OGH 7Ob512/76

OGH7Ob512/764.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Schubert und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) M* C*, 2.) Dkfm. E* C*, 3.) H* C*, sämtliche Hauseigentümer, * und 4.) Dr. J* C*, Rechtsanwalt, *, Erst- bis Drittkläger vertreten durch den Viertkläger, wider die beklagten Parteien 1.) P* G*, *, 2.) M* Z*, ebendort, 3.) K* G*, sämtliche vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, Teilung und Feststellung (Streitwert 100.000,— S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16. 9. 1975, GZ 1 R 224/75‑28, womit infolge der Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. 4. 1975, GZ 5 Cg 183/73‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00512.76.0304.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.411,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 252,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben mit Kaufverträgen vom 31. März 1970 2/3 Anteile der Liegenschaft EZ * der KatGem *, bestehend aus der Bauparzelle *, erworben. Am 24. Juni 1970 erwarben sie den letzten Drittelanteil. Auf Grund dieser Kaufverträge wurde ihr Eigentum am 10. September 1970 einverleibt. Das Haus besteht aus dem Gebäude H* (Weinhaus „J*“) und einem in Richtung Norden anschließenden sogenannten Stöcklgebäude. Vermessungstechnisch reicht die Bauparzelle * im Norden bis an die Hausmauer des im Eigentum der Beklagten stehenden Hauses B*, vorgetragen in der EZ * KG *. Grundbücherlich wurden in der EZ * KG * die ersten Eigentümer auf Grund einer Einantwortungsurkunde vom 24. 10. 1890 angeführt. In der Folge wurden die Eigentumsübertragungen jeweils auf Grund von Einantwortungsurkunden durchgeführt mit Ausnahme einer Eintragung am 22. Jänner 1962 auf Grund eines Kauf-und Leibrentenvertrages. Erst die Kläger haben ihre Anteile auf Grund der schon erwähnten Kaufverträge erworben. Die erste Eintragung auf der Liegenschaft EZ * KG * erfolgte auf Grund eines Kaufvertrages vom 21. November 1890. Seither erfolgten Eigentumsübertragungen lediglich im Zuge von Erbgängen. Das Hauptgebäude des Hauses H* hat seine Vorderfront nach Süden und weist vier Obergeschoße auf. Von der Rückseite des Erdgeschoßes gelangt man durch einen kleinen Hofraum über drei Stufen in den Keller bzw. das Ergeschoß des Stöcklgebäudes. Die Räume in diesem Geschoß werden ausschließlich von den Klägern und wurden auch ausschließlich von deren Rechtsvorgängern benützt. Sie sind nur vom Weinhaus „J*“ aus betretbar. Diese Kellerräume reichen aber nicht direkt bis an das Haus B* heran. Zwischen der Hauptmauer des Stöcklgebäudes und dem Haus B* ist ein Zwischenraum in einer Breite von ca 2,30 bis 2,60 m. Dieser Gebäudeteil – im folgenden kurz Zwischentrakt genannt – liegt um die drei Stufen, die in den Keller des Stöcklgebäudes führen, höher und wird ausschließlich von den Beklagten benützt. Er enthält im Erdgeschoß im rückwärtigen Teil einen Kellerraum und im Vorderteil eine steile Holztreppe in