European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00510.76.0212.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Im Umfange der Abweisung des Eventualklagebegehrens hinsichtlich des Teilbetrages von 938.766,98 S samt 5 % Zinsen aus 933.334,50 S seit 1. Juli 1974 und 5 % Zinsen aus 4.592,48 S seit 1. März 1973 wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die hierauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten;
2. den
B e s c h l u ß
gefaßt :
Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil und das Ersturteil werden im Umfange der Abweisung eines Eventualklagebegehrens von 272.758,88 S samt 5 % Zinsen seit 1. Jänner 1973 und im Kostenpunkt aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war vom 21. September 1962 bis 22. Mai 1970 Geschäftsführer der U* Gesellschaft mbH (in der Folge kurz U* genannt), die (offenbar schon in der Zeit seiner Geschäftsführung) für die Klägerinnen den Brauhof in * ausbaute und ausstattete und hiefür mit Faktura vom 16. Dezember 1964 den Betrag von 9,542.700,-- S verrechnete und von den Klägerinnen bezahlt erhielt. Nach Verurteilung der U* zur Rechnungslegung führte eine weitere Klage zum rechtskräftigen Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. November 1972, womit sie zur (Rück-)Zahlung von 1,777.784,01 S samt 5 % Zinsen seit 1. Jänner 1965 und Prozeßkosten von 272.758,88 S an die Klägerinnen verpflichtet wurde. Da die inzwischen liquidierte U* keine Zahlung leistete, erwirkten die Klägerinnen auf Grund dieses Urteiles unter anderem die Exekution durch Pfändung und Überweisung der der U* gegen den Beklagten als ehemaligem Geschäftsführer zustehenden Forderung wegen Verletzung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht beim Ausbau und der Ausstattung des Brauhofes * „auf Schadenersatz im Betrage von 1,777.784,01 S und 272.758,88 S, zusammen auf 2,050.542,89 S“. Im jetzigen Rechtsmittelverfahren nehmen die Klägerinnen als Überweisungsgläubigerinnen den Beklagten als Drittschuldner aus dem Titel des § 25 GmbHG mit dem Betrag von 1,211.525,86 S in Anspruch, der sich aus Zinsen der ihnen gegen die U* zuerkannten Forderung im Betrag von 933.334,50 S sowie den ihnen in jenem Prozeß zuerkannten Prozeßkosten von 272.758,88 S und den Kosten der Exekution von 4.592,48 S zusammensetzt (und dann richtig allerdings 1,210.685,86 S ausmacht).
Das Erstgericht wies (neben dem nicht mehr streitverfangenen Hauptbegehren auch) dieses Eventualbegehren ohne Aufnahme von Beweisen zur Frage eines Verschuldens des Beklagten an der nach dem Gutachten im Vorprozeß allerdings fehlerhaften Rechnung der U* mit der Begründung ab, daß der Letzteren durch die Verurteilung im Vorprozeß zur Zahlung von Zinsen und Kosten an die Klägerinnen kein Schaden erwachsen sei, weil sie bisher auf Grund dieses Urteiles keinerlei Zahlungen an die Klägerinnen geleistet habe und sogar noch dadurch bereichert sei, daß von ihr nicht einmal die zu Unrecht verrechneten und vereinnahmten Beträge zurückbezahlt wurden.
Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Klägerinnen nicht Folge. Es übernahm die (im wesentlichen bereits dargestellten) Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und hielt die Rechtssache gleichfalls im Sinne der Abweisung des Eventualbegehrens für spruchreif. Einerseits hätten die den Klägerinnen im Urteil gegen die U* zugesprochenen Zinsen von 5 % jährlich nicht jenen Entgang von Zinsen für eigenes Kapital oder die bei einer Aufnahme von Fremdkapital zu leistenden Zinsen überstiegen, die der U* bei sofortiger Rückzahlung der Forderung der Klägerinnen aufgelaufen wären; da überdies nicht einmal feststehe, daß die U* die zur Rückzahlung erforderlichen Mittel zur Verfügung gehabt hätte oder sich anderweitig hätte verschaffen können, sei hinsichtlich der Zinsen weder ein Schaden der U* noch ein Verschulden des Beklagten bewiesen. Andererseits sei die Prozeßführung nicht völlig aussichtslos gewesen, sodaß dem Beklagten kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, daß er es darauf habe ankommen lassen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erheben die Klägerinnen die Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Eventualklagebegehrens (der nach herrschender Rechtsansicht für den Fall der Bejahung von Feststellungsmängeln den Antrag auf Aufhebung der untergerichtlichen Urteile in sich schließt).
