VwGH Ra 2022/09/0053

VwGHRa 2022/09/005310.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentlichen Revisionen des 1. Ing. A B und 2. Ing. C B, beide in D sowie 3. der E Gesellschaft m.b.H. in F, alle vertreten durch die Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Europaplatz 7, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. März 2021, 1. LVwG‑S‑205/001‑2020 und 2. LVwG‑S‑206/001‑2020, jeweils betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Normen

AuslBG §26 Abs6 idF 2019/I/104
AuslBG §28 Abs1 lita idF 2020/I/098
AuslBG §28 Abs6 idF 2020/I/098
AuslBG §28 Abs6 Z1 idF 2020/I/098
AuslBG §28 Abs6 Z2 idF 2020/I/098
B-VG Art133 Abs4
VStG §9 Abs7
VwGG §26 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090053.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit den nach mündlicher Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnissen sprach das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, in Abänderung der die Verwaltungsstrafverfahren gegen diese gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einstellenden Bescheide, den Erst- und den Zweitrevisionswerber als handelsrechtliche Geschäftsführer und damit als nach § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organe der drittrevisionswerbenden Partei schuldig, sie hätten es zu verantworten, dass jene als Auftraggeberin die Erbringung einer Leistung, nämlich die Verlegung von Estrichplatten und Rigolen auf einer näher bezeichneten Baustelle in Wien, für die die drittrevisionswerbende Partei als Generalunternehmerin fungiert habe, mit Auftrag vom 20. März 2019 an ein namentlich genanntes Unternehmen weitergegeben habe, ohne dass das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung zweier namentlich genannter albanischer Staatsangehöriger mit Kalenderwoche 14, 1. April 2019, aufgefordert worden sei, binnen einer Woche die nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erforderlichen Berechtigungen bzw. Ausnahmebewilligungen für die Ausländer nachzuweisen. Für die zum Kontrollzeitpunkt 16. April 2019 auf dieser Baustelle als Arbeitnehmer entgegen § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) beschäftigten Ausländer sei keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen. Der Erst- und der Zweitrevisionswerber hätten hiedurch jeweils in zwei Fällen eine Übertretung des § 26 Abs. 6 AuslBG begangen, weshalb das Verwaltungsgericht über sie gemäß § 28 Abs. 6 Z 2 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG in jedem dieser Fälle eine Geldstrafe von 1.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängte.

2 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. Februar 2022, E 1861‑1862/2021‑7, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist die Revision gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die revisionswerbenden Parteien sehen die Zulässigkeit ihrer ‑ in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen ‑ Revisionen zusammengefasst in der Klärung der Fragen gelegen, ob der Auftraggeber im Fall einer falschen Rückmeldung in Bezug auf die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nach § 26 Abs. 6 AuslBG nur dann bestraft werden dürfe, wenn er von der Unrichtigkeit der Auskunft durch den Auftragnehmer gewusst habe. Dahingehende Feststellungen habe das Verwaltungsgericht nicht getroffen, wohingegen die revisionswerbenden Parteien ihrer Pflicht, das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung aufzufordern, binnen einer Woche die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen, nachgekommen sei. Das Verwaltungsgericht unterstelle hingegen der Regelung des § 26 Abs. 6 AuslBG, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer explizit zur Bekanntgabe von Namen und Staatsangehörigkeit sämtlicher auf der Baustelle Beschäftigter aufzufordern habe. Sofern der Auftragnehmer ‑ wie im gegenständlichen Fall ‑ rückmelde, dass er keine Ausländer beschäftige, sei der Auftraggeber jedoch seiner Sorgfaltspflicht nach § 26 Abs. 6 AuslBG nachgekommen und habe keine weitergehenden Anfragen an den Auftragnehmer zu richten, der wiederum nicht zusätzlich nachzuweisen habe, dass er nur inländische Arbeitskräfte beschäftige.

7 Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, § 26 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, § 28 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2020, lauten (auszugsweise):

„Überwachung, Auskunfts- und Meldepflicht

§ 26. (1) ...

(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, hat das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung aufzufordern, binnen einer Woche die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen. Kommt das beauftragte Unternehmen dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, hat das Auftrag gebende Unternehmen umgehend die Zentrale Koordinationsstelle zu verständigen.

...

Strafbestimmungen

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1. wer

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot‑Weiß‑Rot – Karte‘, ‚Blaue Karte EU, Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer (‚ICT‘), Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer (‚mobile ICT‘), Aufenthaltsbewilligung ‚Familiengemeinschaft‘ mit Zugang zum Arbeitsmarkt (§ 20f Abs. 4)‘ oder ‚Niederlassungsbewilligung – Künstler‘ oder keine ‚Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus‘, keine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, keinen Befreiungsschein (§ 4c) oder keinen Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ oder ‚Daueraufenthalt – EU‘ besitzt, oder

...

