OGH 7Ob505/76

OGH7Ob505/7612.2.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* R*, vertreten durch Dr. Johann Fahrner, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Ing. A* B* jun., *, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert 113.210,92 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. November 1975, GZ 3 R 142/75‑16, womit infolge der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18. Juni 1975, GZ 1 Cg 609/74‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00505.76.0212.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 4.459,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 259,20 S Umsatzsteuer und 960,— S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Prokurist der Firma A*Handelsgesellschaft m.b.H. In dieser Eigenschaft vereinbarte er am 13. November 1973 mit dem Kläger als Verkäufer den Ankauf eines Möbelkastenaufbaues um 152.635,12 S, wobei der Kaufpreis in drei Raten gezahlt werden sollte. Nach Übergabe des LKWs, mit dem Möbelkastenaufbau erfolgte am 11. Februar 1974 eine Kaufpreisratenzahlung von 50.000,— S durch die A*handelsgesellschaft m.b.H. weitere Zahlungen unterblieben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Herausgabe des Möbelkastenaufbaues. Der Beklagte könne sich von dieser Leistung durch Bezahlung des noch aushaftenden Kaufpreisrestbetrages von 113.210,92 S samt Anhang befreien. Nach dem Klagsvorbringen sei zwischen dem Kläger und der A*handelsgesellschaft m.b.H, Eigentumsvorbehalt an dem Aufbau bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vereinbart worden. Der Beklagte habe in Kenntnis dieses Eigentumsvorbehaltes den Möbelkastenaufbau erworben, so daß er zur Herausgabe verpflichtet sei.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung, bestritt das Zustandekommen eines Eigentumsvorbehaltes und behauptete, den Aufbau von der Firma A* gutgläubig erworben zu haben.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Hiebei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Nach vorangegangenen Besprechungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten im November 1973 fand der Vertragsabschluß in den Räumen des W* Geschäftes der A*handelsgesellschaft m.b.H. statt. Der Beklagte war hiebei als Prokurist dieser Firma zugegen. Es wurden genaue Einzelheiten über die Ausführung des Möbelkastenaufbaues festgelegt. Der Bestellschein wurde in je einer Ausfertigung vom Kläger und von der Geschäftsführerin der A*handelsgesellschaft m.b.H., H* A*, unterfertigt. Zusammen mit dem Bestellschein übergab der Kläger dem Beklagten die Verkaufs- und Lieferbedingungen, die einen Eigentumsvorbehalt des Klägers bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorsahen. Nach der Übergabe des montierten Möbelkastenaufbaues im Jänner oder Februar 1974 erhielt die Firma A* die Rechnung im Betrage von 152.635,12 S. Dieser Rechnung war nochmals ein Abdruck der Verkaufs- und Lieferbedingungen beigeschlossen, wobei auf den Eigentumsvorbehalt auch in der Rechnung hingewiesen wurde. Gegen diese Rechnung erfolgte keinerlei Einwendung seitens des Beklagten oder der Geschäftsführerin H* A*. Der vom Kläger gelieferte Aufbau ist auf dem Lastwagen aufgeschraubt und kann leicht wieder abgenommen werden.

Das Erstgericht bejahte die wirksame Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes bezüglich des Aufbaues und verneinte einen im Sinne des § 367 ABGB oder § 366 HGB gutgläubigen Erwerb des Beklagten, weil er bei Vertragsabschluß mit dem Kläger verhandelt und die Geschäfts- und Lieferbedingungen ausgefolgt erhalten habe und auch in der an die Firma A*handelsgesellschaft m.b.H. gesandten Rechnung auf den Eigentumsvorbehalt hingewiesen worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000,— S übersteigt. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei.

In seiner Revision macht der Beklagte den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO geltend. Er beantragt, das angefochtene Urteil und allenfalls auch das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs‑ oder das Erstgericht zurückzuverweisen, allenfalls das berufungsgerichtliche Urteil im Sinne der Klagsabweisung abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Daß der genaue Zeitpunkt des Erwerbes des Aufbaues durch den Beklagten nicht festgestellt wurde, bildet keinen als unrichtige rechtliche Beurteilung zu wertenden Feststellungsmangel. Der Beklagte hat als Tag dieses Erwerbes den 21. Mai 1974 angegeben (S 10). Entgegen der Behauptung des Revisionswerbers zog das Erstgericht (S 35 f.) nicht in Zweifel, daß der Beklagte den Aufbau nach Erhalt der Rechnung (Beilage ./C) erworben hatte, sondern allenfalls, daß dies vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma A* geschehen wäre. Daß der Beklagte den Aufbau lange nach Zugang der Rechnung erworben hat, ist unbestritten und wurde von den Untergerichten ihren Entscheidungen zugrunde gelegt, weil beide von einer Kenntnis des Beklagten von der Rechnung bei Erwerb des Aufbaues ausgehen. Dies hat der Beklagte in seiner Berufung auch gar nicht bekämpft, weshalb eine diesbezügliche Anfechtung in der Revision schon deshalb aussichtlos wäre.

Entscheidend kann aber nur sein, ob die Rechnung dem Beklagten vor Erwerb des Aufbaues zugegangen ist. Da dies vom Erstgericht angenommen und vom Beklagten in der Berufung nicht bekämpft worden ist, liegt der behauptete Feststellungsmangel nicht vor.