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Hinsichtlich der Zinsenforderung ist die Abweisung des Eventualklagebegehrens aus anderen als den von den Untergerichten herangezogenen Gründen richtig: Die Revisionswerberinnen stützen ihr Begehren auf die Pfändung und Überweisung der Forderung der U* gegen den Beklagten aus dem Rechtstitel des § 25 GmbHG. Sie können demnach diese Drittschuldnerklage nur im Umfang der von ihnen erwirkten Exekutionsbewilligung erheben, weil ihnen für allfällige weitere, nicht überwiesene Ansprüche der U* gegen den Beklagten die Anspruchsberechtigung fehlt. Diese Frage der Aktivlegitimation gehört hier zur Schlüssigkeit des Klagsvorbringens, die auch ohne ausdrückliche Einwendung zu prüfen ist (SZ 30/38, SZ 34/186 ua).
Nach den durch den Inhalt der Exekutionsakten bestätigten Feststellungen des Erstgerichtes wurde den Revisionswerberinnen die Exekution zwar zur Hereinbringung unter anderem ihrer Zinsenforderung aus dem Urteil vom 2. November 1972 bewilligt, aber durch Pfändung und Überweisung der der U* gegen den Beklagten zustehenden Forderung wegen Verletzung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht ... auf Schadenersatz nur im Betrage von 1,777.784,01 S (ohne Zinsen!) und 272.758,88 S ohne einen Vorbehalt, daß die gepfändete Forderung mehr oder weniger betragen könne. Aus der Gegenüberstellung der beiden Teilbeträge der gepfändeten Forderung mit den Ziffern der vollstreckbaren Forderung der Revisionswerberinnen gegen die U* ergibt sich im Zusammenhang mit dem Herrühren beider Forderungen aus dem Bauvorhaben Brauhof * ohne jeden Zweifel, daß die gepfändete Schadenersatzforderung der U* gegen den Beklagten den Regreß dieser Gesellschaft mbH (Verpflichtete) gegen ihren Geschäftsführer (Drittschuldner) wegen Verletzung seiner kaufmännischen Sorgfaltspflicht genau im Umfang der der U* gegen die Klägerinnen zur Zahlung aufgetragenen Kapitals- und Prozeßkostenforderung zum Gegenstand hat. Es fehlt dann aber an einer exekutiven Inanspruchnahme des Beklagten als Drittschuldner hinsichtlich seiner allfälligen Pflicht zum Ersatz der weiteren, der U* im Urteil vom 2. November 1972 zur Zahlung an die Klägerinnen auferlegten Forderung an Zinsen. Eine solche denkbare Ersatzforderung der U* gegen den Revisionsgegner wurde zugunsten der Klägerinnen weder gepfändet noch ihnen zur Einziehung überwiesen. Das Pfandrecht erstreckt sich nämlich zwar allgemein auch auf die Nebenrechte und besonders auf die Zinsen der gepfändeten Forderung (§ 457 ABGB, § 299 EO; Klang in Klang² II 463, Heller-Berger-Stix in Neumann-Lichtblau EO4 2229 f; EvBl 1956/196). Aber beim hier gepfändeten Anspruch auf Schadenersatz bilden die Zinsen keinen Anhang zur Hauptforderung, sondern einen selbständigen Teil der Hauptforderung selbst, der von dem – gar nicht eingeklagten – anderen Teil unabhängig ist (vgl. Fasching II 341 zu § 54, 1 JN). Die Revisionswerberinnen können somit in diesem Umfang die ihnen fremd gebliebenen Rechte eines Dritten (der U*) nicht geltend machen.