das erste Obergeschoß des Zwischentraktes und eine Verbindung zur Bäckerei im Haus B* sowie zum Hofraum (Ofenlochgasse). Ein Tonnengewölbe im vorderen Teil hat das Auflager an der Stöcklmauer und der Hauptmauer B*. Vom ersten Stock des Haupthauses H* aus ist das erste Obergeschoß des Stöcklgebäudes zu erreichen. Dieses Obergeschoß besteht aus drei Räumen, die ausschließlich von den Klägern, und wie schon früher von deren Rechtsvorgängern, benutzt werden und die nur vom Weinhaus „J*“ aus betretbar sind. Im ersten Obergeschoß des Zwischentraktes befinden sich eine Kammer (Gadele), die den Mägden der Beklagten und deren Rechtsvorgängern als Schlafstelle diente, und ein WC. Dieses Stockwerk des Zwischentraktes hat eine Verbindung zum ersten Stock des Hauses B* und enthält die einzige WC-Anlage für dieses Stockwerk. Vom zweiten Obergeschoß des Weinhauses „J*“ aus gelangt man über einen Gang auch in das zweite Obergeschoß des Stöcklgebäudes. Auch diese Räumlichkeiten wurden und werden von den Besitzvorgängern der Kläger und den Klägern benützt und sind und waren nur vom „J*“ aus betretbar. Im zweiten Obergeschoß des Zwischentraktes, das nur vom Hause B* aus erreicht werden kann, befinden sich ein kleiner Raum und ein WC. Der kleine Raum und das WC wurden und werden von den Beklagten und deren Rechtsvorgängern benützt. Vom dritten Stock des Hauses H* aus führt kein weiterer Gang in das dritte Obergeschoß des Stöcklgebäudes. Von hier aus kann man nur das den Innenhof überdeckende Blechdach betreten. Das Stöcklgebäude selbst weist jedoch noch einen dritten Stock auf. Auf diesem ist der Dachstuhl aufgesetzt. Dieses dritte Obergeschoß des Stöcklgebäudes und des Zwischentraktes wird und wurde zur Gänze von den Beklagten und deren Rechtsvorgängern benützt. Diese Räume sind auch nur vom dritten Stock des Hauses B* aus erreichbar. Auch der über diesen Räumen befindliche Dachraum ist nur vom Hause B* aus betretbar und wurde und wird allein von den Rechtsvorgängern der Beklagten und diesen benützt. Eine echte Trennmauer ergibt sich im Erdgeschoß, im ersten und im zweiten Obergeschoß nur durch die südliche Mauer des Hauses B* und die nördliche Mauer des Stöckls H*. Im dritten Geschoß und im Dachraum ist die Trennmauer durch die Südmauer des Hauses B* gegeben. Die südliche Mauer des Hauses B* reicht über die Dachfläche, kann jedoch nicht als Feuermauer angesehen werden, weil in dieser Wand eine Öffnung zum Dachraum des Stöcklgebäudes besteht. Der Zwischentrakt weist keinen eigenen Unterbau auf. Die Decken des Zwischentraktes sind im Stöcklgebäude bzw. im Haus B* verankert. Er hat keine Feuermauer und bildet mit dem Stöcklgebäude äußerlich eine Einheit. Ob er gleichzeitig mit diesen oder nach diesem gerichtet worden ist, kann nicht mehr festgestellt werden. Das Blechdach des Stöcklgebäudes und des Hauses B* wurden immer von den Beklagten gewartet, während die Grundsteuer für das Stöckl von den Rechtsvorgängern der Kläger getragen wurde.

