VwGH Ra 2024/09/0013

VwGHRa 2024/09/001319.4.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Rieder, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr. Simone Metz und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 42/6, gegen das am 3. Oktober 2023 mündlich verkündete und am 2. November 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. November 2023, VGW‑171/024/2751/2022‑13, betreffend Versehrtenrente nach dem Unfallfürsorgegesetz 1967 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 2 - Personalservice), den Beschluss gefasst:

Normen

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024090013.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der im Jahr 1964 geborene Revisionswerber ist Beamter der Stadt Wien und befindet sich seit 30. September 2020 im Ruhestand. Am 2. Oktober 2019 erlitt er als damaliges Mitglied der Berufsfeuerwehr bei einer dienstlichen Bootsüberstellung vom Wasserstandpunkt D zum Wasserstandpunkt E einen Unfall, wobei er mit dem linken Fuß umknickte. Mit Bescheid vom 24. Jänner 2022 stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gemäß § 7 Abs. 6 Unfallfürsorgegesetz 1967 (UFG 1967) fest, dass es sich bei diesem Vorgang um einen Dienstunfall gehandelt habe, und erkannte dem Revisionswerber gemäß § 6 UFG 1967 für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Oktober 2021 eine näher bezifferte Versehrtenrente zu.

2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien nach einer unter Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen durchgeführten mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ‑ mit der Maßgabe einer Modifikation der Feststellung zum Unfallhergang ‑ keine Folge. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für den Revisionsfall von Bedeutung - zum Begehren einer Versehrtenrente auf Dauer zusammengefasst aus, dass durch den festgestellten Dienstunfall die Erwerbsfähigkeit des Revisionswerbers über Oktober 2021 hinaus nicht um 20% sondern um nur mehr 10% gemindert gewesen sei und somit ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 UFG, wonach eine Grundrente zustünde, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten „durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der Versehrtheit hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist“, nicht mehr gegeben sei. Beweiswürdigend stützte das Verwaltungsgericht seine Feststellungen zu den Unfallfolgen auf das von ihm schlüssig erachtete Gutachten des von ihm zugezogenen nichtamtlichen Sachverständigen Dr. F. samt den diesbezüglichen Erörterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.

4 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 52 Abs. 1 AVG die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann gemäß § 52 Abs. 3 leg. cit. die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.

7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht in seinem Verfahren entgegen § 52 Abs. 2 und 3 AVG den bereits von der erstinstanzlichen Behörde bestellten (nichtamtlichen) Sachverständigen Dr. F. herangezogen habe, obwohl er schon in der Beschwerde darum ersucht habe, einen nichtamtlichen Sachverständigen beizuziehen, der in der gegenständlichen Angelegenheit bis dato noch nicht befasst worden ist. Zu dieser Problematik liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, zumal sich dazu zitierte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (nur) mit der Frage der Befangenheit von Amtssachverständigen beschäftigt hätten.

8 Soweit er in der Beiziehung desselben nichtamtlichen Sachverständigen durch das Verwaltungsgericht eine Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens iS des Art. 6 EMRK sieht und dazu unsubstantiiert vorbringt, dass „der in erster Instanz zugezogene Sachverständige, der eine Expertise abgegeben hat, in aller Regel nicht von dieser abgeht, diese also auch in der zweiten Instanz verteidigt,“ und dies als Geltendmachung einer Befangenheit des Sachverständigen verstanden werden kann, ist festzuhalten, dass eindeutige Hinweise wie etwa, dass ein Sachverständiger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen können; jeder Vorwurf der Befangenheit hat allerdings konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Dieser Grundsatz gilt auch betreffend die Ablehnung eines nichtamtlichen Sachverständigen nach § 53 Abs. 1 AVG. Eine Befangenheit eines Sachverständigen muss rechtzeitig geltend gemacht werden. Spätere Ablehnungsanträge sind gemäß § 53 Abs. 1 letzter Satz AVG nur dann zulässig, wenn die Partei neben der geltend gemachten Befangenheit auch glaubhaft macht, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren hat oder wegen eines für sie unüberwindlichen Hindernisses nicht hat geltend machen können (vgl. zu alldem VwGH 30.1.2019, Ra 2018/06/0020; VwGH 7.3.2022, Ra 2020/12/0047, und VwGH 21.6.2017, Ra 2017/03/0016). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren erstmals gegen den Sachverständigen gerichteten pauschal gehaltenen Vermutungen nicht gerecht.

