OGH 4Ob3/76

OGH4Ob3/762.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Friedl sowie der Beisitzer Dr. Hans Gerbec und Dr. Karl Mosburger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* H*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Herbert Troyer, Rechtsanwalt in Salzburg wider die beklagte Partei Firma E*, *, vertreten durch Dr. Kurt Sexlinger, Rechtsanwalt in Salzburg wegen S 17.823,— samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 27. Oktober 1975, GZ 31 Cg 31/75‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 7. Juni 1975, GZ Cr 255/74‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00003.76.0302.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.479,68 (einschließlich S 80,— Barauslagen und S 103,68 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, er sei bei der beklagten Partei für die Zeit vom 8. April bis 31. Juli 1974 als Lohnbuchhalter angestellt, aber am 19. Juni 1974 entlassen worden, obgleich ein Entlassungsgrund nicht vorgelegen sei; jedenfalls sei die Entlassung verspätet erklärt worden.

Er begehrt an restlichen Bezügen für Juni und Juli 1974 samt anteilige Sonderzahlungen einen Betrag von S 17.823,— samt Anhang.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren nicht der Höhe, wohl aber dem Grunde nach, weil die Entlassung des Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt gewesen sei. Der Kläger habe zu Unrecht einen Lohnsteuerfreibetrag für sich in Anspruch genommen, habe Geschäftsunterlagen beiseite geschafft, um sie Konkurrenzunternehmen der beklagten Partei zur Verfügung zu stellen, und gegen die beklagte Partei Anzeigen erstattet. Die Entlassung sei auch rechtzeitig erfolgt; die beklagte Partei habe den Kläger nach Kenntnis der Entlassungsgründe sofort vom Dienst enthoben und nach Prüfung des Sachverhaltes ohne unnötigen Aufschub entlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Kläger wurde für die Zeit ab 1. Mai 1974 bis zum 31. Juli 1974 als Lohnbuchhalter bei der beklagten Partei angestellt. Anläßlich seiner Einstellung erklärte er, er befinde sich in ungekündigter Stellung, obwohl er tatsächlich am 20. März 1974 von seinem Dienstgeber entlassen worden war; über die Berechtigung dieser Entlassung war damals noch ein Streit anhängig.

Es gab bald Schwierigkeiten zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der beklagten Partei, weil der Kläger versuchte, Auskünfte einzuholen, und über Kollegen nachteilige Äußerungen machte. Es war auch zu einer Überprüfung durch das Finanzamt Salzburg gekommen. Da die letzte Prüfung erst kurze Zeit zurücklag, entstand der Verdacht, daß der Kläger eine Anzeige gemacht habe. Die Prüfer des Finanzamtes konnten nämlich mit genauen Informationen aufwarten. Auf Grund ihrer Äußerungen wurde die Geschäftsführung der beklagten Partei in ihrem Verdacht bestärkt, zumal sich in der Zwischenzeit herausgestellt hatte, daß der Kläger schon früher gegen andere Firmen mit Anzeigen beim Finanzamt vorgegangen war.

Im Hinblick auf diese Umstände teilte die beklagte Partei dem Kläger am 12. Juni 1974 mit, daß sie sich außerstande sehe, das Dienstverhältnis nach dem 31. Juli 1974 fortzusetzen; gleichzeitig beurlaubte die beklagte Partei den Kläger. An diesem Tag war es zu einem Zwischenfall gekommen, als der Kläger versucht hatte, beim Verlassen seines Arbeitsplatzes außer privaten Unterlagen auch Geschäftsunterlagen mitzunehmen; dabei handelte es sich um Aufzeichnungen über Bonus, Leistungszulagen und Gehälter einzelner Angestellter, Personaleinkäufe, Aufzeichnungen über Computerbedienung und Urlaube. Die beklagte Partei mußte die Polizei bemühen, um den Kläger zur Herausgabe dieser Unterlagen zu bewegen.

Inzwischen hatte die Firmenleitung der beklagten Partei die Überprüfung der Tätigkeit des Klägers feststellen müssen, daß sich dieser bei Berechnung seines Lohnsteuerfreibetrages zu seinen Gunsten geirrt hatte. In ihrem Schreiben vom 19. Juni 1974 warf die beklagte Partei dem Kläger daraufhin eine Lohnsteuerhinterziehung vor und entließ ihn unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 27 Angestelltengesetz. Die beklagte Partei wies auch noch darauf hin, daß sie „aus Kulanzgründen“ davon abgesehen habe, den Kläger schon wegen des Vorfalles bezüglich der versuchten Mitnahme von Firmenunterlagen zu entlassen, „jetzt aber nicht mehr gewillt sei, weitere Rücksichten zu nehmen“.