Die in den Jahren 1901, 1900 und 1898 geborenen Kläger und deren Rechtsvorgänger betrachteten sich immer als Eigentümer der vom Haus B* aus betretbaren Räume des Zwischentraktes und des Stöcklgebäudes. Zu irgendwelchen Differenzen mit den Rechtsvorgängern der Kläger wegen der Benützung der nunmehr strittigen Räumlichkeiten kam es nie. Warum im Grundbuch auf diese Benützungsart kein Bezug genommen wurde, ist nicht feststellbar. Der heutige Bauzustand besteht seit rund 260 Jahren. Die Benützungsart der Baulichkeit ist seit mindestens 1856 immer dieselbe. In einem Plan des Stadtbauamtes Innsbruck aus dem Jahre 1901 ist vermerkt, daß „bis zweiter Stock zu Nr *, III. Stock und darüber zu B*“ gehört. Nach diesem Plan gehört der Zwischentrakt zum Hause B*. Die Kläger haben spätestens im April 1970 die tatsächlichen Besitzverhältnisse am Gebäude kennengelernt.

Die Kläger begehren die Räumung der von den Beklagten benützten Räume im Stöcklgebäude und im Zwischentrakt mit der Begründung, bei diesen Gebäudeteilen handle es sich um Teile des Hauses H*. Die Beklagten benützten diese Räume ohne Rechtstitel. Für den Fall, als eine Ersitzung von Miteigentum an der Liegenschaft durch die Beklagten angenommen werden sollte, wird die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung begehrt. Schließlich stellen die Kläger das Eventualbegehren, es möge festgestellt werden, daß den Beklagten die persönliche, unvererbliche Dienstbarkeit der Fruchtnießung an den Räumen im Erdgeschoß, im ersten Obergeschoß und im zweiten Obergeschoß zwischen dem Haus B* und dem Stöcklgebäude des Hauses H* liegenden Zwischentraktes, sowie an den vom Haus B* aus zugänglichen Räumen im dritten Obergeschoß und im Dachgeschoß des Stöcklgebäudes des Hauses H* zusteht. Die Beklagten könnten nämlich in dem für sie günstigsten Fall eine derartige persönliche Dienstbarkeit ersessen haben. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung liege darin, daß sich die Beklagten des Eigentums an diesen Räumen berühmt hätten.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, sie seien Eigentümer zumindest der von ihnen benützten Räume. Sollte dieser Rechtsstandpunkt nicht geteilt werden, so hätten sie auf jeden Fall eine Grunddienstbarkeit an diesen Räumen ersessen (S 28). Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung sei ausgeschlossen, weil im Falle des Erwerbes von Stockwerkseigentum eine reale Teilung stattgefunden hätte. Im übrigen würde eine solche Teilung zur Unzeit erfolgen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Rechtsansicht seien die Kläger nicht bei Abschluß des Kaufvertrages über das letzte Liegenschaftsdrittel und schon gar nicht bei Überreichung des Grundbuchsantrages gutgläubig gewesen, weil sie über die tatsächlich in der Natur bestehenden Verhältnisse informiert gewesen seien. Bei Anwendung gehöriger Sorgfalt wären bei Kauf eines so großen Objektes die tatsächlichen Besitzverhältnisse auch einwandfrei und ohne Schwierigkeit zu erkennen gewesen. Die Beklagten hätten zumindest die persönliche Dienstbarkeit des Fruchtgenusses an den von ihnen benützten Räumen durch Ersitzung erworben. Schon dieser Umstand stehe dem Räumungs- und dem Teilungsbegehren entgegen. Darüber hinaus müsse aber ein Eigentumserwerb an dem Zwischentrakt durch Ersitzung angenommen werden. Bei diesem Trakt handle es sich um einen gegenüber dem Stöcklgebäude abgesonderten Gebäudeteil, an dem selbständige Ersitzung möglich sei. Bezüglich der Räume im Stöcklgebäude hätten die Beklagten Stockwerkseigentum ersessen. Derartiges sei zwar seit dem Jahre 1897 nicht mehr zulässig, doch sei die Ersitzungszeit zu diesem Zeitpunkte bereits abgelaufen gewesen. Das im Jahre 1897 in Tirol eingeführte Gesetz vom 30. 3. 1879 lasse nämlich bestehende Rechte unberührt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, übernahm dessen Feststellungen und trat auch im wesentlichen seiner rechtlichen Beurteilung bei.

Die Revision der Kläger bekämpft dieses Urteil aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO. Die Kläger beantragen die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß dem Klagebegehren, allenfalls einem der beiden Eventualbegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten stellen den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Akteninhalt in einem wesentlichen Punkte unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber dann, wenn das Gericht auf Grund richtig dargestellter Beweisergebnisse zu Feststellungen oder Schlußfolgerungen in einer bestimmten Richtung gelangt (Fasching VI 318 f; Arb 7588; JBl 1954, 73 u.a.). In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlußfolgerung kann eine Aktenwidrigkeit auch dann nicht liegen, wenn diese unrichtig ist (EvBl 1948/623; ZVR 1962/64; JBl 1955, 503 u.a.).