Insoweit war demnach die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen berechtigt, ohne daß auf die sonstigen strittigen Fragen einzugehen war.
Anders verhält es sich mit der im Wege der Drittschuldnerklage geltend gemachten Forderung der U* auf Ersatz der ihr zur Zahlung an die Klägerinnen auferlegten Prozeßkosten. Daß diese Regreßforderung zugunsten der Revisionswerberinnen gepfändet und ihnen zur Einziehung überwiesen wurde, ist nicht zweifelhaft, weil einerseits die zweite in der Exekutionsbewilligung angeführte gepfändete Forderung auf den Groschen genau mit den Prozeßkosten der Klägerinnen übereinstimmt, zu deren Zahlung die U* verurteilt worden war, und andererseits der in der Exekutionsbewilligung angeführte Rechtstitel der gepfändeten Forderung der U* gegen den Beklagten, nämlich die Pflicht zum Schadenersatz wegen Verletzung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers der Gesellschaft mbH. „beim Ausbau des Brauhofes * ...“ zwanglos auch auf die infolge dieser Sorgfaltsverletzung entstandenen Prozeßkosten bezogen werden kann. Hinsichtlich dieses Teiles der zur Einziehung überwiesenen Forderung bleibt somit die Berechtigung des von den Revisionswerberinnen als Überweisungsgläubigerinnen geltend gemachten Schadenersatzanspruches der U* gegen den Beklagten als ihren früheren Geschäftsführer nach § 25 GmbHG zu prüfen.
Auszugehen ist davon, daß infolge der Überweisung der Forderung der U* nun die Revisionswerberinnen insoweit zur Geltendmachung und Eintreibung der allfälligen Ersatzforderungen gegen den Beklagten als früheren Geschäftsführer berechtigt sind. Nach § 25 GmbHG wäre der Revisionsgegner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn er der Gesellschaft gegenüber bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt hätte (Abs. 1 und 2), und zwar, da der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, ohne Rücksicht auf einen ihn deckenden Beschluß der Gesellschafter (§ 25 Abs. 5) oder einen im Innenverhältnis geschlossenen Vergleich oder Verzicht der Gesellschaft (§ 25 Abs. 7, § 10 Abs. 6 GmbHG).
Entgegen der Meinung des Revisionsgegners ist die Geltendmachung dieser Haftung trotz der sonstigen Haftungsbeschränkungen der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH zulässig, weil der Gläubiger der Gesellschaft infolge der Überweisung die gepfändete Forderung der Letzteren gegen ihren Geschäftsführer geltend macht. Der kann selbstverständlich auch nicht davon abhängen, ob in dem gegen die Gesellschaft mbH. geführten Exekutionsverfahren diese als Verpflichtete oder ihr Geschäftsführer (der Beklagte) als Drittschuldner die gepfändete Forderung anerkannt oder bestritten haben.
Der Drittschuldner hat sich zwar auf Antrag des betreibenden Gläubigers über die gepfändete Forderung zu erklären (§ 301 EO), und der Verpflichtete hat dem betreibenden Gläubiger, dem die Forderung überwiesen wurde, die zur Geltendmachung der überwiesenen Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben (§ 306 Abs. 1 EO). Aber es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß eine Bestreitung der Verpflichtung durch den (Dritt-)Schuldner eine in Wahrheit bestehende Forderung nicht beeinflussen kann; vielmehr haftet ja der Drittschuldner nach § 301 Abs. 3 EO dem betreibenden Gläubiger sogar für den Schaden, der aus einer wissentlich unwahren oder unvollständigen Erklärung entsteht. Dasselbe gilt für die Verweigerung der dem Verpflichteten in § 306 Abs. 1 EO auferlegten Auskunft (Heller-Berger-Stix in Neumann-Lichtblau EO4 2196). Ein vorausgegangener Vergleich oder Verzicht wäre nach den oben angeführten Bestimmungen den Gläubigern gegenüber unwirksam.
