solchen Organisation abgegangen seien, könne der Kläger nicht einseitig auf den Vertragspunkt über die Nachfolgeprovision zurückgreifen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Provision für die Zeit vom 1. Juli 1971 bis 30. Juli 1974 auch deshalb nicht zu, weil er die Kündigung des Vertrages zum 30. Juni 1971 dadurch schuldhaft veranlaßt hat, dass er die vom Geschäftsherrn gewünschte Vertriebsform nicht errichtet habe. Außerdem habe der Kläger eine Nachfolgeprovision verwirkt, weil er nach Auflösung des Vertrages ein Konkurrenzunternehmen aufzog und den Beklagten in unlauterer Weise konkurrenzierte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,— übersteige. Es billigte die Auffassung des Erstgerichtes, dass die Parteien von dem Vertragspunkt 2.) endgültig abgegangen seien, verneinte aber die vom Erstgericht daraus gezogenen Konsequenzen. Es trat jedoch der Ansicht des Erstrichters insoweit bei, als dem Kläger kein Anspruch mehr zustehe, weil er durch sein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten dem Beklagten gegründeten Anlass zur Auflösung des Vertrages gegeben habe, da diesem das Vertragsverhältnis mit dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen sei. Die Abweisung des Klagebegehrens sei aber aus einem weiteren Grund gerechtfertigt: Grundsätzlich habe ein Klagebegehren auf Zahlung den genauen Betrag zu enthalten, der vom Beklagten verlangt wir, um der im § 226 Abs 1 ZPO normierten Bestimmtheit des Begehrens zu entsprechen. Die Bestimmtheit des Klagebegehrens sei von Amts wegen zu prüfen. Nur bei Verbindung mit der Klage auf Rechnungslegung, also bei der sogenannten Stufenklage, könne die Bezifferung des Zahlungsbegehrens zunächst vorbehalten werden. Dem Handelsvertreter stünden zur Ermittlung seiner Provisionsansprüche die Klage nach Art XLII EGzZPO nicht zu. Er könne zur Feststellung des Umfanges der Provisionspflicht die Vorlage der Bücher des Geschäftsherren nach § 15 Abs 2 HVG begehren; sein auf Zahlung einer Provision gerichtetes Begehren habe stets einen ziffernmäßig bestimmten Betrag zu enthalten.

Gegen das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern. Hilsweise wird ein entsprechender Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Revision räumt selbst ein, dass bei Einklagung einer Geldforderung die Geldsumme grundsätzlich ziffernmäßig anzugeben ist. Da jedoch bei der Klage auf Vermögensangabe und Herausgabe ein Vorbehalt der Bezifferung der Leistung möglich sei, müsse dies nach Ansicht der Revision auch für den vorliegenden Klagsanspruch des Klägers gelten.

Da der zweite Tatbestand des Art XLII Abs 1 EGzZPO vorliegendenfalls ausscheidet, genügt es, zu dessen ersten Fall Stellung zu nehmen, den der Kläger für sich in Anspruch nehmen will. Lehre und Rechtsprechung (1 Ob 222/75 u.a.) stimmen darin überein, dass der erste Anwendungsfall des Art XLII Abs 1 EGZPO keinen neuen materiell-rechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung begründet, sondern vielmehr voraussetzt, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht. Ob also der in Anspruch genommene Beklagte verhalten ist, das Vermögen oder die Schulden anzugeben bzw. darüber Rechnung zu legen, bestimmt sich ausschließlich nach dem der Klage zugrunde liegenden Rechtsverhältnis des bürgerlichen Rechtes (EvBl 1974/70; SZ 40/69; SZ 32/128 u.a.; Fasching II, 88 ff). Dabei kann sich diese Verpflichtung entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechtes oder aber aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben (EvBl 1974/70; SZ 38/129; Fasching II, 90 f). Nur wenn der Anspruch auf eine Vereinbarung gestützt wird, muss diese nicht unbedingt eine ausdrückliche Verpflichtung zur Rechnungslegung enthalten; der Anspruch kann sich dann auch als Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien und aus der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung ergeben (EvBl 1974/70; SZ 40/69; SZ 36/74; SZ 35/108; SZ 32/128). Demgemäß besteht bei Vertragsverhältnissen eine Verpflichtung zur Rechnungslegung insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden kann (EvBl 1974/70; SZ 38/129; Fasching II, 90 f). Übereinstimmung besteht aber darin, dass Art XLII EGZPO keinesfalls ausdehnend auszulegen ist (EvBl 1974/70; SZ 43/170; EvBl 1960/364; 1 Ob 222/75). Die Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zur Bestätigung der Entscheidung des Berufungsgerichtes.

