European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00112.75.0909.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Prozeßgerichtes erster Instanz wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 2.231,‑‑ (einschließlich S 44,‑‑ Barauslagen und S 972,‑‑ Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens und S 2.054,64 (einschließlich S 480,‑‑ Barauslagen und S 116,64 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 23.207,70 samt 9 % Zinsen seit 21. April 1973. Sie behauptete im wesentlichen, der Beklagte sei auf Grund der mit ihr am 12. Jänner 1973 getroffenen Vereinbarung anstelle von A* in den mit dieser am 25. April 1971 geschlossenen Vertrag eingetreten und habe sich verpflichtet, bis 31. Dezember 1976 916 kg Kaffee der Sorte „Wiener Mischung“ in gleichen Teilmengen kontinuierlich abzunehmen und den zu diesem Zeitpunkt noch offenen Restbetrag von S 23.673,‑‑ eines Darlehens zurückzubezahlen, das A* zur Anschaffung einer Espressomaschine „L*“ gewährt worden sei. Der Beklagte habe nämlich Ende 1972 den Pensions-, Kaffe- und Restaurantbetrieb in B* von A* gekauft und u.a. auch die erwähnte Espressomaschine übernommen, an welcher der Klägerin bis zur Bezahlung des Darlehensrestes Sicherungseigentum zustehe. Im Feber 1973 habe der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, er stelle nach Anschaffung einer neuen Kaffeemaschine die Espressomaschine „L*“ der Klägerin zur Verfügung und betrachte die Vereinbarung vom 12. Jänner 1973 als gegenstandslos. Er sei nicht bereit gewesen, den mit ihm geschlossenen Vertrag einzuhalten, weshalb die Klägerin diesen Vertrag mit 20. April 1973 vorzeitig aufgelöst habe. Nach der getroffenen Vereinbarung sei sie, die Klägerin, bei vorzeitiger Vertragsauflösung berechtigt, die gesamte noch nicht ausgelieferte Kaffeemenge dem Beklagten anzubieten und ihm den jeweils geltenden Großverbraucherpreis in Rechnung zustellen; sie begnüge sich jedoch derzeit, den in diesem Preis inbegriffenen Darlehensrest von S 23.207,70 und die vereinbarten Verzugszinsen von 9 % p.a. geltend zu machen. Hilfsweise stützte die Klägerin ihr Klagebegehren auch auf § 1409 ABGB.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen folgendes ein:
Der in der Klage genannte Darlehensbetrag stelle in Wahrheit eine gesetzlich unzulässige Zugabe dar. Er habe mit der Klägerin nur vereinbart, die Kaffeemaschine solange benützen zu dürfen als er von ihr Kaffee beziehe. Dementsprechend habe er auch, sobald er dazu in der Lage gewesen sei, selbst eine Maschine zu kaufen, mit Schreiben vom 16. Februar 1973 das Vertragsverhältnis mit der Klägerin aufgelöst. Im übrigen habe ihn der Vertreter der Klägerin über den Wert der Maschine in Irrtum geführt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge, das Gericht zweiter Instanz wies es in Stattgebung der Berufung des Beklagten ab.
Im wesentlichen haben die Untergerichte folgenden Sachverhalt übereinstimmend festgestellt:
Mit dem Vertrag vom 25. Februar 1971 verpflichtete sich A*, damals Inhaberin eines mit einer Pension verbundenen Caferestaurants in B*, von der Klägerin bis 31. Dezember 1976 1.300 kg Kaffee der Sorte „Wiener Mischung“ in gleichen Teilmengen zu beziehen. Die Klägerin sollte das Recht haben, den jeweiligen Großverbraucher‑Listenpreis in Rechnung zu stellen, der bei Vertragsschluß S 106,‑‑ pro kg betrug, und bei Zahlungsverzug 9 % Zinsen p.a. zu begehren. Punkt 10 der Vereinbarung lautete:
„Sie (Klägerin) erklären sich bereit, uns (A*) beim Erwerb von einer Espressomaschine der Firma L* in der Form zu unterstützen, daß Sie gegen Nachweis einer Zahlung von S ... durch uns an die Lieferfirma die restlichen S 33.600,‑‑ direkt an die Lieferfirma bezahlen und gleichzeitig das von dieser vorbehaltene Eigentum zu folgenden Bedingungen erwerben: a) Sie werden ein auf unseren Namen lautendes Konto Septo eröffnen, mit dem o.a. Betrag belasten und uns für jedes von Ihnen bezogene und von uns bezahlte Kilo Kaffee der Sorte Wiener Mischung S 25,85 gutschreiben, b) .... c) Bei vorzeitiger Vertragsauflösung geben wir das Nutzungsrecht auf, verzichten auf den Einwand des Betriebsbedarfes und geben die Maschine heraus, sofern wir nicht binnen einer Woche die gesamte noch nicht angelieferte Kaffeemenge abgenommen und bezahlt oder unseren o.a. Schuldsaldo abgedeckt haben".