9 Des Weiteren hat der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Beiziehung von Amtssachverständigen der Verwaltungsbehörden durch ein Verwaltungsgericht für sich allein nicht gegen Art. 6 EMRK verstößt, und zwar auch dann nicht, wenn dieser Amtssachverständige bereits in einem früheren Verfahrensstadium von den Verwaltungsbehörden beigezogen worden war (VfSlg 19902/2014, mwN zur Rsp. des EGMR). Da die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen erst recht auf die Bestellung von nichtamtlichen Sachverständigen zu übertragen sind, hat sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Auffassung auch bereits im Fall der neuerlichen Beiziehung desselben nichtamtlichen Sachverständigen angeschlossen (vgl. etwa VwGH 8.11.2023, Ra 2022/12/0060, mwN, insbesondere VwGH 24.5.2022, Ra 2021/03/0167). Die Revision enthält im Übrigen kein substantiiertes Vorbringen, warum im vorliegenden Fall Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen bestehen sollten. Der Umstand allein, dass ein Sachverständiger bereits vor der Verwaltungsbehörde beigezogen worden war, hinsichtlich einer vom Verwaltungsgericht für notwendig erachteten Beiziehung des Sachverständigen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vermag für sich allein jedenfalls keine Rechtsfrage aufzuwerfen, der grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. dazu nochmals VwGH 8.11.2023, Ra 2022/12/0060, und VwGH 29.5.2019, Ra 2018/06/0085).

10 Auch soweit der Revisionswerber vermeint, § 52 Abs. 2 und 3 AVG würden derBeiziehung desselben nichtamtlichen Sachverständigen entgegenstehen, und dazu vorbringt, das Verwaltungsgericht habe weder mitgeteilt, dass Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen würden, noch habe es ihn aufgefordert mitzuteilen, bis zu welchem Kostenbetrag er die Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen zu leisten gewillt wäre, entfernt er sich vom Akteninhalt: Entgegen dem Vorbringen in der Revision, bereits in der Beschwerde um die Beziehung eines (weiteren) nichtamtlichen Sachverständigen ersucht zu haben, „dies natürlich nur für den Fall, für den kein Amtssachverständiger zur Verfügung stehen sollte“, wurde in der Beschwerde vom ihm ausdrücklich ersucht, „jedenfalls einen nichtamtlichen Sachverständige beizuziehen und zwar selbst für den Fall, für den Amtssachverständige zur Verfügung stehen“.

11 Insofern im Zulässigkeitsvorbringen überdies die Unterlassung der beim Verwaltungsgericht beantragten Zuziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Radiologie gerügt wird, ist dem Revisionswerber zunächst zu entgegnen, dass bereits das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu diesem Beweisantrag zutreffend bemerkt hat, dass kein Anspruch auf Beiziehung eines Facharztes bzw. eines Facharztes bestimmter Richtung besteht, weil es nur auf die Begründung und die Schlüssigkeit des Gutachtens ankommt (VwGH 6.9.1988, 87/12/0179; und VwGH 16.11.1994, 94/12/0158). Außerdem vermag der Revisionswerber allein mit dem Vorbringen dazu, „dass offensichtlich unterschiedliche Sichtweisen der Bilddokumente unter anderem mitursächlich für die unterschiedlichen Einschätzungen der Sachverständigen gewesen wären“ (gemeint zwischen dem gerichtlich beigezogenen Sachverständigen Dr. F. und dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Privatgutachter Dr. G.), die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur Schlüssigkeit des Gutachtens Dris F. nicht zu erschüttern und keinen für den Ausgang des Verfahrens relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen (vgl. zur notwendigen Relevanzdarstellung u.a. VwGH 30.12.2016, Ra 2016/17/0267).

12 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. April 2024

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