Die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes, dass der Kläger für den beklagten Geschäftsherren als Handelsvertreter im Sinn des § 1 HVG tätig wurde und die Rechtsbeziehungen der Streitteile – ungeachtet ihrer besonderen vertraglichen Ausgestaltung – nach den Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes zu beurteilen sind, wird von der Revision nicht bekämpft. Nach der Lehre (Fasching II, 92) und der Rechtsprechung (SZ 26/25) steht dem Handelsagenten – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – zur Ermittlung seiner Provisionsansprüche die Klage nach Art XLII EGzZPO nicht zu. In der Entscheidung SZ 26/25 hat der Oberste Gerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass auch das auf Vorlage eines Buchauszuges über die provisionspflichtigen Geschäfte gerichtete Klagebegehren bei Bestreitung der Provisionspflicht für diesen Zeitraum abzuweisen ist, weil der Handelsvertreter im Falle einer solchen Weigerung des Geschäftsherren nur nach § 15 Abs 2 HVG vorgehen oder auf Zahlung einer bestimmten Provision klagen kann. Da im vorliegenden Fall der Beklagte nach den Klagsangaben die begehrte Abrechnung verweigerte und die Provisionspflicht für den klagsgegenständlichen Zeitraum bestritt, sind die in der zitierten Entscheidung dargelegten Rechtssätze im vorliegenden Fall uneingeschränkt anzuwenden. Auch die Lehre (Fasching II, 92) vertritt die Auffassung, dass das auf Zahlung einer Provision gerichtete Begehren des Handelsvertreters stets einen ziffernmäßig bestimmten Betrag zu enthalten hat, und verweist den Handelsvertreter zur Feststellung des Umfanges der Provisionspflicht auf die im Außerstreitverfahren zu erwirkende Vorlage der Bücher des Geschäftsherrn. Berücksichtigt man, dass, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (SZ 12/5, HS 2385 u.a.), dem Handelsvertreter ein dem Offenbarungsanspruch nach Art XLII EGZPO ähnlicher Anspruch nach § 15 HVG zur Verfügung steht, dann besteht kein Anlass, ihm auch den Rechtsbehelf der Stufenklage nach Art XLII leg.cit. durch dessen ausdehnende Auslegung, die von der Rechtsprechung abgelehnt wird, zu gewähren. Hingegen hat der Oberste Gerichtshof die Stufenklage in Übereinstimmung mit der Lehre (Fasching II, 92) dem Gelegenheitsvermittler zur Durchsetzung seines Provisionsanspruches mit der Begründung gewährt, dass dieser nicht wie der Handelsvertreter die Möglichkeit hat, die Vorlage der Bücher im Außerstreitverfahren zu erlangen (vgl. 3 Ob 59/73). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von den dargelegten Rechtssätzen abzugehen; der Oberste Gerichtshof hält daher auch im vorliegenden Fall an diesen fest.

Die Revision meint schließlich, dass dem Kläger ein Vorgehen nach § 15 HVG deshalb nicht möglich wäre, weil diese Gesetzesstelle lediglich die im § 6 und 7 HVG erwähnten Provisionsansprüche betreffe. Dem ist zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 166/73 ausgesprochen hat, dass der Handelsvertreter die Rechte nach § 15 HVG hinsichtlich aller Geschäfte hat, für die ihm Provision gebührt, dass sich diese Rechte somit nicht nur auf Provisionsansprüche nach den §§ 6 und 7 HVG für die während der Vertragsdauer zustandegekommenen Geschäfte beziehen, sondern auch für die Zeit nachher. Ob für diese Zeit die Provision nach § 9 HVG oder unter besonderen weiterreichenden vertraglichen Voraussetzungen gebührt, macht hiebei keinen Unterschied.

Aus den angeführten Erwägungen hat das Berufungsgericht mit Recht den Manifestationsanspruch des Klägers abgelehnt und daher auch das für sich allein unzulässige unbestimmte Zahlungsbegehren abgewiesen (vgl. 1 Ob 222/75 u.a.).

Auf die von der Revision bekämpfte Frage, ob der Kläger durch schuldhaftes Verhalten dem Beklagten begründeten Anlass zur Vertragsauflösung gegeben hat, braucht daher nicht mehr eingegangen werden, sodass auch der lediglich in diesem Belang erhobenen Mängelrüge die erforderliche Relevanz fehlt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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