Schon vor Abschluß dieser Vereinbarung hatte A* bei der Firma L* eine Espressomaschine zum Bruttopreis von S 54.000,‑‑ gekauft und dem Geschäftsführer dieser Firma erklärt, sie werde sich wegen der Finanzierung des Kaufpreises noch „um eine Kaffeefirma umsehen“. Nach dem Vertragsabschluß zwischen der Klägerin und A* setzte die Firma L* den Kaufpreis der Espressomaschine um 40 % (Großhandelsrabatt) auf S 33.600,‑‑ herab. Der in Punkt 10 des Vertrages genannte Betrag („Unterstützungsbeitrag“) finanzierte somit den Kaufpreis der Maschine vollkommen. Die Firma L* lieferte die Maschine an A* und die Klägerin bezahlte der Lieferantin den gesamten Rechnungsbetrag von S 33.600,‑‑.
A* bezog insgesamt 384 kg Kaffee von der Klägerin. Ihre Abnahmeverpflichtung verringerte sich dadurch schließlich auf 916 kg und ihr Schuldenstand betrug letztlich S 23.678,60 (916 x 25,85).
Um die Jahreswende 1972/73 übertrug A* ihr Unternehmen auf den Beklagten und dieser übernahm gegenüber A* und schließlich auch gegenüber der Klägerin die Verpflichtung, anstelle von A* in den Vertrag vom 25. Februar 1971 einzutreten („einzusteigen“). Er unterfertigte einen gleichartigen Vertragsvordruck, nachdem er den Vertrag zwischen der Klägerin und A* durchgelesen hatte und damit einverstanden war. Die noch abzunehmende Kaffeemenge von 916 kg und der Preis von S 106,‑‑ pro kg wurden in dem von ihm unterfertigten Vertragsvordruck eingesetzt. Punkt 9 des Vertragsvordruckes lautet:
„Falls ein Teil die o.a. Bestimmungen nicht einhält, ist der andere Teil nach eingeschriebener schriftlicher Abmahnung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist berechtigt, diese Vereinbarung vorzeitig für aufgelöst zu erklären. Falls die Vertragsauflösung von uns (Beklagten) zu vertreten ist, sind wir bereit, die gesamten noch nicht ausgelieferten Kaffeemengen promt abzunehmen“.
Der im übrigen mit der Vereinbarung zwischen der Klägerin und A* gleichlautende Punkt 10 des Vertrages der Streitteile wurde nicht vollständig ausgefüllt, es wurde aber der Betrag von S 23.673,‑‑ als Leistung der Klägerin an die Firma L* eingesetzt.
Bei den Gesprächen der Streitteile, die zum Vertragsabschluß führten, wurde nicht erwähnt, daß die Espressomaschine einen Neuwert von S 67.000,‑‑ habe.
Der Beklagte bezog bis zum 12. Februar 1973 insgesamt 18 kg Kaffee von der Klägerin; dadurch verringerte sich der Schuldsaldo aus der Finanzierung der Kaffeemaschine auf S 23.207,70.
Mit Schreiben vom 16. Februar 1973 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er eine andere Kaffeemaschine gekauft habe und daher der Klägerin seine bisherige, seinen Wünschen nicht entsprechende Maschine zur Verfügung stelle; mit der Zurückstellung der Maschine seien keine wie immer gearteten gegenseitigen Forderungen zwischen ihm und der Klägerin mehr offen.
Der Vertreter der Klägerin stellte dem Beklagten mit eingeschriebenem Brief vom 6. April 1973 eine letzte Frist bis 20. April 1973 zur Einhaltung des Vertrages, nach deren fruchtlosen Ablauf die Vereinbarung aufgelöst werde. Der Beklagte hat diese Frist nicht genützt.
Das Erstgericht folgerte aus diesem Sachverhalt, daß die Espressomaschine von A* gekauft worden sei und daß die Klägerin ihr den Kaufpreis vorgestreckt habe. Es stelle eine Besonderheit des Vertrages zwischen der Klägerin und A* dar, daß die Schuld an die Klägerin aus der Finanzierung des Kaufpreises der Maschine durch Gutschriften für jedes abgenommene Kilogramm Kaffee abgedeckt werden konnte; die Zurückzahlungsverpflichtung des Kaffeekäufers werde dadurch nicht beseitigt. Der Beklagte sei mit allen Rechten und Pflichten in den Vertrag zwischen der Klägerin und A* eingetreten. Die Klägerin habe auf Grund der Weigerung des Beklagten, den Vertrag zu erfüllen, berechtigt den Vertrag vorzeitig aufgelöst und vom Beklagten die Bezahlung des offenen Restbetrages verlangt. Gemäß Punkt 9 des Vertrages könne sie die Abahme der gesamten noch nicht bezogenen Kaffeemenge verlangen.
