OGH 8Ob16/76

OGH8Ob16/763.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Benisch, Dr. Thoma und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, Student, *, vertreten durch Dr. Hermann Follner und Dr. Gerald Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1.) M*, *, 2.) I*, * Schadenversicherung AG, *, beide vertreten durch Dr. Theodor Veiter und Dr. Clement Achammer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Feststellung (Streitwert S 51.000,‑‑) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. November 1975, GZ. 5 R 90/75‑14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. September 1975, GZ. 4 Cg 2294/75‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0080OB00016.76.0303.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 2.909,47 (darin S 600,‑‑ Barauslagen und S 171,07 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 16. Dezember 1956 ereignete sich in R* ein Verkehrsunfall, bei dem der damals 3‑jährige Kläger schwere Verletzungen erlitt. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalls rechtskräftig einer Übertretung nach § 335 StG schuldig erkannt. Die Zweitbeklagte war zur Zeit des Unfalles Haftpflichtversicherer des vom Erstbeklagten gelenkten Motorrades. Mit Urteil vom 14. März 1958 wurde dem Kläger das von ihm geforderte Schmerzengeld von S 9.000,‑‑ unter Berücksichtigung einer Teilzahlung des Erstbeklagten zugesprochen; ein Feststellungsbegehren war nicht erhoben worden. In der Begründung dieses Urteiles wurde festgehalten, daß der Gesundheitszustand des Klägers für viele Jahre, wenn nicht für sein ganzes Leben, beeinträchtigt sei.

Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung, daß die Beklagten auf die Einrede der Verjährung gegen künftige Ersatzforderungen des Klägers aus dem Unfall vom 16. Dezember 1956 unbeschränkt verzichtet haben, in eventu, daß der Erstbeklagte auf diese Einrede verzichtet und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten diesem Verjährungsverzicht zugestimmt habe.

