European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00506.76.0302.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Begründung:
Der Kläger, ein selbständiger Handelsvertreter, schloß am 28. Mai 1973 mit der beklagten Partei einen Vertrag, wonach er für sie die Alleinvertretung für Trenn- und Schrankwände mehrerer Systeme in Steiermark und Kärnten übernahm. Er behauptet, es sei in der Folge zu keinen Geschäftsabschlüssen gekommen, weil sich die beklagte Partei hinsichtlich der Preisgestaltung nicht der Marktsituation angepaßt habe. Mit Schreiben vom 18. März 1974 habe die beklagte Partei erklärt, das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden. Sie behaupte unrichtigerweise, gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückforderung eines Betrages von S 55.000, zu haben. Diesen angeblichen Anspruch habe sie an die Firma Ha* abgetreten. Deshalb weigere sich Ha*, eine dem Kläger zustehende Forderung von S 50.000,‑‑ zu zahlen. Der Kläger habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß der beklagten Partei ihm gegenüber kein klagbarer Anspruch aus dem Vertretungsvertrag vom 28. Mai 1973 zustehe.
Die beklagte Partei beantragt Abweisung dieses Begehrens. Sie behauptet, daß ihr ein Anspruch auf Rückforderung des dem Kläger (als Provisionsvorschuß) gezahlten Betrages von S 35.000,‑‑ und eines weiteren Betrages von S 20.000,‑‑ zustehe, weil der Kläger aus Nachlässigkeit keine Aufträge hereingebracht habe. Es sei richtig, daß sie die ihr gegen den Kläger zustehende Forderung an Ha* abgetreten habe, der die abgetretene Forderung gegen den Kläger in einem Rechtsstreit des Klägers gegen ihn als Gegenforderung eingewendet habe. Da über den Bestand der abgetretenen Forderung somit im dortigen Rechtsstreit entschieden werde, sei ein rechtliches Interesse für die gegen die beklagte Partei erhobene Feststellungsklage nicht gegeben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Es kam zum Ergebnis, daß sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien ergebe, daß die beklagte Partei eine Forderung auf Grund des Vertretervertrages vom 28. Mai 1973 in der Höhe von S 55.000,‑‑ gegen den Kläger behaupte, diese Forderungen aber bereits am 19. Februar 1974 an die Fa. Ha* abgetreten und dies dem Kläger mit Schreiben vom 19 Februar 1974 mitgeteilt habe. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich, daß die behauptete Forderung jedenfalls nicht mehr der beklagten Partei zustehe, sondern der Fa. Ha* als Zessionarin. Zudem könne der Kläger die behauptete Forderung nur mehr an die Zessionarin leisten und nicht mehr an die beklagte Partei, wobei ihm gegen die an die Fa. Ha* abgetretene Forderung sämtliche Einwendungen zustünden, die er gegen die beklagte Partei erheben könnte. Ohne Rückzession, die weder von der beklagten noch von der klagenden Partei behauptet worden sei, könne die beklagte Partei somit gegen die klagende Partei die behauptete Forderung im Klagswege gar nicht geltend machen. Die Tatsache, daß die beklagte Partei der Meinung sei, daß die von ihr zedierte Forderung zu Recht bestehe, könne das vorgebrachte Feststellungsbegehren nicht rechtfertigen.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß ein rechtliches Interesse an der vom Kläger begehrten Feststellung nicht schon deswegen verneint werden könne, weil die beklagte Partei die von ihr behauptete Forderung an einen Dritten abgetreten habe. Die beklagte Partei habe dadurch, daß sie die Forderung abgetreten habe, zum Ausdruck gebracht, daß sie den Bestand dieser Forderung noch immer behaupte, da sie – wenn die Abtretung nicht ohne Entgelt erfolgte – dem Übernehmer für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der abgetretenen Forderung hafte. Der Abtretungsvertrag könne jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, sodaß wieder die beklagte Partei dem Kläger gegenüberstünde. Der Kläger habe keine andere Möglichkeit als die