Nach seinem Ausscheiden bei der besagten Partei übermittelte der Kläger an die Firma R* eine Liste mit genauen Gehaltsangaben von Angestellten der beklagten Partei; in seinem Schreiben, das er mit der Aufschrift „vertraulich“ versehen hatte, bat der Kläger um Diskretion.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß bei der Prüfung der geltend gemachten Entlassungsgründe das gesamte Verhalten des Klägers berücksichtigt werden müsse. Das Gesamtverhalten des Klägers sei so gewesen, daß seine Handlungsweise dem Arbeitgeber als unaufrichtig und unehrlich erscheinen mußte. Deshalb habe die beklagte Partei den Kläger zuerst suspendiert und nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse zu Recht fristlos entlassen. Von einem Verzicht auf die geltend gemachten Entlassungsgründe könne keine Rede sein, da der Kläger zum Zweck der Untersuchung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe vom Dienst enthoben worden sei und vom Ergebnis dieser Überprüfung die weiteren Schritte der beklagten Partei abhängig gemacht werden sollten. Die Entlassung sei auch nicht verspätet ausgesprochen worden, da bei der Gesellschaftsform der beklagten Partei für die Entscheidung einer derartigen Angelegenheit ein Gremium zuständig sei und dieses das Ergebnis der eingeleiteten Untersuchung habe abwarten müssen.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte zusätzlich fest:

Der Kläger erstattete am 20. Juni 1974 – also einen Tag nach Ausspruch der Entlassung durch die beklagte Partei – eine Anzeige an das Finanzamt, in der er im wesentlichen die beklagte Partei beschuldigte, in einer Anzahl von konkret angegebenen Fällen zu wenig Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge zu verrechnen und abzuführen, sowie Arbeiten, die für den Firmeninhaber privat verrichtet worden seien, als Arbeiten für den Betrieb verrechnet zu haben. Der Kläger hat einen Großteil der dem Finanzamt angezeigten Fakten nicht vorher der beklagten Partei bekannt gegeben, sich aber schon während des Dienstverhältnisses Aufzeichnungen auf einem Notizzettel über Buchungsmängel bei der beklagten Partei gemacht. Diesen Zettel nahm er nach Hause mit und verwendete ihn als Grundlage für die Anzeige beim Finanzamt. Er hatte schon zur Zeit, als er den Notizzettel nach Hause mitnahm, die Absicht, die darin enthaltenen Angaben bei sich bietender Gelegenheit gegen die beklagte Partei zu verwenden. Der Kläger nahm auch Geschäftsunterlagen z. B. Aufzeichnungen über Gehälter leitender Angestellter der beklagten Partei am 12. Juni 1974 in der Absicht mit, diese Unterlagen an Konkurrenzunternehmen preiszugeben. Der Kläger versuchte während des Dienstverhältnisses, nicht nur Auskünfte über Mitarbeiter durch Ausfragen von Arbeitskollegen einzuholen, sondern beschuldigte auch fälschlich einen Arbeitskollegen im Büro die Arbeit zu vernachlässigen und statt dessen Zeitung zu lesen und französisch zu lernen. Der Kläger hat sich bei der unrichtigen Berechnung seiner eigenen Lohnsteuer nicht geirrt, sondern diese absichtlich zu niedrig berechnet.