Die Beklagten wendeten ein, die Zweitbeklagte sei überhaupt nicht passiv legitimiert, denn zur Zeit des Unfalles habe der Versicherer noch nicht direkt in Anspruch genommen werden können. Auch sei es seitens der Beklagten nie zu einem rechtsgültigen Verzicht auf die Einrede der Verjährung gekommen. Im übrigen sei im Vorverfahren zumindest das Schmerzengeld des Klägers global bemessen und auch für die Zukunft zur Gänze erledigt worden.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab jedoch dem Eventualbegehren Folge, indem es feststellte, daß der Erstbeklagte auf die Einrede der Verjährung gegenüber Ersatzforderungen des Klägers aus dem Unfall vom 16. Dezember 1956 in R* unbeschränkt verzichtet und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten diesem Einredeverzicht zugestimmt habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von den Beklagten nur gegen den stattgebenden Teil des Ersturteiles erhoben Berufung Folge und änderte es im Sinne einer Abweisung auch des Eventualbegehren ab.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Kläger erlitt beim Unfall vom 16. Dezember 1956 eine offene Impressionsfraktur des Schädels rechts mit Eröffnung der harten Hirnhaut, Hirnquetschung und starker Blutung. Nach anfänglicher Schockbekämpfung mußte der Kläger operiert werden, weil eine arterielle Blutung nicht zum Stillstand kam und ein primärer Hirnprolaps vorhanden war. Die operative Versorgung ergab einen erheblichen Defekt in der Scheitelgegend und es mußte der Knochen des Schädeldaches in einem großen Bereich entfernt werden, um eine weitere Einklemmung des Gehirns zu verhüten. Wegen des Hirnprolapes mußte der Kläger in die Krankenanstalt für Neurochirurgie überstellt werden, wo eine Luftfüllung der Hirnkammern vorgenommen wurde. Eine weitere ärztliche Behandlung in der Dauer von 1 bis 2 Jahren war damals anzunehmen. Im Verfahren Cg 622/57 des Landesgerichtes Feldkirch führte der dort vernommene Sachverständige u.a. aus, daß sich ein Dauerschaden in keiner Weise übersehen lasse. Wegen dieser schweren Verletzungen versuchte der damalige Vertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr. Alfred Puchner, bereits während des Verfahrens Cg 622/57, mit dem Vertreter des Erstbeklagten, Dr. Grebmer-Wolfsthurn, eine Sicherstellung künftiger Ansprüche des Klägers zu erreichen. Er versuchte, dies noch in Form eines Vergleiches im Rahmen des erwähnten Verfahrens zu tun, doch wehrte sich Dr. Grebmer-Wolfsthurn gegen eine Verbindung der Frage der künftigen Schäden mit dem Prozeßstoff des Verfahrens Cg 622/57. Dr. Grebmer-Wolfsthurn begründete diese ablehnende Haltung mit einem allfälligen Mitverschulden des Klägers am Unfall. Nach rechtskräftigem Abschluß des mehrfach erwähnten Verfahrens korrespondierte Rechtsanwalt Dr. Puchner wegen der Sicherstellung künftiger Schäden des Klägers direkt mit der Zweitbeklagten, aber auch weiterhin mit Rechtsanwalt Dr. Grebmer-Wolfsthurn. Der Letztgenannte erklärte gegenüber Dr. Puchner dabei immer wieder, daß er wegen einer Vereinbarung das Einverständnis der Zweitbeklagten einholen müsse, woraus Dr. Puchner schloß, daß Dr. Grebmer-Wolfsthurn nicht nur für den Erstbeklagten, sondern auch für die Zweitbeklagte verhandle, worauf auch er selbst großen Wert legte. Anläßlich einer Korrespondenz mit der Zweitbeklagten stellte Dr. Puchner fest, daß die Zweitbeklagte über den Stand der Verhandlungen zwischen ihm und Dr. Grebmer-Wolfsthurn ständig informiert war. Korrespondenz und Besprechungen zwischen den genannten Anwälten über die Sicherstellung künftiger Ansprüche des Klägers wurden auch im Jahre 1959 fortgesetzt und führten schließlich zu einer Einigung dahingehend, daß Dr. Grebmer-Wolfsthurn namens des Erstbeklagten für den Fall der Geltendmachung weiterer Ansprüche des Klägers auf alle formellen Einreden – formell nicht im streng juristischen Sinne gemeint –, wozu auch die Einrede der Verjährung zählte, verzichtete. Dr. Grebmer-Wolfsthurn teilte Dr. Puchner auch mit, daß die Zweitbeklagte diesem Verzicht zugestimmt hat. Diesen Sachverhalt teilte Dr. Grebmer-Wolfsthurn dem Vertreter des Klägers, Dr. Puchner, in einem Bestätigungsschreiben mit. Der Letztgenannte gab sich damit zufrieden. Er verständigte mit Schreiben vom 12. August 1959 den Vater des Klägers von dieser Einigung, erläuterte dem Genannten darin den Sachverhalt und teilte diesem schließlich noch mit, daß, sollte er mit dieser Lösung nicht einverstanden sein, Klage erhoben werden müsse, um einen Exekutionstitel jetzt schon zu erwirken.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß der Erstbeklagte sowohl im Strafverfahren als auch in den Zivilverfahren Cg 622/57 des Landesgerichtes Feldkirch und C 266/58 des Bezirksgerichtes Feldkirch von Dr. Grebmer-Wolfsthurn vertreten wurde und deshalb Dr. Puchner keinen Anlaß hatte, daran zu zweifeln, daß der Genannte die Verhandlungen über die Sicherstellung von künftigen Ansprüchen des Klägers im Namen und im Auftrag des Erstbeklagten führe. Dr. Puchner habe darüber hinaus auch darauf vertrauen dürfen, daß Dr. Grebmer-Wolfsthurn auch bevollmächtigt war, für die Zweitbeklagte die Zustimmung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung abzugeben. Im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand habe Dr. Puchner, ohne die Vorlage einer Vollmacht zu verlangen, mit Recht annehmen können, daß Dr. Grebmer-Wolfsthurn sowohl vom Erstbeklagten als auch von der Zweitbeklagten zur Verhandlungsführung bevollmächtigt sei. Da der von der klagenden Partei behauptete Verzicht abgegeben worden sei, sei die Klage im Grunde berechtigt. Allerdings habe die im Jahre 1959 geltende Rechtslage keine Klage gegen den Versicherer direkt zugelassen. Die Zweitbeklagte habe demnach schon rein begrifflich nicht auf die Einrede der Verjährung verzichten können, sie habe nur einem Verzicht des Erstbeklagten zustimmen können. Aus diesem Grunde kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß nur das Eventualbegehren, nicht aber das Hauptbegehren berechtigt sei. Ein Feststellungsbegehren in diesem Umfange hielt das Erstgericht für zulässig. Wenn es auch richtig sei, daß die Feststellung von Tatsachen unzulässig ist, so sei doch nicht der Wortlaut, sondern der Sinn des Begehrens maßgebend.