Erhebung der Feststellungsklage, um endgültig Klarheit darüber zu schaffen, ob die behauptete Forderung zu Recht besteht oder nicht. Die Einwendung als Gegenforderung im Rechtsstreit des Klägers gegen Ha* biete keine Gewähr, daß über ihren Bestand entschieden werde, weil es möglich sei, daß der dort vom Kläger erhobene Anspruch verneint und daher über die eingewendete Gegenforderung überhaupt nicht entschieden werde. Das Feststellungsinteresse sei daher zu bejahen. Die Formulierung des Klagebegehrens müsse allerdings dem Umstand angepaßt werden, daß der beklagten Partei wegen der erfolgten Zession derzeit tatsächlich kein klagbarer Anspruch gegen den Kläger zustehe. Mit der Stattgebung der Feststellungsklage wäre aber dem Zessionar die Grundlage dafür entzogen, die von der beklagten Partei behauptete Forderung als Gegenforderung gegen den Kläger geltend zu machen.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Darin wird im wesentlichen geltend gemacht, daß wegen der erfolgten Zession der behaupteten Forderung ein rechtliches Interesse des Klägers an der erhobenen Feststellungsklage gegenüber der beklagten Partei nicht gegeben sei. Bestand oder Nichtbestand der behaupteten Forderung könne vielmehr im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zessionar (Ha*) geklärt werden. Die Möglichkeit einer Rückzession sei unbeachtlich, weil es nicht auf mögliche Änderungen der Rechtsverhältnisse, sondern nur auf die derzeit gegebene Rechtslage ankomme.
Diesen Ausführungen ist grundsätzlich zuzustimmen. Auszugehen ist von der außerstreitgestellten Tatsache, daß die von der beklagten Partei behauptete Forderung gegen den Kläger bereits vor Erhebung der Feststellungsklage an Ha* abgetreten wurde. Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses unter der Voraussetzung geklagt werden, daß der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß Bestand oder Nichtbestehen jenes Rechtes oder Rechtsverhältnisses alsbald durch gerichtliche Entscheidung festgestellt werde. Das Recht oder Rechtsverhältnis, das zum Gegenstand der Feststellungsklage gemacht wird, muß nicht ein Recht zwischen den Parteien des Rechtsstreites sein; es kann auch ein Recht oder Rechtsverhältnis zwischen einer Partei und einem Dritten oder nur zwischen Dritten sein (Fasching ZP III 64, SZ 36/46, EvBl. 1957/150). Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß die gerichtliche Entscheidung über Bestand oder Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses gegenüber Dritten – von Ausnahmen abgesehen – nicht in Rechtskraft erwächst. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß eine stattgebende Entscheidung über die erhobene (negative) Feststellungsklage der Einwendung dieser Forderung als Gegenforderung durch Ha* in dem vom Kläger gegen diesen angestrengten Rechtsstreit die Grundlage entziehe, ist nicht richtig. Der Einzelrechtsnachfolger wird nur durch die Rechtskraftwirkung eines Urteiles getroffen, das bereits vor der Übertragung des Anspruches über diesen erging. Mit der Abtretung verliert der Zedent die Gläubigerstellung; diese geht vielmehr auf den Zessionar über, der von da an der wahre Gläubiger ist (hievon verschieden und für den vorliegenden Fall unwesentlich ist allerdings die Frage, wie lange der Schuldner noch mit befreiender Wirkung an den Zedenten zahlen darf; siehe Koziol‑Welser Grundriß3 214). Da die Erstreckung der Rechtskraftwirkung eines Urteiles auf den Einzelrechtsnachfolger auf dem Grundsatz beruht, daß niemand mehr Rechte erwerben kann, als der Vormann hatte, kann der Rechtsnachfolger nur durch die Rechtskraftwirkung eines Urteiles getroffen werden, das bereits vor der Übertragung des Anspruches über diesen erging (Fasching ZP III 729 ähnlich 1 Ob 58/75). Nach Eintritt der Einzelrechtsnachfolge wird aber der übertragene Anspruch durch eine Entscheidung in einem Verfahren zwischen dem Schuldner und dem Zedenten nicht mehr berührt.