Auf Grund dieses Sachverhaltes sah das Berufungsgericht den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gegeben. Dabei müsse das Gesamtverhalten des Klägers berücksichtigt werden. Die Berechtigung der Entlassung ergebe sich daraus, daß der Kläger durch seine Schnüffeleien und Verdächtigungen gegenüber Arbeitskollegen das Betriebsklima gestört, daß er seine Lohnsteuer (absichtlich) unrichtig zu seinen Gunsten berechnet und Geschäftsunterlagen in der Absicht beiseite geschafft habe, um sie gegen den Dienstgeber zu verwenden. Die Entlassung sei auch nicht verspätet erklärt worden. Darauf, den Kläger wegen des Beiseiteschaffens von Geschäftsunterlagen zu entlassen, habe die beklagte Partei trotz des Schreibens vom 19. Juni 1974 nicht verzichtet, weil damals noch nicht bekannt gewesen sei, daß der Kläger die Unterlagen zu dem Zweck mitgenommen habe, sie Konkurrenzunternehmen zur Verfügung zu stellen oder sonst gegen den Dienstgeber zu verwenden. Daß der Kläger einen Notizzettel mitnahm, um die darauf enthaltenen Angaben als Grundlage für eine Anzeige beim Finanzamt und bei der Krankenkasse zu verwenden, habe die beklagte Partei erst nach Ausspruch der Entlassung erfahren. Dieser Entlassungsgrund, der schon vor der Entlassung des Klägers von diesem gesetzt worden sei, sei daher keinesfalls verspätet geltend gemacht worden. Überdies sei die Entlassungserklärung auch sonst ohne unnötigen Aufschub erfolgt, als die beklagte Partei von Unregelmäßigkeiten des Klägers erfuhr. Hiebei müsse berücksichtigt werden, daß der Kläger sogleich, nämlich am 12. Juni 1974 vom Dienst enthoben worden sei, daß eine Klärung der Verdachtsmomente z. B. durch Überprüfung des Gehaltskontos erforderlich gewesen sei und der Personalchef, der zum Ausspruch der Entlassung nicht berechtigt gewesen sei, erst die Zustimmung der Geschäftsleitung habe einholen müssen. Daher sei der Aufschub der Entlassungserklärung bis zum 19. Juni 1974 sachlich begründet gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bringt in seiner Revision im wesentlichen vor, das Berufungsgericht habe zu Unrecht ein harmloses Befragen von Arbeitskollegen und die angebliche Mitnahme von Unterlagen als Entlassungsgrund gewertet und auch den Ausspruch der Entlassung zu Unrecht nicht als verspätet angesehen.

In der Begründung ihrer Auffassung geht aber die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Zunächst ist zu den Ausführungen, daß dem Kläger unrichtige Angaben anläßlich seiner Einstellung bei der beklagten Partei nicht vorgeworfen werden könnten, darauf zu verweisen, daß diese vom Berufungsgericht ohnehin nicht zur Begründung des Entlassungstatbestandes herangezogen wurden.

Dieser wurde vielmehr zunächst darauf gestützt, daß der Kläger durch seine Schnüffeleien und Verdächtigungen von Arbeitskollegen das Betriebsklima gestört habe. Diese Auffassung ist im festgestellten Sachverhalt begründet. Der Behauptung der Revision, der Kläger habe sich nur als neuer Dienstnehmer für seine künftigen Mitarbeiter interessiert, muß entgegengehalten werden, daß er nach dem festgestellten Sachverhalt über seine Arbeitskollegen nachteilige Äußerungen machte und einen Arbeitskollegen fälschlich beschuldigte, im Büro Zeitung zu lesen und französisch zu lernen, anstatt die Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen. Ein derartiges Verhalten kann entgegen der Auffassung der Revision nicht mehr als harmlos abgetan werden, da es tatsächlich geeignet ist, Unruhe und Unfrieden zwischen den Arbeitskollegen zu erzeugen, somit das Betriebsklima in einer den Interessen des Betriebes abträglichen Weise zu stören.

Der Kläger führt weiter aus, hinsichtlich der Mitnahme von Geschäftsunterlagen werde der Sachverhalt vom Berufungsgericht „unrichtig ausgelegt“ und „Ursache und Wirkung“ verwechselt; der Kläger habe nicht Unterlagen mitgenommen, um Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, sondern die Entlassung zum Anlaß genommen, Ordnungswidrigkeiten im Betrieb der beklagten Partei aufzuzeigen und eine andere Firma von verschiedenen Gehältern, die bei der beklagten Partei gezahlt werden, zu unterrichten. Diese Ausführungen stimmen aber in einem wesentlichen Punkt nicht mit dem vom Berufungsgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt überein, der für die rechtliche Beurteilung maßgeblich ist. Darnach wurde nämlich nicht Ursache und Wirkung im von der Revision behaupteten Sinn verwechselt, sondern ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß der Kläger die Unterlagen während des Dienstverhältnisses und noch vor Ausspruch der Entlassung schon in der Absicht nach Hause mitnahm, sie bei einer sich bietenden Gelegenheit gegen die beklagte Partei durch Erstattung von Anzeigen oder Weitergabe an Konkurrenzunternehmen zu verwenden. Die gegenteilige Behauptung des Klägers fand das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz unglaubwürdig und legte sie seinen Feststellungen nicht zugrunde. Sie kann daher im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Völlig übergangen wird in der Revision die weitere Feststellung, daß der Kläger absichtlich die Lohnsteuer zu seinen Gunsten unrichtig berechnete.