Die Revision zeigt nur eine ihrer Meinung nach unrichtige Schlußfolgerung aus der Aussage der Erstbeklagten auf. Ob in Steuerzahlungen „Besitz- und Eigentumshandlungen“ zu erblicken sind, ist im übrigen eine Rechtsfrage. Nur diese „Feststellung“ wurde aber mit der Berufung bekämpft. Wenn die Untergerichte aus den getroffenen Feststellungen eine den Rechtsmittelwerbern ungünstige rechtliche Schlußfolgerung ziehen, kann dies keine Aktenwidrigkeit sein.

Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO ist daher nicht gegeben.

Die Mängelrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Die Frage, ob das Berufungsgericht vor Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen weitere Beweise aufnehmen hätte sollen, fällt in das Gebiet der Tatsachenfeststellung (Fasching IV/310), deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist. Die Schlußfolgerung aber, daß bei einem bestimmten Sachverhalt guter Glaube auszuschließen sei, fällt in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung. Das Erstgericht hat sämtliche Vorgänge bis zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger festgestellt. Das Vorliegen irgendwelcher Verfahrensmängel in dieser Beziehung hat es verneint. Schon aus diesem Grunde könnte der Oberste Gerichtshof Verfahrensmängel nicht wahrnehmen (SZ 22/106 u.a.). Die erstgerichtlichen Feststellungen wurden vom Berufungsgericht zur Gänze übernommen. Im Ergebnis erweist sich sohin die Mängelrüge als eine Mischung aus Beweis- und Rechtsrüge. Erstere ist im Revisionsverfahren unzulässig, letztere hat mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nichts zu tun. Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO liegt daher ebenfalls nicht vor.

Das Teilungsbegehren konnte nicht zum Erfolg führen, weil die Beklagten entweder eine Dienstbarkeit oder das Eigentum an bestimmten Teilen des Gebäudes erworben haben. Haben sie nur eine Dienstbarkeit erworben, so sind sie nicht Miteigentümer, weshalb § 830 ABGB nicht anwendbar ist. Sind sie aber Eigentümer bestimmter Teile des Hauses, so ist eine reale Teilung des Hauses erfolgt, weshalb ein Begehren nach § 830 ABGB ebenfalls verfehlt wäre. Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes in diesem Punkte kann verwiesen werden.

Gemäß § 1455 ABGB kann, was nicht Gegenstand einer privaten Berechtigung sein kann, auch nicht ersessen werden; daher ist die Ersitzung physischer Teile des Hauses unmöglich (KlangVI/571). Zulässig ist lediglich die vertikale Teilung von Gebäuden, jedoch nur dann, wenn jeder Teil selbständig und ohne Inanspruchnahme des anderen benützbar ist (Klang2 III, 1128).

Nach den getroffenen Feststellungen bilden das „Stöcklhaus“ und der sogenannte Zwischentrakt äußerlich eine Einheit. Die Räume im Zwischentrakt dienen zum Teil auch Räumen des Stöcklgebäudes. Diese Räume des Nachbarhauses sind vom Zwischentrakt nicht abgetrennt und wären ohne seine Mitbenützung unbenützbar. Es ergibt sich sohin, daß eine vertikale Teilung zwischen Stöcklhaus und Zwischentrakt nicht möglich ist. Eine reale Teilbarkeit zwischen den beiden Gebäudeteilen muß daher verneint werden. Dies schließt aber, entgegen der Ansicht der Untergerichte, nach der derzeitigen Rechtslage eine gesonderte Ersitzung des Eigentums am Zwischentrakt aus.