Der Standpunkt des Erstgerichtes, daß der U* auch durch die Verurteilung zur Zahlung von Prozeßkosten an die Klägerinnen ein Schaden nicht erwachsen sei, weil die Schuldnerin bisher keine Zahlung geleistet habe, ist nicht zu billigen. Schon das Entstehen einer Verbindlichkeit bedeutet eine Minderung des Vermögens und damit einen Vermögensnachteil im Sinne des § 1293 ABGB (SZ 35/83, EvBl 1974/287 uva). Das gilt auch, wenn das Vermögen einer Gesellschaft mbH, deren Gläubiger die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 25 GmbHG. geltend machen, bereits durch Schulden aufgezehrt ist. In diesem Fall besteht der Schaden in der Vergrößerung der Überschuldung (SZ 45/46 ua). Daher kommt es für das Bestehen der den Klägerinnen überwiesenen Forderung der U* auf Schadenersatz weder darauf an, ob der Beklagte die U* seinerzeit durch Verschaffung eines ungerechtfertigten Vorteiles bereichert hat, noch darauf, daß sie diesen Vorteil wegen zwischenweiliger Zahlungsunfähigkeit und Liquidation nicht zurückbezahlt hat.
Es kann aber auch der Rechtsansicht der zweiten Instanz nicht zugestimmt werden, daß dem Beklagten aus der Prozeßführung der U* gegen die Klägerinnen kein Vorwurf zu machen sei. Abgesehen davon, daß zu dieser Frage bloß der Inhalt des Vorprozesses festgestellt wurde und die Tatsache nichts besagt, daß die U* erst nach Einholung von Sachverständigengutachten im Prozeß unterlegen ist, muß der Beklagte auch schon sein dieser Prozeßführung vorangegangenes Verhalten bei der nach dem Urteil im Vorprozeß in mehrfachen Punkten falschen Rechnungslegung verantworten, sodaß ihn ein Verschulden am Entstehen der Prozeßkostenschuld der U* ungeachtet der für einen Unbeteiligten allenfalls vertretbaren Prozeßführung schon dann trifft, wenn ihm die Unrichtigkeit der Rechnung bekannt war oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bekannt sein mußte. Das Urteil im Vorprozeß schließt allerdings das Gegenteil nicht aus, weil der Beklagte an jenem Verfahren nicht Partei war, so daß sich die Rechtskraft des Urteiles nicht auf ihn und seine allfällige Ersatzpflicht im Innenverhältnis erstreckt.
Die eingewendete Verjährung der Ersatzforderung kommt nicht in Betracht, weil die Prozeßkostenschuld der U* erst mit dem gegen sie ergangenen Urteil vom 2. November 1972 entstanden ist, sodaß die fünfjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 6 GmbHG nicht einmal noch heute abgelaufen ist.
Es bedarf daher der Aufnahme von Beweisen und der Vornahme ergänzender Feststellungen darüber, ob der Beklagte bei der Rechnungslegung der U* über den für die Klägerinnen hergestellten Ausbau und die Ausstattung des Brauhofes in * die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewendet hat und bejahendenfalls weiters darüber, ob seine Prozeßführung für die U* bei seiner Kenntnis des Sachverhaltes Aussicht auf Erfolg hatte.
Hinsichtlich der Exekutionskosten geht die Forderungsexekution der Revisionswerberinnen ebenso und aus den gleichen oben erörterten Gründen wie bei der Zinsenforderung ins Leere. Nur die Forderung auf Rückersatz der Prozeßkosten, nicht aber jene auf Ersatz der erst gleichzeitig entstandenen Exekutionskosten wurde den Revisionswerberinnen überwiesen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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