Wird von dem Sachverhalt ausgegangen, den das Berufungsgericht als erwiesen angenommen hat, dann ist auch dessen Ansicht zu billigen, daß der Kläger wegen Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG. zu Recht entlassen wurde. Bei diesem Entlassungsgrund kommt es weniger darauf an, ob der Dienstgeber tatsächlich geschädigt wurde, sondern darauf, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, daß seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien (ArbSlg 9091, 7078, 5813 u.a.). Maßgebend ist, ob das Verhalten des Dienstnehmers – nicht nach subjektivem Empfinden des Dienstgebers, sondern nach objektiven Maßstäben (ArbSlg 9091, 7078, SZ 33/85 u.a.) – das Vertrauen so schwer erschüttert hat, daß dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Angestellten nicht mehr zugemutet werden kann (ArbSlg 9091, 9073, 8733, 8449 u.a.). Hiebei muß das Gesamtverhalten des Dienstnehmers berücksichtigt und an das Verhalten eines Angestellten in gehobener Stellung ein strengerer Maßstab angelegt werden, als an das eines mit untergeordneten Tätigkeiten betrauten Dienstnehmers (ArbSlg 9091, 7332, 5813, SZ 25/122 u.a.). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Umstandes, daß dem Kläger als Lohnbuchhalter eine keineswegs untergeordnete Tätigkeit oblag, sondern er eine Stellung bekleidete, die allgemein eine über das durchschnittliche Maß hinausgehende Vertrauenswürdigkeit voraussetzt, ließ sein festgestelltes Verhalten die Befürchtung der beklagten Partei gerchtfertigt erscheinen, daß ihre Belange durch den Kläger gefährdet seien. Die Auffassung der Revision, daß die Angaben über die Gehälter der Angestellten der beklagten Partei keine Geschäftsunterlagen seien, an deren vertraulicher Behandlung der beklagten Partei ein berechtigtes Interesse zugebilligt werden könne, kann nicht geteilt werden. Es ist für ein Konkurrenzunternehmen durchaus nicht unwichtig zu wissen, welche Leistungen ein anderes Unternehmen seinen Angestellten – insbesondere den leitenden – gewährt, da sich verschiedene Entschlüsse (etwa bei der Kalkulation oder anläßlich eines tatsächlichen oder vermuteten Wechsels eines Dienstnehmers zu einem solchen Unternehmen) darnach richten können. Daß auch der Kläger selbst die Mitteilungen keineswegs als so unwichtig und uninteressant betrachtete, wie er sie nun in der Revision hinstellt, beweist der Umstand, daß er sie ausdrücklich als „vertraulich“ bezeichnete und den Empfänger um Diskretion bat.