Das Berufungsgericht war jedoch der Aufassung, eine Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin den bei der Firma L* ausgelegten Betrag durch bare Rückzahlung zu decken, gehe aus der Vereinbarung der Streitteile nicht hervor; es werde deshalb von der Klägerin durch das Begehren auf Rückzahlung des von ihr vorgestreckten Betrages in barem die Leistung auf eine „nicht bedungene Weise“ gefordert. Ungeachtet des Umstandes, daß die Klägerin allenfalls durch die Geltendmachung der Abnahmeverpflichtung den ausgelegten Betrag zurückerhalten könne, erscheine demnach das Klagebegehren als unbegründet. Da die Rechtsbeziehungen der Parteien durch einen besonderen Vertrag geregelt seien, könne sich die Klägerin nicht auf den Rechtsgrund des § 1409 ABGB berufen.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die „Berufung“ des Beklagten „abgewiesen“ wird, und dem Hilfsbegehren, es aufzuheben und „der Unterinstanz“ die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Das Berufungsgericht ging bei seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Erstgericht von der richtigen Überlegung aus, daß die Klägerin gemäß Punkt 9 der Vereinbarung der Streitteile berechtigt ist, vom Beklagten die Abnahme der gesamten, noch nicht abgerufenen und deshalb auch nicht ausgelieferten Kaffeemenge zu verlangen. Dennoch verwehrte es der vertragstreuen Klägerin, den in Verzug befindlichen beklagten Vertragspartner zur Erfüllung des Vertrages durch Zahlung zu zwingen, weil es von der irrigen Annahme ausging, eine bare Zurückzahlungsverpflichtung des Beklagten in Ansehung des von der Klägerin bei der Firma L* ausgelegten Betrages gehe aus der Vereinbarung der Parteien nicht hervor, die Klägerin begehre deshalb eine „nicht bedungene“ Leistung. Das Berufungsgericht übersah dabei jedoch, daß der Beklagte mit seinem Abrufverzug und seiner Abnahmeverweigerung zugleich auch in Schuldnerverzug geriet, weil er nach Punkt 3 des Vertrages den jeweiligen Kaufpreis der gelieferten Kaffeemenge Zug um Zug zu bezahlen gehabt hätte und in diesem Preis jeweils die entsprechende Rückzahlungsrate des von der Klägerin ausgelegten Darlehens zur Anschaffung der Espressomaschine enthalten sein sollte. Mit dem Abruf- und Annahmeverzug des Beklagten traf daher sein Schuldnerverzug bezüglich der Zahlung des Preises der gesamten noch nicht abgerufenen Kaffeemenge zusammen, in welchem auch der noch offene Darlehensbetrag enthalten ist. Da die Klägerin erfüllungsbereit ist und infolge der Weigerung des Beklagten, den Vertrag zuzuhalten, ihren vertraglichen Anspruch auf Abnahme und damit auch Bezahlung der gesamten noch nicht abgenommenen Kaffeemenge und des noch nicht abgedeckten Darlehensbetrages vereinbarungsgemäß geltend machen kann, ist der Beklagte zur Erfüllung des Vertrages in dem von der Klägerin einstweilen geltend gemachten Umfang zu verurteilen. Der vertragliche Anspruch der Klägerin auf Abnahme der noch nicht bezogenen Kaffeemenge ist sicherlich nur eine – seit dem Judikat Nr. 179 (alt) von der Rechtsprechung kontinuierlich im Grundsätzlichen so behandelte und von der herrschenden Lehre auch gebilligte (Koziol-Welser, Grundriß3 I, 183; Bydlinski in Klang2 IV/2, 353 ff) – unklagbare Forderung aus einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten, denn es ist nicht erkennbar, daß ein konkretes Interesse der Klägerin vorliegt, bei dem ihr mit den Rechtsfolgen des bloßen Annahmeverzuges nicht gedient wäre und ein klagbarer Abnahmeanspruch bejaht werden müßte (vgl. Bydlinski aaO, 357). Sie hat aber jedenfalls ihren Anspruch gegen den Beklagten auf Bezahlung auch dann, wenn dieser sich in Abruf – und damit Annahmeverzug befindet (vgl. Koziol-Welser aaO, 183) und dadurch die Leistung der Klägerin selbst verhindert (vgl. Bydlinski in JBl 1973, 290).
Aus diesen Erwägungen ist der Revision der Klägerin Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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