Der Zwischentrakt ist daher genauso zu beurteilen, wie das Stöcklgebäude. Nach Einführung des Grundbuchsgesetzes in Tirol durch Gesetz vom 17. 3. 1897, RGBl 77, ist die Begründung von Eigentum an materiellen Teilen eines Gebäudes nicht mehr möglich, weil durch Art XVI dieses Gesetzes auch das Gesetz vom 30. 3. 1879, RGBl 50, eingeführt wurde. Dessen § 1 untersagt einen solchen Eigentumserwerb schlechthin. Nach seinem § 2 Abs 1 wurden jedoch Rechtsverhältnisse, die vor dem Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes durch Teilungen begründet worden waren und mit den die Bestimmungen des § 1 Abs 1 nicht im Einklang stehen, durch diese Bestimmungen nicht berührt und konnten, soweit sie nicht schon durch frühere für einzelne Gebiete erlassene Teilungsverbote getroffen waren, fortan den Gegenstand der Eintragung in das Grundbuch sowie weiterer Übertragungen bilden. Die Behauptung der Revision, das a.h. Patent vom 11. 8. 1770 stelle ein der Übernahme erworbener Rechte entgegenstehendes Teilungsverbot dar, ist unzutreffend. Abgesehen davon, daß dieses Patent, wie die Zitierung des Berufungsgerichtes zeigt, gar kein bestimmtes Verbot enthält, war in Wahrheit die Zulässigkeit des sogenannten condominium pro diviso bei Gebäuden schon nach den §§ 417 f ABGB (dazu § 842 ABGB) wie nach gemeinem Recht beschränkt und die einzelnen ausdrücklichen Verbote der Ministerialverordnungen richteten sich eigentlich nur gegen einen faktischen Abusus (Schiffner, Ein Gutachten zur Grundbuchsfrage in Tirol, GZ 1893, 169). Das Gesetz vom 30. März 1879 wurde erlassen, weil es erforderlich geworden war, gegen die weitere Bildung solcher „wider ausdrückliche Normen entstandener Anteile“ einzuschreiten (Dietrich, NZ 1960, 84 ff.). Hieraus ergibt sich, daß die Gesetzwidrigkeit der Bildung solcher Anteile einer Übernahme im Sinne des § 2 Abs 1 des Gesetzes vom 30. 3. 1879 nicht entgegenstand. Diese Stelle spricht auch nicht von allgemein gültigen, sondern nur von für einzelne Gebiete erlassenen Teilungsverboten. Für die Stadt Innsbruck war aber ein solches Teilungsverbot vor dem Jahre 1897 nicht erlassen worden.

Fest steht, daß die jeweiligen Eigentümer des Hauses B* die Räume im Stöcklhaus und im Zwischentrakt zumindest seit 1856 so benützt haben wie die heutigen Eigentümer. Dadurch, daß jemand fremden Grund benützt, fordert er die Duldung als Schuldigkeit im Sinne des § 313 ABGB, wodurch er den Besitzwillen an den Tag legt. Die Gestattung liegt in der tatsächlichen Duldung einer als Rechtsausübung erkennbaren Benützung (EvBl 1966/277).

Da der Besitz der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger über 30 Jahre vor das Jahr 1897 zurückreicht, bedurfte es zur Ersitzung eines Rechtes bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 1477 ABGB nicht des Nachweises eines Titels. Der Besitz mußte gemäß § 1463 ABGB nur redlich sein. Redlicher Besitzer ist gemäß § 326 ABGB, wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Da nach § 328 ABGB eine gesetzliche Vermutung zugunsten der Redlichkeit besteht, hat nicht der, der sich auf die Ersitzung beruft, seinen guten Glauben, sondern sein Gegner die Schlechtgläubigkeit zu beweisen, was sich im übrigen auch aus dem Wortlaut des § 1477 (gegen ihn erwiesene Unredlichkeit) ergibt (Klang2 VI, 581, 596).