Auch die Ausführungen der Revision über das Nichtzustandekommen eines Eigentumsvorbehaltes sind nicht stichhältig. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß der Hinweis des Bestellscheines (Beilage B) auf die Verkaufs- und Lieferbedingungen des Klägers auf eine Art angebracht worden wäre, die ihn unbeachtlich erscheinen ließe. Daß die Firma des Lieferanten und der Vertragsgegenstand durch besonders große und fettgedruckte Buchstaben hervorgehoben sind, ist nicht unüblich und befreit den Unterfertiger der Urkunde nicht von der Pflicht, auch den übrigen Text zu lesen. Dieser Text ist nicht so umfangreich, daß Auslassungen bei halbwegs sorgfältigem Lesen verständlich wären. Die Buchstaben des Hinweises auf die Verkaufs- und Lieferbedingungen weisen ungefähr die gleiche Größe auf wie die Buchstaben des übrigen Textes. Von einer Unzumutbarkeit der Kenntnisnahme dieses Hinweises kann sohin keine Rede sein.

Derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, macht den durch seine Unterschrift gedeckten Text auch dann zum Inhalt seiner Erklärung, wenn er den Text nicht gekannt hat (JBl 1954, 335; EvBl 1973/15, RZ 1961, 70 u.v.a.). Vertragsbedingungen, die nicht ganz ungewöhnlich und auch nicht versteckt auf irgendeiner Urkunde angebracht sind, müssen vom Empfänger der Urkunde, der selbst Kaufmann ist, beachtet und abgelehnt werden, soll er nicht als mit ihnen einverstanden angesehen werden (Bydlinski in Klang2 IV/2, 472; EvBl 1968/211; SZ 41/16; SZ 18/144 u.a.).

Richtig haben die Untergerichte erkannt, daß bei Lieferung eines mehr als 100.000,– S kostenden Gegenstandes auf Kredit die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes üblich ist. Der Eigentumsvorbehalt wurde daher zwischen dem Kläger und der Firma A* wirksam vereinbart. Da er mangels voller Bezahlung des Kaufpreises nicht erloschen ist, hätte der Beklagte Eigentum an dem Aufbau nur nach § 367 ABGB oder § 366 HGB erwerben können. Beide Bestimmungen setzen aber Gutgläubigkeit des Erwerbers voraus. Der gute Glaube im Sinne des § 367 ABGB besteht in der Überzeugung vom Eigentum des Vormannes. Bloße Unkenntnis des Mangels im Recht des Vormannes begründet noch keinen guten Glauben; diese Unkenntnis muß entschuldbar sein. Der Erwerber hat also Arglist und jeden Grad von Fahrlässigkeit zu vertreten (Klang2 II/223; Koziol-Welser 3II/59 f., EvBl 1961/521; SZ 23/379 u.v.a.). Wird bewiesen, daß der Besitzer entweder schon aus der Natur der an sich gebrachten Sache oder aus anderen Verhältnissen einen gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzes hätte schöpfen können, so muß er als ein unredlicher Besitzer die Sache dem Eigentümer gemäß § 368 ABGB abtreten. Erwerb im guten Glauben findet daher überall dort nicht statt, wo irgendein Merkmal den Erwerbsakt als objektiv verdächtig erscheinen läßt (Klang2 II/227). Ein Kaufmann ist beim Erwerb von Gegenständen, die häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, zu besonders sorgfältiger Nachforschung verpflichtet; er muß die Behauptung des Verkäufers, Eigentümer der Ware zu sein, durch Einsicht in die entsprechenden Urkunden überprüfen (HS IV, 49; V, 28).

Der Beklagte, dem die Vorgänge bei Lieferung des Aufbaues und dessen Kreditierung bekannt waren, wäre daher vor dessen Erwerb verpflichtet gewesen, sich durch Einsicht in die ihm seinerzeit übergebenen Lieferbedingungen darüber zu vergewissern, ob sich die Lieferfirma das Eigentum an dem Aufbau vorbehalten hatte. Eine Passivität in diesem Punkte begründet eine den guten Glauben ausschließende Fahrlässigkeit.

Hiezu kommt, daß das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt hat, gutgläubiger Erwerb des Beklagten liege nicht vor, weil er durch die Rechnung zusätzlich auf den Eigentumsvorbehalt hingewiesen worden sei (S 37). In diesen Ausführungen liegt die Feststellung, daß der Beklagte durch die Rechnung auf den Eigentumsvorbehalt hingewiesen wurde, er diese Rechnung sohin kannte. An diese vom Berufungsgericht übernommene Feststellung ist der Oberste Gerichtshof gebunden.

War aber dem Beklagten durch die Rechnung bekannt, daß die Lieferfirma Eigentumsvorbehalt behauptet, so stellte es eine grobe Fahrlässigkeit dar, wenn er bei Ankauf des Aufbaues die Richtigkeit dieser Behauptung nicht überprüfte.

Auf § 367 ABGB kann daher der Beklagte sein behauptetes Eigentum nicht stützen.

§ 366 HGB ist zwar insoferne milder, als er guten Glauben nur bei Unkenntnis infolge großer Fahrlässigkeit ausschließt. Grobe Fahrlässigkeit ist ein Verhalten, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt wurde und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im konkreten Fall ohne besondere Aufmerksamkeit und ohne besonders gründliche Überlegung jedem einleuchtet. Besonders hohe Anforderungen sind an den guten Glauben beim Erwerb von Waren zu stellen, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt veräußert werden (HS VII, 41; JBl 1968, 571; SZ 20/182 u.v.a.). Bei dem festgestellten Sachverhalt muß demnach die Fahrlässigkeit des Beklagten als solche grober Art angesehen werden. Der Beklagte hat sohin auch nicht nach § 366 HGB Eigentum erworben.

Sohin war der unbegründeten Berufung der Erfolg zu versagen.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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