Die weitere Behauptung der Revision, zur Zeit der „Beurlaubung“ des Klägers sei der gesamte Sachverhalt bekannt gewesen und jenes Organ, das die „Beurlaubung“ anordnete, sei auch zum Ausspruch der Entlassung berechtigt gewesen, steht wiederum im Gegensatz zum festgestellten Sachverhalt. Darnach war weder zur Zeit, als der Kläger vom Dienst enthoben wurde, noch als die Entlassung ausgesprochen wurde, der beklagten Partei bekannt, daß der Kläger Unterlagen in der Absicht mitnahm, diese gegen die beklagte Partei bei Anzeigen oder Mitteilungen an Konkurrenzunternehmen zu verwenden. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das Bekanntwerden des Zweckes der Mitnahme der Unterlagen die Handlungsweise des Klägers in einem anderen Licht erscheinen ließ und gerade dadurch die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit begründet wurde, ist zu teilen. Schon aus diesem Grund erweist sich der Einwand des Klägers, die Entlassung sei verspätet ausgesprochen worden und die beklagte Partei habe darauf verzichtet, die Mitnahme von Geschäftsunterlagen als Entlassungsgrund geltend zu machen, weil sie ihn am 19. Juni 1974 nur wegen einer Lohnsteuerhinterziehung entlassen und erklärt habe, auf die Entlassungsmöglichkeit wegen versuchter Mitnahme von Firmenunterlagen „aus Kulanzgründen“ zu verzichten, als nicht berechtigt. Wenn es auch richtig ist, daß ein Dienstgeber mit der Ausübung seines Entlassungsrechtes nicht wider Treu und Glauben, solange warten darf, daß der Angestellte aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muß, und der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im unklaren gelassen werden darf (ArbSlg 9091, 8047, SZ 24/280 u.a.), ist für den Kläger damit nichts gewonnen, weil diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall nicht zutreffen. Der Vorwurf eines ungebührlich langen Zuwartens oder die Annahme eines Verzichtes des Dienstgebers auf die Geltendmachung von Entlassungsgründen ist nämlich nur dann begründet, wenn der den Entlassungsgrund darstellende Sachverhalt dem Dienstgeber bereits bekannt ist oder dieser doch in der Lage ist, ihn ohne weiteres zu klären. Das traf hier nicht zu. Es wurde vielmehr erst durch das spätere Verhalten des Klägers, nämlich die Erstattung von Anzeigen und die Weitergabe an Konkurrenzunternehmen, erkennbar, zu welchem Zweck und aus welchem Grund der Kläger Firmenunterlagen mit sich nahm. Der Entlassungstatbestand wurde somit vom Kläger schon vor Ausspruch der Entlassung gesetzt, aber erst später (voll) bekannt.

Ob die Entlassung, nach den zur Zeit ihrer Erklärung bereits bekannten Umständen berechtigt gewesen wäre, ist nicht wesentlich, weil es nur darauf ankommt, ob der Entlassungsgrund zu dieser Zeit gegeben war, nicht aber darauf, ob er dem Dienstgeber überhaupt schon bekannt war. Die Entlassungserklärung kann nämlich auch ohne Angabe von Gründen erfolgen (ZAS 1975 Heft 1, S. 30, ArbSlg 7843, 6250, 5736, 5200, SZ 24/280 u.a.). Es ist daher unerheblich, ob der Dienstgeber die Entlassungserklärung begründete oder ob die dabei angegebene Begründung auch die Entlassung rechtfertigte. Der Dienstgeber kann vielmehr – sofern nicht besondere Umstände einen schlüssigen Verzicht bewirken – die Begründung der Entlassung auch noch später angeben, vervollständigen oder ändern, und dazu auch einen Sachverhalt heranziehen, der zur Zeit der Entlassungserklärung bereits gesetzt wurde, ihm aber damals noch oder noch nicht vollständig bekannt war. Das traf im vorliegenden Fall hinsichtlich der Mitnahme von Geschäftsunterlagen zu, weil der vom Kläger damit verfolgte Zweck und seine Absicht, die bereits zur Zeit gegeben waren, als er die Unterlagen mitnahm, erst nach der Entlassungserklärung dem Dienstgeber erkennbar wurden. Es ist daher nicht richtig, daß die beklagte Partei durch die in der Entlassungserklärung angegebene Begründung darauf verzichtet habe, diesen Tatbestand als Entlassungsgrund heranzuziehen, oder daß die Entlassung verspätet ausgesprochen worden sei. Damit ist aber auch nicht mehr wesentlich, ob die Entlassungserklärung trotz der erfolgten Dienstenthebung des Klägers – wie die Revision behauptet, –nicht als ohne unnötigen Aufschub ausgesprochen zu beurteilen wäre. Sie erfolgte jedenfalls wegen des erst später bekannt gewordenen Zweckes der Mitnahme von Geschäftsunterlagen, die auch die bereits bekannten Handlungen des Klägers im Rahmen des zu berücksichtigenden Gesamtverhaltens in einem neuen Licht erscheinen ließen, rechtzeitig.

Da somit die Entlassung des Klägers aus einem gerechtfertigten Grund und rechtzeitig erfolgte, wurde sein Klagebegehren nach Zahlung des Entgeltes zwischen der Entlassung und dem vorgesehenen Ende des Dienstverhältnisses mit Recht abgewiesen. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 ZPO.

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