Das Gericht zweiter Instanz hielt die Berufung schon aus rechtlichen Gründen für berechtigt. Die Feststellungsklage sei deshalb abzuweisen, weil der Kläger damit die Abgabe einer bestimmten Erklärung, somit die Feststellung einer Tatsache begehre. Selbst wenn man sein Begehren dahin auslegen würde, er begehre die Feststellung, daß Verjährung seiner Ersatzansprüche aus dem mehrfach erwähnten Unfall infolge Verzichtes auf die Einrede der Verjährung nicht eingetreten sei, könnte dies seiner Klage nicht zum Durchbruch verhelfen. In diesem Falle müßte nämlich das Feststellungsbegehren verneint werden, weil nach § 1502 ABGB der Verjährung weder im voraus entsagt, noch eine längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden könne. Diese Bestimmung sei so auszulegen, daß der Verzicht des Schuldners auf die Einwendung der Verjährung vor deren Ablauf als unzulässig anzusehen sei.

Der Kläger bekämpft in seiner Revision die Auffassung des Berufungsgerichtes, das Begehren könne nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein, überdies stünde ihm die Vorschrift des § 1502 ABGB entgegen. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß er Forderungen aus dem angeführten Unfall auch derzeit noch geltend machen und bei Geltendmachung einer derartigen Forderung dieser die Einrede der Verjährung infolge rechtswirksamen Verzichtes auf diese Einrede nicht entgegengehalten werden könne bzw., daß ein Verzicht abgegeben und diesem von der Zweitbeklagten zugestimmt worden sei. Auch § 1502 ABGB stehe dem Erfolg des Klagebegehrens nicht entgegen. Das Vorliegen der Verjährung sei nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede hin zu beachten. Daraus ergebe sich, daß ein eventuelles öffentliches Interesse dem privaten Willen der Beteiligten untergeordnet sei. Werde nämlich Verjährung nicht eingewendet sei sie auch im öffentlichen Interesse nicht zu beachten. Es stehe den Beteiligten vielmehr frei, die Einrede zu erheben oder nicht. Sei auf die Erhebung der Einrede aber verzichtet worden, könne sich der Verzichtende, ohne nicht arglistig zu werden, davon nicht abwenden.

Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit einer Urkunde Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht oder die Urkundenechtheit durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Abgesehen von der Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde ist demnach die Feststellung von Tatsachen unzulässig, mögen sie auch rechtserheblich oder Voraussetzungen eines an sich zulässigen Feststellungsbegehrens sein (vgl. Fasching III, S. 61, 5 Ob 101/74 ua).

Das vorliegende Klagebegehren strebt die Feststellung an, daß die Beklagten auf die Einrede der Verjährung gegen Ersatzforderungen des Klägers aus dem Unfall vom 16. Dezember 1956 unbeschränkt verzichtet haben. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß dieses Klagebegehren seinem Wortlaut nach auf die Feststellung einer Tatsache, nämlich die Abgabe einer Verzichtserklärung, gerichtet ist und demnach nicht Gegenstand einer Feststellungsklage im Sinne des § 228 ZPO sein kann. Selbst wenn man dem Klagebegehren den Sinn unterstellen würde, es sollte die Wirksamkeit der Vereinbarung über den Verzicht auf die Verjährungseinrede festgestellt werden, ist für den Prozeßstandpunkt des Klägers nichts gewonnen. In diesem Fall würde mit der Klage die präventive Feststellung angestrebt, daß die Beklagten in einem allfälligen künftigen Prozeß einer vorläufig noch gar nicht konkretisierten Ersatzforderung des Klägers die Einrede der Verjährung nicht entgegenhalten dürfen. Die Klärung dieser Vorfrage als einer vnn mehreren Voraussetzungen für den Bestand einer erst in Zukunft geltend zu machenden Ersatzforderung kann aber – infolge Fehlens eines rechtlichen Interesses an einer alsbaldigen Feststellung – nicht Gegenstand eines eigenen Feststellungsprozesses sein, zumal diese Vorfrage ohnehin geprüft werden müßte, wenn die Beklagten in einem weiteren Prozeß, sei es wegen Feststellung ihrer Haftung für die auf Grund einer neuerlichen Operation dem Kläger erwachsenden Aufwendungen und sonstigen Nachteile, sei es wegen Leistung des Ersatzes hiefür, tatsächlich die Einrede der Verjährung erheben sollten. Hiebei wäre auch darauf Bedacht zu nehmen, daß dann, wenn sich die Beklagten so verhalten hätten, daß der Kläger mit Recht annehmen durfte, sie würden sich im Falle einer Klagsführung nach Ablauf der Verjährungsfrist auf sachliche Einwendungen beschränken und die Einrede der Verjährung nicht erheben, der Kläger einer dann doch erhobenen Verjährungseinrede die Replik der Arglist, des Handelns wider Treu und Glauben, entgegensetzen könnte (vgl. SZ 40/100, ZVR 1972/158, 8 Ob 39/74 ua).

In der Auffassung, daß auch das Eventualbegehren nicht berechtigt sei, kann daher keine zum Nachteil des Klägers unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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