(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, ist neben dem beauftragten Unternehmen gemäß Abs. 1 Z 1 zu bestrafen, wenn es

1. die Übertretung des von ihm unmittelbar beauftragten oder ‑ im Fall der Auftragsweitergabe ‑ jedes weiteren beauftragten Unternehmens bei der Auftragserfüllung wissentlich geduldet hat, oder

2. seiner Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 6 nicht nachgekommen ist.

...“

8 Erst- und Zweitrevisionswerber wurden vom Landesverwaltungsgericht einer Übertretung nach § 28 Abs. 6 Z 2 AuslBG für schuldig erkannt, also dafür, dass sie ihrer Verpflichtung nach § 26 Abs. 6 AuslBG nicht nachgekommen waren. Nach der zuletzt genannten Bestimmung hat das die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergebende Unternehmen, das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung aufzufordern, binnen einer Woche die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen und sofern das beauftragte Unternehmen dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, die Zentrale Koordinationsstelle zu verständigen.

9 Die Frage der den Tatbestand nach § 28 Abs. 6 Z 1 AuslBG betreffenden Wissentlichkeit einer Beschäftigung von Ausländern entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes stellt sich in diesem Zusammenhang daher nicht.

10 Soweit in der Revision jedoch die Ansicht vertreten wird, dass die revisionswerbenden Parteien ohnedies nach auf der Baustelle beschäftigten Ausländern gefragt und insofern eine unrichtige Antwort erhalten hätten, geht dieses Vorbringen nicht von dem im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt aus, weshalb schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/09/0063; 3.9.2019, Ra 2019/01/0325, je mwN).

11 So stellte das Verwaltungsgericht unmissverständlich fest, dass weder der handelsrechtliche Geschäftsführer noch ein anderer Vertreter des beauftragten Unternehmens seitens der revisionswerbenden Parteien aufgefordert worden sei, bekannt zu geben, ob im Zuge der gegenständlichen Arbeiten ausländische Arbeiter, nämlich solche, die nicht dem EWR‑Raum angehören, herangezogen würden. Der handelsrechtliche Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens habe dem Erst- oder dem Zweitrevisionswerber gegenüber auch nie verneint, dass von ihm ausländische Arbeiter für diese Baustelle herangezogen würden (S 14 des angefochtenen Erkenntnisses).

12 Auf die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen zu einer unrichtigen Verneinung der Verwendung von Ausländern durch das beauftragte Unternehmen oder der Erforderlichkeit sich von sämtlichen vom beauftragten Unternehmen eingesetzten Arbeitnehmern deren Berechtigung nachweisen lassen zu müssen, kommt es im vorliegenden Fall daher entscheidungswesentlich nicht an. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof im Revisionsverfahren jedoch nicht berufen (so etwa bereits VwGH 27.6.2018, Ra 2018/09/0065, mwN).

13 Selbst wenn man die ‑ nach richtiger rechtlicher Beurteilung ohnedies nicht ausreichende ‑ weiters festgestellte und verneinte Frage des Bauleiters der drittrevisionswerbenden Partei an den Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens, „ob er eh keine Illegalen“ habe, mit der anschließenden Aufforderung, er solle ihm „die Anmeldungen schicken“, genügen lassen wollte, würde dies zu keiner anderen Beurteilung führen, wurden doch nach den weiteren Feststellungen anschließend weder „Papiere“ übermittelt, noch wurde dieser Umstand von den revisionswerbenden Parteien weiter verfolgt. Nach dem klaren Wortlaut des § 26 Abs. 6 letzter Satz AuslBG wäre in einem solchen Fall jedoch umgehend die Zentrale Koordinationsstelle zu verständigen gewesen.

14 In der Revision werden insoweit somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15 Der drittrevisionswerbenden Partei hingegen mangelt es bereits an ihrer Revisionslegitimation, war sie doch nicht Adressat der angefochtenen Erkenntnisse, weil diese keinerlei normativen Abspruch über deren Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über die handelsrechtlichen Geschäftsführer verhängten Geldstrafen enthalten (siehe VwGH 14.5.2020, Ra 2020/11/0043; 24.10.2018, Ra 2017/10/0198; sowie VwGH 2.7.2010, 2007/09/0267, VwSlg. 17.936 A/2010, zum Ausländerbeschäftigungsgesetz).

16 Die Revisionen waren daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 10. Juni 2022

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