Da Schlechtgläubigkeit der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht erwiesen wurde, bis zum Jahre 1897 in Innsbruck der Erwerb des Eigentums an materiellen Teilen eines Gebäudes möglich und die Ersitzungszeit bei Einführung des Gesetzes vom 30. 3. 1879 in Tirol abgelaufen war, hatten die Rechtsvorgänger der Beklagten tatsächlich im Jahre 1897 Eigentum an den fraglichen Teilen ersessen.

Mit dem Gesetz vom 17. 3. 1897 wurde jedoch auch das Gesetz vom 25. 7. 1871, RGBl 96, in Tirol eingeführt. Dieses sah ein bestimmtes Verfahren für die Grundbuchsanlegung vor. Nach seinem § 6 Abs 1 war ein Ediktalverfahren einzuleiten und in dem Edikt als rechtliche Folge des Fristversäumnisses die Verwirkung des Rechtes auf Geltendmachung der Ansprüche gegenüber denjenigen Personen zu bezeichnen, welche bücherliche Rechte auf der Grundlage der in dem neuen Grundbuche enthaltenen und nicht bestrittenen Eintragungen im guten Glauben erwerben.

Richtig haben die Untergerichte erkannt, daß den Klägern guter Glaube im Hinblick auf den lastenfreien Erwerb der Liegenschaft gemäß § 1500 ABGB nicht zugebilligt werden kann. Auf das Vertrauen auf die Richtigkeit des öffentlichen Buches kann sich nämlich nicht berufen, wer bei gehöriger Aufmerksamkeit von dem ersessenen Recht Kenntnis haben konnte (Klang2  VI/667). Guter Glaube kann nur angenommen werden, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren, vom Grundbuchsstand abweichenden Sachverhalt zur Zeit des Abschlusses des Erwerbsgeschäftes bis zu dessen Verbücherung erkennen ließen (SZ 28/30, SZ 23/287, SZ 23/225 u.v.a.). Fahrlässig handelt und keinen Schutz genießt daher, wer den Widerspruch zwischen dem Grundbuchsstand und den tatsächlichen Verhältnissen hätte feststellen können (3 Ob 62/73). Wenn sich aus den besonderen Umständen im Einzelfall Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchsstandes ergeben, müssen auch Nachforschungen angestellt werden (RiZ 1962, 83; EvBl 1965/64; 6 Ob 406/66 u.a. ).

Mit Recht haben die Untergerichte ausgeführt, daß die tatsächlichen Besitzverhältnisse jedermann, der die Liegenschaft besichtigt, auffallen müssen. Werden diese Besitzverhältnisse aber festgestellt, so ist der Schluß darauf, daß die Besitzer ein Recht ausüben wollen, zwingend. Hinzu kommt, daß auch nach seiner eigenen Darstellung dem Viertkläger als Vertreter sämtlicher Kläger vor Erwerb des letzten Drittels der Liegenschaft und vor Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger die tatsächlichen Besitzverhältnisse bekannt waren. Der gute Glaube muß aber bis zur Einverleibung des Rechtes vorhanden sein (SZ 28/256).

Ob die Kläger im Hinblick auf die leicht feststellbaren Benützungsverhältnisse den Schluß auf das Bestehen eines Stockwerkseigentums der Beklagten ziehen hätten müssen und ob ihnen der gute Glaube an das Nichtbestehen e i n e s s o l c h e n E i g e n t u m s abgesprochen werden kann, muß hier nicht untersucht werden. Die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger haben nämlich seit dem Jahre 1897 die Räume auf eine Art benützt, die keinen Zweifel daran läßt, daß sie hiemit ein dingliches Recht ausüben wollten. Die Benützung dieser Räume diente, was schon die Lage sämtlicher Klosetts zeigt, ausschließlich der vorteilhafteren Benützung des Hauses B*. Ein persönlicher Nutzen ist für die Beklagten mit der Benützung dieser Räume nur in Verbindung mit dem Eigentum am Hause B* gegeben. Gemäß § 473 ABGB entsteht eine Grunddienstbarkeit, wenn das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitz eines Grundstückes zu dessen vorteilhafterer oder bequemerer Benützung verknüpft ist. Eine von den Beklagten ersessene Dienstbarkeit müßte daher als eine Grunddienstbarkeit angesehen werden. Daß sie nicht der Aufzählung der §§ 475 bis 477 ABGB einzuordnen wäre, spielt keine Rolle, weil diese Aufzählung keine erschöpfende ist (Klang2 II, 554).