Dieser Umstand muß bei Erhebung einer Feststellungsklage des Schuldners gegen den Zedenten bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob für diese Klage ein rechtliches Interesse im Sinn des § 228 ZPO gegeben ist. Dafür sind die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß der Kläger den Nachweis erbringen muß, daß gerade gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung gegeben ist (Fasching ZP III 64 f.). Dies hängt bei einer Zession wesentlich davon ab, ob im Innenverhältnis (zwischen Zedent und Zessionar) die Verfügungsgewalt über die Forderung beim Überträger blieb (z.B. bei der Inkassozession) oder nicht. Wenn das Verfügungsrecht über die Forderung nach dem Innenverhältnis beim Überträger der Forderung blieb, dann rechtfertigt dies ein rechtliches Interesse des Schuldners an einer Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes des Rechtes gegenüber dem (materiell weiterhin verfügungsberechtigten) Zedenten (SZ 36/46). Trifft das aber nicht zu, müssen zur Rechtfertigung des Feststellungsinteresses gegenüber dem Zedenten besondere Umstände des Falles behauptet und erwiesen werden. Die bloße Möglichkeit einer Rückzession rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses daran, daß Bestand oder Nichtbestand des Rechtes gegenüber dem Überträger alsbald festgestellt werde, nicht. Der Schuldner hat vielmehr – wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind – die Möglichkeit Bestand oder Nichtbestand der übertragenen Forderung durch Klage gegen den Übernehmer der Forderung zu klären, wobei im Fall einer späteren Rückzession die über diese Klage ergangene Entscheidung gegen den ursprünglichen Zedenten wirkt, weil dieser insoweit Einzelrechtsnachfolger des Zessionars (und Rückzedenten) ist.
Die Frage, ob die Einwendung der übertragenen Forderung als Gegenforderung in einem Rechtsstreit des Schuldners gegen den Übernehmer der Forderung die Annahme eines rechtlichen Interesses an der Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes dieser Forderung ausschließt, hat damit, gegen wen eine solche Feststellungsklage zu erheben ist, nichts zu tun. Gegen wen die Feststellungsklage erhoben werden kann, hängt vielmehr von der Art des der Zession zugrundeliegenden Innenverhältnisses (zwischen Zedent und Zessionar) ab. Bleibt darnach die Verfügungsberechtigung über die abgetretene Forderung beim Zedenten, kann die Klage gegen ihn erhoben werden. Wenn dies nicht der Fall ist, muß die Klage gegen den Übernehmer der Forderung gerichtet werden. Nur wenn besondere Umstände erwiesen werden, kann ein rechtliches Interesse daran, die Klage auch in diesem Fall gegen den Zedenten zu richten, gegeben sein. Solche Umstände wurden im vorliegenden Fall nicht einmal behauptet.
Es wurde aber nicht geklärt, welcher Art die außerstreitgestellte Zession war. Diese Frage ist wesentlich, weil es davon abhängt, ob ein rechtliches Interesse daran besteht, daß die Feststellungsklage gerade gegen die beklagte Partei (als Zedenten) erhoben wird (SZ 36/46). Da die Parteien die Vornahme der Zession außer Streit stellten und dazu, welcher Art sie war, nichts vorbrachten, diese Frage aber entscheidungswesentlich ist, hätte das Erstgericht im Rahmen der Prozeßleitung darauf hinwirken müssen, daß die tatsächlichen Angaben vervollständigt werden (§ 182 ZPO). Auf der Grundlage des bisher feststehenden Sachverhaltes kann das rechtliche Interesse der klagenden Partei an einer Feststellungsklage gegen die beklagte Partei weder bejaht noch verneint werden. Es mußte daher im Ergebnis bei der Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes verbleiben, weil die tatsächlichen Voraussetzungen noch nicht ausreichend geklärt sind.
Da aber der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zu einer wesentlichen Richtigstellung der darin vertretenen Rechtsansicht führte, sind die Kosten des Rekurses als weitere Verfahrenskosten zu behandeln (§ 52 ZPO).
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