Die Kläger machen demgegenüber geltend, die Beklagten hätten nie die Absicht gehabt, ein Recht auf fremden Grund auszuüben, weshalb sie eine Dienstbarkeit nicht ersitzen hätten können; offenbar haben sie hiebei die in JBl 1964, S 208, veröffentlichte Entscheidung im Auge. Diese hatte jedoch die Benützung eines Weges über fremden Grund zum Gegenstand. Es kann dahingestellt bleiben, ob der vorliegende Fall mit dem dortigen Fall zur Gänze vergleichbar ist. Ein Rechtssatz, wonach keinesfalls eine Grunddienstbarkeit ersitzen könne, wer der Meinung ist, eigenen Grund zu benützen, ist jedenfalls in diesem Umfang nicht richtig. Bei der Ersitzung einer Grunddienstbarkeit ist zu beachten, daß der Besitz seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprechen muß. Die Servitutsersitzung setzt voraus, daß das Recht im Interesse der vorteilhafteren Benützung eines Grundstückes in Anspruch genommen wird (KlangVI, 577 f). Es kommt daher in erster Linie auf die Art der Benützung an. Deckt sich die Art der Benützung bei Ausübung einer Grunddienstbarkeit voll mit der Art der Benützung auf Grund des Eigentumsrechtes, so wird in der Regel die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit auch dann anzunehmen sein, wenn der Benützer irrtümlich der Meinung war, er übe ein Eigentumsrecht aus. Der Wille des Benützers geht, falls die festgestellten Umstände nicht den Schluß auf das Gegenteil nahelegen, dahin, ein gegen jedermann wirkendes dingliches Recht auszuüben. In der Regel muß daher davon ausgegangen werden, daß der Benützer, wenn er schon nicht Eigentümer ist, zumindestens ein anderes dingliches Recht (Dienstbarkeit) ausüben wollte. Ein Größenschluß zeigt daher, daß in einem solchen Fall im Zweifel bei fehlenden Voraussetzungen für die Ersitzung des Eigentumsrechtes zumindest die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit anzunehmen ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen für eine solche Ersitzung gegeben sind.

Es ergibt sich sohin, daß die Beklagten, selbst wenn man der Rechtsauffassung der Untergerichte, daß sie ihr ersessenes Stockwerkseigentum auch den Klägern mit Erfolg entgegenhalten können, nicht folgen sollte, zumindest eine Grunddienstbarkeit ersessen haben. In beiden Fällen wären aber sowohl das Räumungsbegehren als auch das Eventualbegehren auf Feststellung einer persönlichen Dienstbarkeit nicht gerechtfertigt. Bezüglich des letztgenannten Begehrens muß überhaupt die materielle Berechtigung verneint werden, weil § 523 ABGB nur dem aus einer Dienstbarkeit Berechtigten ein Klagerecht auf positive Feststellung und demjenigen, der das Bestehen einer Dienstbarkeit bestreitet, ein Klagerecht auf negative Feststellung einräumt. Dagegen deckt diese Bestimmung nicht einen Feststellungsanspruch des durch die Dienstbarkeit Belasteten in dem Sinne, daß eine Dienstbarkeit eines bestimmten Inhaltes besteht. Um ein etwa undeutliches Begehren, dem das Gericht die richtige Fassung geben könnte, handelt es sich hier nicht.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Ersatz von Barauslagen konnte nicht zugesprochen werden, weil deren Erlag nicht nachgewiesen wurde.

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